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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 24.06.2003
Aktenzeichen: 8 UF 153/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1610 I
Der Unterhaltsbedarf eines in einem Alten- und Pflegeheim lebenden Elternteils bestimmt sich nur dann nach dadurch angefallenen Unterbringungskosten, wenn sie als angemessener Unterhalt im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB angesehen werden können. Was als angemessener Unterhalt im Sinne dieser Bestimmung gilt, knüpft weder an die Lebensstellung des Kindes noch an eheliche oder familiäre Lebensverhältnisse an. Maßstab ist allein die Lebensstellung des bedürftigen Elternteils, diese prägt den Bedarf (vgl. BGH NJW 2003, 1660 ff.).
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 153/02

Verkündet am: 24. Juni 2003

In der Familiensache (Elternunterhalt)

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lassen, die Richterin am Oberlandesgericht Wien und den Richter am Oberlandesgericht Dr. von Krog auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das am 12. Februar 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8515,21 € (= DM 16 654,30) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 80 % und der Beklagte 20 %.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend.

Die Mutter des Beklagten, Frau Hedwig R., geboren am 23. Juni 1917, lebte vom 10. August 1995 bis zu ihrem Tode am 22. April 2000 im Theodor-Fliedner-Werk "Wohnen im Alter" in Mühlheim. Gemeinsam mit ihrem am 20. Januar 1997 verstorbenen zweiten Ehemann, Herrn R. R., dem Stiefvater des Beklagten, war sie in dieses evangelische Alten- und Pflegeheim gezogen, da beide aufgrund ihres Gesundheitszustandes ständig fremder Hilfe und Pflegedienste bedurften. Von dem Tage der Heimunterbringung an bis zu ihrem Tode wurde die Mutter des Beklagten mit Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes vom örtlichen Träger der Sozialhilfe, der Klägerin, zulasten des Landschaftsverbandes unterstützt, da ihre eigenen finanziellen Mittel zur Bestreitung der Heim- und Pflegekosten nicht ausreichten. Mit Rechtswahrungs- und Überleitungsanzeige vom 11. März 1996, dem Beklagten zugestellt am 15. März 1996, wurde dieser darüber unterrichtet und zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert. Zugleich wurde ihm bekannt gegeben, dass etwaige Unterhaltsansprüche seiner Mutter gegen ihn bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger übergingen. Die Aufwendungen des Sozialamtes beliefen sich im Forderungszeitraum vom 15. März 1996 bis zum 22. April 2000 auf insgesamt DM 314 649,32. Die Mutter des Beklagten verfügte in dem gleichen Zeitraum über Einnahmen in Höhe von DM 225 405,62, so dass ein ungedeckter Sozialhilfeaufwand in Höhe von DM 89 243,70 verblieb. In der Zeit von April 1996 bis Oktober 2000 führte die Klägerin mit dem Beklagten umfangreichen Schriftwechsel über seine Einkommensverhältnisse und darüber, in welchem Umfang er zur Zahlung von Unterhalt an seine Mutter herangezogen werden könne. Am 11. Oktober 2000 zahlte der Beklagte einen einmaligen Betrag in Höhe von DM 5000 an die Klägerin.

Der am 7. September 1938 geborene Beklagte ist freiberuflich tätiger Seelotse und Überseelotse auf dem Nord-Ostsee-Kanal mit den dazugehörigen Seelotsenrevieren. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Seit Januar 1999 lebt er von seiner Ehefrau getrennt. Beim Amtsgericht - Familiengericht - Kiel ist seit dem 29. September 1999 das Scheidungsverfahren anhängig (Aktenzeichen - 54 F 211/99 -). Weiterhin hat der Beklagte noch vier Geschwister, und zwar die Brüder K., U. und H. T. sowie die Schwester K. W..

