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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 7 U 75/03
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 164 | |
BGB § 254 |
2. Empfiehlt ein Anlageberater einem in finanziellen und steuerlichen Fragen erkennbar unerfahrenen Kunden, der nach seinen Einkommensverhältnissen aus der Beteiligung an einem Immobilienfonds steuerliche Vorteile nicht erwarten kann, gleichwohl die volle kreditfinanzierte Beteiligung an einem solchen Fond, haftet der Anlageberater im Fall der Insolvenz des Fonds persönlich dem Kunden auf Schadenersatz, wenn er nicht umfassend über sämtliche Risiken der Beteiligung aufgeklärt hat.
3. Es besteht keine Verpflichtung des Kunden i.S.v. § 254 BGB, zuvor die finanzierende Bank auf Rückabwicklung des Kreditvertrages in Anspruch zu nehmen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes
verkündet am: 27. Januar 2005
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11. Juni 2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kiel geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.871,76 € nebst 4% Zinsen p.a. seit dem 29. Juni 2001 Zug um Zug gegen Übertragung der durch notariellen Vertrag vom 23. Oktober 1995 (Urkundenrollen-Nummer 286/1995 des Notars B. in Neumünster) erworbenen Anteile an der Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungs-GbR S.- F. (Immobilienfonds Nr. 38) zu zahlen.
Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden dem Beklagten auferlegt mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers, die dieser selbst zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Zeugen S., auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch. Auf Empfehlung des Beklagten erwarben die Klägerin und ihr Ehemann, die beide polnischer Herkunft sind und sich seit 1988 in der Bundesrepublik befinden, mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober 1995 - wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 15-21 der Akte Bezug genommen wird - zwei Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds (-Fonds Nr. 38) für ein "Entgelt" von 61.300,00 DM. Dieser Betrag sowie die sonstigen mit dem Anteilserwerb verbundenen Kosten waren voll finanziert über die Genossenschaftsbank Sch. eG, dort hatten die Klägerin und ihr Ehemann ein Darlehen über 70.480,00 DM aufgenommen, wobei die Endtilgung über eine Lebensversicherung erfolgen sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 22-30 der Akte verwiesen. Dem Erwerb der Anteile waren zwei rund einstündige Beratungsgespräche des Beklagten mit der Klägerin und deren Ehemann vorausgegangen, der Inhalt dieser Gespräche ist streitig. Ebenso ist streitig, wie es überhaupt zum Kontakt zwischen den Parteien gekommen ist. Jedenfalls fiel die W. mbH S. Ende 1997 in Konkurs, die Beteiligung der Klägerin und ihres Ehemannes ist praktisch wertlos.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe sie (und ihren Ehemann) weder anleger- noch anlagegerecht beraten. Ihr Ziel sei es gewesen, kurzfristig Eigenkapital für den Erwerb von Wohnungseigentum zu erhalten. Hätte der Beklagte sie hinreichend über die Risiken einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds aufgeklärt, insbesondere auch über die mit der Fremd- und Überfinanzierung verbundenen Belastungen, hätten sie die Fondsanteile nicht erworben. Der Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass er lediglich als Vertreter des Streithelfers tätig sei bzw. tätig sein wolle, so dass er persönlich für die Folgen der fehlerhaften Beratung einzustehen habe. Ohnehin hätte die Anlage bei ihr bzw. ihrem Ehemann zu Steuerersparnissen, die den Aufwand auch nur annähernd gedeckt hätten, weder geführt noch führen können. Unstreitig war die Klägerin selbst zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fondsbeteiligungen als Küchenhilfe tätig, ihr Ehemann war und ist Kfz-Elektriker.
Der Beklagte ist der Auffassung, Anspruchsgegner könne allenfalls der Streithelfer sein, er persönlich hingegen als dessen Vertreter nicht. Im Übrigen seien die Klägerin und ihr Ehemann von ihm ausführlich über die Chancen und insbesondere die Risiken der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds aufgeklärt worden.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage, wobei es offen gelassen hat, ob der Beklagte überhaupt persönlich in Anspruch genommen werden könne, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin nicht habe beweisen können, dass sie bzw. ihr Ehemann nicht anlage- oder anlegergerecht beraten worden seien. Dabei hat das Landgericht u.a. darauf abgehoben, dass nach den Erklärungen der Klägerin und ihres Ehemannes in dem Beitrittsantrag zum Immobilienfonds sie unterschrieben hatten, sowohl den Prospektteil I als auch den Prospektteil II erhalten zu haben.
