Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 7 U 78/05
Rechtsgebiete: VVG, StVG


Vorschriften:

VVG § 67
StVG § 18
1. Keine (i.ü. zulässige) gewillkürte Prozeßstandschaft des Versicherungsnehmers bei Rückabtretung eines gem. § 67 VVG auf den Versicherer übergegangenen Anspruchs.

2. Voraussetzungen der Fahrerhaftung gem. § 18 Abs.1 StVG.

3. Haftungsquote bei Zusammenstoß in einseitig verengter Zu-/Ausfahrt.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 78/05

verkündet am: 27. April 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 06. April 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Juni 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.357,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 11. Februar 2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 2/3 und die Beklagten 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Der Kläger nimmt die Beklagten als Halterin (Beklagte zu 1), Fahrer (Beklagter zu 2) und Haftpflichtversicherer (Beklagter zu 3) des Pkw Mercedes, amtliches Kennzeichen ... auf Schadenersatz aufgrund eines Unfalles vom 26. August 2003 gegen 17.15 Uhr auf der Zu-/Ausfahrt der N-Tankstelle in A. in Anspruch.

Der Kläger fuhr mit seinem Pkw BMW 318I Touring, amtliches Kennzeichen ..., von der Tankstelle kommend in Richtung B-Damm, der Beklagte zu 2) fuhr die Zufuhrt auf der Gegenrichtung. In Fahrtrichtung des Klägers rechtsseitig parkten mehrere Kleinlaster, im Vorbeifahren kollidierte der Kläger mit dem vom Beklagten zu 2) geführten, entgegenkommenden Pkw. Beide Fahrzeuge wurden jeweils im Bereich der linken vorderen Kotflügel beschädigt (Lichtbilder Bl. 59 - 62 d.A.).

Die Reparaturkosten am Fahrzeug des Klägers in Höhe von 6.019,88 € hat dessen Kaskoversicherung unter Abzug einer Selbstbeteiligung in Höhe von 332,00 € (mithin 5.687,88 €) reguliert; mit Schreiben vom 30.03.2005 (Bl. 57 d.A.), auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat der Kaskoversicherer "für das laufende Verfahren" den auf ihn gem. § 67 VVG übergegangenen Anspruch an den Kläger abgetreten.

Der Kläger hat erstinstanzlich Ersatz der vollen Reparaturkosten geltend gemacht, darüber hinaus eine Wertminderung in Höhe von 250,00 €, Kosten des Sachverständigengutachtens mit 531,28 €, Nutzungsausfall für 7 Tage à 40,00 € (insgesamt 280,00 €) sowie eine Kostenpauschale von 20,00 €, insgesamt also Schadenersatz in Höhe von 7.101,16 € gefordert.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil nach Beweisaufnahme die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 691,64 € nebst Zinsen stattgegeben. In Höhe von 5.687,88 € hat es die Klage als unzulässig verworfen; im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich des vom Kaskoversicherer erstatteten Reparaturkostenbetrages sei der Kläger nicht prozessführungsbefugt, ihm fehle ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an einer gewillkürten Prozessstandschaft. Eine Haftung des Beklagten zu 2) scheide aus, da der Kläger ein Verschulden des Beklagten an dem Unfall nicht nachgewiesen habe. Im Übrigen sei die Klage - wobei sich der Nutzungsausfall auf 250,00 € belaufe (5 Tage à 50,00 €) - dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt. Bei einem ersatzfähigen Schaden von 1.383,28 € belaufe sich der Anspruch des Klägers auf den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn weitere 6.409,52 € nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 11. Februar 2004 zu zahlen, während die Beklagten auf Zurückweisung der Berufung antragen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Das landgerichtliche Urteil beruht zum Einen auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, zum Anderen rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine - im Sinne des Klägers - abweichende Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Soweit das Landgericht die Klage in Höhe des auf den Kaskoversicherer des Klägers übergegangenen Betrag als unzulässig angesehen hat, ist dies rechtsfehlerhaft. Denn abgesehen einmal davon, dass nach herrschender Meinung in fällen wie dem vorliegenden eine gewillkürte Prozessstandschaft des Versicherungsnehmers auch nach einem Anspruchsübergang gem. § 67 VVG für zulässig gehalten wird (vgl. Prölss/Martin VVG, 27. Aufl. § 67 Rdnr. 29 a), liegt ein Fall der gewillkürten Prozessstandschaft gar nicht vor. Vielmehr ist der Kläger durch Rückabtretung des übergegangenen Anspruchs seitens seines Versicherers Vollrechtsinhaber geworden. Die Abtretungserklärung des Versicherers ist, da nach ihrem Inhalt gerade auch prozessuale Probleme vermieden werden sollten, als Inkassozession (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 398 Rdnr. 26 und 30) auszulegen. Die Bindung des Klägers im Innenverhältnis zu seinem Versicherer, wonach er im Falle der Realisierung zur Weiterleitung der erstrittenen Beträge bis zur Höhe der Aufwendungen des Versicherers verpflichtet ist, ändert nichts daran, dass der Kläger das Recht im eigenen Namen geltend machen kann und auch geltend gemacht hat. Zwar ist eine Abtretung kein einseitiges Rechtsgeschäft, sondern ein Vertrag; spätestens mit Vorlage der Abtretungserklärung durch den Kläger im Termin vor dem Landgericht hat er aber das Angebot des Versicherers angenommen, da dieser offensichtlich gem. § 151 S. 1 BGB auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet hat.

