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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 6 U 19/06
Rechtsgebiete: UWG, AKB
Vorschriften:
UWG § 3 | |
UWG § 8 | |
AKB |
Entscheidung wurde am 20.10.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete, Orientierungssatz und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 6. Juni 2006
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig - Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2006 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 30.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils insoweit vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des insoweit jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Die Beklagte erstrebt mit der Berufung die Abweisung der Klage. Sie wendet sich vor allem gegen das aus ihrer Sicht mit dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Verbot, teilkaskoversicherten Autofahrern Zugaben in Form von Wertgutscheinen gewähren zu dürfen. Die Gewährung eines Gutscheins wirke sich nicht aus auf die Rechnung, ihre Höhe oder den Preis, den die Beklagte für den Austausch von Autoscheiben fordere. Der von ihr ermittelte marktfähige Preis gelte unabhängig davon, ob eine Zugabe gewährt werde. Durch diese verzichte die Beklagte im Interesse des Wettbewerbs und des Kunden außerhalb des eigentlichen Reparaturauftrages lediglich auf einen Teil ihrer Gewinnmarge. Da von der gesamten Branche mit der Gewährung irgendwelcher Zugaben geworben werde, bestehe volle Markttransparenz und werde ein Versicherer nicht getäuscht. Nachdem verschiedene Möglichkeiten zur Information eines Versicherers über eine Beteiligung an der Selbstbeteiligung in bar bestünden, sei es falsch, ihr als einzigen Weg aus dem Verbotstatbestand deren Ausweis auf der Reparaturkostenrechnung belassen.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie meint, für die rechtliche Beurteilung mache es keinen Unterschied, ob die Beklagte sich an der Selbstbeteiligung mit Bargeld oder einem Tankgutschein beteilige. Beide Male werde ein "Quantum Kaufmacht" gewährt. Verschweige ein Versicherungsnehmer, dass ihm die Beklagte dieses "Quantum Kaufmacht" gewährt oder nachgelassen habe, falle ihm ein Betrug zur Last. Allein ein Ausweis der Beteiligung der Beklagten an der Selbstbeteilung eines Versicherungsnehmers auf der Reparaturkostenrechnung könne sicherstellen, dass der Versicherer von dieser erfahre. Die Reparaturkostenrechnung sei schließlich Grundlage der Abrechnung durch den Sachbearbeiter des Versicherers.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 21. April 2006, die Berufungserwiderung vom 17. Mai 2006 sowie die Schriftsätze vom 16. und 26. Mai 2006 verwiesen.
II.
Das angefochtene Urteil ist zu bestätigen. Der Klägerin steht der erhobene Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 3 UWG zu.
Das Angebot und die Durchführung des Austauschs einer Autoglasscheibe dergestalt, dass dem betroffenen Autofahrer und Versicherungsnehmer eine Beteiligung an der Selbstbeteiligung an den Reparaturkosten in der Teilkaskoversicherung in bar oder mittels Gutscheinen angeboten oder gewährt wird, sind unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Denn beides verleitet ohne Offenbarung auf der Reparaturkostenrechnung den Versicherungsnehmer zum Bruch des Versicherungsvertrages (vgl. im Ergebnis ebenso mit unterschiedlicher Begründung im Einzelnen: OLG Celle, GRUR-RR, 2006, 57 und WRP 1999, 876; OLG Hamm, Urteil vom 1. März 2005, Az.: 4 U 174/04, veröffentlicht in iuris; OLG Naumburg, GRUR-RR 2005, 203; LG Mannheim, WRP 2004, 1520; LG Bonn, Urteil vom 22. Dezember 2005, Az.: 14 O 146/05, veröffentlicht in iuris; LG Essen, WRP 2005, 523; LG Osnabrück, Urteil vom 14. November 2004, Az.: 18 O 469/04, WRP 2005, 252; LG Dortmund, Beschlüsse vom 15. und 19. August 2003, Az.: 20 O 72/03 und 16 O 107/03, WRP 2004, 792; LG Berlin, Urteil vom 19. Juli 2000, Az: 97 O 207/99, WRP 2001, 73; Möller, EwiR 2005, 871; a. Ans. LG Düsseldorf, WRP 2005, 528 ff.). Die Beklagte darf den Wettbewerb nicht dadurch beeinträchtigen, dass ihre Kunden in die Gefahr der Leistungsfreiheit geraten. Um ein generelles Verbot, teilkaskoversicherten Autofahrern Zugaben in Form von Wertgutscheinen gewähren zu dürfen, geht es dabei entgegen der Berufungsbegründung nicht.
