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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 28.11.2000
Aktenzeichen: 8 UF 169/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1573 II
BGB § 1579 Nr. 3
ZPO § 323 III
Sind der Berechtigte und der Verpflichtete eines Unterhaltsanspruchs Rentenbezieher, so ist bei der Bedarfsermittlung das volle Renteneinkommen des Berechtigten zu berücksichtigen, weshalb auch der auf dem Versorgungsausgleich beruhende Anteil einbezogen bleibt.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 169/99 53 F 56/99 Amtsgericht Norderstedt

Verkündet am: 28. November 2000

Knospe, Justizsekretär z. A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache (nachehelicher Unterhalt)

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig,

gegen

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig,

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lassen, den Richter am Oberlandesgericht Jacobsen und die Richterin am Oberlandesgericht Krönert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Norderstedt vom 17. August 1999 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Norderstedt vom 10. September 1996 - 53 F 76/96 - wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte folgenden nachehelichen Unterhalt zu zahlen hat:

1. ab 8. April 1999 monatlich 357 DM,

2. ab Mai 1999 monatlich 331 DM,

3. ab Juli 1999 monatlich 335 DM,

4. ab Juli 2000 monatlich 141 DM.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen, die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5, von den Kosten des Berufungsrechtszuges der Kläger 7/10 und die Beklagte 3/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien hatten im Jahre 1960 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Die Ehe ist auf den am 8. November 1985 zugestellten Scheidungsantrag des Klägers durch Verbundurteil des Familiengerichts vom 16. Februar 1989 geschieden worden (52 F 161/85). Der Kläger ist im Verbund zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 1552,92 DM einschließlich Krankenvorsorge und Altersvorsorge verurteilt worden. Auf eine von der Beklagten im Jahre 1992 erhobene Abänderungsklage ist der Unterhalt durch Senatsurteil vom 13. September 1994 für die Zeit ab Januar 1994 auf monatlich 2649,98 DM einschließlich Krankenvorsorge und Altersvorsorge heraufgesetzt worden (8 UF 218/93). Auf eine Abänderungsklage des Klägers hin ist der Unterhalt durch Urteil des Familiengerichts vom 10. September 1996 für die Zeit ab Juni 1996 auf monatlich 624 DM einschließlich 122 DM Altersvorsorgeunterhalt festgesetzt worden (53 F 76/96).

Beide Parteien beziehen zwischenzeitlich eine Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Kläger zusätzlich eine Betriebsrente. Die Beklagte hat weiteres Einkommen im versicherungsfreien Bereich.

Mit der vorliegenden am 8. April 1999 zugestellten Abänderungsklage hat der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltspflicht begehrt. Das Familiengericht hat der Klage stattgegeben. Es hat bei der Bedarfsberechnung den in der Altersrente der Beklagten auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Anteil herausgerechnet, diesen sowie fünf Sechstel des Erwerbseinkommens der Beklagten hierauf angerechnet. Weiterhin hat es fiktives Renteneinkommen der Beklagten, beruhend auf den von dem Kläger seit 1985 geleisteten Altersvorsorgebeträgen mit der Folge angerechnet, dass ein Unterhaltsanspruch der Beklagten dann nicht mehr verbleibt.

Mit ihrer Berufung beanstandet die Beklagte die Unterhaltsberechnung. Sie ist der Ansicht, dass bei ihren Erwerbseinkünften ein Abschlag gemacht werden müsse, weil diese überobligationsmäßig seien. Die von dem Kläger geleisteten Altersvorsorgebeträge habe sie mangels ausreichenden Elementarunterhalts nicht bestimmungsgemäß verwenden können.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage für die Zeit vom 1. bis 7. April 1999 vollständig und danach insoweit abzuweisen als eine Herabsetzung auf weniger als 360 DM monatlich verlangt wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Beklagte eine monatliche Rente von 500 DM zusätzlich hätte erzielen können, wenn sie die Altersvorsorgebeiträge sinnvoll angelegt hätte. Dazu wäre sie auch imstande gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Frage, welche monatliche Rente die Beklagte ab Januar 1999 hätte erzielen können, wenn sie die von dem Kläger geleisteten Altersvorsorgebeträge gemäß Aufstellung in dem Erörterungsbeschluss des Senats vom 16. Mai 2000 (Bl. 144 bis 146 der Akte) möglichst günstig angelegt hätte, durch Einholung einer Auskunft des Versicherungsmaklers Assessor B. . Insoweit wird auf das Auskunftsschreiben vom 10. August 2000 nebst den beigefügten Berechnungsanlagen (Bl. 157 bis 170 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet.

