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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: 7 U 13/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 833 Satz 2
Die Haftungsprivilegierung der Nutztierhaltung in § 833 S. 2 BGB (Möglichkeit des Entlastungsbeweises bei Schädigung durch ein Nutztier) mag nicht mehr zeitgemäß sein und der Gesetzgeber könnte gehalten sein, die Privilegierung aufzuheben; das ändert aber an der Verfassungsmäßigkeit der Norm nichts.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 13/08

verkündet am: 25. September 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Januar 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Kostenbetrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Es wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Parteien streiten um Schadensersatz für die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers durch ein Rind des Beklagten sowie um die Verfassungsmäßigkeit des Haftungsprivilegs des § 833 Satz 2 BGB für Nutztierhalter.

Der Beklagte ist Landwirt und betreibt Rindviehhaltung. Am 30. Oktober 2006 brachen fünf Jungrinder aus der Koppel hinter dem Haus aus. Als der Beklagte dieses bemerkte, gelang es ihm, vier Rinder alsbald einzufangen; das fünfte Rind war in eine andere Richtung als die vier übrigen gelaufen und hatte sich auf die Kreisstraße begeben; der Beklagte machte sich mit seiner Tochter auf die Suche nach dem fünften Rind.

Die Ehefrau des Klägers, die Zeugin K, war zu diesem Zeitpunkt mit dem Fahrzeug des Klägers auf der Kreisstraße von ... Richtung ... unterwegs. Im Lichtkegel des Fahrzeugs bemerkte sie plötzlich das Rind auf der Fahrbahn; es kam zur Kollision zwischen dem Rind und dem Fahrzeug. Anschließend kam es zu einem weiteren Zusammenstoß des Rindes mit dem Fahrzeug des Zeugen R, der hinter dem Fahrzeug des Klägers gefahren war.

Die Versicherung des Beklagten weigerte sich, den Schaden des Klägers zu ersetzen, weil die Koppel ordnungsgemäß mit einem ein Meter hohen Stacheldrahtzaun und einem einwandfrei funktionierenden Elektrozaun versehen gewesen sei.

Der Kläger hat behauptet:

Seine Ehefrau habe den Unfall nicht vermeiden können; unmittelbar zu Beginn einer Linkskurve sei plötzlich das Rind auf der rechten Fahrbahnseite aufgetaucht und galoppierend in das Fahrzeug gelaufen. Seiner Ehefrau sei es gelungen, das Fahrzeug vor der Kollision noch zum Halten zu bringen; das Rind sei im Weiterlaufen auf das Fahrzeug gesprungen, mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geknallt und dann seitlich am Fahrzeug heruntergerutscht, wodurch es zu dem mit der Klage geltend gemachten Schaden gekommen sei.

Der Kläger hat gemeint:

Das Haftungsprivileg des § 833 Satz 2 BGB für Halter von Nutztieren sei nicht mehr zeitgemäß; es verstoße gegen Art. 2 und 14 GG, das Schadensrisiko werde in unzulässiger Weise einseitig zu Lasten des Geschädigten verlagert. Zur Zeit des Inkrafttretens der Vorschrift habe es im ländlichen Raum kaum Verkehr gegeben; damals sei es gerechtfertigt gewesen, Nutztierhalter, in erster Linie Landwirte, die für die Verpflegung und Versorgung der Bevölkerung das Risiko der Tierhaltung getragen hätten, vor ruinösen Schadensersatzansprüchen zu schützen. Heute verfüge jeder Tierhalter, insbesondere auch Landwirte, über eine Tierhalterhaftpflichtversicherung und sei dadurch gegen unkalkulierbare Schadensereignisse versichert.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.441,46 € nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2006 und weitere 285,24 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet: Die Koppel sei mit einem etwa ein Meter hohen Stacheldraht umzäunt gewesen, in einem Abstand von einem Meter davor sei ein Elektrozaun installiert gewesen, der über den Hausanschluss mit Strom versorgt werde; er habe beide Zäune ständig überprüft, der Elektrozaun habe Strom geführt.

