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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: 6 U 68/00
Rechtsgebiete: LMBG, HWG, UWG


Vorschriften:

LMBG § 17
LMBG § 18
HWG § 3
UWG § 1
UWG § 3
Zur Frage gesundheitsbezogener Werbung für einen Fruchtsaft und des Verbotes, für einen Fruchtsaft zu werben, der dem Anscheins eines Arzneimittels gegeben wird.

SchlHOLG, 6. ZS, Urteil vom 30. Januar 2001, - 6 U 68/00 -,


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 68/2000 6 O 27/2000 Landgericht Flensburg

Verkündet am: 30. Januar 2001

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der, Inhaberin der Fa. J I M,

Beklagten und Berufungsklägerin,

gegen

Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., vertreten durch den Geschäftsführer,

Kläger und Berufungsbeklagten,

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom Januar 2001 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts und die Richter am Oberlandesgericht und für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am Juli 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts F wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 30.000 DM.

Tatbestand

Der Kläger, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder, begehrt von der Beklagten die Unterlassung werblicher Aussagen betreffend den Fruchtsaft N. Die Beklagte vertreibt diesen Fruchtsaft. Es handelt sich um einen Saft einer Wildfrucht, die in Polynesien wächst.

Die streitgegenständlichen Aussagen sind in einem Werbeschreiben enthalten, das als Anlage zur Klage eingereicht worden ist. Es trägt mehrfach als Kontaktanschrift den Aufdruck der Firma und der Adresse der Beklagten. In ihrem Antwortschreiben vom Februar 2000 auf die Abmahnung des Klägers hat die Beklagte die Verbreitung des Werbeschreibens nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte hat jedoch im vorliegenden Verfahren bestritten, den Text verbreitet zu haben. Gleichzeitig hat sie eingeräumt, an registrierte Interessenten und Käufer des Saftes einen "Informationsreport" gesandt zu haben. Dieser Informationsreport enthält nicht sämtliche streitgegenständlichen Aussagen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, mit folgenden Aussagen zu werben:

1. "..kein Naturheilmittel (obwohl man in Polynesien seit über 2000 Jahren sagt, es sei dort das beste Naturheilmittel)"

und/oder

2. ".. kein Arzneimittel (obwohl es in USA und Kanada über 200.000 Dauerverbraucher gibt, von denen Zigtausende behaupten, sie seien ihre Leiden nach der Einnahme von N losgeworden; ... einige Berichte betroffener Personen und Fotos sind im Starter-Kit zu sehen)." und/oder

3. "Die feinen Membranen der Körperzellen haben Durchgangsöffnungen, damit Nahrung, Vitamine usw. hindurch in das Zell-innere gelangen können. Bei guter Xeronin-Bildung können auch Arzneimittel besser und schneller in die Körperzellen gelangen und Arzneimittelgaben wirken besser." und/oder

4. "... ohne Xeronin würde der Körper sterben, bei Xeronin-Mangel sind allen Krankheiten die Türen offen ... und das gibt's oft, jedoch für N-Anwender selten, denn die Forschungen der letzten 4 Jahre haben ergeben, dass N in 69 % der vorhandenen Krankheitsfälle hilft." und/oder

5. ".. es gibt sehr viele Referenzschreiben von Amerikanern, die z. B. nach 3 Wochen ihre jahrealte Arthritis los waren, die von Heilung schwerer Krankheiten berichten." und/oder

6. "Krankheiten können verschwinden." und/oder

7. ".. es wird eine Vorbeugung gegen sämtliche Krankheiten, insbesondere altersbedingte, dauerhaft eingestellt." und/oder

8. "Hinweis für Ärzte, Heilpraktiker und Naturheilkundige: durch die Wirkung der Vergrößerung der Durchgänge der Zellmembranen wird N bewirken, dass Gaben von anderen Medikamenten wesentlich schneller und besser wirken, da diese schneller und leichter hineingelangen. Das, was N kann, können weltweit sämtliche Nahrungsergänzungsmittel und Pillen nicht." und/oder