Wegen des Zeitraums vom 1. bis 7. April 1999 kann sie volle Klagabweisung verlangen, weil eine Abänderung des Unterhaltsurteils vom 13. September 1994 - 8 UF 218/93 - gemäß § 323 Abs. 3 ZPO erst ab Zustellung der vorliegenden Abänderungsklage möglich ist, das ist der 8. April 1999.

Für die Zeit danach hat die Beklagte gegen den Kläger auch jetzt noch einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1573 Abs. 2 BGB, allerdings in geringerer Höhe als bisher tituliert, weil sich zum einen das Einkommen des Klägers verringert, zum anderen das Einkommen der Beklagten erhöht hat.

Hinsichtlich der Bedarfsberechnung beanstandet die Beklagte zu Recht, dass das Familiengericht den auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Anteil ihrer Altersrente im Wege der Anrechnungsmethode berücksichtigt hat. Wenn sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Unterhaltsverpflichtete eine Rente beziehen, ist bei der Bedarfsermittlung das volle Renteneinkommen des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Die von dem Familiengericht gewählte Berechnungsmethode würde zu einem unbilligen Ergebnis führen, da sich dann der altersbedingte Wechsel der Einkommensquellen einseitig zu Lasten des Unterhaltsberechtigten und zugunsten des Unterhaltsverpflichteten auswirken würde. Dem Umstand, dass der durch den Versorgungsausgleich vom Unterhaltsschuldner auf den Unterhaltsgläubiger übergegangene Teil der Ruhestandsbezüge bei intakter Ehe für den Lebensbedarf beider Parteien zur Verfügung stände, würde nicht angemessen Rechnung getragen. Ein angemessenes Ergebnis ist dadurch zu erzielen, dass der Unterhaltsbedarf ohne die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ermittelt und hierauf dann die aus dem Versorgungsausgleich stammenden Renteneinkünfte des Berechtigten angerechnet werden. Zum rechnerisch gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man das Renteneinkommen in ihrer durch den Versorgungsausgleich ermäßigten bzw. gestiegenen Höhe in eine Differenzmethode einbezieht (OLG Hamm FamRZ 2000, 25, 26; Wendl/Gutdeutsch, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 4 Rdnr. 345).

Auszugehen ist somit von dem Renteneinkommen der Parteien abzüglich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Auf Seiten des Klägers ist die Betriebsrente hinzuzurechnen. Bei der Beklagten ist ihr Erwerbseinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus auf den Bedarf anzurechnen. Diese Einkünfte, die aus einer geringfügigen Nebentätigkeit der Beklagten resultieren, sind nicht als überobligationsmäßig anzusehen.

Der Beklagten ist weiterhin fiktives Renteneinkommen aufgrund der von dem Kläger geleisteten Altersvorsorgebeträge zuzurechnen. Da der Vorsorgeunterhalt der besonderen Zweckbindung, die Alterssicherung des Berechtigten zu gewährleisten und zugleich den Verpflichteten nach Eintritt des Versicherungsfalls des Berechtigten unterhaltsrechtlich zu entlasten, unterliegt, kann die Vorschrift des § 1579 Nr. 3 BGB anwendbar sein, wenn der Vorsorgeunterhalt nicht bestimmungsgemäß verwendet worden ist. Dabei ist vorausgesetzt, dass dem Berechtigten ein mutwilliges Verhalten vorgeworfen werden kann, was bei Bestehen einer Notlage oder Einkünften unterhalb des notwendigen Selbstbehalts fraglich sein kann (Wendl/Gutdeutsch, a. a. O., § 4 Rdnr. 466). Bei Bejahung der Voraussetzungen des § 1579 Nr. 3 BGB wird der Berechtigte wegen der zweckwidrigen Verwendung des Vorsorgeunterhalts so gestellt, als hätte er eine entsprechende Versorgung erlangt. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Beklagte hat in der Zeit von 1985 bis Ende des Jahres 1998 regelmäßig Vorsorgeunterhalt von dem Kläger erhalten, insgesamt in Höhe von 61 742,94 DM. Soweit sie geltend macht, sie habe den Vorsorgeunterhalt aus wirtschaftlichen Gründen nicht bestimmungsgemäß verwenden können, fehlt es an ausreichendem Vortrag. Die Beklagte hätte schon im Einzelnen darlegen müssen, in welchen Zeiträumen sie sich in einer entsprechenden Notlage befunden hat. Es ist jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt, dass sie durchgängig außerstande war, den Vorsorgeunterhalt für ihre Altersversorgung zu verwenden. Auszugehen ist von dem Normalfall, dass der Unterhaltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt zweckbestimmt einsetzt. Aus dem pauschalen Vortrag der Beklagten lässt sich ein Ausnahmefall nicht herleiten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass sie bei kontinuierlicher Anlage der gezahlten Beträge im Zeitpunkt der Vollendung ihres 65. Lebensjahres eine monatliche Leibrente von etwa 700 DM hätte erzielen können. Das hat der Versicherungsmakler B. im Einzelnen und unter der Verwendung von Rechenmodellen für den Senat nachvollziehbar errechnet. Berücksichtigt man eine Schwankungsbreite von ± 5 %, dann ist zugunsten der Beklagten von einer monatlichen Rente von 665 DM auszugehen. Diese ist ihr allerdings nicht in voller Höhe als fiktives Renteneinkommen zuzurechnen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die Festsetzung von Vorsorgeunterhalt weniger Elementarunterhalt erhalten hat. Hätte sie keinen Vorsorgeunterhalt bekommen, wäre der Elementarunterhalt jeweils um drei Siebtel dieser Beträge höher. Es ist angemessen, die Beträge, um die der Elementarunterhalt der Beklagten aufgrund der Vorsorgeleistungen jeweils gekürzt worden ist, ebenso zu behandeln wie bei der Berechnung einer fiktiven Rente entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme, sie also auch zu dynamisieren. Das rechtfertigt einen Abschlag von drei Siebtel von der fiktiven Rente der Beklagten, so dass nur 380 DM (665 DM x 4/7) bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen sind. Dieser Betrag ist allerdings ebenfalls in die Differenzrechnung einzustellen. Insoweit gelten die Ausführungen zur Berücksichtigung des auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Renteneinkommens entsprechend.