Der Beklagte hat gemeint:

Das Haftungsprivileg des § 833 Satz 2 BGB sei verfassungsgemäß; die Landwirte trugen weiterhin für die Verpflegung und Versorgung der Bevölkerung das Risiko der Tierhaltung. Eine Haftpflichtversicherung werde nur auf freiwilliger Basis abgeschlossen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen:

Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Unfall ausschließlich auf das Verhalten des Rinds zurückzuführen sei, der Kläger habe sich nach § 7 StVG entlasten können. Zwar müsse jeder Autofahrer auf Sicht fahren und seine Geschwindigkeit so anpassen, dass er jeder Zeit Gegenständen auf der Fahrbahn ausweichen könne; die Ehefrau des Klägers sei aber nicht zu schnell gefahren, weil der hinter ihr fahrende Zeuge R glaubhaft bekundet habe, dass er nicht schnell gefahren sei. Der Beklagte habe den Entlastungsbeweis nach § 833 Satz 2 BGB geführt; die Beweisaufnahme habe mit der Vernehmung der Ehefrau des Beklagten und dem Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dipl. Ing. H ergeben, dass die Hütesicherheit der Weide gewährleistet gewesen sei; für den Ausbruch des Rinds komme nur ein ungewöhnliches Ereignis wie eine Panikattacke in Betracht. Die Vorschrift des § 833 Satz 2 BGB sei verfassungsgemäß. Der Wille des Gesetzgebers sei zu respektieren; er hätte bei dem Schuldrechtmodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2002 mit seiner umfassenden Reform auch des Schuldverhältnisses der unerlaubten Handlung § 833 Satz 2 BGB abgeschafft, wenn diese Regelung mit dem Gedanken der Schuldrechtsreform nicht vereinbar und nach heutiger Sicht verfassungswidrig wäre.

Der Kläger meint mit seiner Berufung, dass dem Beklagten der Entlastungsbeweis nicht gelungen sei; die Ehefrau des Beklagten habe im Parallelverfahren ... (LG Itzehoe 3 O 104/07) ausgesagt, dass an der Durchbruchstelle des Rinds zehn bis fünfzehn Pfähle beschädigt gewesen seien; das bedeute bei einem Abstand von vier Meter von Pfahl zu Pfahl, dass sämtliche Pfähle auf einer Länge von sechzig Meter überwiegend morsch gewesen seien, mithin eine Hütesicherheit zum Unfallzeitpunkt nicht gewährleistet gewesen sei. Eine Einschränkung der im Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte sei nur verfassungskonform, wenn höherrangige Rechte oder Interessen dieses rechtfertigten, das sei bei § 833 Satz 2 BGB nicht mehr der Fall.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des am 16. Januar 2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Itzehoe den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.441,56 € nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2006 sowie weitere 285,24 € zu zahlen, vorsorglich die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, den Entlastungsbeweis geführt zu haben; das Landgericht habe die erhobenen Beweise richtig gewürdigt, mit der Einzäunung der Weide sei die Hütesicherheit gewährleistet gewesen. § 833 Satz 2 BGB sei verfassungskonform; die Landwirte seien nach wie vor für die Verpflegung und Versorgung der Bevölkerung verantwortlich und müssten mit der Möglichkeit des Entlastungsbeweises vor ruinösen Schadensersatzansprüchen geschützt werden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten und zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat zur Frage der Hütesicherheit den Beklagten persönlich angehört, seine Ehefrau als Zeugin vernommen und den landwirtschaftlichen Sachverständigen Dipl. Ing. H ein mündliches Gutachten erstatten lassen. Wegen des Inhalts wird auf den Berichterstattervermerk vom 28. August 2008 Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet; das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Hütesicherheit der Weide gewährleistet war; denn die Beweisaufnahme hat zur Gewissheit des Senats ergeben, dass der dem Kläger entstandene Schaden auch bei Anwendung der dem Beklagten obliegenden Sorgfalt bei der Beaufsichtigung seiner Rinder entstanden wäre (§ 833 Satz 2, 2. Alt. BGB).