9. "Hier zum Vertriebsaufbau wird noch von Heilwirkungen gesprochen. In Deutschland darf man das nur bei zugelassenen Medikamenten. Eine Zulassung kostet über 1.000.000,00 DM und dauert über ein Jahr. Deshalb werden Naturheilmittel oft Nahrungsergänzungsmittel genannt. Also bitte nicht schriftlich mit den Ausdrücken: Heilung, Heilmittel, Naturheilmittel werben. Dies ist ein Wildfruchtsaft mit sehr großem Gehalt in Vitalstoffen, der vitalisierende Wirkung hat." und/oder

10. "N bewirkt auch, dass Schlacken und Gifte ausgeschwemmt werden (Rauchen, Alkohol, Großstadtluft, Vielfahrer - die oft Fernstraßenluft atmen müssen)." und/oder

11. "Die Immunabwehr wird gestärkt, die Killerzellen werden vermehrt, Schutz vor Infektionen, Ansteckungskrankheiten."

und/oder

12. "Nachdem N in Polynesien seit über 2000 Jahren von den dortigen Heilern als Heilmittel eingesetzt wird, entdeckten es die Amerikaner 1993, untersuchten es und fanden in diesem Wild-Frucht-Saft über 100 Vitalstoffe und Enzyme, die dem menschlichen Körper zu einer starken Xeronin-Herstellung verhelfen" und/oder

13. "Zigtausende berichten über Heilungen ihrer Leiden, über deutliche Verbesserung ihres Wohlbefindens und ihrer Vitalität." und/oder

14. "Sie dürfen folgende Aussagen machen: "In den USA und Kanada gibt es Tausende von Menschen, die bezeugen, dass sie nach monatelanger Einnahme von N ihre Leiden loswurden, gesund wurden, obwohl vorher keine Therapie und kein Medikament half."

Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten verfolgt weiter das Ziel der Klagabweisung. Hierzu wird vorgetragen, es liege kein Handeln der Beklagten vor. Die Beklagte habe das Schreiben, das Anlage zur Klagschrift ist, weder verfasst noch weitergegeben. Sie sende es auch nicht registrierten Interessenten zu.

Die Beklagte stellt zur Nachprüfung des Senats, ob es sich bei dem Fruchtsaft N um ein Lebensmittel handelt. Sie ist der Ansicht, dass (mit der Aussage 1) jedenfalls nicht der Anschein erweckt worden sei, N sei ein Arzneimittel. Es sei lediglich der Begriff "Naturheilmittel" verwandt worden. Naturheilmittel seien aber keine Arzneimittel.

Die Beklagte ist der Ansicht, es liege (bei Aussage 2) kein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Ziffer 4 LMBG vor. Es würden keine Dank-, Anerkenntnis- oder Empfehlungsschreiben verwendet, sondern es werde lediglich erwähnt, dass Zigtausende in den USA behaupteten, sie seien ihre Leiden losgeworden.

Die Beklagte behauptet, der im Abschnitt II 3 des Urteils (zu Aussage 3) gerügte fehlende Nachweis im Sinne des § 17 Abs. 1 Ziffer 5 a LMBG könne durch die zu den Akten gereichten Fachzeitschriften-Auszüge geführt werden. Hilfsweise beruft die Beklagte sich auf ein Sachverständigengutachten.

Die Aussage 4 betreffe lediglich die Tatsache, dass der Käufer ohne Xeronin krank werde. Dies sei nicht zweifelhaft. Es liege kein Hinweis auf ein Arzneimittel vor.

Der in Aussage 5 enthaltene Hinweis auf Referenzschreiben von Amerikanern stelle keine konkrete Äußerung Dritter im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziffer 4 LMBG dar.

Die Textpassagen "Krankheiten könnten verschwinden" und "Vorbeugung gegen sämtliche Krankheiten" (Aussagen 6 und 7) stellten lediglich einen Hinweis auf eine allgemeine gesunde Lebensweise dar und keine konkret krankheitsbezogene Aussage.

Der "Hinweis für Ärzte..." (Aussage 8) sei zutreffend und belegt.

