Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 12.02.2002
Aktenzeichen: 6 U 65/01
Rechtsgebiete: PBefG, UWG


Vorschriften:

PBefG § 47 II
UWG § 1
Taxis werden verbotswidrig außerhalb der Betriebssitzgemeinde bereitgehalten, wenn ein Taxi in einen außerhalb der Betriebssitzgemeinde gelegenen Bereich entsendet wird, obwohl nur ein pauschal gefasster Auftrag, also kein konkreter, von einem bestimmten Fahrgast geäusserter Beförderungswusch besteht.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 65/01

Verkündet am: 12. Febr. 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht , und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 31. Juli 2001 (11 O 164/00) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Androhung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

für die Stadt R (Betriebssitzgemeinde) konzessionierte Taxen außerhalb der Stadt R, insbesondere auf dem Gebiet des Kreises Herzogtum Lauenburg, ohne vorherige Bestellung bereitzuhalten, wobei ein solches Bereithalten insbesondere dann vorliegt, wenn der Entsendung von Taxen in einen außerhalb der Betriebssitzgemeinde gelegenen Bereich nur ein pauschal gefasster Auftrag, also kein konkreter, von einem bestimmten Fahrgast geäusserter Beförderungswusch zugrunde liegt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 20.000 €.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

I.

Das Landgericht hat zu Recht einen Verstoß gegen § 47 Abs. 2 PBefG und damit zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 1 UWG angenommen.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 PBefG dürfen Taxen nur in der Gemeinde bereitgehalten werden, in der der Unternehmer seinen Betriebssitz hat. Auf vorherige Bestellung dürfen Fahrten auch von anderen Gemeinden aus durchgeführt werden, § 47 Abs. 2 Satz 2 PBefG.

Diese Voraussetzungen lagen im Hinblick auf die Beförderung von Gästen des TTK e.V. am 11. und 12. Juni 2000 nicht vor.

Der Beklagte hat seinen Betriebssitz in R, also im Kreis Stormarn. Der TTK e.V. liegt dagegen in W., also im Kreis Herzogtum Lauenburg, und damit außerhalb des Gebietes der Gemeinde, in der der Beklagte seinen Betriebssitz hat. Für die Durchführung der Fahrten am 11. und 12. Juni 2000 waren daher vorherige Bestellungen erforderlich. Bestellungen im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 2 PBefG lagen den Fahrten aber nicht zugrunde.

Die vorherige Bestellung im Sinne der Vorschrift stellt eine Ausnahme von dem Verbot der Akquisition von Fahraufträgen außerhalb des Konzessionsgebietes dar. Als Ausnahmevorschrift ist sie so auszulegen, dass die grundsätzlich geltenden Verbote und ordnungspolitischen Zielsetzungen nicht ausgehöhlt werden. Grundsätzlich soll nur die Befugnis bestehen, Taxen in der Gemeinde bereitzuhalten, in der der Unternehmer seinen Betriebssitz hat. Dafür besteht ein Bedürfnis, weil die Unternehmer ihre Taxen sonst an außerhalb ihres Konzessionsgebiets liegenden attraktiven Orten bereithalten würden mit der Folge, dass ein ausreichendes Bereithalten von Taxen in der Betriebssitzgemeinde und damit die gesamte Ordnung im Taxenverkehr nicht mehr gewährleistet wäre (vgl. Fromm/Fey, Personenbeförderungsrecht, 2. Aufl. 1995, § 47 PBefG Rdnr. 2; Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Kommentar Stand Juni 2001, § 47 PBefG Rdnr. 27 b). Außerdem dient Absatz 2 dem Konkurrenzschutz der ortsansässigen Taxiunternehmer (vgl. Fromm/Fey a.a.O. § 47 PBefG Rdnr. 2; OLG Düsseldorf VRS 85, S. 474 <477>; Begründung des Gesetzentwurfs bei Bidinger a.a.O. § 47 PBefG Rdnr. 28).