Der Beklagte hat bei seiner Anhörung und seine Ehefrau hat bei ihrer Vernehmung vor dem Senat glaubhaft bekundet, dass es zwei Ausbruchstellen gab, eine Ausbruchstelle zum Hof hin mit vier dort ausgebrochenen Rindern und eine Ausbruchstelle auf der entgegengesetzten Seite der Weide mit dem Ausbruch des einen Rinds, das auf der Kreisstraße mit dem Fahrzeug des Klägers kollidiert ist. Der Beklagte dazu: "Ich bin dann nachher an der Weide entlang gegangen, an einer Stelle war der Zaun sehr zerstört, das war eine Stelle, die bei unserem Garten liegt. Es sah so aus, als wenn das Tier, das da durchgegangen ist, Panik hatte, da waren auch Pfähle zerstört... Ich kann ausschließen, dass das eine Tier von den vier anderen stammte; man sah da ja auch Fußspuren von einem Tier bei der einen Ausbruchstelle, Fußspuren auch da im Garten, da muss der allein rausgegangen sein... Es gab eine zweite Ausbruchstelle, ziemlich auf der entgegengesetzten Stelle der Weide; da lag der Weidezaun auf der Erde. Da waren nicht viele Pfähle geschädigt, da war nicht so eine Kraft wie auf der anderen Seite gewesen" (Seite 1 und 2 des Berichterstattervermerks vom 28. August 2008). Die Ehefrau des Klägers: "An der einen Stelle, wo nur ein Tier ausgebrochen war, waren zwei/vier Pfähle umgebrochen, umgeknickt zur Gartenseite hin. Das Tier muss dann durch den Garten gelaufen sein. An der anderen Stelle, wo die anderen vier durchgebrochen sind, war der Weidezaun runter" (Seite 3 und 4 des genannten Berichterstattervermerks).

Es kann dahingestellt bleiben, ob bei dem Ausbruch des einen Rinds die Pfähle noch in Ordnung waren, auch ob es ausreicht, wenn ein Landwirt einmal im Jahr, im Frühjahr, den gesamten Zaun überprüft und zwischenzeitlich nur mal durch Hinsehen. Denn nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des landwirtschaftlichen Sachverständigen Dipl. Ing. H hätte das eine Rind den Zaun auch durchbrochen, wenn die Pfähle vollkommen in Ordnung gewesen wären; dazu der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat: "Wenn ich das Verhalten der einen Kuh betrachte, muss ich davon ausgehen, dass auch Pfähle, die vollständig in Ordnung waren, den Ausbruch nicht verhindert hätten. Normalerweise bleiben die Tiere zusammen; die vier anderen waren ruhig, das eine Tier wollte aus einer Gefahr heraus, dann hält ein Weidezaun nicht, dann geht das Tier durch. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist der Ausbruch gleichzeitig passiert, ist das eine Tier zeitgleich mit den vier anderen ausgebrochen, aber an anderer Stelle. Das Ereignis, das das ausgelöst hat, hat sich speziell auf das eine Tier ausgewirkt; die anderen vier haben das bewältigt und das andere hat panikartig reagier. Bei einem üblichen Fall läuft die Herde sich aus, galoppiert auf der Weide aus; bei einer sehr kleinen Weide, wie hier, kann das anders sein, auch bei einem Tier, das völlig in Panik geraten ist. Bei einer solchen Panik geht auch bei einem völlig intakten Zaun eine Kuh durch" (Seite 5 des genannten Berichterstattervermerks).

Dass es eine absolute Hütesicherheit nicht gibt, dass bei Panik auch bei einem völlig intakten Zaun ein Tier durchgehen kann, ist auch Kenntnisstand des Senats (als Spezialsenat u. a. für Tierhaftungsfragen) aus zahlreichen ähnlichen Rechtstreitigkeiten.

Die Privilegierung der Halter von Nutztieren mit der Möglichkeit des Entlastungsbeweises nach § 833 Satz 2 BGB ist nicht verfassungswidrig. Die Voraussetzungen für eine konkrete Normkontrolle gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG sind nicht gegeben; der Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der nachkonstitutionellen entscheidungserheblichen Norm nicht überzeugt, bloße Zweifel würden nicht genügen (vgl. BVerfGE 1, 184, 189; 9, 237, 240 f.). Zweifel an der Zeitgemäßheit des § 833 Satz 2 BGB reichen nicht aus.

Die Norm verstößt nicht gegen Art. 14 GG. Zwar greift § 833 Satz 2 BGB in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein, dieser Eingriff ist jedoch gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsmäßig gerechtfertigt.

