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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.02.2002
Aktenzeichen: 6 U 78/01
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 3 |
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 5. Februar 2002
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 11. September 2001 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Der Verfügungskläger (künftig: Kläger) begehrt von der Verfügungsbeklagten (künftig: Beklagten) die Unterlassung der Werbung für Kraftfahrzeuge unter Nennung eines tatsächlich niedrigeren Preises und Gegenüberstellung mit einem durchgestrichenen höheren Preis, der als "Neupreis" bezeichnet wird, ohne darauf hinzuweisen, dass der "Neupreis" die unverbindliche Preisempfehlung des Importeurs sei. Mit dem im 2. Rechtszug erstmalig geltend gemachten Hilfsantrag begehrt er generell die Unterlassung der genannten Werbung.
Wegen der Einzelheiten des Tatbestandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, dass es zwar unzureichend wäre, wenn die Beklagte dem tatsächlichen Preis den unverbindlichen Neupreis gegenübergestellt hätte, ohne diesen ausdrücklich als "unverbindliche Preisempfehlung" zu bezeichnen. Die Angabe "Neupreis" wäre insoweit unzureichend. Der Verfügungskläger habe jedoch den ihm obliegenden Nachweis nicht geführt, dass der von der Verfügungsbeklagten unter "Neupreis" angegebene Preis die unverbindliche Preisempfehlung des Importeurs gewesen sei.
Die Berufung des Klägers greift zunächst die Würdigung der Glaubhaftmachung durch das Landgericht an. Die vom Landgericht hinsichtlich der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 07.08.2001 artikulierten Bedenken erschienen hergesucht und seien nicht zu billigen. Die eidesstattliche Versicherung des Herrn St. sei nicht lückenhaft. Vielmehr sei seinen Darlegungen zu folgen, weil er am Verfahren unbeteiligt sei im Gegensatz zu Frau R, die als Ehefrau des Mitgeschäftsführers der Beklagten praktisch Partei sei.
Die Berufung rügt ferner, dass weder der Protokollierung der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2001 noch den Entscheidungsgründen zu entnehmen sei, wie das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen sei, "dass die unverbindliche Preisempfehlung ca. 7.000,00 DM über dem in der Werbung angegebenen Neupreis liegt". Zur Stützung seines Vortrages, dass der in der Anzeige hinsichtlich des zuletzt genannten Fahrzeuges genannte Neupreis von 57.075,00 DM unter Berücksichtigung der angebotenen Sonderausstattung bis auf eine geringfügige Abweichung exakt der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers entspreche, legt der Kläger eine eidesstattliche Versicherung des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt R. W., vom 31.10.2001 vor.
Den Hilfsantrag stützt die Berufung auf die Entscheidung des OLG Stuttgart, die auch vom Landgericht genannt worden ist (Urteil v. 28.04.1997 - 2 U 215/96, WRP 1997, 873 = NJW-RR 1998, 622 = NJWE-WettbR, 153 L). Danach genüge es für die Bejahung des Irreführungstatbestandes, dass die bloße Gegenüberstellung von "Neupreis" und tatsächlich verlangtem Preis eine Mehrdeutigkeit angesichts der Mehrzahl möglicher Vorstellungen des möglichen Kunden über den Bezugspreis nicht ausschließe. Die Bedeutung des als "Neupreis" bezeichneten Vergleichspreises sei für den flüchtigen Leser der Anzeige unklar.
Der Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils gemäß dem erstinstanzlichen Antrag des Verfügungsklägers zu erkennen, wobei es in der drittletzten Zeile der Antragsformulierung statt "sowie die Nennung" richtig heißen muss "sowie der Nennung",
hilfsweise,
gemäß dem erstinstanzlichen Antrag des Verfügungsklägers zu erkennen, jedoch mit der Maßgabe, dass der im Antrag enthaltene Passus "ohne darauf hinzuweisen, dass der "Neupreis" die unverbindliche Preisempfehlung des Importeurs sei" ersatzlos entfällt.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des klagenden Verbandes hat keinen Erfolg.
1. Die Verbandklagebefugnis des Klägers ist vom Senat wiederholt bejaht worden, zuletzt in dem Verfahren 6 U 54/01 (Urt. v. 27.11.2001).
2. Werbung mit Preissenkung
2.1. Begründetheit des Hauptantrages
Ein Verfügungsanspruch aus § 3 Satz 1 UWG i.V.m. § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG besteht nicht.
Die Werbung der Beklagten in den L Nachrichten vom 05./06. Aug. 2001 ist nicht irreführend i.S.d. § 3 UWG. Eine Irreführung über die Preisbemessung wird durch die konkrete Werbung nicht hervorgerufen.