Der Hinweis zum "Vertriebsaufbau" (Aussage Nr. 9) sei zutreffend und nicht zu beanstanden. Durch ihn werde nur klargestellt, dass nicht für ein arzneimittelähnliches Produkt geworben werde.

Die Äußerungen zur Entschlackung und zur Immunabwehr (Aussagen Nr. 10 und Nr. 11) seien nicht irreführend im Sinne von § 17 Abs. 5 LMBG.

Die Aussage Nr. 12 des Urteils stelle lediglich eine zutreffende historische Beschreibung dar; ebenso sei der Hinweis auf die vielen Menschen in den USA und Kanada, die eine Linderung von Krankheiten und eine Befreiung von Leiden bezeugten, zutreffend (Äußerung Nr. 13 und Nr. 14 des Urteils).

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung und der Berufungserwiderung verwiesen.

Der Senat hat die Beklagte gemäß § 141 ZPO angehört. Die Beklagte hat Angaben zur Verbreitung von Werbeschriften nicht gemacht und sich darauf beschränkt, die Verbreitung der Anlage K1 zu bestreiten.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zutreffend verurteilt, sämtliche streitgegenständliche Äußerungen zu unterlassen.

Das Unterlassungsbegehren ist begründet gemäß §§ 1 und 3 UWG in Verbindung mit §§ 17 und 18 LMBG

1. Die Beklagte hat durch Verbreitung des Textes, der als Anlage zur Klagschrift zur Akte gereicht worden ist (Bl. 7 bis 16 d. A.), zum Zwecke des Wettbewerbs gehandelt.

a) Nach Anhörung der Beklagten gemäß § 141 ZPO vor dem Senat ist der Senat der Überzeugung, dass die Beklagte das Informationspapier, auf das die Klage gestützt ist, verbreitet hat. Die Beklagte bestreitet zwar in beiden Rechtszügen, das Papier verfasst oder weitergegeben zu haben. Auch kann allein aus dem Umstand, dass das Papier mehrfach Namen und Adresse der Beklagten trägt, nicht auf ein aktives Handeln der Beklagten geschlossen werden. In ihrer Anhörung hat die Beklagte jedoch keinerlei Erklärungen zum Zustandekommen und zur Verbreitung der Anlagen K1 und B1 abgegeben. Sie hat vielmehr den Eindruck vermittelt, sich nicht vollständig zum Sachverhalt erklären zu wollen.

Das schlichte Bestreiten der Beklagten ist auch deswegen unbeachtlich, weil die streitbefangenen Äußerungen überwiegend auch in dem "Informationsreport" "Neues Super-Enzym aus der Natur" enthalten sind (Anlage B 1, Blatt 38 ff. d. A.). Die Beklagte hat diesen "Informationsreport" selbst zur Akte gereicht und eingeräumt, dass die darin enthaltenen Informationen die einzigen schriftlichen Unterlagen seien, die von seiten der Beklagten an dritte Personen übergeben würden (Bl. 34 d. A.). Sie hat jedoch die Anlage in der Klagerwiderung irrtümlich als "Anlage B 2" bezeichnet. Dass es sich insoweit um einen Irrtum handelt, ergibt sich aus dem Inhalt der S. 2 der Klagerwiderung eindeutig. Vor dem Senat hat die Beklagte ferner eingeräumt, dass die Behauptung in der Berufungsbegründung, Interessenten hätten nur die Produktinformation "Anlage B 2" (52 GA)" erhalten, auf einem Irrtum beruht.

b) Die Verbreitung der Informationsschrift stellt ein wettbewerbliches Handeln dar, auch wenn mit damit zugleich oder, wie die Beklagte behauptet, ausschließlich der Aufbau einer Vertriebsstruktur bezweckt gewesen sein sollte.