Diese Ziele würden ausgehöhlt, wenn man den pauschalen Wunsch eines Veranstalters, hier z.B. des Gastwirts des TTK, zur Entsendung von Taxen an den Veranstaltungsort als vorherige Bestellung ausreichen ließe. Ein solcher Auftrag wäre rechtlich noch kein Beförderungsauftrag. Der Veranstalter überbringt damit nämlich weder als Bote den konkreten Beförderungswunsch eines bestimmten Fahrgastes noch gibt er für ihn stellvertretend eine auf den Abschluss eines Beförderungsvertrages gerichtete Willenserklärung ab. Infolge dessen kommt ein Beförderungsauftrag mit einem Fahrgast nicht zustande. Dass der Veranstalter sich in einem solchen Fall selbst binden will, ist auch nicht anzunehmen. In der pauschalen Bestellung liegt daher lediglich der Hinweis des Veranstalters an den Taxenunternehmer, dass sich am Veranstaltungsort die Möglichkeit ergeben könnte, Beförderungsaufträge zu erhalten. Die eigentliche Bestellung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 2 erfolgt erst durch die Gäste am Veranstaltungsort. Das aber will die Vorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 2 aus den oben genannten Gründen gerade verhindern.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass gerade bei Großveranstaltungen pauschal gefasste Bestellungen des Veranstalters ohne konkrete Einzelaufträge der Fahrgäste zulässig sein müßten, da mit Einzelaufträgen dem raschen Beförderungsbedürfnis der Teilnehmer der Veranstaltung nicht entsprochen werden könne (so LG München, zitiert bei Bidinger a.a.O. § 47 Rdnr. 27 a am Ende). Denn damit würde die Vorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 3 PBefG umgangen, nach der auch für solche Fälle Ausnahmegenehmigungen möglich sind (vgl. OLG Koblenz, OLGR 2001, 114 <116>; Bidinger, a.a.O., § 47 Rdnr. 27 b, S. 15, 2. Absatz)

Mit dem OLG Koblenz (OLGR 2001 S. 114 <115>) ist der Senat daher der Auffassung, dass sich die vorherige Bestellung immer auf die Durchführung einer bestimmten Personenbeförderung, also auf eine konkrete, von einem bestimmten Fahrgast gewünschte Beförderung beziehen muss. Nur wenn der Gastwirt oder Veranstalter einen solchen konkreten Beförderungswunsch als Bote oder Stellvertreter an den Taxenunternehmer weitergibt, liegt eine vorherige Bestellung im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 2 PBefG vor.

Von einer solchen Bestellung kann hinsichtlich der am 11. und 12. Juni 2000 erfolgten Beförderungen vom TTK e.V. nicht ausgegangen werden. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin P wurden vom TTK in der fraglichen Zeit zwar Taxen angefordert. Dabei wurden jedoch nicht die Namen der Fahrgäste genannt, sondern nur eine oder mehrere Taxen geordert. Evtl. wurde auch die Personenzahl genannt. Schon diese Aussage spricht dafür, dass der Beauftragung keine konkreten Beförderungswünsche zugrunde lagen.

Die Aussage der Zeugin P deckt sich mit den Aussagen der Fahrer P, A, S und U. Diese bekundeten zwar übereinstimmend, jeweils nur nach Beauftragung durch die Zentrale zum TTK gefahren zu sein. Namen der zu befördernden Gäste und Fahrtziele wurden den Fahrern jedoch nicht genannt. Das hat der Zeuge P ausdrücklich bestätigt. Der Zeuge An konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob ihm die Zentrale Namen genannt hatte. Allerdings spricht das von ihm bekundete Verhalten nach Ankunft vor dem TTK gegen die Annahme, er habe konkrete Namen erfahren. Denn er bekundete, er habe sich beim TTK "bemerkbar" gemacht, indem er in die Räumlichkeiten gegangen sei, teilweise habe er dies auch draußen vor der Tür gemacht. Dieses Verhalten ist aber nur nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass er den Namen seines Fahrgastes nicht kannte und es daher keinen Sinn machte, im TTK nach ihm zu suchen oder ihn ausrufen zu lassen. Das gilt auch für den Zeugen S., der bekundete, dass er selber nicht in das Lokal gegangen sei, um Bescheid zu sagen, dass er da sei. Ob seine Kollegen dies - ggf. auch für ihn - getan hätten, wusste er nicht mehr. Der Zeuge bekundete - ebenso wie der Zeuge U. - auch nicht, dass ihm Namen und Fahrtziel jeweils von der Zentrale angegeben worden seien.

