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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 28.09.2000
Aktenzeichen: 6 W 22/00
Rechtsgebiete: BGB, UWG, PBefG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 278
BGB § 831
UWG § 13 Abs. 4
PBefG § 49
PBefG § 49 Abs. 4 Satz 3
ZPO § 138
ZPO § 890
ZPO § 793 Abs. 1
ZPO § 577 Abs. 2
ZPO § 890 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
Zur Frage des Organisationsverschulden des Schuldners im Rahmen des § 890 ZPO.

SchlHOLG, 6. ZS, Beschluss vom 28. September 2000, - 6 W 22/00 -


Beschluss

6 W 22/00 2 O 295/98 LG Kiel

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Schuldner und Beschwerdeführer,

-Prozessbevollmächtigte:

gegen

Funk-Taxi-Zentrale eG

Gläubigerin und Beschwerdegegnerin,

-Prozessbevollmächtigte:

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 28. September 2000 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts und die Richter am Oberlandesgericht und beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den am 24. März 2000 verkündeten und dem Schuldner am 7. April 2000 zugestellten Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel - 2 O 295/98 - wird zurückgewiesen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 10.000,- DM.

Gründe:

Die gemäß §§ 793 Abs. 1, 577 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners ist unbegründet.

Die sofortige Beschwerde richtet sich nach der Begründung ersichtlich gegen beide vom Beschluss des Landgerichts erfassten Vorfälle vom 27. August und 26. September 1999, wenn auch der Schuldner mit seiner Beschwerdeschrift vom 25. April 2000 nur auf die Zurückweisung des Antrags der Gläubigerin vom 26. Oktober 1999 anträgt, der nur den ersten Vorfall betrifft.

1. Soweit das Landgericht festgestellt hat, der beim Schuldner beschäftigte Mietwagenfahrer G. habe am 27. August 1999 als Fahrer des VW-Busses mit dem amtlichen Kennzeichen und der beim Schuldner beschäftigte Mietwagenfahrer P. habe am 26. September 1999 als Fahrer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG, nach Ausführung des Beförderungsauftrags unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren verstoßen, folgt der Senat den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Schuldner greift diese Feststellungen auch nicht an.

2. Das Landgericht hat auch im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Schuldner für die beiden Verstöße verantwortlich ist. Er hat schuldhaft der Verpflichtung aus dem vom Senat bestätigten Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 30. Oktober 1998 zuwidergehandelt, es zu unterlassen, seine Mietwagen so zu betreiben, dass diese nach Ausführung eines Beförderungsauftrages nicht unverzüglich zum Betriebssitz zurückkehren, es sei denn, der Fahrer hat vor der Fahrt von dem Betriebssitz oder der Wohnung des Beklagten oder während der Fahrt durch Funk einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.

a) Voraussetzung für die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld ist ein Verschulden des Schuldners selbst; das Verschulden von Hilfspersonen i.S.d. §§ 278, 831 BGB, 13 Abs. 4 UWG reicht nicht aus (statt Vieler Baumbach/Hefermehl, 21. Aufl., Rdz. 584 Einleitung UWG; Teplitzky, 7. Aufl., Rdz. 26 zu Kap. 57, jeweils m.w.N.). Es genügt allerdings für ein eigenes Verschulden des Schuldners, wenn die durch Hilfspersonen begangene Zuwiderhandlung Folge eines Organisationsverschuldens etwa in der Form ist, dass der Schuldner Anordnungen, Überwachungen und andere Maß nahmen unterlässt, die Verstöße der Hilfspersonen verhindern können. Die Anforderungen an den Schuldner werden dabei sehr hoch gespannt (vgl. Teplitzky, a.a.O., Fn. 82 und 83 mit zahlreichen Nachw., insbesondere aus der st. Rechtsprechung der Oberlandesgerichte). Ist ein Mietwagenfahrer zur Unterlassung von Verstößen gegen die Rückkehrpflicht verurteilt worden, so ist er verpflichtet, alles zu tun, um diese Verstöße künftig auszuschließen (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand: August 2000, Rdz. 185 zu § 49 PBefG).