Zweitinstanzlich verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 48.871,76 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem EZB-Basiszins seit dem 29.06.2001 Zug um Zug gegen Übertragung der beiden durch Vertrag vom 23.10.1995 erworbenen-Immobilienfondsanteile Nr. 38 zu zahlen.
Der Beklagte trägt - unter Verteidigung des angefochtenen Urteils - auf Zurückweisung der Berufung an.
Der Senat hat die Parteien persönlich gemäß § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. Wegen des Inhalts der Anhörung und der Zeugenaussage wird auf den Berichterstattervermerk über den Termin vom 16. Dezember 2004 verwiesen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist - bis auf einen Teil der begehrten Nebenforderung - begründet.
Die Klägerin hat aus eigenem und abgetretenem Recht (§ 398 BGB) im zuerkannten Umfang Ansprüche gegen den Beklagten aus positiver Vertragsverletzung eines Beratungsvertrages. Dabei sind auf das Schuldverhältnis der Parteien die bis zum 31.12.2001 geltenden gesetzlichen Vorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 EGBGB).
Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass er nicht persönlich hafte, sondern allenfalls der Streithelfer, als dessen Vertreter er tätig geworden sei.
Wer sich auf ein Vertretergeschäft im Sinne von § 164 BGB beruft, muss - sofern die Stellvertretung, wie hier, streitig ist - die Voraussetzungen der Stellvertretung darlegen und ggf. beweisen. Ansonsten gilt § 164 Abs. 2 BGB, wonach der Wille, nicht im eigenen Namen handeln zu wollen, unbeachtlich ist, wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervorgetreten ist. So verhält es sich hier.
Denn der Beklagte hat die Voraussetzungen eines Vertretergeschäfts im Sinne von § 164 Abs. 1 BGB weder hinreichend dargelegt, noch gar unter Beweis gestellt. Ebenso wenig ergibt sich der Vertreterwille erkennbar aus den Umständen.
Soweit der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat behauptet hat, er habe die Anschrift und/oder die Telefonnummer der Klägerin von Herrn B., dem Streithelfer, erhalten, angerufen und sich als Mitarbeiter der Firma B. vorgestellt, das wisse er, weil er das immer so gemacht habe, ist dies unbewiesen. Zudem stehen der Behauptung des Beklagten die Angaben des Streithelfers, der in Abrede genommen hat, dem Beklagten Adressen und/oder Telefonnummern gegeben zu haben, entgegen, ebenso die Angaben der Klägerin sowie des Zeugen S., wonach die Kontaktaufnahme nicht durch den Beklagten, sondern vielmehr durch den Zeugen erfolgt ist. Darüber hinaus hatte der Beklagte - was aufgrund des Zeitablaufes und der Vielzahl von Kundenkontakten nachvollziehbar ist - offensichtlich keine hinreichende Erinnerung an das konkrete Geschehen, was zum einen darin Ausdruck gefunden hat, dass er seine Behauptungen schon dadurch einschränken musste, es sei so gewesen, weil er das immer so gemacht habe; ein solcher Rückschluss ist weder überzeugend noch gar zwingend. Hinzu kommen die recht vagen Angaben dazu, was der Beklagte denn nun von dem Streithelfer erhalten haben will, die Adresse, die Telefonnummer oder beides.
Selbst wenn man zugunsten des Beklagten seine bestrittene und für die konkrete Übergabe nicht unter Beweis gestellte Behauptung als richtig unterstellt, er habe anlässlich des ersten Gesprächstermins die Visitenkarte Bl. 84 der Akte mit der "Überschrift" B. und Partner überreicht, würde auch dies nicht hinreichend eine Vertreterstellung des Beklagten dokumentieren. Denn auf der Visitenkarte findet sich - abgesehen von der Überschrift - weiter keinerlei Hinweis auf den Streithelfer, vielmehr ist dort aufgedruckt der Name des Beklagten mit Büro- und Privatanschrift, was vielmehr dafür spricht, dass der Beklagte seine Geschäfte unter der "Firmenbezeichnung" B. und Partner betrieb. Insbesondere enthält die Visitenkarte keinerlei Hinweis beispielsweise durch eine Funktionsbezeichnung darauf, dass der Beklagte lediglich für einen Dritten - hier den Streithelfer - tätig werden wollte.
