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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.08.2004
Aktenzeichen: 7 U 28/04
Rechtsgebiete: BGB, StVG


Vorschriften:

BGB § 249 II S. 2
StVG § 7
StVG § 11
StVG § 17
StVG § 18
Zur Haftungsverteilung bei einem Zusammenstoß im Kreuzungsbereich, wenn ungeklärt bleibt, welches Fahrzeug bei "rot" in den Kreuzungsbereich eingefahren ist.

Zur Frage der Ersatzfähigkeit der Mehrwertsteuer


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 28/04

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 05. August 2004 durch den Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 01. März 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.059,27 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 14.10.2003 sowie weitere 1.500,00 € (Schmerzensgeld) zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger 50 % seines zukünftigen materiellen Schadens sowie seinen zukünftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 50 % aufgrund des Verkehrsunfalls vom 06.05.2003 in Heide, Kreuzungsbereich H.er.-Straße/H.-Straße/S.-Straße zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 53 % und die Beklagten 47 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. und I. , Kläger und Beklagte zu 1. wurden persönlich gemäß § 141 ZPO angehört. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05. August 2004 verwiesen. Des Weiteren hat der Senat eine amtliche Auskunft des Landrates des Kreises D. eingeholt zu der Frage, ob es am Unfalltage zu Störungen in der Ampelschaltung im Bereich der Unfallstelle gekommen ist; letztlich war zur Ergänzung des Sachverhalts die Bußgeldakte Kreis D. 010.990.780 Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Die zulässige Berufung des Klägers, mit der er weiterhin Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von materiellem Schadensersatz in Höhe von 18.081,97 € nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 17.06.2003, zudem Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie Feststellung der umfassenden Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden erstrebt und auf deren Zurückweisung die Beklagten antragen, ist teilweise begründet.

Die Beklagten haften dem Kläger dem Grunde nach gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 3 PflVG gesamtschuldnerisch auf Ersatz von 50 % seiner materiellen Schäden. Gemäß §§ 11 S. 2 StVG, 253 BGB sind sie unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverursachungsanteiles des Klägers zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet.

Dass die Kollision im Kreuzungsbereich H.er.-Straße/H.-Straße/S.-Straße zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem von der Beklagten zu 1. geführten und bei der Beklagten zu 2. gegen Haftpflichtschäden versicherten Fahrzeug durch höhere Gewalt i.S. von § 7 Abs. 2 StVG verursacht worden wäre, scheidet von vornherein aus, wird auch von keiner der Parteien behauptet.

Ebenso wenig ist den Parteien der Unabwendbarkeitsbeweis i.S. von §17 Abs. 3 bzw. der Beweis mangelnden Verschuldens i.S. von § 18 Abs. 1 S. 2 StVG gelungen.

Zwar steht fest, dass entweder der Kläger oder aber die Beklagte zu 1. unter Missachtung des Rotlichts in den Kreuzungsbereich eingefahren ist und dadurch den Unfall verursacht hat, denn sog. "feindliches Grün" scheidet nach der Auskunft des Kreises D., bei der sich u.a. die Protokolldaten über den Unfalltag, den 06.05.2003 hinsichtlich der Ampelanlage im Kreuzungsbereich befinden, aus.

Welcher der beiden Fahrzeugführer allerdings unter Missachtung des Rotlichts in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, steht nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht fest. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte zu 1. haben durchaus glaubhaft angegeben, sie seien jeweils bei Grün in den Kreuzungsbereich eingefahren, wobei der Kläger bekundet hat, er habe dabei quasi noch aus den Augenwinkeln gesehen, dass die Ampel auf Gelb umgesprungen sei.

Für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers spricht zwar auf den ersten Blick die Aussage des Zeugen R., der den Kreuzungsbereich in Gegenrichtung zum Kläger mit seinem Lkw passiert hat. Dieser hat angegeben, er sei bei Grün in den Kreuzungsbereich eingefahren, völlig überraschend für ihn sei von rechts ein Fahrzeug gekommen; er habe seinen Lkw kurz abbremsen müssen, sei dann weitergefahren, habe einen Knall gehört und im Rückspiegel gesehen, wie sich ein Mercedes gedreht habe. Er sei dann mit seinem Fahrzeug ausgangs der Kreuzung in Fahrtrichtung Rendsburg stehen geblieben, dabei seien noch Pkws an ihm vorbeigezogen, die ihm nachgefolgt seien.

Bedenken gegen die Richtigkeit der Angaben des Zeugen R. ergeben sich aber allein schon aus dem von ihm geschilderten Ablauf. Träfe die Schilderung des Zeugen zu, kann es unmöglich zur Kollision gekommen sein, nachdem der Zeuge die spätere Unfallstelle passiert hatte, vielmehr müsste es zwangsläufig - ist doch die Beklagte zu 1. mit ihrem Fahrzeug in das des Klägers hineingefahren - zum Unfall gekommen sein, bevor der Zeuge die Unfallstelle passiert hatte. Er hätte das Unfallgeschehen also vor sich sehen und nicht erst nach einem Knall aus dem Rückspiegel bemerken müssen.