Das Verschulden ist allerdings grundsätzlich ebenso wie die objektive Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungstitel durch Hilfspersonen vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen (Teplitzky, a.a.O., Rdz. 28 m.w.N.). Dieser Grundsatz darf aber nicht dazu führen, dem Gläubiger, der normalerweise keinen Einblick in die betrieblichen Interna des Schuldners hat und deshalb die beweiserheblichen Tatsachen nicht aufklären kann, die Beweisführung für ein Organisationsverschulden unmöglich zu machen oder ihn dazu zu zwingen, Behauptungen "ins Blaue hinein" aufzustellen. Denn der auch im Prozessrecht anwendbare Gedanke von Treu und Glauben des § 242 BGB und der aus § 138 ZPO folgende Grundsatz einer redlichen Prozessführung beeinflussen die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BVerfG NJW 91, 3139, 3140 zur Verhängung von Ordnungsgeld; BGH WRP 62, 404, 405 f. zum Wettbewerbsrecht).

Ob sich deshalb im Ordnungsmittelverfahren im Falle einer objektiv erwiesenen Verletzungshandlung die Beweislast oder die Beweisvermutung zugunsten des Gläubigers mit der Folge umkehren muss, dass der Schuldner sich zu entlasten hat, wie eine beachtliche Auffassung in Rechtsprechung und Literatur meint (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdz. 586 Einleitung UWG m.w.N. sowie die Nachweise bei Teplitzky, a.a.O., Fn. 91), kann dahinstehen. Das mag im Einzelfall vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten tatsächlichen Schwierigkeiten des Gläubigers geboten sein. In jedem Falle ist die Beweisführungslast des Gläubigers zu erleichtern, wenn er außerhalb des Geschehensablaufs steht und den Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann, während dem Schuldner die erforderliche tatsächliche Aufklärung ohne weiteres möglich und auch zuzumuten ist (BGH a.a.O.; Teplitzky, a.a.O.). Im Verfahren nach § 890 Abs. 1 ZPO ist deshalb etwa der Anscheinsbeweis zulässig (BVerfG, a.a.O.).

b) Danach hat die Gläubigerin hier jedenfalls die von ihr zumutbar vorzutragenden Tatsachen dargelegt und dafür Beweis angetreten, ohne dass der Schuldner dem in erheblicher Weise entgegengetreten ist.

Weder kontrolliert der Schuldner in zumutbar effektiver Weise das Verhalten der von ihm beschäftigten Fahrer noch gewährleistet er, dass aus Verstößen wirksame Konsequenzen gezogen werden können. Die nach dem Vorbringen des Schuldners vordergründig vielfältigen Vorkehrungen lassen bei einer näheren Betrachtung sogar den Eindruck entstehen, dass dem Schuldner die Einhaltung des Unterlassungsgebots gleichgültig ist.

Im einzelnen gilt dazu folgendes:

aa) Der Gläubiger hat vorgetragen, dass die Funkzentrale , der der Schuldner angehört, über Funk auch Touren an Mietwagenfahrer vermittele, die sich unter Verstoß gegen die Rückkehrpflicht für Beförderungsaufträge bereithalten. Die von der Funkzentrale eingesetzte Software ermögliche aber eine Standortbestimmung der Fahrzeuge und die Registrierung von Wartezeiten, diese Daten könnten auch ausgedruckt werden. Die EDV könne so eingerichtet werden, dass ein Fahrzeug, das sich für einen bestimmten Bezirk freigemeldet habe, für diesen oder die angrenzenden Nachbarbezirke gesperrt werde, wenn es sich eine längere Zeit in einem solchen Bezirk befinde; es könne einfach von der Vergabe von Fahraufträgen ausgeschlossen werden. Dasselbe gelte, wenn ein Fahrzeug sich nach einem Fahrauftrag und vor Erhalt eines neuen Fahrauftrages weiter vom Betriebssitz entferne.

Der Schuldner hat das nicht substantiiert bestritten. Er hat ausgeführt, dass die EDV Stichproben erlaube, die auch durchgeführt würden, da die Zentrale feststellen könne, wo sich ein Fahrzeug gerade befinde. Datenausdrucke könnten allerdings seit 1998 aus technischen Gründen nicht mehr erfolgen.

