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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.12.2000
Aktenzeichen: 6 U 64/00
Rechtsgebiete: GG, S.-H HeilberufsG, UWG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1 S. 2
S.-H HeilberufsG § 27
S.-H HeilberufsG § 32
S.-H HeilberufsG § 33
S.-H HeilberufsG § 34
S.-H HeilberufsG § 35
S.-H HeilberufsG § 37
S.-H HeilberufsG § 39
UWG § 1
UWG § 3
Das Praxisschild eines Zahnarztes darf den sachlich gerechtfertigten Hinweis "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" enthalten.

SchlHOLG, 6. ZS, Urteil vom 05. Dezember 2000, - 6 U 64/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 64/2000 15 O 94/00 Landgericht Kiel

Verkündet am: 5. Dezember 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

Zahnärztekammer Schleswig-Holstein

Verfügungsklägerin und Berufungsklägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Dr. H

Verfügungsbeklagter und Berufungsbeklagter,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2000 durch den Oberlandesgerichts sowie die Richter am Oberlandesgericht und für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 22. Juni 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Kiel wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

1. Der Verfügungsbeklagte (Beklagte) ist als Zahnarzt tätig und führt auf seinem Praxisschild den Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie". Die Verfügungsklägerin (Klägerin) hält diesen Zusatz, der von den Patienten als Fachgebietsbezeichnung mißverstanden werden könne, für wettbewerbswidrig (§§ 1, 3 UWG). Sie hat demgemäß beantragt,

dem Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zur Kennzeichnung seiner Arztpraxis den Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie", insbesondere auf dem Praxisschild, zu führen.

Mit der Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts verfolgt die Klägerin diesen Klagantrag weiter.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach den §§ 1, 3 UWG verneint.

a) Nach den Vorschriften des Schleswig-Holsteinischen Heilberufegesetzes vom 29. Februar 1996 (GVOBl. für Schleswig-Holstein S. 248 ff.) und der dazu ergangenen Berufsordnung ist dem Kläger allerdings die Führung des Zusatzes "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" untersagt. Nach § 27 Abs. 1 1. Halbsatz der Berufsordnung für Zahnärzte (vgl. Bl. 7) ist dem Zahnarzt - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - jede Werbung und Anpreisung untersagt. In § 26 der Berufsordnung (BO) ist Form und Inhalt der Praxisschilder im Einzelnen geregelt. In Absatz 3 heißt es:

"Die Schilder dürfen nur Namen..., Berufsbezeichnung,.. zugelassene akademische Grade und Titel, Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung und die Sprechstunde enthalten und nur dort angebracht werden, wo die Praxis ausgeübt wird".

Die Berufsordnung für Zahnärzte beruht auf § 31 des Heilberufegesetzes vom 29.02.1996 (GVOBl. Bl. 248 ff.). Nach den Ziffern 12 und 13 dieser Vorschrift treffen die Kammern durch Satzung (Berufsordnung) Regelungen über "die Einschränkung der Werbung" (Ziffer 12) und "die Praxisankündigung und die Praxisschilder" (Ziff. 13). In den §§ 32 ff. Heilberufegesetz ist geregelt, dass Kammermitglieder neben ihrer Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen führen dürfen, die auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in einem bestimmten beruflichen Gebiet (Gebietsbezeichnung), Teilgebiet (Teilgebietsbezeichnung) oder auf andere zusätzlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten in einem beruflichen Bereich (Zusatzbezeichnung) hinweisen (§ 32 Heilberufegesetz). Gebiets-, Teilgebiets- und Zusatzbezeichnungen bestimmen die Kammern für ihre Kammermitglieder, wenn dies im Hinblick auf die wissenschaftliche Entwicklung und eine angemessene gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung durch Kammermitglieder erforderlich ist (§ 33 Abs. 1 Heilberufegesetz). Das Führen dieser Bezeichnungen bedarf nach den §§ 34, 37 des Heilberufegesetzes einer Anerkennung durch die Kammer, wobei das Nähere durch die Weiterbildungsordnungen geregelt ist (§§ 35 Abs. 7, 39 Heilberufegesetz).