Art. 14 Abs. 1 GG beinhaltet einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, der davon ausgeht, dass Eigentum nicht als natürliches, der Rechtsordnung vorgegebenes Recht existiert, sondern erst aus einer Schöpfung der Rechtsordnung hervorgeht. Inhalt und Schranken des Eigentums können daher nicht unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet werden, sondern müssen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG konstitutiv durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt werden. Die Privilegierung nach § 833 Satz 2 BGB ist durch die Ermächtigung zur gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gedeckt. Der Gesetzgeber verfolgte mit dem Haftungsprivileg einen legitimen Zweck. Er wollte die Halter von Nutztieren besser stellen. Zwar ist das Haftungsprivileg nicht mehr ganz zeitgemäß; so führt der BGH (BGH NJW 86, 2501 f.) aus, dass die Voraussetzungen, die den Gesetzgeber 1908 veranlasst hätten, Satz 2 in § 833 BGB nachträglich einzufügen, heute nicht mehr im gleichen Umfang zutreffen; zur Begründung der Novelle sei damals darauf verwiesen worden, dass die Milderung der Haftpflicht der ländlichen Bevölkerung zu Gute käme. Die Vorschrift ohne das Haftungsprivileg führe zu Härten, die durch die Rechtsprechung nicht beseitigt werden könnten; wenn solchen Härten gegenüber darauf hingewiesen werde, dass gerade die Versicherung das Mittel biete, durch welches sich der Tierhalter gegen Schaden schützen könne, werde übersehen, dass von dieser Möglichkeit erfahrungsgemäß die kleinen Grundbesitzer und die kleineren Gewerbetreibenden nur selten Gebrauch machten; insbesondere von kleineren Landwirten und Gewerbetreibenden werde die Versicherungsgebühr als eine erhebliche Belastung empfunden. Es sei aber nicht Aufgabe richterlicher Rechtsfortbildung, eine Korrektur vorzunehmen, die der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Reformvorschläge bislang nicht vorgenommen habe. Die Rückkehr zu einer unitarischen Regelung auf der Grundlage der strikten Haftung ist bei der Vorbereitung der Schuldrechtsreform vom Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes genau so wenig aufgegriffen worden wie von demjenigen des Zweiten Schadensersatzrechtsänderungsgesetzes (Meyer, in: MüKo BGB, Bd. 5, 4. Aufl. 2004, Rn. 3 zu § 833).

Die Haftungsprivilegierung des § 833 Satz 2 BGB ist in ihrer Zweck-Mittel-Relation auch angemessen. Zwar scheint es nicht immer der materiellen Gerechtigkeit zu entsprechen, dass ausgerechnet die kommerzielle Tierhaltung privilegiert und ideelle Zwecksetzungen diskriminiert werden, obwohl allein die (land-)wirtschaftlich Tätigen die Kosten der Haftung über den Preis der hergestellten Güter auf die Allgemeinheit überwälzen können und der Preis für Tierprodukte wiederum die Zahl der gehaltenen Tiere bestimmt (Meyer a. a. O.). Allein eine Schadensverschiebung, die in bestimmten Konstellationen nicht der materiellen Gerechtigkeit zu entsprechen scheint, rechtfertigt jedoch noch nicht den Schluss, diese Norm insgesamt für verfassungswidrig zu halten. Die Regelung der Haftungsprivilegierung liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers; diesen hat er nicht überschritten.

Zudem steht ein Fahrzeughalter einem Rind auf der Fahrbahn nicht schutzlos gegenüber; gegen ein solches Risiko kann er sich im Rahmen der Kaskoversicherung absichern, bei Personenschäden im Rahmen der Unfallversicherung.

Art. 2 GG ist gleichfalls nicht verletzt; in die Handlungsfreiheit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit darf gem. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 GG aufgrund eines verfassungsgemäßen Gesetzes eingegriffen werden. § 833 Satz 2 BGB ist eine verfassungsgemäße Norm.

Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, weil § 833 Satz 2 BGB wesentlich gleiches nicht willkürlich ungleich behandelt. Die Ungleichbehandlung von Nutz- und Luxustierhalter ist nicht willkürlich, weil der Gesetzgeber mit § 833 Satz 2 BGB einen legitimen Zweck verfolgt; zwischen der Gruppe der Luxustierhalter und der der Nutztierhalter bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, die die ungleiche Behandlung (Gefährdungshaftung und vermutete Verschuldenshaftung), rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72, 88).

Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Verfassungsmäßigkeit des § 833 Satz 2 BGB in der Literatur teilweise bezweifelt wird (s. dazu BGH a. a. O.), mithin eine höchstrichterliche Entscheidung angezeigt ist.

Ende der Entscheidung

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