Ob sich schon allein aus den Aussagen der Zeugin P und der Fahrer des Beklagten ergibt, dass der TTK e.V. nur auf Grund pauschaler Bestellungen von Taxen des Beklagten angefahren wurde, muss nicht entschieden werden. Denn jedenfalls in Zusammenschau mit der Aussage des Zeugen St ist der Senat davon überzeugt. Der Zeuge bekundete, dass zwischen ihm und dem Beklagten für Pfingsten 2000 eine Vereinbarung bestanden habe, nach der der Beklagte bei Anruf "gleich 4 - 5 Taxen" schicken sollte. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Sie wird durch die Aussage der Zeugen W, Wi und P insoweit bestätigt, als auch diese Zeugen bekundeten, es habe für Pfingsten 2000 eine Vereinbarung mit dem Gastwirt des TTK gegeben. Inhaltlich bedeutet die Aussage des Zeugen S, dass jeweils pauschal mehrere Taxen auf Vorrat abgefordert werden sollten, ohne dass dem konkrete Beförderungswünsche von Gästen zugrunde liegen mussten. Und dass dies tatsächlich auch so gehandhabt wurde, belegen die zuvor genannten Aussagen der Zeugen P und der Fahrer des Beklagten.

Für eine solche Umsetzung der mit dem Gastwirt S vereinbarten Vorgehensweise spricht außerdem, dass die Fahrer unstreitig vor dem TTK das Dachlicht eingeschaltet hatten und für die zum Teil nicht unerheblichen Wartezeiten keine Gebühren berechneten.

Damit hält der Senat es für erwiesen, dass der Beklagte am 11. und 12. Juni 2000 außerhalb der Gemeinde seines Betriebssitzes ohne vorherige Bestellung Taxen bereitgehalten hat. Mit dem Verstoß gegen § 47 Abs. 2 Satz 2 PBefG hat der Beklagte zugleich § 1 UWG verletzt. Bei der in Rede stehenden Bestimmung handelt es sich um eine Vorschrift, die dem Konkurrenzschutz dient (vgl. oben Seite 4; anderer Ansicht ohne weitere Begründung: OLG Koblenz OLGR 2001 S. 114 <116>). Die Regelung ist also nicht wettbewerbsneutral. Infolge dessen reicht schon der objektive Verstoß zur Begründung des Unterlassungsanspruchs aus. Der Beklagte kannte im übrigen die Umstände, die bei objektiver Würdigung die Sittenwidrigkeit ausmachen.

II.

Auf die weiteren Verletzungshandlungen vom August und November 2000 ist nicht mehr einzugehen. Der Kläger hat vom Beklagten die Unterlassung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens begehrt, das darin bestehen soll, dass der Beklagte außerhalb seines Konzessionsgebietes Taxen ohne vorherige Bestellung bereithält. Zur Begründung dieses Begehrens hat er verschiedene Verletzungshandlungen vorgetragen, die jeweils für sich die Wiederholungsgefahr begründen können. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger insoweit klargestellt, dass er sich in erster Linie auf die Vorfälle Pfingsten 2000 und nur hilfsweise auf die Vorfälle August und November 2000 berufen wolle. Es liegt daher insgesamt nur ein Streitgegenstand vor, den der Kläger mit einem Haupt- und einem Hilfsvorbringen begründet hat. Da die Klage schon nach dem Hauptvorbringen begründet ist, muss auf das Hilfsvorbringen nicht weiter eingegangen werden.

III.

Infolge des einheitlichen Streitgegenstandes hat die Klage in vollem Umfang Erfolg. Die Berufung ist daher insgesamt unbegründet, so dass die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 1 ZPO folgt.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 543, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n.F. zuzulassen. Denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; die Entscheidung des Senats beruht nicht auf einer Rechtsanwendung, zu der divergierende Ansichten vertreten werden oder vertretbar sind, sondern auf einer Würdigung des Tatsachenstoffes des Einzelfalles. Folglich ist weder die Revision zur Rechtsfortbildung zuzulassen noch liegen die Voraussetzungen einer Divergenz-Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F. vor.

V.

Der Wert der Beschwer korrespondiert mit dem vom Senat auf 20.000,00 € festgesetzten Streitwert. Der Streitwert orientiert sich an dem Regelstreitwert, den der Senat in Wettbewerbsstreitigkeiten annimmt, sofern ihm keine Angaben für eine Bestimmung des Streitwerts nach § 3 ZPO gemacht werden. Dieser Regelstreitwert wurde bisher auf 30.000,00 DM festgesetzt (vgl. den Beschluss des Senats vom 8. November 1993, 6 W 15/93, SchlHA 1994, S. 22 f.). Angesichts der seit dem Beschluss vom 8. November 1993 eingetretenen Preissteigerungen hält der Senat eine Anhebung des Regelstreitwerts für Hauptsacheverfahren auf 20.000,00 € (etwa 40.000,00 DM) für angemessen.

Ende der Entscheidung

Zurück