Mit der vorliegenden Klage, der ein Ende Dezember 2000 eingeleitetes Mahnverfahren vorausging, hat die Klägerin - nach teilweiser Klagrücknahme - übergeleitete Unterhaltsansprüche in Höhe von insgesamt DM 80 084,05 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Unter Zugrundelegung der Einkommensdaten aus den Steuerbescheiden der Jahre 1994 bis 1996 hat die Klägerin das durchschnittliche Nettoeinkommen des Beklagten mit monatlich DM 9345,86 ermittelt. Dieses Nettoeinkommen wurde für den gesamten Forderungszeitraum als verfügbares Einkommen des Beklagten berücksichtigt. Die steuerrechtlich abzugsfähigen Minuserträge aus Vermietung und Verpachtung hat die Klägerin demgegenüber nicht in Ansatz gebracht, sondern zur Altersvorsorge Lebensversicherungsbeiträge des Beklagten von monatlich durchgängig DM 800 berücksichtigt. Als weitere einkommensmindernde Position hat es die Krankenversicherungskosten des Beklagten abgezogen und den Unterhaltsbedarf der Tochter Vica als studierendes Kind mit monatlich DM 1050 angenommen. Den angemessenen Selbstbehalt der Ehefrau des Beklagten hat die Klägerin in ihrer Unterhaltsberechnung mit monatlich DM 1560 berücksichtigt und hiervon das jeweils erzielte Einkommen in Abzug gebracht. Der Beklagte hat mangelnde Leistungsfähigkeit eingewandt und darüber hinaus vorgebracht, seine Mutter sei gar nicht unterhaltsbedürftig gewesen. Sie hätte in ein günstigeres Alten- und Pflegeheim ziehen müssen, das sie dann auch von ihren und den Einnahmen ihres verstorbenen Ehemannes hätte bezahlen können. Für das von seiner Mutter bewohnte Altenheim hätten Tagessätze zwischen DM 192,52 und DM 206,42 gezahlt werden müssen. Hierbei handele es sich um deutlich über dem Durchschnitt liegende Pflegesätze. Demgegenüber wären z. B. bei einer Unterbringung mit Pflegestufe III im evangelischen Pflegeheim in Pillgram nur Kosten für Unterbringung und Verpflegung von täglich DM 142,61 angefallen. Auch bei den städtischen Seniorenheimen Duisburg wäre die Unterbringung kostengünstiger möglich gewesen. Die Klägerin hätte wegen des Sozialhilfebezuges die Heimpreise vergleichen und von sich aus seine Mutter veranlassen müssen, ein kostengünstigeres Heim zu wählen, notfalls auch außerhalb von Duisburg.

Das Familiengericht hat den Beklagten durch das angefochtene Urteil unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin DM 17 045,47 = 8715,21 € nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin beanstandet mit ihrer Berufung, dass das Familiengericht ein Rechenwerk des Beklagten zur Begründung der Klagabweisung verwendet habe, das nicht mehr Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Dieses Rechenwerk sei zwar noch im Rahmen des eingeleiteten schriftlichen Verfahrens eingereicht worden, sie hätte aber keine Gelegenheit mehr erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Dessen ungeachtet hätte zwingend neu mündlich verhandelt werden müssen, weil das Ende der Schriftsatzfrist noch einmal um Monate verlängert worden sei, weit über die Dreimonatsfrist des § 128 Abs. 2 ZPO a. F. hinaus.

Die von dem Familiengericht angenommene Verpflichtung der Mutter des Beklagten, ein billigeres Heim zu wählen, gebe es nicht. Auf die Auswahl des Heimes hätten die Sozialämter keinen Einfluss. Sie müssten immer bezahlen, wenn die Pflegesätze den Pflegesatzrichtlinien entsprechen würden. Auch könne von dem Pflegebedürftigen nicht verlangt werden, dass er zunächst umfassende Erkundigungen über die Preise einhole und im Übrigen dann auch zum richtigen Zeitpunkt ein Platz frei sei. Ganz unabhängig davon hätte die Mutter des Beklagten nicht auf ein Pflegeheim in Pillgram verwiesen werden können, da dieser Ort nur wenige Kilometer vor Frankfurt an der Oder liege. Das Heim in Mühlheim sei zwar eines der teureren gewesen, aber nicht das teuerste. Im Übrigen könne nicht jedes Heim eine gemeinsame Unterbringung von Eheleuten gewährleisten. Wolle man überhaupt Vergleichsberechnungen anstellen und andere Pflegesätze zugrunde legen, dann gelte es den richtigen Durchschnittssatz zu wählen. Unabhängig davon, um welche Beträge es letztlich gehe, könne der Beklagte diese jedenfalls zahlen. Zu Unrecht habe das Familiengericht Verluste aus Vermietung und Verpachtung abgezogen. Dazu bestehe kein Anlass, denn solche ergäben sich typischerweise aus Grundstücksabschreibungen, die unterhaltsrechtlich unbeachtlich seien. Weiter habe das Familiengericht auch einen zu hohen Bedarfsansatz für die Ehefrau des Beklagten gewählt. Es habe dabei übersehen, dass diese zumindest bis 1999 noch eigene Einkünfte gehabt habe, die ihren Bedarfsansatz minderten. Fahrtkosten seien auch nicht gesondert anzusetzen, weil sie in der Überschussrechnung des Beklagten schon enthalten und berücksichtigt seien. Bei der Tochter Vica sei die Bedarfssituation unklar. Schließlich seien die Selbstbehaltsätze nicht einfach prozentual zurückzuschrauben.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und insgesamt nach dem erstinstanzlichen Klagantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussberufung

die Klage wegen weiterer 200 € nebst Zinsen kostenpflichtig abzuweisen.

Der Beklagte hält entgegen, die Bedürftigkeit seiner Mutter sei nicht in dem behaupteten Umfange gegeben gewesen. Da ein Unterhaltsrechtsverhältnis in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehe, sei von dem Unterhaltsbedürftigen zu verlangen, dass er seinen Anspruch so schonend wie möglich und nur in einem unbedingt erforderlichen Umfang geltend mache. Selbstverständlich habe seine Mutter nicht in jedem Fall das billigste Heim wählen, aber doch einen Preisvergleich anstellen müssen und bei gleicher Eignung von mehreren Heimen dann das preiswerteste nehmen. Es habe zahlreiche vergleichbare andere Heimplätze gegeben, welche seiner Mutter seinerzeit zur Verfügung gestanden hätten und die trotz vergleichbarer Leistung erheblich günstiger gewesen wären. Diese Heimen hätten nur solche Pflegesätze verlangt, die aus dem Einkommen seiner Mutter vollumfänglich hätten beglichen werden können, so dass ein Restunterhaltsanspruch nicht verblieben wäre. Darüber hinaus habe seine Mutter ihre Bedürftigkeit, wenn eine solche tatsächlich bestanden haben sollte, mutwillig herbeigeführt. Denn nach dem Tode seines Vaters habe sich seine Mutter die ihr zustehende Witwenrente bei Wiederheirat auszahlen lassen. Es habe sich dabei um ein Rentenvermögen von ca. 100- bis 150 000 DM gehandelt, das von seiner Mutter und seinem Stiefvater offensichtlich verbraucht worden sei. Dieses Verhalten sei mit Blick auf die fehlende Zukunftssicherung vorwerfbar. Im Übrigen sei er auch nicht in der Lage, die geltend gemachten Unterhaltsbeträge zu zahlen. Die Negativeinkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien zu berücksichtigen. Die Anschaffung der Immobilien dienten der Deckung des Wohnbedarfs der Familienmitglieder sowie der Vermögensbildung. Diese finanziellen Dispositionen seien alle eingegangen worden lange bevor Unterhaltsansprüche an ihn herangetragen worden seien. Würden diese nicht in Abzug gebracht, sei eine fiktive Berechnung mit einer entsprechend höheren Steuerlast vorzunehmen. Schließlich werde geltend gemacht, dass auch seine vier Geschwister leistungsfähig seien. Daher hafteten sie ebenfalls auf Elternunterhaltsansprüche mit der Folge, dass nicht etwa eine gesamtschuldnerische Haftung bestehe, sondern jedes Kind nur entsprechend seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen anteilig hafte.

Zur Begründung seiner Anschlussberufung bringt der Beklagte vor, dass in seiner vom Familiengericht zugrunde gelegten Beispielsberechnung lediglich die Pflegesätze des Jahres 2001 zugrunde gelegt worden seien, diese in den Vorjahren tatsächlich aber noch entsprechend niedriger gewesen seien, mit der Folge, dass auch der Unterhaltsanspruch seiner Mutter in den Vorjahren geringer ausfallen müsse. Darüber hinaus habe das Familiengericht übersehen, dass er unstreitig bereits einen Betrag von DM 5000 gezahlt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, während die Anschlussberufung des Beklagten Erfolg hat.

Die Beurteilung des Familiengerichts, dass der Beklagte seiner Mutter in der fraglichen Zeit vom 15. März 1996 bis zum 22. April 2000 Unterhalt schuldete und daher Unterhaltsansprüche in Höhe von jedenfalls 8515,21 € = DM 16 654,30 gemäß § 91 Abs. 1 BSHG auf die Klägerin übergegangen sind, hält den Angriffen der Berufung im Ergebnis Stand.

