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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: 7 U 144/01
Rechtsgebiete: StVG, StVO
Vorschriften:
StVG § 7 | |
StVG § 17 | |
StVO § 3 I | |
StVO § 32 I |
2. Der Unfall wird für den Halter des Traktors nicht schon dadurch unabwendbar, dass er ein Warnschild aufstellt. Der zu fordernden höchstmöglichen Sorgfalt enstpricht es nur, die Verschmutzungen der Fahrbahn zu beseitigen.
3. Fährt der Fahrer eines auf der verschmutzten Fahrbahn verunfallten Fahrzeugs trotz Warnschilds, deutlich sichtbarer Verschmutzung und erkennbarer ländlicher Prägung der Örtlichkeiten zur Erntezeit mit überhöhter Geschwindigkeit, so kann die Abwägung der Verursachungsbeiträge ergeben, dass eine Haftung des Halters des die Verschmutzung verursachenden Traktors entfällt.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 04. Dezember 2003
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Friedrichsen, den Richter am Oberlandesgericht Dresenkamp und den Richter am Oberlandesgericht Dellith für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. Juni 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, den der Zeuge S. im Herbst 1999 auf einem Weg in der Nähe von Nordermeldorf erlitten hatte. Am Unfalltage war die Strasse aufgrund Niederschlags nass und außerdem durch die auf den umliegenden Feldern durchgeführte Kohlernte stark verschmutzt. Der Bekl. zu 1), durch dessen Traktor die Verunreinigungen verursacht worden waren, hatte deshalb 50m vor Verschmutzungsbeginn ein Warnschild aufgestellt. Dennoch geriet der Zeuge S. mit seinem VW-Transporter und angehängtem Pferdetransportanhänger ins Schleudern und kollidierte mit einem entgegen kommenden Fahrzeug.
Das Landgericht hat ein für den Beklagten unabwendbares Ereignis angenommen und deshalb die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Der Senat hat ergänzend die Klägerin persönlich gemäß § 141 ZPO gehört.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz abgewiesenen Anträge mit einer Quote von drei Vierteln weiter, die Beklagten begehren Zurückweisung der Berufung.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Der Senat geht allerdings - anders als das Landgericht - davon aus, dass die Beklagten der Klägerin grundsätzlich gemäß den §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG haften. Denn der Beklagte zu 1. hat mit seinem Traktor die Fahrbahn verschmutzt. Diese Verschmutzungen sind dem Betrieb seines Fahrzeugs zuzurechnen. Dabei kommt es auf einen nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall nicht an (vgl. BGH NJW 1982, 2669). Der Unfall war auch für den Beklagten zu 1. nicht unabwendbar i.S. des § 7 Abs. 2 StVG, weil es der höchstmöglichen Sorgfalt eines Traktorführers entsprochen hätte, die Verschmutzungen der Fahrbahn zu beseitigen. Die - unstreitige - Aufstellung eines Warnschildes reicht insoweit nicht aus.
Da der Schaden auch beim Betriebe des von dem Zeugen S. gelenkten Gespanns des Ehemanns der Klägerin entstanden ist (§ 7 Abs. 1 StVG) und dieser sich nicht entlastet hat (§ 7 Abs. 2 StVG), richtet sich die Höhe des Schadensersatzes gemäß § 17 StVG nach den beiderseitigen Verursachungsbeiträgen. Die damit vorzunehmende Abwägung führt dazu, dass eine Haftung der Beklagten entfällt.
Den Fahrer S. des Gespanns trifft ein Verschulden. Er ist zu schnell und zu unaufmerksam gefahren. Nach § 3 Abs. 1 StVO durfte er nur so schnell fahren, dass er das von ihm gelenkte Fahrzeug ständig beherrscht. Wie das Unfallgeschehen zeigt, hat er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ist auf die Gegenfahrbahn geraten.
Er kann sich nicht darauf berufen, dass die Straße infolge der vom Beklagten zu 1. verursachten Verschmutzung und wegen des herrschenden Regens besonders rutschig gewesen wäre. Denn diese Gefahrenlage war deutlich sichtbar, hierauf hätte er seine Fahrweise einrichten müssen. Nach den Behauptungen der Klägerin war die Straße mit einer 5-10 cm hohen Schmutzschicht belegt, der Unfall ereignete sich in den Mittagsstunden, also bei Tageslicht. Diese Verschmutzung war damit für den Zeugen S. deutlich sichtbar. Er hätte daher mit einer rutschigen Fahrbahn rechnen und seine Geschwindigkeit vor dem Erreichen der Verschmutzung weiter reduzieren müssen, als er es nach seiner Bekundung vor dem Landgericht getan hat.
