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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 5 U 72/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 177
BGB § 242
Tritt der Geschäftsführer eines Unternehmens zur Besicherung gegen ihn persönlich gerichteter Verbindlichkeiten Forderungen des Unternehmens an einen Gläubiger ab, ohne - was der Gläubiger weiß - über eigenes Vermögen zu verfügen, kann regelmäßig von einem für den Gläubiger evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht ausgegangen werden.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 72/04

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Mai 2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Itzehoe - 5 O 135/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilsausspruch des landgerichtlichen Urteils wie folgt neu gefasst wird:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.846,73 € nebst Zinsen in Höhe von 11,25 % auf 2.482,67 € seit dem 4. Juli 2003, auf 1.587,51 € seit dem 5. August 2003 sowie auf 785,55 € seit dem 4. September 2003 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die zu I. a) der zu UR-Nr. 241/2003 A des Notars Dr. A., beurkundete Abtretung von Miet- und Pachteinnahmen aus den der Klägerin gehörenden Grundvermögen "S.-Straße" in A. und "P.-feld 5" in L. an die Beklagte unwirksam ist.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine mit dem Erwerb und der Verwertung von Immobilien beschäftigte Kommanditgesellschaft, begehrt gegenüber der Beklagten, einer Bank, die Feststellung der Unwirksamkeit einer Forderungsabtretung sowie Schadensersatz.

An der Klägerin waren laut § 3 des Gesellschaftsvertrages vom 3. März 1999 (K 1, Bl. 9 ff. d. A.) neben weiteren Personen die Bankkaufleute Jörn B. und Marcus K. als persönlich haftende Gesellschafter beteiligt - beide kapitalmäßig jedoch nur in Höhe von 5 % - und gemäß § 4 des Vertrages jeweils zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB berechtigt. Daneben war der Kaufmann Jörn B. zeitweise auch an diversen anderen Gesellschaften beteiligt, teilweise zusammen mit dem Kaufmann K., zugleich jeweils auch Geschäftsführer. Zur Sicherung eines persönlich der Beklagten "aus Krediten und Bürgschaften" geschuldeten Betrags von 835.526,47 € schloss Jörn B. mit der Beklagten - diese seinerzeit vertreten durch ein Inkasso-Unternehmen, die X. KG - am 12. Februar 2003 zu UR-Nr. 241/2003 des Notars Dr. A. (K 2, Bl. 15 ff. d. A.) eine Abtretungsvereinbarung, mit welcher er diverse eigene Forderungen, aber auch Forderungen von Unternehmen, an welchen er beteiligt war, an die Beklagte zur Sicherung abtrat, in diesem Zusammenhang auch "die Miet- oder Pachteinnahmen" aus den im Eigentum der C & D KG, also der Klägerin, stehenden Objekten "S.-Straße, A." sowie "P.-feld 5, L.". Beim Vollzug dieser Abtretung vereinnahmte die Beklagte die Mieten aus den beiden Immobilien A. und L. für die Monate Juli, August und September 2003 in Höhe von insgesamt 4.876,73 €. B. schied im Sommer 2003 aus der Klägerin aus.

Die Klägerin hält die notarielle Abtretungsvereinbarung für unwirksam. Zum einen handele es sich bei diesen Objekten in A. und L. um ihr gesamtes Vermögen, über welches B. hinsichtlich der Mieteinnahmen ohne Kenntnis der Mitgesellschafter und insbesondere des weiteren Komplementärs treuwidrig verfügt habe. Zum anderen sei er hierzu von der die Beklagte vertretenden X. KG geradezu genötigt worden. Insbesondere aber habe sich dieser - und folglich im Wege der Zurechnung letztlich der Beklagten - aufdrängen müssen, dass B. hierbei unter formaler Ausnutzung seiner Vertreterstellung missbräuchlich zu ihren - der Klägerin - Lasten gehandelt habe. Soweit die Forderungen zwischenzeitlich an andere sicherungsabgetreten worden seien, habe es entsprechende Rückabtretungen bzw. Ermächtigungen zum Forderungseinzug gegeben.

Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich weiterer Einzelheiten verwiesen wird, hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Abtretungsvereinbarung vom 12. Februar 2003 sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da sie durch erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht zustande gekommen sei. Der Beklagten habe sich nämlich aufdrängen müssen, dass B. persönliche Verbindlichkeiten aus ganz anderen Zusammenhängen mit Forderungen sichern wolle, die nicht ihm allein, sondern lediglich den von ihm vertretenen Unternehmen zuständen.

Gegen dieses der am Beklagten am 21. Mai 2004 zugestellte Urteil hat diese am 9. Juni 2004 rechtzeitig Berufung eingelegt und diese nachfolgend form- und fristgerecht wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei ein Vertretungsmissbrauch für den für sie letztlich handelnden Zeugen X. keinesfalls evident gewesen. Jedenfalls habe dieser keine Kenntnis von einem Vollmachtsmissbrauch gehabt (Beweis: Zeugnis X.).

Bessere Kenntnis ihrerseits ergebe sich auch nicht aus einer seinerzeit der X. KG vorliegenden Vermögensübersicht (B 4, Bl. 125 f. d. A.), da sich aus dieser zwar die Beteiligung des B. an anderen Gesellschaften ergäbe, keinesfalls aber genauere Kenntnis über deren Vermögensverhältnisse.

Auch müsse der Urteilstenor des landgerichtlichen Urteils wenigstens in Ansehung der in diesem Rechtsstreit nur beschränkten Anfechtbarkeit der Abtretung durch die Beklagte eingeschränkt werden.

Die Beklagte beantragt,

das am 18. Mai 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Itzehoe - 5 O 135/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihr bisheriges Vorbringen wie folgt:

Dass eine die Eigentumsverhältnisse hinreichend zuordnende Vermögensübersicht der Beklagtenseite vorgelegen habe, folge zum einen aus der Bezugnahme der Anlage B 4 auf entsprechende Ergänzungsblätter(B 4, Bl. 129 d. A.) und zum anderen auch aus der entsprechenden Bestätigung einer "Zuordnung der einzelnen Objekte" im Schreiben der X. KG vom 9. Mai 2004 (BE 2, Bl. 162 d. A.) sowie bereits zuvor in deren Schreiben vom 25. April 2003 (BE 1, Bl. 159 f. d. A.). Entsprechende Kenntnisse habe auch der die Urkunde vom 12. Februar 2003 aufnehmende Notar Dr. A. gehabt, da an diesen die Ergänzungsblätter durchgefaxt worden seien (Beweis: Zeugnis Dr. A.; Zeugin S., ehem. Angestellte der X. KG; Zeugnis B.).

Auch sei es unüblich, sich gerade Mieteinkünfte abzutreten zu lassen, die bei kreditfinanzierten Objekten typischerweise bereits an die jeweiligen Kreditgeber abgetreten worden seien. Dass dies geschehen sei, weise auf entsprechende einschlägige Erkundigungen durch die X. KG hin (Beweis für diese auch Zeugnis B.).

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die jeweils beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht ist das Landgericht hinsichtlich der zur UR-Nr. 41/2003A des Notars Dr. A. am 12. Februar 2003 erfolgten Abtretung der der Klägerin zustehenden Miet- oder Pachtzinsforderungen aus den Objekten "S.-Straße, A." sowie "P.-feld 5, L." durch den seinerzeit für die Klägerin handelnden Komplementär B. an die Beklagte von einem für diese - d. h. für die Beklagte handelnde X. KG - hinreichend evidenten Vertretungsmissbrauch ausgegangen.

Daher war einerseits - wie es das Landgericht bereits ausgesprochen hat - die Beklagte zur Herausgabe bereits vereinnahmter Miet- oder Pachtzinseinnahmen zu verurteilen, ohne dass zwischenzeitlich die Beklagte mit schuldbefreiender Wirkung, also vorbehaltlos, derartige Zahlungen an die Klägerin ausgekehrt hätte. Zum anderen war entsprechend dem klägerischen Begehren festzustellen, dass der Beklagten auf der Grundlage der notariell beurkundeten Abtretung eine entsprechende Berechtigung zur Einziehung der streitgegenständlichen Miet- und Pachtzinsforderungen nicht zusteht. Insoweit war allerdings bei am Klagevorbringen orientierter Auslegung des klägerischen Begehrens der Urteilsausspruch des landgerichtlichen Urteils dahin zu präzisieren, dass dieser sich angesichts der Vielzahl der in der streitbefangenen notariellen Urkunde befindlichen Abtretungen (UR-Nr. 241/2003 A des Notars Dr. A. vom 12. Februar 2004) nunmehr allein auf die Unwirksamkeit der Abtretung der Berechtigung zur Einziehung von Miet- und Pachteinnahmen an dem streitgegenständlichen Grundvermögen bezieht. Da Zivilurteile im Übrigen regelmäßig Rechtskraft allein zwischen den streitbeteiligten Parteien entfalten, bedarf es darüber hinaus keiner weiteren Klarstellung.

Mit dem Landgericht geht auch der Senat von einem seinerzeit für die X. KG - und folglich gemäß § 166 Abs. 1 BGB auch zurechenbar für die Beklagte - hinreichend evidenten Missbrauch der dem Komplementär B. hinsichtlich der Klägerin zustehenden organschaftlichen Vertretungsmacht aus. Zwar ist es grundsätzlich nicht Aufgabe eines Kreditinstituts, ohne weiteren Anlass zu prüfen, ob und inwieweit der für einen Vertragspartner auftretende Vertreter im dortigen Innenverhältnis gebunden ist. Der Vertretene kann vielmehr nur dann vor einem Missbrauch der Vertretungsmacht geschützt sein, wenn der Vertreter gegenüber dem anderen Teil von seiner Vertretungsmacht "in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, sodass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege" (BGHZ 50, 112, 114; ständige Rechtsprechung), wobei allerdings letztlich eine "massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs" zu fordern ist, (BGH WM 1992, 1362, 1363; WM 1994, 1204, 1206; WM 1994, 2190, 2191; WM 1999, 1617, 1618 und jetzt WM 2004, 1625 ff.). Von einem derartigen Grad an Evidenz ist im vorliegenden Falle jedoch auszugehen.

Hierbei wird zwar noch nicht allein darauf abgestellt werden können, dass - wie es das Landgericht gemeint hat - die Sicherungsabtretung von gegenüber der Klägerin zustehenden Ansprüche an die Beklagte zur Besicherung von Forderungen erfolgt ist, die sich gegen den Komplementär B. persönlich richteten und nicht gegen die Klägerin selbst. Denn Sicherungsabtretungen zugunsten der Besicherung von Drittschulden sind - für sich betrachtet - keinesfalls derart ungewöhnlich, dass schon allein hieraus ein Vertragspartner Verdachtsmomente entnehmen muss (BGH WM 1992, 1362, 1363). Anders liegt es jedoch dann - dies hat der Bundesgerichtshof für den Fall der Eingehung einer durch den Geschäftsführer einer GmbH zu deren Lasten und zugunsten der Besicherung eigener Verbindlichkeiten entschieden (BGH WM 1984, 730, 731) -, wenn aus Sicht des Sicherungsnehmers die Besicherung erkennbar deshalb zu einer Schädigung des Sicherungsgebers durch den diesen Vertretenden führen muss, weil nach Eintritt des Sicherungsfalles die Regressforderung des Sicherungsgebers gegen den handelnden Vertreter praktisch wertlos wäre und nichts dafür ersichtlich ist, dass und aus welchen Gründen der vertretene Sicherungsgeber ein derartiges Risiko willentlich in Kauf nehmen würde. So liegt es aber im hier zu beurteilenden Sachverhalt:

Der für die Beklagte seinerzeit handelnden X. KG war nämlich die im Verhältnis zu Verbindlichkeiten bei der Beklagten in Höhe von 835.000,00 DM (laut UR-Nr. 241/2003A des Notars Dr. A., K2, Bl. 15 ff. d. A.) schlechte wirtschaftliche Situation des Komplementär B. bekannt. Dies kann unschwer ihrem Schreiben vom 25. April 2003 (BE 1, Bl. 159 - 161 d. A.) entnommen werden, laut dessen bereits am 7. November 2002 Haftbefehl im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt worden war. Jedenfalls vor diesem Hintergrund musste die X. KG aber davon ausgehen, dass auch die Klägerin bei der Realisierung einer Regressforderung gegenüber B. große Schwierigkeiten haben würde, in hohem Grade wahrscheinlich die Regressforderung sogar uneinbringlich sein würde.

Ob und inwieweit die X. KG außerdem Kenntnis von den gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnissen bei der Klägerin hatte - also Kenntnis von der Existenz anderweitiger Gesellschafter - oder auch davon, dass - wie die Klägerin behauptet - die streitgegenständlichen Immobilien möglicherweise das gesamte Vermögen der Klägerin darstellten, steht nicht mit letzter Sicherheit fest, mögen auch angesichts der auf eine intensive Sachaufklärung bedachten Schreiben der X. KG vom 25. April 2003 (BE 1, Bl. 159 ff. d. A.) und vom 9. Mai 2003 (BE 2, Bl. 162/163 d. A.) sowie der als Anlage B4 (Bl. 125 ff. d. A.) eingeholten Vermögensübersicht entsprechende Recherchen zu vermuten sein.

Letztlich kann diese Frage jedoch deshalb offen bleiben, weil die Beklagte nicht dargetan hat, dass und aus welchen Gründen sie bzw. die X. KG seinerzeit von einem entsprechenden Einverständnis der Klägerin mit dem Handeln ihres organschaftlichen Vertreters ausgegangen ist oder welche Anstrengungen sie zur Klärung dieser Frage unternommen hat. Dass aber die Beklagte bzw. die Bünsch KG seinerzeit entsprechende Erkundigungen hätte einholen müssen, indiziert bereits die für sie mit hinreichender Evidenz erkennbare Situation des Vertreterhandelns, nämlich die allein im Eigeninteresse des organschaftlichen Vertreters liegende Besicherung von dessen Verbindlichkeiten bei - wie erwähnt - anzunehmender schwerer, wenn nicht ausgeschlossener, Realisierbarkeit einer entsprechenden Regressforderung der durch diesen vertretenen Gesellschaft.

Die Rechtsfolge des festgestellten Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den Komplementär B. besteht darin, dass die Klägerin mangels Genehmigung des Vertreterhandelns dieses im Verhältnis zur Beklagten nicht gegen sich gelten lassen muss (BGH WM 1999, 1617, 1618 mit Nachweisen aus der früheren Rechtsprechung). Damit ist folglich die von dem Komplementär B. zu Lasten der Klägerin vorgenommene Abtretung der streitgegenständlichen Miet- und Pachtzinsforderungen an die Beklagte unwirksam. Da schon damit das Ziel des klägerischen Begehrens - nämlich die Klärung der Einzugsberechtigung der Beklagten hinsichtlich der abgetretenen Mietzins- bzw. Pachtzinsforderung - erreicht ist, kann in diesem Rechtsstreit auch offen bleiben, ob die erwähnte notarielle Beurkundung zugleich auch gegen § 138 BGB verstößt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt noch die Rechtsfortbildung oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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