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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: 7 W 39/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 299 |
7 W 39/06
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 17. November 2006 beschlossen:
Tenor:
Auf die (sofortige) Beschwerde der Beklagten vom 5. Oktober 2006 wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 29. September 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Beklagten vom 27.09.2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Eine weitere Kostenentscheidung ist nicht angezeigt.
Gründe:
Die Parteien streiten - soweit aus dem dem Senat zur Verfügung stehenden Aktenauszug ersichtlich ist - um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, wobei die Beklagte zu 1. als Haftpflichtversicherer bestreitet, dass es überhaupt zu einer Kollision der vermeintlich unfallbeteiligten Fahrzeuge gekommen sei, im Übrigen ggf. von einem "gestellten" Unfall ausgeht.
Das Landgericht hat ein unfallanalytisches Gutachten des Sachverständigen D. eingeholt. Der Kläger hatte vorprozessual ein Sachverständigengutachten über die Schäden an seinem Pkw Mercedes-Benz anfertigen lassen. Der Sachverständige Dressler hat zur Anfertigung seines Gutachtens Lichtbilder über die Beschädigungen am Pkw des Klägers in Form einer Fotodatei von dem vorprozessual vom Kläger beauftragten Sachverständigenbüro erhalten. Der Sachverständige D. hat einen Teil der auf dem Datenträger vorhandenen Fotografien im Rahmen seines Gutachtens verwandt; aus den weiter auf dem Datenträger vorhandenen Fotografien seien keine Spuren zu erkennen, auch durch Vergrößerungen würden die Lichtbilder immer körniger, also unschärfer.
Die Beklagten haben daraufhin beantragt, ihnen das Original der Fotodatei zur Verfügung zu stellen, um die Lichtbilder nochmals zu überprüfen. Diesen Antrag hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, das Gericht selber befinde sich nicht im Besitz der Datei, es gebe auch keine Rechtsgrundlage für ein Herausgabeverlangen gegen den Sachverständigen.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten (sofortigen) Beschwerde, der das Landgericht durch Beschluss vom 18. Oktober 2006 nicht abgeholfen hat, rügen die Beklagten unter anderem, dass eine Überprüfung der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen D. nur möglich sei, wenn den Beklagten auch die Grundlagen dieser Ausführungen - unter anderem eben die vollständige Fotodatei - zugänglich seien.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist mit der Maßgabe, dass das Landgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über das Gesuch über Zurverfügungstellung der Lichtbilddatei zu entscheiden hat, begründet.
Entgegen der im Nichtabhilfebeschluss zum Ausdruck gekommenen Auffassung des Landgerichts geht es hier nicht darum, dass die Beklagten mit Hilfe des Gerichts Beweismittel beschaffen wollten. Vielmehr gründet sich der Anspruch der Beklagten auf Einsicht in die vollständige Lichtbilddatei auf § 299 Abs. 1 ZPO, wonach die Parteien das Recht auf Einsicht in die Prozessakten haben.
Das Einsichtsrecht der Parteien umfasst dabei - mit Ausnahme der in § 299 Abs. 4 ZPO aufgeführten Entwürfe - die gesamten Akten. Zwar zählen zu den Prozessakten nicht die von den Parteien eingereichten Originalurkunden, da diese wieder an die Partei zurückzugeben sind (Schneider MDR 1984, S. 109; MüKo-Prütting, ZPO, 2. Aufl. § 299 Rn. 5); jedenfalls in analoger Anwendung des § 299 Abs. 1 ZPO steht den Parteien aber auch ein Einsichtsrecht in Originalurkunden zu, soweit diese im Prozess - insbesondere als Beweismittel - verwendet werden. Entsprechendes gilt auch für Augenscheinsobjekte, wie Lichtbilder oder Röntgenbilder, sofern diese in irgendeiner Form zur Entscheidungsgrundlage werden können, sei es auch in Verbindung mit einem Sachverständigengutachten.
So verhält es sich vorliegend mit der Lichtbilderdatei. Diese hat zwar der gerichtlich bestellte Sachverständige unmittelbar von dem vorgerichtlich für den Kläger tätigen Schadensgutachter bezogen. Gleichwohl stellt die Datei einen Teil der Prozessakten dar, denn der in der Praxis gängige Weg gerade in Verkehrsunfallsachen, wo sich regelmäßig der gerichtlich bestellte Sachverständige eventuell nicht von den Parteien zur Akte gereichte Schadensunterlagen direkt bei einem vorgerichtlich tätigen Sachverständigen "besorgt", stellt nur eine Verkürzung des eigentlichen Weges zur Informationsbeschaffung dar, der so aussieht, dass die Partei diese Unterlagen auf Anforderung des Sachverständigen zur Gerichtsakte reicht, das Gericht diese sodann dem Sachverständigen zur Verfügung stellt. Auf diesem Wege werden derartige Unterlagen - egal ob Urkunden, Lichtbilder oder Lichtbilddateien - Akteninhalt im Sinne von § 299 Abs. 1 ZPO und unterliegen damit dem Akteneinsichtsrecht.
Da über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht das Gericht zu befinden hat, von dem Einsicht zu gewähren ist - hier also das Landgericht - kann der Senat nicht abschließend selbst entscheiden.
Ende der Entscheidung
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