Nach § 7 I. (2) Satz 4 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Sinn der Obliegenheit zur Aufklärung ist, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., § 7 AKB Rn. 39). Sachgemäße Entschließungen über die Behandlung eines Glasschadens in der Teilkaskoversicherung kann der Versicherer nur treffen, wenn er weiß, ob die Beklagte dem Versicherungsnehmer eine Beteiligung an der Selbstbeteiligung der Reparaturkosten in bar oder mittels Gutscheinen gewährt hat (beides ist wirtschaftlich eins; sonstige Zugaben sind nicht Gegenstand des Prozesses). Nur dann hat er im Einzelfall vor seiner Entscheidung über die Höhe des zu ersetzenden Vermögensschadens überhaupt die Möglichkeit zur Prüfung, ob und wie er eine von der Beklagten sogenannte Beteiligung der Beklagten an der Selbstbeteiligung berücksichtigen will, die wirtschaftlich nichts anderes als ein Preisnachlass ist.
Bei Beschädigung des Fahrzeuges ersetzt der Versicherer nach § 13 (5) AKB bis zu dem nach den Absätzen 1 bis 3 dieser Bestimmung sich ergebenden Betrag die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung. Zu ersetzen sind danach die Kosten, die objektiv erforderlich sind, um eine dem Versicherungswert entsprechende Sache wiederherzustellen (abstrakte Schadensberechnung, vgl. Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 55 Rn. 31 ff.; BGH, VersR 1996, 91; BGH, NJW 1985, 1222; Stiefel/Hofmann, a.a.O., § 13 Rn. 51; vgl. weiter Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 249 Rn. 14 m. w. Nachw.; BGH, NJW 2003, 2085). Um sich ein Bild davon zu machen, welche Kosten objektiv erforderlich in diesem Sinn sind, muss der Versicherer unter anderem auch wissen, was die Beklagte wirtschaftlich tatsächlich in jedem Einzelfall in Rechnung stellt. Denn die Vorlage der Reparaturkostenrechnung der Beklagten ohne Ausweis ihrer Beteiligung an der Selbstbeteiligung in bar oder mittels Gutscheinen zielt durch Verschleierung der wirklichen Verhältnisse darauf ab, den Vermögensschaden des Versicherungsnehmers auf eine Art und Weise abzurechnen, wie er diesem nicht entstanden ist. Verlässlich erfahren kann der Versicherer und insbesondere dessen Sachbearbeiter die tatsächlichen Verhältnisse nur durch einen Ausweis der Beteiligung der Beklagten an der Selbstbeteiligung auf der Reparaturkostenrechnung selbst. Nur so genügt der Versicherungsnehmer sicher seiner Obliegenheit, alles zu tun, was zur Aufklärung des Sachverhalts dienlich ist. Und nur so gerät er nicht in die Gefahr, dass wegen Verletzung der Obliegenheit zur Aufklärung des Sachverhaltes nach § 7 V. (4) AKB Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG besteht.
Offen bleiben kann, ob der Klägerin gegen die Beklagte der erhobene Unterlassungsanspruch auch zusteht nach § 8 Abs. 1 und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 PAngV, § 8 Abs. 1 und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 263 Abs. 1 StGB, oder nach § 8 Abs. 1 und §§ 3, 5 UWG unter dem Gesichtspunkt des "übertriebenen Anlockens".
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung angesichts der im Ergebnis bisher praktisch einhelligen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Ende der Entscheidung
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