Diese Rückabtretung wäre lediglich dann unwirksam, ohne dass damit die Klage unzulässig geworden wäre, sondern allenfalls unbegründet, wenn zwischen den beteiligten Versicherern - hier also dem Kaskoversicherer des Klägers und dem Beklagten zu 3) - ein Teilungsabkommen existierte und auf die hier streitige Forderung Zahlungen erfolgt sind. In einem solchen Fall ist nämlich eine Rückabtretung des auf den Versicherer nach § 67 VVG übergegangenen Anspruches an den Versicherungsnehmer nicht mehr möglich (Prölss, a. a. O., Rdnr. 54, m. w. N.). Daraus ergibt sich im Übrigen im Rückschluss, dass ansonsten eine Rückabtretung - wie hier - ohne Weiteres möglich ist.

Es wäre damit Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass zum Einen ein entsprechendes Teilungsabkommen existiert, zum Anderen Zahlungen auf die konkreten Aufwendungen des Kaskoversicherers des Klägers für den vorliegenden Schadenfall erfolgt sind. Der im Termin vor dem Landgericht seitens des Beklagtenvertreters erfolgte allgemeine Hinweis auf einen "Pool", in dem Versicherer untereinander die Schadenersatzansprüche ausgleichen, ersetzt den erforderlichen substantiierten Vortrag nicht. Mithin liegt eine wirksame Rückabtretung der gem. § 67 VVG auf den Versicherer übergegangenen Ansprüche vor.

Ebenso zu beanstanden sind die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der Haftung des Beklagten zu 2). Die Fahrerhaftung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StVG ist gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG als vermutete Verschuldenshaftung ausgestaltet. Nicht der Kläger muss dem Beklagten zu 2) ein Verschulden an dem Unfall nachweisen, vielmehr wäre es Sache des Beklagten zu 2) gewesen, sich zu entlasten. Ein derartiger Entlastungsbeweis ist weder angetreten noch gar geführt.

Auch im Übrigen kommt weder ein Ausschluss der Halterhaftung gem. § 7 Abs. 2 StVG in Betracht, noch ist die Ersatzpflicht - der Fahrzeughalter untereinander, mit entsprechender Anwendung für Fahrer und Versicherer - gem. § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen; denn auch der sogenannte "Unabwendbarkeitsbeweis" ist weder angetreten noch gar geführt.

Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG, in die nur unstreitige, bewiesene oder zugestandene Tatsachen einzustellen sind, ergibt sich eine Haftung der Beklagten für die dem Kläger entstandenen Schäden, dem Grunde nach von einem Drittel. An einer solchen, von der Schadensquotierung des Landgerichts abweichenden Entscheidung ist der Senat nicht gem. § 528 ZPO gehindert, da der Kläger gleichwohl im Ergebnis einen höheren Schadenersatz zugesprochen bekommt, als vom Landgericht ausgeurteilt.

Unabhängig davon, ob für den Bereich der Zu-/Abfahrt die StVO als Ganzes Anwendung zu finden hat oder lediglich die im Fahrzeugverkehr immer geltende Grundregel des § 1 StVO, steht allein schon aufgrund der zur Akte gereichten Lichtbilder fest, dass die vom Kläger befahrene Fahrbahnseite durch parkende Kleinlaster verengt war. Da er zum Verlassen der Tankstelle an diesen vorbeifahren musste, war es in erster Linie seine Sache, auf Gegenverkehr zu achten und wegen der Verengung auf seiner Seite gegebenenfalls den entgegenkommenden Verkehr passieren zu lassen. Andererseits erschließt sich aus den Lichtbildern, die neben den Örtlichkeiten auch die Stellung der Fahrzeuge nach dem Unfall dokumentieren, dass auch der Beklagte zu 2) nicht äußerst rechts gefahren ist, so dass sich unter Berücksichtigung der erhöhten Pflichten des Klägers eine Haftungsverteilung von einem Drittel zulasten der Beklagten und zwei Drittel zulasten des Klägers rechtfertigt.

Bei einem zugrunde zu legenden Gesamtschaden des Klägers in Höhe von 7.071,16 € - hinsichtlich des Nutzungsausfalles sind die Ausführungen des Landgerichts nicht angegriffen, im Übrigen entsprechen diesen dem vom Kläger selbst vorgelegten Schadengutachten - ergibt sich damit ein Anspruch des Klägers in Höhe von 2.357,05 €.

Zinsen wie beantragt und zuerkannt gebühren dem Kläger gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11 und 713 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück