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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 14.09.2000
Aktenzeichen: 7 U 83/99
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 1 II
AGBG § 9
BGB § 340 II
BGB § 341 II
BGB § 343
BGB § 1 Abs. 2
BGB § 9 AGB-Gesetz
BGB § 340 Abs. 2
BGB § 341 Abs. 2
BGB § 343 BGB
Zu den Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinn des AGB-Gesetzes zählen die für eine bestimmte Zahl von Verträgen entworfenen Vertragsbedingungen.

SchlHOLG, 7. ZS, Urteil vom 14. September 2000, - 7 U 83/99 -,


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 83/99 2 O 283/98 LG Itzehoe

Verkündet am: 14. September 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der Firma vertreten durch den Geschäftsführer

Klägerin, Widerbeklagten und Berufungsklägerin,

-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Herrn

Beklagten, Widerkläger und Berufungsbeklagten,

-Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 24. August 2000 durch den Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. März 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin auf die Widerklage verurteilt wird, an den Beklagten 10.165,37 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 16. April 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des ersten Rechtszugs. Von den Kosten des zweiten Rechtszugs trägt die Klägerin 98 % und trägt der Beklagte 2 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin im Wert von 50.000,00 DM und den Beklagten im Wert von 862,50 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nur im Hinblick auf den im Senatstermin erklärten Verzicht des Beklagten auf einen Teil seiner Widerklageforderung in Höhe von 862,50 DM begründet; das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, die weiteren Beträge der Widerklageforderung sind im zweiten Rechtszug unstreitig geworden.

Die Vertragsstrafenklausel ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz unwirksam. Dafür, dass es sich bei den Klauseln des Subunternehmervertrags und mithin der Vertragsstrafenregelung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, spricht schon die Ausgestaltung des Vertrags: Der Vertrag ist so formuliert, dass er auf jede Art von Subunternehmervertrag der Klägerin passt. Als Vertragspartner der Klägerin wird im Vertragstext nicht explizit der Beklagte genannt, sondern in den einzelnen Klauseln wird allgemein von Subunternehmer und Vertragspartner gesprochen. Der Beklagte taucht namentlich lediglich im Anschriftenfeld, im Betreff und in der Unterschriftenzeile auf. Auch die speziell vom Beklagten ausgeübte Tätigkeit für die Klägerin wird nur allgemein mit "Gewerke" bezeichnet, was auch auf alle weiteren im Vertrag aufgeführten Arten von Subunternehmern der Klägerin passt. Die äußere Form des Vertrags entspricht mithin einem vorgefertigten Formular, in das nur der jeweilige Subunternehmer eingesetzt werden muss.

Die Klägerin hat das nunmehr mit der Einreichung des Subunternehmervertrags mit dem Maurer, der inhaltlich völlig identisch ist, quasi eingeräumt; der Vertrag mit dem Elektriker ist zwar teilweise etwas anders formuliert, inhaltlich aber überwiegend gleich, insbesondere was die Vertragsstrafenregelung von 50.000,00 DM betrifft, Änderungen sind nur marginaler Art. Die Vernehmung der früheren Geschäftsführerin der Klägerin, der Zeugin R hat gleichfalls ergeben, dass es sich bei dem Subunternehmervertrag um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt; die Zeugin hat ausgesagt, dass sie Subunternehmerverträge gekannt und Sätze aus einem solchen Vertrag herausgenommen und am Computer für die Verträge mit den Subunternehmern der Klägerin zusammengestellt habe. Die Vertragsstrafenregelung ist mithin von vornherein für mehrere Verträge erstellt worden; Allgemeine Geschäftsbedingungen sind auch die für eine bestimmte Zahl von Verträgen entworfenen Vertragsbedingungen, wobei das AGB-Gesetz bereits im ersten Verwendungsfall gilt.

Die Klägerin hat nicht gemäß § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz zu beweisen vermocht, dass sie die Vertragsstrafe mit dem Beklagten im einzelnen ausgehandelt habe; vielmehr hat die Vernehmung der Zeugin R das Gegenteil ergeben, die Zeugin wörtlich: "Ich habe mit dem Beklagten gesprochen, mein Mann hat sich dazugesetzt; wir sprachen über die Konditionen seines Angebots. Wir fragten nochmal, ob er mit den Punkten des Vertrags einverstanden sei, dass er die Kunden nicht selbst ansprechen dürfe, dass wir eine Vertragsstrafe in dieser Höhe festsetzen. Er war mit der Vertragsstrafe einverstanden. Wir sprachen darüber, ob er mit dieser Summe einverstanden sei; mehr ist darüber nicht gesprochen worden. Der Betrag der Vertragsstrafe ist gesagt worden. Was soll ich denn dann noch gesagt haben? Ich habe gesagt, dass die Vertragsstrafe 50.000,00 DM sei und ob er damit einverstanden sei."

Das mag aus der Sicht des Nichtjuristen ein Aushandeln sein, genügt aber nicht für eine Individualvereinbarung nach § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz. Denn danach hätte die Klägerin ihre Bereitschaft erkennen lassen müssen, die Vertragsstrafenklausel abzuändern. § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz ist nur anwendbar, wenn es zu einem wirklichen Aushandeln gekommen ist; dabei bedeutet Aushandeln mehr als bloßes Verhandeln. Die Klägerin hätte den gesetzesfremden Kerngehalt ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem Beklagten Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interesse einräumen müssen; sie hätte dem Beklagten die Möglichkeit geben müssen, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. In der Regel schlägt sich das Aushandeln in einer Änderung des vorformulierten Textes nieder; auch wenn der Text unverändert bleibt, kann ausnahmsweise § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz anwendbar sein, dann muss aber der andere Teil nach gründlicher Erörterung von der Sachgerechtigkeit der Regelung überzeugt worden sein. Alle diese Kriterien sind mit der Erklärung, dass die Vertragsstrafe 50.000,00 DM und ob der Beklagte damit einverstanden sei, nicht erfüllt worden.

Die Vertragsstrafenklausel verstößt gegen § 9 AGB-Gesetz; eine nach dieser Vorschrift unangemessen hohe Strafe liegt vor, wenn diese außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1076).

Die Vertragsstrafenklausel in dem Subunternehmervertrag der Parteien sieht bei einem Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung pauschal eine Strafe in Höhe von 50.000,00 DM vor, und zwar bereits ab der ersten Zuwiderhandlung und unabhängig von der Schwere des Pflichtverstoßes des Beklagten. Diese Strafe trifft ihn mithin auch bereits dann, wenn er beispielsweise lediglich einen lecken Wasserhahn bei einem Kunden festzieht, ohne vorher die Klägerin zu informieren. Das benachteiligt den Beklagten unangemessen, weil es an einer Differenzierung der Vertragsstrafe nach der Schwere des Vertragsverstoßes fehlt. Eine Differenzierung wäre auch durchaus möglich gewesen, beispielsweise durch Festlegung der Strafe jeweils im Verhältnis zum Auftragsvolumen, und auch geboten gewesen, weil die vom Beklagten ausgeführten Aufträge sich im Umfang zum Teil erheblich unterschieden.

Die Klausel ist auch in ihrer absoluten Höhe mit § 9 AGB-Gesetz unvereinbar, weil es an der notwendigen Relation zwischen der Vertragsstrafe und der durch die Zuwiderhandlung zu erwartenden Schadenshöhe fehlt. Nach dem Vortrag der Klägerin sollte durch die Vereinbarung der Bestand ihrer Kunden geschützt werden. Der Umfang der Vertragsstrafe bemisst sich mithin nach dem durch die Zuwiderhandlung zu erwartenden Ausfall an Kundenaufträgen. Die Klägerin hat behauptet, ihre Kontakte mit den Kunden seien auf eine langjährige Zusammenarbeit mit erheblichen Gewinnen angelegt gewesen; diese sei durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die Firma Skandinavien & Partners verloren gegangen. Selbst wenn man den von der Klägerin zunächst behaupteten wirtschaftlichen Verlust in Höhe von durchschnittlich 54.000,00 DM im Jahr zugrundelegt, erweist sich die Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 DM als unangemessen hoch, denn unstreitig hat der Beklagte zum 09. März 1998 das Vertragsverhältnis wirksam gekündigt, ohne dass er danach noch an die Unterlassungsverpflichtung gebunden war; der Klägerin konnten mithin durch Pflichtverstöße des Beklagten maximal Erträge aus der Zeit der vertraglichen Bindung der Parteien verloren gehen und bei ihrer Behauptung, dass der Beklagte sich seit Januar 1998 vertragswidrig verhalten habe, ein Schaden nur für den Zeitraum Januar bis Februar 1998 entstehen.

Die Höhe der Vertragsstrafe entspricht zudem nicht den gesetzlichen Leitgedanken der §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB, wonach die Vertragsstrafe den Mindestschaden darstellt; weil die Vertragsstrafe im Subunternehmervertrag nicht nur den Mindestschaden darstellt, muss die Klägerin durch die Höhe von 50.000,00 DM entgegen der gesetzlichen Wertung unbilligerweise nicht nachweisen, dass sie einen über die Vertragsstrafe hinausgehenden Schaden erlitten hat (mithin insoweit auch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz).

Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe auf ein den Anforderungen des § 9 AGB-Gesetz genügendes Maß gemäß § 343 BGB ist nicht möglich, weil diese Vorschrift eine wirksam vereinbarte Vertragsstrafe voraussetzt (vgl. BGH a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 2 ZPO; die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO; Zinsen auf die Widerklageforderung sind dem Beklagten nur in der gesetzlichen Höhe von 4 % zuzusprechen, einen darüber hinausgehenden Zinsschaden hat er nicht belegt.

Ende der Entscheidung

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