Die Ansicht der Beklagten, es handele sich nicht um eine Werbesendung, mit der auf Verbraucher einzuwirken versucht werde, sondern um eine Information potentieller Interessenten nach Erwerb des Fruchtsaftes und um eine Information über die aufzubauende Vertriebsstruktur, ist unzutreffend. Dem Urteil des Landgerichts, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, ist zu folgen. Der Wettbewerb ist nicht auf die Gewinnung neuer Kunden beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Erhaltung des bisherigen Kundenstammes. Außerdem muss die Werbeaussage, um vertriebsfördernd zu wirken, nicht ausschließlich gegenüber dem Endverbraucher getätigt werden. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen wettbewerblichen Handelns sind zu bejahen. Die streitgegenständlichen Äußerungen sind geeignet, den Absatz der Ware zu fördern. Diese Äußerungen sind getätigt worden, um eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Wettbewerbers zu fördern (Baumbach/Hefermehl, a. a. O., Einleitung UWG RdNrn. 215, 232).

"Fachkreise", gegenüber denen die Einschränkungen des - hier anwendbaren (s.u. 3.2.) - LMBG zum Teil nicht gelten, sind nach § 18 Absatz 2 LMBG Angehörige der Heilberufe, des Heilgewerbes und der Heilhilfsberufe. Zu diesem Personenkreis zählen nicht die - nach dem Vortrag der Beklagten - angesprochenen Vertriebspersonen.

Darüber hinaus wendet sich die Schrift der Beklagten auch unmittelbar an den Endverbraucher. Das "Network Marketing-Vertriebssystem" in Form des "Multi-level-Marketing" geht von einer Vermehrung der "Vertriebspartner" im Schneeballsystem aus und davon, dass jeder "Vertriebspartner" zunächst den Fruchtsaft "jeden Tag für mindestens 90 Tage selber benutzen und regelmäßig trinken" muss (vgl. Bl. 44 d. A.).

2. Ob die streitgegenständlichen Äußerungen wettbewerbsrechtlichen Anforderungen genügen, ist nach den Vorschriften der §§ 17 und 18 LMBG zu beurteilen, weil es sich bei dem "N" Fruchtsaft" um ein Lebensmittel handelt. Ein Fruchtsaft fällt unter die Legaldefinition des § 1 Abs. 1 LMBG. Maßgebend für die Einstufung eines Stoffes als Arzneimittel oder Lebensmittel ist die überwiegende Zweckbestimmung, die ein Stoff entsprechend der Verkehrsanschauung seiner Gattung nach objektiv hat. Die hierfür maßgebliche Verkehrsanschauung wird regelmäßig durch die allgemeine Verwendung seitens der Verbraucher bestimmt, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten der Stoff seiner Art nach hat (SchlHOLG, Urteil vom 10.6.1997 - 6 U 25/97, OLGR 1997, 391, 392 m.w.N.). Danach wird ein Fruchtsaft ohne Dosierungseinschränkungen zum Zweck des Durstlöschens und der Ernährung als Lebensmittel konsumiert.

Im Übrigen kommt eine Heilmitteleigenschaft dem Fruchtsaft auch nach dem Beklagtenvortrag nicht zu.

3. Die Verstöße im Einzelnen

a) Aussage 1

Es liegt ein Verstoß gegen § 17 Ziffer 5 c LMBG vor. Der Begründung des Landgerichts ist zu folgen. Auf sie wird Bezug genommen. Zwar ist bei der Beurteilung der Frage, ob der Anschein eines Arzneimittels erweckt wird, auf den Gesamteindruck abzustellen (Leible in Lebensmittelrecht, Handbuch III RdNr. 474). Die Form der Verpackung in Flaschen und der Umstand, dass es sich um ein Fruchtsaft handelt, spricht gegen den Anschein eines Arzneimittels. Der Werbetext, der durch die Verneinung "kein Naturheilmittel" bei gleichzeitigem Hinweis auf den Gebrauch in Polynesien ("... dort das beste Naturheilmittel") den Eindruck suggeriert, es handele sich doch um ein Naturheilmittel, erweckt damit den Anschein eines Arzneimittels im Sinne des § 17 Ziffer 5 c LMBG.

Unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten, bei einem "Naturheilmittel" handele es sich gar nicht um ein Arzneimittel. Als "Naturheilmittel" sind vielmehr Heilmittel anzusehen, deren arzneilich wirksame Bestandteile nicht synthetisch hergestellt worden sind. Der Wortbestandteil "-heilmittel" ist nach allgemeinem Sprachverständnis eindeutig im Sinne von "Arzneimittel" zu verstehen. Der Arzneimittelbegriff umfaßt Heilmittel (vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz §1 Randnummer 22: "Der Arzneimittelbegriff umfaßt sowohl Heilmittel, die zur Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bestimmt sind, wie auch Vorbeugemittel ..."). Der Wortbestandteil "Natur"- macht aus einem Heilmittel nicht etwas völlig anderes. Bei der Werbung mit Wortbestandteilen "Natur..." wird als sachgerechtes Abgrenzungskriterium herangezogen, ob die arzneilich wirksamen Wortbestandteile synthetisch hergestellt sind oder nicht (Gröning, Heilmittelwerberecht, § 3 HWG RdNr. 51).

Außerdem ist die Aussage 1 im Zusammenhang zu sehen mit den übrigen Aussagen. In der Gesamtschau wird der Eindruck erweckt, es handele sich bei N um ein Arzneimittel. Dies gilt insbesondere auch wegen des Flaschenpreises von knapp 90 DM (vgl. Blatt 47 der Akte: erster Karton mit vier Flaschen 355 DM). Dieser Preis suggeriert einen besonderen Gegenwert, den ein normaler Fruchtsaft nicht hat. Ferner suggerieren die Begriffe "Einnahme" in Aussage 2 (statt "Trinken"), "Anwender" in Aussage 4 (statt "Konsument") und "Heilwirkungen" in Aussage 9, dass es sich bei dem Fruchtsaft nach der Werbeaussage um ein Arzneimittel handeln soll.

Die Sittenwidrigkeit der Wettbewerbshandlung im Sinne des § 1 UWG folgt daraus, dass es sich bei § 17 LMBG um eine wertbezogene Regelung handelt, die Ausdruck einer sittlichen Anschauung, also sittlich fundiert ist (Leible in Lebensmittelrechts-Handbuch RdNr. III 405, 406).

Das nach § 1 UWG i.V.m. § 17 LMBG wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten ist auch geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Der Einwand der Beklagten, im Vorliegenden Verfahren werde "mit Kanonen auf Spatzen geschossen", ist unzutreffend. Wenn Fruchtsaft unter dem Anschein beworben und verkauft wird, es handele sich um ein Arzneimittel, sind weite Kreise der angesprochenen Verbraucherkreise in der Gefahr, in der Hoffnung auf Befreiung von Leiden statt zu handelsüblichen Fruchtsäften zu dem beworbenen Saft zu greifen, und dies zu einem Flaschenpreis von hier knapp 90 DM. Ein krankheitsbedingter Leidensdruck kann - insbesondere nach vergeblichen Bemühungen, Linderung durch die Schulmedizin zu erreichen - auch bei üblicherweise vernunftsgesteuerten Verbrauchern irrationale, allein hoffnungsgetragene Verkaufsentscheidungen veranlassen. Bei der Beurteilung der Werbeaussagen kommt es nach Ansicht des Senates nicht auf den medizinisch aufgeklärten, nüchtern abwägenden, sondern nach wie vor auf den eher emotional entscheidenden und leicht verführbaren Verbraucher an (Urteil vom 15.02.2000, Az: 6 U 72/99, OLG-Report Schleswig 2000, 166).

Da § 17 Absatz 1 Nr. 5 LMBG dem Täuschungsschutz dient, ist auch § 3 UWG verletzt.

b) Aussage 2

Auch hier ist der Begründung des Landgerichts zu folgen, auf die Bezug genommen wird. Es liegt ein Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Ziffer 4 LMBG vor. Danach sind nicht nur die Verwendung von Dank- , Anerkenntnis- oder Empfehlungsschreiben verboten, sondern auch Hinweise auf solche Äußerungen. Die streitgegenständliche Werbeaussage enthält einen solchen Hinweis. Dass der Dritte konkret benannt sein müsste, ist weder dem Wortlaut des Gesetzes zu entnehmen noch nach seinem Regelungsgehalt anzunehmen. Die Gefahr unbegründeten Verbrauchervertrauens ist bei anonymem Bezug auf Zigtausende nicht geringer als bei Nennung konkreter einzelner Namen.