Die Zusammenschau der Vorschriften macht deutlich, dass der Kläger den Zusatz ""Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" weder auf seinem Praxisschild noch sonst führen darf. Ein Fach-, Teil- oder Zusatzgebiet "Implantologie" gibt es nach der Weiterbildungsordnung nicht. Auch wenn der Zusatz von der äußeren Form her zurückhaltend und in sachlich angemessener Form erfolgt, entfaltet er unzweifelhaft eine gewisse Werbewirksamkeit und fällt daher unter das strikte Werbeverbot, das sich aus den landesrechtlichen Vorschriften des Heilberufegesetzes und der darauf gestützten Berufsordnung ergibt.

b) Die Vorschriften sind aber verfassungskonform unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit einschränkend auszulegen. Dabei entspricht es gefestigter verfassungsrechtlicher Rechtsprechung, dass vor dem Hintergrund des durch das Grundgesetz gewährleisteten Berufsausübungsrechtes nicht jeder Hinweis auf besondere berufliche Qualifikationen eine unzulässige Werbung darstellt (BVerfG NJW 1995, 712, 713; OLG Köln, Urteil vom 26.05.2000 - 6 U 167/99 -, S. 5). Unter dem Blickwinkel von Artikel 12 GG lässt sich ein Werbeverbot nur daraus herleiten, dass die zahnärztliche Berufsausübung sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an zahnmedizinischen Notwendigkeiten orientieren soll. Das Werbeverbot hat - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - zum Ziel, einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Zahnartzberufes vorzubeugen, die zu einer für den Patienten schädlichen Beeinflussung führen würde. Verboten kann daher nur die Werbung sein, die das Vertrauen der Bevölkerung in eine sachgerechte zahnmedizinische Versorgung beeinträchtigen kann. Verboten bleibt danach auch bei verfassungskonformer Auslegung jede Art von reklamehafter Anpreisung, die über das notwendige Informationsinteresse der Patienten hinausgeht, und ohne Zweifel auch jede Art von irreführender Werbung. Unter diesem Blickwinkel hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Rechtsanwaltschaft den Hinweis auf Tätigkeitsschwerpunkte ("Transport- und Versicherungsvertragsrecht") unter drei Voraussetzungen als zulässig angesehen:

- Der Hinweis darf nicht reklamehaft wirken,

- es darf nicht der Eindruck aufkommen, der Rechtsanwalt sei Fachanwalt in diesem Bereich,

- der Rechtsanwalt muss über besondere Erfahrungen in diesem Bereich verfügen(BVerfG a. a. O.).

Diese Voraussetzungen, die nach Auffassung des Senats gleichermaßen für Ärzte und Zahnärzte gelten, liegen hier vor, so dass der Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit nicht als unzulässige Werbung anzusehen ist.

aa) Eine besondere anpreisende Wirkung des vom Beklagten gewählten Zusatzes "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" ist nicht vorgetragen. Die konkrete Ausgestaltung etwa des Praxisschildes ist auch nicht Streitgegenstand. Der Klägerin geht es darum, dem Beklagten generell - in welcher Ausgestaltung auch immer - die Führung des Zusatzes zu verbieten. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher hier davon auszugehen, dass die Angabe "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" hier auch von der Aufmachung her als sachliche Information anzusehen ist, deren Werbewirksamkeit nicht über das mit jeder an die interessierte Allgemeinheit gerichteten Information verbundene Maß hinausgeht (vgl. auch OLG Köln a. a. O., S. 6).