Indem die Beklagte dem tatsächlich verlangten Preis einen durchgestrichenen "Neupreis" gegenübergestellt hat, hat sie den Anschein erweckt, ihre eigenen Preise gesenkt zu haben oder die aufgeführten Fahrzeuge jedenfalls günstiger anzubieten als zum unverbindlich empfohlenen Preis des Kfz.-Importeurs. Beides ist grundsätzlich zulässig. Grundsätzlich darf ein Gewerbetreibender seine Preise herabsetzen, wie es ihm beliebt, und seine Mitbewerber unterbieten, es sei denn, dass unlautere Begleitumstände das Unterbieten wettbewerbswidrig machen. Mit dem Herabsetzen der Preise darf er auch werben, wenn die Werbung der Wahrheit entspricht und der Umworbene nicht irregeführt oder verunsichert wird (Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 292). Auf einen unverbindlich empfohlenen Preis des Herstellers oder Importeurs dürfen Einzelnhändler Bezug nehmen in ihrer Werbung, um das eigene Angebot als preisgünstig herauszustellen. Selbstverständlich muss die Angabe wahrheitsgemäß erfolgen (Baumbach/Hefermehl a.a.O. Rdnr. 311 m.w.N.).
Bedenken können sich vorliegend daraus ergeben, dass in der Anzeige der Beklagten nur das 4. Fahrzeug ("9-3 2,0 T SE Neuwagen") ein Neuwagen im eigentlichen Sinne gewesen ist, im übrigen aber Fahrzeuge mit Tageszulassung und einer Laufleistung von 8 km bzw. offenbar ein Vorführwagen mit einer Laufleistung von 100 km angeboten wurden. Bei den letzteren Fahrzeugen kann sich die Nennung eines "Neupreises" unabhängig davon, was damit im einzelnen gemeint gewesen ist, nicht auf ein identisches Fahrzeug bezogen haben, sondern nur auf ein Fahrzeug ohne Tageszulassung bzw. ohne Laufleistung von 100 km als Vorführwagen. Insoweit wurden also Preise für nicht völlig identische Preise gegenübergestellt. Darin liegt jedoch keine Irreführung. Die Werbung enthält vielmehr eine Aufklärung über den gewährten Preisnachlass für die angebotenen Fahrzeuge mit wertmindernden Faktoren (Tageszulassung bzw. Vorführwagen) gegenüber fabrikneuen Fahrzeugen. Dies ist für den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkennbar (zur entsprechenden Bewerbung von Möbel-Ausstellungsstücken vgl. OLG München, Urt. v. 16.03.1995 - 6 U 5480/94, OLGR München 1995, 204). Dies wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt.
Eine Irreführung hätte ferner vorliegen können, wenn der durchgestrichene "Neupreis" ein anderer und höherer Neupreis gewesen wäre als derjenige, den sich der Verbraucher vorstellt. Dabei kann es darauf ankommen, ob der von der Beklagten angegebene "Neupreis" zuvor der unverbindlich empfohlene Preis des Autoimporteurs war oder der tatsächlich verlangte Hauspreis der Beklagten. § 3 UWG will verhindern, dass bei einem nicht unerheblichen Teil der betroffenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen von maßgeblicher Bedeutung für den Kaufentschluss hervorgerufen werden (Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 3 Rdnr. 1). Zur Irreführung ist nicht erforderlich, dass eine Täuschung des Verkehrs bereits eingetreten ist (Baumbach/Hefermehl a.a.O. Rdnr. 21). Die Preisgegenüberstellung hat den Zweck, bei dem möglichen Kunden den Eindruck hervorzurufen, er kaufe besonders günstig, wenn er das Angebot wahrnehme. Je größer die sich aus der Gegenüberstellung der Preise ergebende Preisdifferenz ist, desto attraktiver wird dem Kunden das Angebot erscheinen. Eine Irreführung liegt folglich vor, wenn die in der Werbung angegebene Preisdifferenz nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Der Begriff "Neupreis" ist jedoch nicht eindeutig, worauf das OLG Stuttgart grundsätzlich zutreffend hinweist (Urteil v. 28.04.1997 - 2 U 215/96, WRP 1997, 873 = NJW-RR 1998, 622 = NJWE-WettbR, 153 L). Mit "Neupreis" kann die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers oder Importeurs gemeint sein, der frühere Eigenpreis des Händlers oder der Konkurrenzpreis. Die Bezugsgröße der Preisgegenüberstellung ist mithin mehrdeutig. Es besteht die Möglichkeit einer Mehrzahl von Vorstellungen des Verbrauchers über den Bezugspreis. Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht bereits eine Irreführung.
Weil die Beklagte den nicht eindeutigen Begriff "Neupreis" benutzt hat, ist bei der Beurteilung einer möglichen Täuschung darauf abzustellen, ob der Verbraucher sich einen höheren Neupreis vorgestellt haben kann als der geringste denkbare Neupreis.
Hat der Verbraucher sich unter Neupreis den unverbindlich empfohlenen Preis vorgestellt, dürfte er im vorliegenden Fall nicht getäuscht worden sein. Nach dem Vortrag des Klägers waren die angegebenen "Neupreise" die vom Importeur unverbindlich empfohlenen Verkaufspreise für die genannten Fahrzeuge.