Die Berücksichtigung dieses Einkommens erfolgt erst ab 1. Juli 2000, nachdem die Beklagte ihr 65. Lebensjahr vollendet und damit das Rentenalter erreicht hat. Darauf beruht auch die Berechnung in der Auskunft des Versicherungsmaklers B. .

Unterhaltsansprüche bestehen dann wie folgt:

1999

ab 8. April:

Einkommen des Klägers:

BfA-Rente 2604,93 DM

Betriebsrente 300,00 DM

abzüglich Krankenversicherung 347,70 DM

abzüglich Pflegeversicherung 48,46 DM

verbleiben 2508,77 DM

Einkommen der Beklagten:

BfA-Rente 1301,60 DM

abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung 267,63 DM

verbleiben 1033,97 DM

Die Differenz dieser Einkommen beträgt 1474,80 DM,

davon 1/2 737,40 DM.

Das Erwerbseinkommen der Beklagten beträgt im Monats-

durchschnitt 443,54 DM x 6/7 = 380,18 DM.

Es verbleibt ein Unterhaltsanspruch von 357,22 DM.

Ab Mai:

Renteneinkommen des Klägers wie oben 2508,77 DM

Renteneinkommen der Beklagten jetzt 1086,98 DM

Differenz 1421,79 DM

davon 1/2 710,90 DM

anzurechnen wie oben 380,18 DM

verbleibender Unterhaltsanspruch 330,72 DM.

Ab Juli haben sich die Renten der Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht:

Das Einkommen des Klägers beträgt jetzt 2542,53 DM,

das Renteneinkommen der Beklagten 1111,64 DM.

Differenz 1430,89 DM

davon 1/2 715,45 DM

anzurechnen wie oben 380,18 DM

verbleibender Unterhaltsanspruch 335,27 DM.

Bei dieser Unterhaltsberechnung bleibt es bis Juni 2000, weil nach der nunmehr vorliegenden Verdienstbescheinigung für dieses Jahr auch das Erwerbseinkommen der Beklagten unverändert ist.

Unterhaltsberechnung ab Juli 2000:

BfA-Rente des Klägers 2654,53 DM

Betriebsrente 300,00 DM

abzüglich Krankenversicherung 347,70 DM

abzüglich Pflegeversicherung 48,46 DM

verbleiben 2558,37 DM

BfA-Rente der Beklagten 1349,90 DM

abzüglich Kranken- und Pflegeversicherung 214,62 DM

verbleiben 1135,28 DM

hinzu kommt die fiktive Rente 380,00 DM

insgesamt 1515,28 DM

Die Differenz beträgt 1043,09 DM,

davon 1/2 521,55 DM,

anzurechnen wie zuvor 380,18 DM

verbleibender Unterhaltsanspruch 141,37 DM.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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