Die Unterhaltspflicht des Beklagten als solche steht dem Grunde nach außer Streit. Sie ergibt sich aus § 1601 BGB. Als (gleich nahe) Verwandte in gerader Linie sind Kinder verpflichtet, ihren Eltern Unterhalt zu gewähren. Zur Höhe des den Unterhaltsanspruch unter anderem bestimmenden Bedarf der Mutter ist auf die Bemessungsgrundlagen der §§ 1601, 1610 Abs. 1 BGB abzustellen. Der Unterhaltsbedarf der Mutter des Beklagten wurde durch ihre Unterbringung in dem bis zu ihrem Tode bewohnten Alten- und Pflegeheim in Mühlheim bestimmt. Er deckt sich jedoch nur dann mit den dadurch angefallenen Unterbringungskosten, wenn sie als angemessener Unterhalt im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB angesehen werden können. Das ist vorliegend nicht der Fall. Was als angemessener Unterhalt im Sinne dieser Bestimmung gilt, knüpft weder an die Lebensstellung des Kindes noch an eheliche oder familiäre Lebensverhältnisse an. Maßstab ist allein die Lebensstellung des bedürftigen Elternteils, diese prägt den Bedarf (vgl. BGH NJW 2003, 1660 ff.). Sie leitet sich nicht von derjenigen des Unterhaltspflichtigen ab, sondern ist eigenständig und beurteilt sich in erster Linie nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des betreffenden Elternteils. Nachteilige Veränderungen der Einkommensverhältnisse, wie sie in der Regel mit dem Eintritt in den Ruhestand verbunden sind, haben deshalb auch eine Änderung der Lebensstellung zur Folge (vgl. BGH a. a. O.). Entstehen für pflegebedürftige Eltern ungedeckte Heim- und/oder Pflegekosten stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Eltern ein kostengünstiges Heim beziehen müssen oder ein weniger kostengünstiges Altersheim auswählen dürfen. Auch hierfür kommt es wiederum nur auf die Lebensstellung der Eltern an bzw. auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse vor dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit. Haben die Eltern auch zuvor nur in einfachen Verhältnissen gelebt, müssen die Kinder auch lediglich eine einfache, kostengünstige Unterbringung bezahlen. Haben die Eltern dagegen in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt und zu früherer Zeit ihre Kinder an diesem Lebensstandard partizipieren lassen, und können sie gleichwohl die Kosten eines gehobeneren Heimes nicht selbst vollständig aufbringen, sind die Kinder verpflichtet, hierauf einen angemessenen, auch höheren Beitrag zu leisten. Kindesinteressen müssen bei der Heimauswahl nicht berücksichtigt werden, denn wie den Kindern ausreichende Spielräume hinsichtlich der Ausbildung und beruflichen Orientierung zustehen, muss den Eltern ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Art ihrer Versorgung im Alter überlassen werden. Das billigste Alten- und Pflegeheim muss es deshalb sicher nicht sein, aber auch nicht jede Heimunterbringung und die dadurch verursachten tatsächlichen Unterbringungskosten sind mit dem unterhaltsrechtlichen Bedarf identisch. Der Sozialhilfeträger hat in diesem Zusammenhang zwar zu prüfen, ob die Heimunterbringung bezahlbar ist. Das Risiko hinsichtlich der nicht gedeckten Kosten liegt aber bei ihm und nicht den unterhaltspflichtigen Kindern, die nur im Rahmen des angemessenen Unterhaltsbedarfs herangezogen werden können. Im streitentscheidenden Fall der Mutter des Beklagten ist auf die Kosten eines Alten- und Pflegeheimes mittlerer Art und Güte abzustellen. Das von der Mutter des Beklagten und ihrem zweiten Ehemann ausgewählte Alten- und Pflegeheim in Mühlheim entsprach zwar den Bedürfnissen des Ehepaares R., da es eine gemeinsame Unterbringung ermöglichte, es in ihrer vertrauten örtlichen Umgebung lag, in der Nähe ihrer Kinder, die benötigte aufwendige Pflege erbringen konnte und zudem die geltenden Pflegesätze den Anerkennungsrichtlinien entsprachen, es somit "sozialhilfefähig" war. Diese Einrichtung, bei der es sich um ein gehobeneres Heim handelt, entsprach aber nicht ganz der bisherigen Lebensstellung des Ehepaares R., war für ihre Verhältnisse etwas zu kostenintensiv. Aus der von der Klägerin zu Vergleichszwecken eingereichten Übersicht über die Heimpreise im Bereich der Stadt Duisburg und Umgebung (Bl. 273-277 d. A.) ergeben sich unter Zugrundelegung der dort aufgeführten Heimpreise für die benötigte Pflegestufe III folgende Mittelwerte:

Für das Jahr 1996 einen mittleren Tagessatz von DM 192,67,

für das Jahr 1997 einen mittleren Tagessatz von DM 196,24,

für das Jahr 1998 einen mittleren Tagessatz von DM 218,63,

für das Jahr 1999 einen mittleren Tagessatz von DM 214,55 und

für das Jahr 2000 einen mittleren Tagessatz von DM 224,77.