Damit steht fest, dass der Schuldner sich nicht der vorhandenen Möglichkeiten bedient, um nachträglich Verstöße gegen die Rückkehrpflicht festzustellen. Wenn der Schuldner sich zur Arbeitserleichterung einer von mehreren Mietwagenunternehmern betriebenen Funkzentrale bedient, muss er auch dafür sorgen, dass diese ausreichende Vorkehrungen getroffen hat, um Verstöße gegen das Rückkehrgebot zu vermeiden und zu registrieren und kann nicht die Verantwortung auf die Zentrale abschieben.

Dafür, dass die Zentrale selbst sich in keiner Weise um die Einhaltung des Rückkehrgebots kümmert, spricht die Aussage des Zeugen A. in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht am 17. März 2000. Der Zeuge hat ausgesagt, die Zentrale erlaube es, dass er den nächsten Auftrag erst nach einer doch recht langen Zeit bekomme und in der Zwischenzeit irgendetwas anderes mache.

bb) Auch wenn der Schuldner sich, wie er behauptet hat, mehrfach in der Woche persönlich in der Zentrale aufhält und bei dieser Gelegenheit auch die Einhaltung der Rückkehrpflicht anhand der aktuellen Fahrzeugbewegungen stichprobenartig überprüft, hat er damit nicht dargelegt, dass er seiner Überwachungspflicht in ausreichendem Maße nachkommt. Denn einerseits fehlt es an konkreten Angaben dazu, wie lange und auf welche Weise diese Prüfung jeweils erfolgt. Solche Angaben sind mindestens erforderlich, um auch die ausreichende Kontrolldichte feststellen zu können, da nach dem unbestrittenen Vorbringen des Schuldners jedes seiner Fahrzeuge täglich etwa 45 bis 50 Fahrten bei bis zu 5.000 Fahraufträgen unternimmt. Zum anderen hat der Schuldner behauptet, eine zuverlässige Kontrolle über die EDV sei gar nicht möglich, da die insoweit abrufbaren Daten voraussetzen würden, dass die Fahrer in den Fahrzeugen richtige Angaben etwa über ihren derzeitigen Standort eingeben würden. Dann fragt man sich allerdings, wie denn überhaupt eine wirksame Kontrolle in der Funkzentrale erfolgen kann.

Dasselbe gilt für das Vorbringen des Schuldners, eine Kontrolle erfolge außerdem durch eine mobile Funkanlage, die im Wesentlichen dieselben Möglichkeiten biete wie die Zentraleinheit der Funkzentrale, insbesondere eine Standortabfrage ermögliche; diese Kontrolle durch ihn selbst finde etwa alle zwei Monate statt. Wenn diese Kontrolle ebenfalls auf der Eingabe von Daten durch die Fahrer beruht und diese auch falsche Angaben machen können, ist sie wertlos. Darüber hinaus ist diese Art der Kontrolle ebenfalls nicht näher konkretisiert worden. Es fehlen Angaben dazu, wann und an welchen Orten der Schuldner in der Vergangenheit solche Kontrollen durchgeführt hat.

cc) Soweit eine stichprobenartige Kontrolle durch Beobachten der Fahrzeuge im Stadtgebiet durch den Schuldner behauptet worden ist, ist damit eine effektive Überwachung ebenfalls nicht dargelegt. Der Schuldner hat behauptet, er führe regelmäßig solche Kontrollen durch, wenn sehr viele Bestellungen eingehen würden. So habe er z.B. 1999 an mehreren Tagen an Plätzen der Innenstadt die Wagen beobachtet, ebenso am 23. und 24. Dezember 1999 vor der Diskothek M. und dort auch schon drei bis vier Wochen vorher anlässlich eines erhöhten Bestellaufkommens.