Die krankheitsbezogene Werbung nach § 18 LMBG ist sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG (Leible, a. a. O., RdNrn. 405, 406).

Die Verbote des § 18 LMBG sollen "den Verbraucher nicht nur vor unsachgemäßer Selbstbehandlung schützen, sondern jedwede Anlehnung an die Arzneimittelwerbung unterbinden. Von vornherein soll jeglichem Irrtum vorgebeugt werden, ein Lebensmittel habe die Wirkung eines Arzneimittels, damit irgendeine Beziehung zu Krankheiten gar nicht erst hervorgerufen wird" (KG Urteil vom 14.12.1992 - 27 U 6020/92, KGR Berlin 1993, 152).

c) Aussage 3

Diese Aussage ist - isoliert betrachtet - nicht produktbezogen. Sie beschäftigt sich nur mit der Xeronin-Bildung des Körpers. Die Aussage ist jedoch im Zusammenhang zu sehen mit der Aussage 4 und der Aussage 12, wonach N-Fruchtsaft die Bildung von Xeronin fördert.

Die Aussage 3 verstößt gegen § 17 Ziffer 5 a LMBG. Auch hier ist der Begründung des Landgerichts zu folgen. Lebensmittel dürfen Wirkungen auch dann nicht beigelegt werden, wenn die Wirkungen wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Ob N-Fruchtsaft tatsächlich die Wirkung hat, Xeronin zu bilden, ist außerordentlich fraglich.

Bereits die Existenz eines Alkaloids Xeronin ist pharmakologisch nicht beschrieben. Es ist in keinem der größeren Lexika und auch nicht in neuen Internet-Enzykklopädien wie der "Enzyclopaedia Britannica" und "encarta" aufgeführt. Ferner ist fraglich, ob es die Enzyme Proxeronin und Proxeronase, die im N-Fruchtsaft enthalten sein sollen, überhaupt gibt. Wegen der diesbezüglichen Bedenken verweist der Senat auf die Darstellung von Roland Ziegler im online-Lexikon Paramedizin, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Selbst wenn man von der Existenz des Xeronins ausgeht, ist dessen Wirkungsweise auf den menschlichen Körper überhaupt nicht bewiesen. Zu diesem Ergebnis kommen Hamilton und Kirchhain auf der website des US-pharmacist: "evidence of any significant benefit of n-products is not available in the scientific literature".

Die Richtigkeit dieser Aussagen kann dahinstehen. Denn der mit der Wirkung eines Lebensmittels Werbende muss beweisen können, dass die behauptete Wirkung auch tatsächlich wissenschaftlich gesichert ist. Die Beklagte hat bereits ihren Substantiierungsanforderungen nicht genügt, jedenfalls bliebe sie beweisfällig. Der Wirkungsbeweis ist bereits dadurch entkräftet, dass - wie dargelegt - die Wirkungsbehauptung wissenschaftlich umstritten ist (Leible, a. a. O., RdNr. III 462). Die von der Beklagten zur Wirkungsweise von N eingereichten Zeitungsausschnitte sind von unwissenschaftlicher Qualität. Die Beklagte hat keinerlei wissenschaftlich fundierte Aussagen zur Wirkungsweise vorgelegt. Die Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens liefe auf eine Ausforschung hinaus. In ihrem Informationsreport räumt die Beklagte im übrigen selbst ein, dass Xeronin niemals gefunden oder isoliert wurde (Blatt 42 der Akte).

Wie bei Aussage 1 dargelegt, stellt auch der Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Ziffer 5 a LMBG einen Verstoß gegen § 1 UWG dar.

d) Aussage 4

Dem Landgericht ist zu folgen. Außerdem liegt neben dem Verstoß gegen § 17 Absatz 1 Ziffer 5c LMBG ein solcher gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 LMBG vor. Die Aussage insgesamt ist krankheitsbezogen, wenn sie anführt, bei N-Anwendern werde in 69% der vorhandenen Krankheitsfälle geholfen.

e) Wegen der Aussagen 5 bis 14 verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts, denen er folgt.

4. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Absatz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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