Für den Gesamtzeitraum vom 15. März 1996 bis zum 22. April 2000 betragen die den Unterhaltsbedarf der Mutter des Beklagten bestimmenden angemessenen Heimpflegekosten demnach insgesamt DM 311 172,18 (292 Tage x DM 192,67 + 365 Tage x DM 196,24 + 365 Tage x DM 218,63 + 365 Tage x DM 214,55 + 112 Tage x DM 224,77), so dass sich verteilt auf einen Gesamtzeitraum von 49,23 Monaten ein durchschnittlicher monatlicher Unterhaltsbedarf von DM 6320,78 errechnet. Diesen Unterhaltsbedarf konnte die Mutter des Beklagten teilweise durch eigenes Renteneinkommen und bezogenes Pflegegeld abdecken, und zwar ausgehend von einem Gesamteinkommen für den gleichen Zeitraum von DM 225 405,62 in Höhe eines entsprechend errechneten monatlichen Durchschnittsbetrages von DM 4578,62 (DM 225 405,62 : 49,23 Monate), so dass ein ungedeckter Restbedarf von monatlich DM 1742,16 verbleibt.

Für diesen ungedeckten Unterhaltsbedarf der verstorbenen Mutter hat jedoch nicht allein der Beklagte aufzukommen, sondern sämtliche unterhaltspflichtigen Kinder der Verstorbenen als gleich nahe Verwandte, mithin auch die vier Geschwister des Beklagten, und nicht im Sinne einer gesamtschuldnerischen Haftung, sondern einer anteiligen Haftung nach Kopfteilen entsprechend ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dass die von der Klägerin nicht in Anspruch genommenen Geschwister des Beklagten bei Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen außerstande gewesen sind, ohne Gefährdung ihres eigenen angemessenen Unterhalts ihrer Mutter einen anteiligen monatlichen Unterhaltsbetrag von DM 348,43 (DM 1742,16 : 5) zu gewähren, kann nicht festgestellt werden, denn zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen in den Jahren 1996 bis 2000 hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin keine hinreichend nachvollziehbaren Angaben gemacht, sondern sich darauf beschränkt, Unterhaltsberechnungsbögen einzureichen (Bl. 264-270 d. A.), die zudem allesamt auf den Zeitpunkt des 11. März 1996 datieren, und gemeint, hieraus solle sich die jeweilige Leistungsunfähigkeit ergeben. In dieser vereinfachten Betrachtungsweise kann jedoch nicht einfach unterstellt werden, dass die ebenfalls unterhaltspflichtigen Geschwister des Beklagten gänzlich leistungsunfähig gewesen sind, was sich in Anbetracht der inzwischen verstrichenen Zeit jetzt auch nicht mehr aufklären lässt. Bei fünf anteilig haftenden Kindern entfällt auf den Beklagten für den gesamten Zeitraum vom 15. März 1996 bis zum 22. April 2000 eine von ihm noch zu tragende Unterhaltslast von insgesamt DM 17 153,20 (DM 348,43 x 49,23 Monate), so dass im Hinblick auf die von dem Beklagten bereits geleistete Teilzahlung in Höhe von DM 5000 kein Raum ist für eine über die erstinstanzliche Entscheidung hinausgehende Verurteilung. Bereits aus diesem Grunde hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.

Soweit der Beklagte seine Anschlussberufung auf den Betrag von 200 € = DM 391,17 beschränkt, er prozessual somit insgesamt DM 21 654,30 (DM 17 045,47 + DM 5000 - DM 391,17) akzeptiert, übernimmt er im Verhältnis zu seinen mithaftenden Geschwistern überdies sogar den größten Anteil mit monatlich DM 439,86, so dass die Berufung der Klägerin selbst dann ohne Erfolg bliebe, wenn die Schwester des Beklagten, Frau Karin W., als das leistungsschwächste Mitglied der Haftungsgemeinschaft der Geschwister außer Ansatz bliebe. Denn bei anteilig haftenden insgesamt vier Geschwistern entfiele auf den Beklagten ein von ihm zu erbringender Unterhaltsbetrag in Höhe von monatlich DM 435,54 (DM 1742,16 : 4), den er durch die nur eingeschränkte Anschlussberufung gegen sich gelten lässt.

Nach alledem ist der Berufung der Klägerin der Erfolg zu versagen, während die Anschlussberufung des Beklagten begründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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