Ebenso wenig vermag der Inhalt der notariellen Urkunde vom 23. Oktober 1995 etwas für die behauptete Vertreterstellung des Beklagten herzugeben. Abgesehen einmal davon, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die zum Schadensersatz verpflichtende fehlerhafte Beratung erfolgt und abgeschlossen war, ist der Beklagte im Vorspann der Urkunde nicht etwa als Vertreter des Streithelfers, sondern als Vertreter des Immobilienfonds aufgeführt. Die Firma B. taucht erstmals ganz am Ende des Vertrages auf, nämlich unter III. Abs. 3, wo es heißt: "Von dieser Niederschrift wird die Erteilung von zwei Ausfertigungen und einer beglaubigten Abschrift an die GVV S.- F. über B. und Partner ... (Name und Anschrift der Vertriebsorganisation) und einer beglaubigten Abschrift für die Erschienenen beantragt". Schon von der Formulierung dieser Vertragsklausel her ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht das geringste dafür, dass der Beklagte als Vertreter der Firma B. gehandelt haben will, vielmehr spricht die Einleitung der Urkunde, die den Beklagten bei der Beurkundung als Vertreter des Fonds ausweist, gegen eine Tätigkeit des Beklagten für den Streithelfer.
Letztlich sieht der Senat auch keine Veranlassung, der unter das Zeugnis des Notars B. gestellten Behauptung des Beklagten nachzugehen, der Notar habe die Klägerin und ihren Ehemann vor Verlesen der Urkunde gefragt, ob sie mit einer Übersendung einer Vertragsausfertigung an B. und Partner einverstanden seien, da der Beklagte ja für diese Gesellschaft tätig geworden sei. Selbst wenn der Notar derartiges erklärt hätte - was bestritten ist - wäre der nachträgliche Hinweis einer dritten Person darauf, dass jemand für einen anderen tätig geworden sei, nicht geeignet, um im Nachhinein aus einem Eigengeschäft ein Vertretergeschäft zu machen.
Aus dem danach zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits zustande gekommenen Beratungsvertrag haftet der Beklagte nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung auf Schadensersatz, denn der Beklagte hat die Pflicht zu einer fachkundigen Bewertung und Beurteilung, d.h. zu anlage- und anlegergerechter Beratung verletzt.
Dass der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann nicht lediglich als Anlagevermittler gegenübergetreten ist (vgl. zur Unterscheidung BGH NJW-RR 1993, S. 1114 ff [1115]), erschließt sich jedenfalls aus den Erklärungen des Beklagten im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat. Danach soll sich im ersten Gespräch mit der Klägerin und deren Ehemann herausgestellt haben, dass diese Interesse an einer langfristigen Anlage mit Steuerersparnis gehabt hätten, bereits am Telefon habe er eine langfristige Vermögensanlage zur Sicherung von Steuervorteilen angeboten, daraufhin sei der Termin vereinbart worden. Er, der Beklagte, habe dann eine Beteiligung am-Immobilienfonds empfohlen.
Schon die Empfehlung an die Klägerin und ihren Ehemann, vollen Umfangs kreditfinanziert Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds zu erwerben, stellte angesichts der dem Beklagten unstreitig bekannten Einkommensverhältnisse der Klägerin und ihres Ehemannes einen groben Beratungsfehler dar. Denn die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zum Zwecke der Steuerersparnis macht - unabhängig von den ohnehin damit verbundenen strukturellen Risiken - allein dann Sinn, wenn den Aufwendungen auch tatsächlich zumindest annähernd gleiche Steuerersparnisse entgegenstehen. Dass dies bei einer nicht nur voll- sondern sogar überfinanzierten Beteiligung - wie hier - mit der zusätzlichen Belastung von Lebensversicherungsprämien ohnehin schon wenig wahrscheinlich ist, liegt auf der Hand; erst recht galt dies bei den zum Zeitpunkt der Anlageempfehlung bestehenden Einkommensverhältnissen der Klägerin und ihres Ehemannes. Bei einem seinerzeitigen monatlichen Einkommen der Eheleute S. inkl. Kindergeld von rund 3.860,00 DM netto, von denen ein Kfz-Kredit mit Monatsraten von 670,00 DM bedient werden musste sowie Mietzins in Höhe von monatlich rund 800,00 DM, verbot sich eine derartige Anlageempfehlung an sich von vornherein. Der Beklagte hat selbst vortragen lassen (Schriftsatz vom 18.04.2003 / Bl. 257 d.A.), dass weder die Einkommensverhältnisse noch die Berufsangaben der Klägerin und ihres Ehemannes für in Geldangelegenheiten versierte Kunden gesprochen hätten. Diese naheliegende Erkenntnis hätte den Beklagten von vornherein davon abhalten müssen, der Klägerin und ihrem Ehemann einen - dazu noch voll finanzierten - Erwerb der Fondsanteile mit der zusätzlichen Belastung aus einer Lebensversicherung zu empfehlen.