Noch viel weniger anzufangen ist allerdings mit den Angaben der Zeugin I. , aus denen das Landgericht ohne jede nachvollziehbare Begründung die Überzeugung gewonnen hatte, die Beklagte zu 1. sei bei Grün in den Kreuzungsbereich eingefahren. Die Zeugin I. , die in ihrem auf dem Parkplatz der Firma M. abgestellten Pkw mit Blickrichtung H.-Straße saß, hatte nach ihren Bekundungen weder gesehen, dass die Beklagte zu 1. bei Grün in den Kreuzungsbereich eingefahren wäre, noch den Unfall selber. Vielmehr hatte sie nur das am Parkplatz vorbeifahrende Fahrzeug der Beklagten zu 1. gesehen, dabei festgestellt, dass die für die Fahrtrichtung der Beklagten zu 1. maßgebliche Ampel zu diesem Zeitpunkt grünes Licht zeigte. Sie war sodann damit beschäftigt, sich anzuschnallen, ihr Fahrzeug zu starten und rückwärts zu fahren, wobei sie weder das Verkehrsgeschehen auf der H.-Straße noch gar die Ampelanlage weiter beachtet hat. Diese durchaus glaubhaften Angaben der Zeugin I. sind aber in keiner Weise geeignet, um den Beweis zu führen, dass die Beklagte zu 1. bei Grün in den Kreuzungsbereich eingefahren wäre.

Es bleiben danach nur die Angaben des Klägers und der Beklagten zu 1., die - isoliert betrachtet - jeweils glaubhaft waren, wobei der Senat die vom Landgericht aufgeworfenen Glaubwürdigkeitsbedenken hinsichtlich des Klägers in keiner Weise zu teilen vermag, zumal das Landgericht sich nicht der Mühe unterzogen hat, auch die Beklagte zu 1. persönlich anzuhören, was schon allein aufgrund des Vortrages der Parteien geboten gewesen wäre.

Der Senat ist sich darüber im Klaren, dass entweder der Kläger oder die Beklagte zu 1. die Unwahrheit gesagt haben, wer dies nun aber war, lässt sich nicht feststellen, dies auch nicht mit Hilfe eines ggf. von Amts wegen einzuholenden unfallanalytischen Gutachtens. Denn es fehlen hinreichende Anknüpfungstatsachen, um festzustellen, welches der unfallbeteiligten Fahrzeuge bei Rot in die Kreuzung eingefahren ist. Die Unfallspuren sind weder gesichert noch gar vermaßt, brauchbare Zeugenaussagen zum Unfallhergang fehlen. Allein aus den Schäden an den unfallbeteiligten Fahrzeugen ließe sich zwar die Kollisionsgeschwindigkeit mit einer gewissen Bandbreite rekonstruieren, allein dies würde aber nicht die Feststellung ermöglichen - zumal die vor dem Unfall gefahrenen Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge nicht feststehen - welcher der unfallbeteiligten Fahrer den Rotlichtverstoß begangen hat.

Da in einem solchen Fall die Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Fahrzeuge gleich zu gewichten ist, haften die Beklagten dem Kläger dem Grunde nach auf Ersatz von 50 % seiner Schäden.

Diese sind der Höhe nach weitgehend unstreitig, nachdem der Kläger hat einräumen müssen, dass er sein Fahrzeug nicht repariert hat und zum Anfall der Mehrwertsteuer bei einer Ersatzbeschaffung nichts vorgetragen ist, kann er (vgl. BGH BGH-Report 2004, S. 1080 ff) gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur den Nettobetrag in Höhe von 12.268,61 € geltend machen. Die allgemeine Kostenpauschale beträgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats 20,00 €, so dass sich der gesamte materielle Schaden des Klägers auf 16.118,54 € beläuft. 50 % davon ergeben den ausgeurteilten Betrag von 8.059,27 €.

Dieser ist gemäß §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Für einen früheren Verzugseintritt der Beklagten ist nichts vorgetragen.

Unter Berücksichtigung der hälftigen Mitverursachung, denn ein Mitverursachungs- oder Mitverschuldensanteil ist lediglich einer der Bemessungsfaktoren des Schmerzensgeldes, hat der Kläger Anspruch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 €. Die erlittenen Kopfverletzungen, insbesondere der seit dem Unfall andauernde Tinnitus, rechtfertigen dies, ebenso die vom Kläger glaubhaft geschilderten psychischen Beeinträchtigungen infolge des Unfalles.

Mit den Einschränkungen hinsichtlich der Mithaftungsquote bzw. des Mitverursachungsanteils ist auch das Feststellungsbegehren des Klägers begründet, denn die erlittenen Verletzungen schließen zukünftige Folgeschäden jedenfalls nicht aus, wobei der Senat darauf hinweist, dass der immaterielle Vorbehalt lediglich bei Schluß der mündlichen Verhandlung völlig unabsehbare Folgen erfasst, die regelmäßig mit den erlittenen Verletzungen einhergehenden auch zukünftigen Beeinträchtigungen sind mit dem ausgeurteilten Schmerzensgeld hingegen abgegolten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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