Der Beklagte zu 1. hatte zudem durch Aufstellen eines Warnschildes in ausreichender Entfernung auf die Gefahrenstelle hingewiesen. Der Zeuge S. hat eingeräumt, dieses Schild beim Heranfahren an die Unfallstelle nicht wahrgenommen zu haben. Damit steht auch fest, dass der Zeuge unaufmerksam war und die nach § 1 Abs. 1 StVO geforderte ständige Vorsicht nicht aufgewandt hat, zu der umso mehr Anlass bestand, weil die Kohlernte im Gange war und mit verschmutzten Straßen im ländlichen Bereich zu rechnen war. Dieses Fehlverhalten des Zeugen Schefer muss sich die Klägerin zurechnen lassen.
Dem Beklagten kann nur vorgehalten werden, dass er die Straße verschmutzt hat (§ 32 Abs. 1 S. 1 StVO). Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass er gegen seine Pflicht zur unverzüglichen Beseitigung dieses Zustandes verstoßen hätte. Denn diese Pflicht gilt nur im Rahmen des Zumutbaren. Maßgebend ist, wie die Straße beschaffen ist, welcher Verkehr sich auf ihr abspielt und welches Ausmaß die Verschmutzung hat (vgl. OLG Köln VersR 1996, 207). Danach hat der Beklagte zu 1. nicht gegen seine Pflicht verstoßen, die Verschmutzungen unverzüglich zu beseitigen. Es steht fest, dass die Straße am Vorabend gesäubert worden war, jedenfalls am Morgen des Unfalltages keine Verschmutzungen aufwies. Diese waren vielmehr im Laufe des Vormittags entstanden und mussten von dem Beklagten vor der Mittagspause nicht beseitigt werden, auch wenn - wie die Klägerin im Schriftsatz vom 14. November 2003 geltend gemacht hat - tagsüber mindestens 30-40 Fahrzeuge in der Stunde die Straße benutzen sollten. Denn sie führt durch ländliches Gebiet und wird neben dem Schulbus und Kohllastern überwiegend von Kraftfahrern benutzt, die mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind, jedenfalls aber aufgrund der ländlichen Struktur damit rechnen müssen, dass im Herbst während der Kohlernte Verschmutzungen von den Erntefahrzeugen auf die Straße gelangen. Solche Verschmutzungen durch Erntefahrzeuge sind in diesem Bereich und im Herbst als ortsüblich anzusehen, auf die ein Verkehrsteilnehmer sich einstellen muss. Daher war ein Reinigen der Fahrbahn zu der Mittagspause und davor nicht notwendig, vielmehr erst nach Beendigung der Tagesarbeit vor Eintritt der Dunkelheit geboten.
Hingegen überspannt die Auffassung der Klägerin, der Beklagte zu 1. hätte nach jeder Erntefahrt die Fahrbahn säubern müssen, die Anforderungen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 12, 124 betrifft eine Bundesstraße mit sehr starkem Kraftfahrzeugverkehr und kann auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen werden.
Der Einwand der Klägerin, der Beklagte zu 1. hätte die Straße überhaupt nicht benutzen dürfen, da er von dem Kohlacker direkt auf seinen Hof hätte fahren können, greift ebenfalls nicht durch. Der Beklagte zu 1. hat unwiderlegt ausgeführt, dass er diese Zufahrt nicht habe benutzen können, da die Feldflächen, über die er hätte fahren müssen, noch nicht abgeerntet waren. Zum anderen kann ihm nicht verwehrt werden, die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße zu benutzen.
Bei dieser Sachlage überwiegt der Verursachungsbeitrag des Zeugen S. denjenigen des Beklagten zu 1. derart, dass eine Schadensersatzpflicht des Beklagten entfällt. Für ein schuldhaftes Verhalten des S. spricht zudem, dass von den zahlreichen Fahrzeugen, die die Straße nach der Behauptung der Klägerin benutzen, kein weiteres auf der verschmutzten Fahrbahn verunglückt ist.
Da ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 1. nicht festgestellt werden kann, scheidet als Anspruchsgrundlage auch ein Verstoß gegen eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) aus.
Nach allem war die Berufung mit den Nebenentscheidungen aus § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO zurückzuweisen. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Ende der Entscheidung
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