Der gesamte "Unsinn" des Erwerbs der Fondsanteile für die Klägerin und ihren Ehemann offenbart sich, betrachtet man das in der Berufungsbegründung aufgearbeitete und unbestritten gebliebene Zahlenwerk, wonach sich die effektiven jährlichen Verluste der Klägerin und ihres Ehemannes - selbst wenn man unterstellt, dass die Steuerrückerstattungen allein aus den "Verlusten aus Vermietung und Verpachtung" resultierten - auf rund 5.000,00 DM beliefen.
Zwar darf - wovon auch das Landgericht in dem angefochtenen Urteil offenbar ausgegangen ist - jedermann Verträge abschließen, auch wenn sie für ihn Verlust bringen und offensichtlich unsinnig sind. Ist in einen derartigen Vertragsschluss - wie hier - aber ein Anlageberater oder auch nur ein Anlagevermittler eingebunden, muss dieser nicht nur darauf eingehend hinweisen, sondern er muss zudem den potentiellen Anleger auch über die Risiken der in Aussicht genommenen bzw. hier sogar ausdrücklich empfohlenen Anlage aufklären, zudem auch über die voraussichtlichen finanziellen Belastungen, und dies wahrheitsgemäß und vollständig.
Dass der Beklagte auch dies nicht getan hat, erschließt sich im Wesentlichen schon aus seinen eigenen Angaben, letztendlich bewiesen ist die mangelhafte Beratung der Klägerin und ihres Ehemannes durch dessen Zeugnis.
Die Angaben des Beklagten, er sei mit der Klägerin und ihrem Ehemann die Prospektteile I und II durchgegangen, habe ihnen das sogenannte "Chancen- und Risikoraster" erläutert und zudem die Berechnungen über die finanzielle Belastung der Klägerin, wozu er zwangsläufig zuvor die grundlegenden Finanzdaten erfragt haben muss, hält der Senat für völlig unglaubhaft. Denn unstreitig gab es vor Unterzeichnung des Beitrittsantrages lediglich zwei jeweils einstündige Beratungsgespräche. Bedenkt man, dass der mittlerweile zur Akte gereichte Prospektteil II zwar nur 22 Seiten umfasst, der (nicht zur Akte gelangte) wesentliche Prospektteil I hingegen, in dem sich offenbar auch das sogenannte "Chancen-Risiko-Raster" befunden hat, jedoch insgesamt aus (mindestens) 130 Seiten besteht, ist es schlechterdings nicht nachvollziehbar, wie der Beklagte all dies in lediglich gut zwei Stunden geschafft haben will. Allein das schlichte Durchlesen beider Prospektteile dauert schon länger; die Erläuterung nur des zur Akte gereichten sogenannten "Chancen-Risiko-Rasters" (Bl. 202-210 d.A.), dessen Inhalt beispielsweise unter den Abschnitten "Garantien" und "Haftung und Risiken des Gesellschafters" (Bl. 203 und 204 d.A.) selbst für den Senat nur mit Mühe verständlich ist, bedarf bei Laien - wie der Klägerin und ihrem Ehemann - umfangreicher Erklärung. Dazu ist es weder ausreichend, die Prospektteile "durchzugehen", noch diese - wie vom Beklagten behauptet - "wegen eventueller Nachfragen" da zu lassen. Vielmehr bedarf es der individuellen Beratung und Erläuterung; der Aussage des Zeugen S. bedurfte es danach nur noch, um eventuell verbliebene Restzweifel an dem praktisch völligen Fehlen einer anleger- und anlagegerechten Beratung durch den Beklagten zu beseitigen.
Der Zeuge, dessen persönliches Interesse an dem Prozessausgang der Senat nicht verkennt, hat glaubhaft bekundet, der Beklagte habe den-Immobilienfonds als eine völlig risikofreie Anlage dargestellt, auch auf Nachfrage insbesondere der Klägerin habe er mehrfach betont, dass es keine Risiken gebe. Er - der Beklagte - habe das (den Fonds) selbst.