bb) Der Verkehr verwechselt die Angaben "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" auch nicht mit einer zugelassenen Gebietsbezeichnung (Facharztbezeichnung). Jedenfalls ist ein solches Verkehrsverständnis nicht glaubhaft gemacht. Das OLG Köln (a. a. O., S. 8) hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass den Patienten geläufig ist, dass Facharztbezeichnungen nicht mit dem Begriff "Tätigkeitsschwerpunkt" verbunden werden, sondern ohne einen derartigen Zusatz auf Praxisschildern, Rezepten, Rechnungen und sonstigen Verlautbarungen verwendet werden. Vor diesem Hintergrund erkennt der Patient, dass es sich um eine andere Art der fachlichen Qualifikation als diejenige handelt, die für den Erwerb einer der von der Kammer verliehenen Facharztbezeichnungen erforderlich ist. Von diesem Verkehrsverständnis ist letztlich auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (NJW 1997, 1644, 1645) ausgegangen. Dort hatte ein Zahnarzt auf seinem Praxisschild und im Branchentelefonbuch die Zusätze "Parodontologie" und "Implantologie" ohne weitere Zusätze aufgeführt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen Unterlassungsanspruch nur deshalb bejaht, weil ein klarstellender Zusatz - wie etwa "Tätigkeitsschwerpunkt" - gefehlt hat. Diesen Zusatz führt aber der Beklagte hier gerade, so dass der Verkehr, wie das OLG Köln ausgeführt hat, gerade nicht fälschlich auf die Idee kommt, es handele sich bei "Implantologie" um eine Facharztbezeichnung (Gebietsbezeichnung).

Auch das Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart geht im Ausgangspunkt davon aus, dass der Patient Facharztbezeichnungen der Rechtslage entsprechend dahin versteht, dass diese Bezeichnungen aufgrund entsprechender Fortbildung durch eine zuständige Stelle verliehen und anerkannt worden sind (Urteil vom 26.02.2000, - LNs 6/99, S. 7). Dass der Patient aber - so das Landesberufsgericht für Zahnärzte weiter - zu gleichen Schlussfolgerungen gelangt, wenn es heißt "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" überzeugt nicht. Eine nähere Begründung für dieses Verkehrsverständnis bleibt das Landesberufsgericht auch schuldig. Der Senat vermag auch der Auffassung des Klägers - und auch des Landesberufsgerichts - nicht zu folgen, dass der Zusatz "Interessenschwerpunkt" - anders als "Tätigkeitsschwerpunkt" - in Verbindung mit "Implantologie" ausgereicht hätte, um Verwechslungen der Patienten mit einer Facharztbezeichnung zu vermeiden. Nach Auffassung des Senats werden die Patienten zwischen "Interessenschwerpunkt" und "Tätigkeitsschwerpunkt" keine Unterschiede machen. Jedenfalls wird kein rechtlich nicht unerheblicher Teil der Patienten auf die - recht spitzfindige - Idee kommen, dass "Interessenschwerpunkt nur auf der Selbsteinschätzung des Arztes, "Tätigkeitsschwerpunkt" aber auf der Anerkennung durch die Kammer beruht.

cc) Der Beklagte hat auch besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der Implantologie, die den Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkt" wie ihn die Patienten verstehen, rechtfertigen. Der Verkehr erwartet von einem Zahnarzt, der auf seinem Praxisschild die Angabe "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie" führt, dass er einen erheblichen Teil seiner Tätigkeit auf dem Gebiet der Implantologie ausübt und dies auch in der Vergangenheit bereits getan und sich so einen praktischen Erfahrungsschatz angeeignet hat (vgl. OLG Köln a. a. O., S. 9). Entgegen der Behauptung der Klägerin erwartet der Verkehr nicht, dass der Arzt überwiegend - also mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit - im Schwerpunktbereich tätig ist. Ein solches Verkehrsverständnis, das nach Auffassung des Senats eher fernliegt, ist jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Den vom Oberlandesgericht Köln verlangten Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Implantologie hat der Beklagte auch erworben. Er hat bei der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie (DGZI) die Intensivprüfung im Teilgebiet Orale Implantologie abgelegt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Prüfung ist neben einer bestimmten Anzahl von Fortbildungsmaßnahmen auch der statistische Nachweis über mindestens 200 durchgeführte Implantationen. Der Beklagte hat glaubhaft gemacht, dass er im Jahr ca. 50 - in den zurückliegenden Jahren insgesamt ca. 350 - Implantate gesetzt hat. Das sind weit mehr als die für die Prüfung der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie geforderten 200 Implantate.

Nach alledem ist die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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