Abgesehen davon, dass der Schuldner verschweigt, wie diese Kontrollen im Hinblick auf das Rückkehrgebot konkret durchgeführt worden sein sollen - ist er seinen Fahrzeugen mit einem neutralen Wagen nachgefahren? -, sind sie, worauf die Gläubigerin zutreffend hinweist, jedenfalls nach Ort und Gelegenheit ungeeignet, gerade die Einhaltung der Rückkehrpflicht zu überwachen. Denn an Tagen mit erhöhtem Bestellaufkommen an stark frequentierten Plätzen liegt es auf der Hand, dass die Mietwagen bereits während der Erledigung eines Fahrauftrages oder unmittelbar danach über Funk neue Aufträge erhalten, die sie in gesetzlich zulässiger Weise abarbeiten. Die Gefahr, gegen das Rückkehrgebot zu verstoßen, ist gerade in bestellarmen Zeiten und in Stadtbezirken groß, von denen aus eine Rückkehr zum Betriebssitz des Schuldners länger dauert.

dd) Schließlich lässt auch die Vertragsgestaltung mit den Fahrern das zumutbare Bemühen um eine wirksame Verhinderung von Verstößen nicht erkennen. Der Mietwagenunternehmer ist insoweit gehalten, die Fahrer zu belehren, Konsequenzen für den Fall von Verstößen anzudrohen und diese bei Verstößen auch durchzusetzen sowie Anreize für die Fahrer, Verstöße zu begehen, zu vermeiden bzw. zu beseitigen, indem etwa kein Vergütungssystem auf Provisionsbasis gewählt wird (vgl. Bidinger, a.a.O., Rdz. 184 und 185).

Zwar hat der Schuldner dargelegt, dass insbesondere die hier betroffenen Fahrer P. am 15. Oktober 1996 und A. am 1. August 1997 schriftliche Belehrungen unterzeichnet haben. Diese einmaligen Belehrungen erschöpfen sich aber in der Wiedergabe des Wortlauts des § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG. Das reicht vor dem Hintergrund der Fallgestaltungen, von denen der Schuldner selbst noch während des Erkenntnisverfahrens vor dem Senat gemeint hatte, sie seien zulässig, nicht aus. Der Schuldner muss den Fahrern das Verbot anschaulich machen und es ggfs. auf den neuesten Stand bringen. Er hat den Fahrern konkret bestimmte Verhaltensweisen zu untersagen. Er kann nicht allein auf den Gesetzestext verweisen, dessen Anwendung auf konkrete Fälle unter Juristen im Streit sein kann und im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren auch im Streit war. Es ist unstreitig, dass der Schuldner insoweit den Fahrern nicht einmal den Inhalt des der Bestrafung zugrunde liegenden Unterlassungstitels vom 30. Oktober 1998 in Verbindung mit dem Senatsurteil vom 25. Mai 1999 zur Kenntnis gebracht hat.

Dass die in der unterzeichneten Erklärung angedrohten Sanktionen wirksam umgesetzt werden und Wirkung zeigen können, ist darüber hinaus auch nicht erkennbar. Die angedrohte Sanktion "sofortige Sperrung im Funkverkehr" ist völlig unbestimmt. Sie ist außerdem eine zwar sofortige, aber im Hinblick auf künftige Verstöße relativ harmlose Reaktion, die vor allem voraussetzt, dass der Fahrer auf "frischer Tat betroffen" wird. Das aber ist nach den obigen Ausführungen zur Kontrolle nahezu ausgeschlossen. Die in den unterzeichneten Erklärungen als zweite Sanktion angekündigte fristlose Kündigung ist zwar die denkbar einschneidenste, dürfte aber für den Fall einer (einmaligen) Zuwiderhandlung im Falle der streitigen Auseinandersetzung vor den Arbeitsgerichten die unsicherste sein. Andere als diese beiden Konsequenzen enthalten die unterzeichneten Erklärungen nicht. Damit bleiben nachträglich festgestellte Verstöße grundsätzlich folgenlos.

Letztlich hat der Schuldner im Laufe des Bestrafungsverfahrens einräumen müssen, dass weiterhin Verträge auf Provisionsbasis und damit Anreize für einen Verstoß gegen das Rückkehrgebot vorhanden sind; insbesondere für den hier betroffenen Zeugen A. ist das unstreitig geworden.

3. Hinsichtlich der Höhe des für die zwei festgestellten Verstöße festgesetzten Ordnungsgeldes von je 5.000,- DM folgt der Senat den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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