Hat sich der mögliche Kunde unter "Neupreis" einen früheren Eigenpreis oder sog. Hauspreis der Beklagten vorgestellt, dürfte er nur dann getäuscht sein, wenn dieser Hauspreis tatsächlich niedriger war oder nicht eine angemessene Zeit lang für die Ware ernsthaft verlangt worden ist (Baumbach/Hefermehl a.a.O. Rdnr. 296). Hierzu fehlt aber jeder Vortrag des Klägers. Der Kläger behauptet nicht, dass die beworbenen Fahrzeuge von der Beklagten vor der beanstandeten Werbung zu einem Hauspreis angeboten wurden, der unter der unverbindlichen Preisempfehlung und unter dem durchgestrichenen "Neupreis" lag. Allenfalls kann man eine entsprechende Behauptung inzidenter dem Klagvortrag entnehmen, weil dieser immer wieder darauf abstellt, die angegebenen Neupreise stellten nur die unverbindliche Preisempfehlung dar. Damit ist aber nicht vorgetragen und schon gar nicht glaubhaft gemacht, zu welchen Preisen die Fahrzeuge angeboten worden waren.
Dies ergibt sich auch nicht aus dem Beklagtenvortrag, den sich der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hilfsweise zueigen gemacht hat. Die eidesstattliche Versicherung der Frau R. enthält zwar die Angabe, bei den durchgestrichenen Preisen handele es sich nicht um den unverbindlichen Neupreis, sondern um die tatsächlich verlangten Preise. Dass diese von der Beklagten aber nicht verlangt worden waren, wird nicht vorgetragen.
Selbst wenn man den Vortrag des Klägers in dem Sinn als hinreichend substantiiert ansähe, dass die durchgestrichenen Preise mit der jeweiligen unverbindlichen Preisempfehlung identisch gewesen seien, die Beklagte aber zuvor einen tatsächlich niedrigeren Preis verlangt hätte, was eine Irreführung hätte begründen können, wäre der Vortrag des Klägers auch durch die neue eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts R. W. vom 31. Oktober 2001 nicht glaubhaft gemacht worden. Vielmehr ist insoweit die eidesstattliche Versicherung der Frau A. R. nicht widerlegt, wonach die als Neupreis bezeichneten durchgestrichenen Preise die üblichen Ladenpreise der Beklagten waren.
Eine theoretische weitere Variante scheidet nach den tatsächlichen Marktverhältnissen aus: Bei den zur Zeit auf dem Kraftfahrzeugmarkt geltenden Marktverhältnissen ist es ausgeschlossen, dass bei gängigen Pkw der Mittelklasse, wie sie von der Beklagten angeboten wurden, der Hauspreis des Händlers über dem unverbindlich empfohlenen Preis des Herstellers oder Importeurs liegt. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, was nicht behauptet wird, und wenn der maßgebliche Verbraucher sich vorgestellt hätte, der angegebene "Neupreis" sei der Hauspreis der Beklagten, wäre er aber auch bei dieser Fallvariante nicht getäuscht, weil der unverbindlich empfohlene Preis zu einer geringeren Preisdifferenz führen würde. Es würde nicht eine höhere Preisdifferenz vorgespiegelt als sie zum Hauspreis gegeben wäre, sondern eine geringere.
Die letzte theoretische Variante, dass der Verbraucher sich unter "Neupreis" einen Konkurrenzpreis vorgestellt hat, würde gleichfalls nicht zur Irreführung führen. Wenn die Konkurrenz das Fahrzeug zum unverbindlich empfohlenen Preis anbietet und der Hauspreis der Beklagten nicht niedriger lag, wovon mangels Vortrags und Glaubhaftmachung durch den Kläger auszugehen ist, kann der Verbraucher sich nicht über preisrelevante Umstände getäuscht haben.
Die Kernaussage des OLG Stuttgart (a.a.O.), es sei irreführend i.S.v. § 3 UWG, wenn ein Kraftfahrzeug-Händler seinem Preis für einen Gebrauchtwagen einen höheren Neupreis gegenüberstellt, ohne anzugeben, ob dieser die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, der eigene frühere Neuwagenpreis oder der Neuwagenpreis eines anderen Händlers ist, ist jedenfalls dann unzutreffend, wenn der angegebene "Neupreis" tatsächlich die unverbindliche Preisempfehlung war und nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden ist, dass der Kfz-Händler vor dem Werbeangebot einen eigenen, unter der Preisempfehlung liegenden niedrigeren Hauspreis verlangt hatte. Allein die Mehrzahl möglicher Vorstellungen des Verbrauchers über den Inhalt des Begriffs "Neupreis" führt bei dieser Fallkonstellation nicht zu der Möglichkeit einer Irreführung.
2.2. Hilfsantrag
Aus Vorstehendem ergibt sich zugleich, dass auch der Hilfsantrag unbegründet ist.
3. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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