Der Zeuge hat weiter angegeben, dass ihm das "Chancen-Risiko-Raster" nicht bekannt sei, dies ebenso wenig wie das Berechnungsschema Anlage B 11. Vielmehr seien die handschriftlichen Berechnungen des Beklagten von einer monatlichen Belastung in Höhe von 198,00 DM ausgegangen, der Zeuge wörtlich: "... Er sagte, mit Steuervorteilen kämen wir Null ...".
Die Angaben des Zeugen S., der auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, sind trotz seines erheblichen Eigeninteresses am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft, haben sie doch gegenüber den sehr pauschalen Angaben des Beklagten allein schon den Vorteil, dass das, was der Zeuge über den Verlauf der vermeintlichen "Beratungsgespräche" geschildert hat, in den unstreitigen Zeitrahmen dieser Gespräche passt. Auch die spontane Reaktion auf den Vorhalt des Prospektteiles II sowie die Tatsache, dass der Zeuge bis zum heutigen Tage die Grundprinzipien eines geschlossenen Immobilienfonds nicht verstanden hat, sprechen für die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen.
Da die Vermutung für beratungsgerechtes Verhalten der Klägerin (und ihres Ehemannes) spricht, ist davon auszugehen, dass sie bei ordnungsgemäßer und umfassender anleger- und anlagegerechter Beratung die Fondsanteile nicht erworben hätten, sind sie angesichts der mangelhaften Beratung durch den Beklagten schadensersatzrechtlich so zu stellen, als hätten sie die Anteile niemals erworben. Die Schadenshöhe selbst ist weitgehend unstreitig. Soweit der Beklagte meint, im Wege des Vorteilsausgleichs müsste sich die Klägerin die gezogenen steuerlichen Vorteile aus dem Erwerb der Fondsanteile gegenrechnen lassen, greift dies nicht. Denn es ist unstreitig, dass bei einer vorzeitigen Rückgabe der Fondsanteile - wie hier - den Steuervorteilen entsprechende steuerliche Nachteile durch die Rückgabe entgegenstehen.
Die der Klägerin und ihrem Ehemann zugute gekommenen minimalen Mieteinnahmen sind bereits bei der Berechnung der Klagforderung berücksichtigt.
Auch den verbliebenen "Restwert" der Fondsanteile muss sich die Klägerin nicht anrechnen lassen, denn sie begehrt keine Verwertung der Fondsanteile zu ihren Gunsten, vielmehr kann der Beklagte den "Restwert" nach Rückübertragung der Fondsanteile zu seinen Gunsten realisieren.
Letztlich braucht sich die Klägerin nicht im Sinne von § 254 BGB entgegen halten lassen, dass sie - statt den Beklagten in Anspruch zu nehmen - die finanzierende Bank auf Rückabwicklung des Kreditgeschäfts hätte in Anspruch nehmen müssen. Zwar ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein derartiger Einwendungsdurchgriff auf die den Erwerb von Anlagen oder Beteiligungen finanzierende Bank grundsätzlich möglich. Eine Verpflichtung des Anlegers, statt des Anlageberaters die finanzierende Bank in Anspruch zu nehmen, gibt es aber nicht. Im Übrigen hat die Klägerin sehr wohl jedenfalls den Versuch unternommen, das Kreditengagement rückabzuwickeln. Die S. Volksbank eG hat den parallel zum erstinstanzlichen Verfahren betriebenen Widerruf nicht akzeptiert, mehr als ein solcher ernsthaft betriebener Versuch zur rein rechnerischen Schadensminderung kann von der Klägerin ohnehin nicht verlangt werden.
Ansprüche der Klägerin sind auch nicht nach Prospekthaftungsgrundsätzen verjährt - diese Einrede hat der Beklagte erstinstanzlich erhoben -, da es nicht um eine Haftung wegen Mängeln des Prospekts geht, sondern die Schadensersatzansprüche ihre Grundlage in der fehlerhaften Beratung durch den Beklagten haben.
Zinsen wie zuerkannt gebühren der Klägerin gemäß §§ 284, 288 BGB a.F.. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzforderung handelt es sich um eine solche, die bereits vor dem 01.05.2000 dem Grunde nach entstanden ist, so dass lediglich der seinerzeit geltende gesetzliche Verzugszinssatz von 4 % verlangt werden kann. Einen höheren Verzugsschaden hat die Klägerin nicht dargetan.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 74 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen allein schon im Hinblick darauf, dass es sich um eine offensichtliche Einzelfallentscheidung handelt, nicht vor.
Ende der Entscheidung
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