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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 8 UF 185/03
Rechtsgebiete: VAHRG, VAÜG


Vorschriften:

VAHRG § 1 III
VAHRG § 3 b I Nr. 1
VAÜG § 2 I Nr. 1
§ 2 I Nr. 1 VAÜG ist dahingehend einzuschränken, dass vor einer Einkommensangleichung ein Versorgungsausgleich auch dann nicht durchzuführen ist, wenn nach Einkommensangleichung die Ausgleichsformen der Beitragsentrichtung oder eines schuldrechtlichen Ausgleichs durch erweitertes Rentensplitting, also durch Rückgriff auf die dann nicht mehr angleichungsdynamischen Anrechte, ersetzt werden können.
Beschluss

8 UF 185/03

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 21. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Münster, wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rendsburg vom 22. August 2003, soweit darin der Versorgungsausgleich geregelt worden ist, aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Rendsburg zurückverwiesen.

2. Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Über die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Familiengericht zu entscheiden.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 500 €.

Gründe:

1. Die Parteien schlossen am 28. März 1987 die Ehe miteinander. Während der Ehezeit vom 1. März 1987 bis zum 31. März 2002 (Zustellung der Antragsschrift erfolgte am 22. April 2002; Berechnung der Ehezeit nach § 1587 Abs. 2 BGB) hat die Ehefrau nach Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 9. Januar 2003 in der gesetzlichen Rentenversicherung angleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 207,94 € und nichtangleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 3,39 € erworben. Der Ehemann hat während der Ehezeit angleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 340,32 € erlangt (Auskunft der Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Cottbus, vom 15. Januar 2003) und daneben eine unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung aus einer Betriebszugehörigkeit bei der DB Regio AG. Für diese hat die mit der Durchführung der Zusatzversorgung beauftragte Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Münster, mit Schreiben vom 17. März 2003 eine während der Ehezeit erworbene, sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium statische Jahresrente von 323,04 € mitgeteilt und angegeben, dass der Versorgungsträger nicht öffentlich-rechtlich organisiert sei.

Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien durch das teilangefochtene Verbundurteil geschieden - das Urteil ist zum Scheidungsausspruch rechtskräftig seit dem 8. November 2003 - und zur Durchführung des Versorgungsausgleichs die betriebliche Altersversorgung des Ehemannes unter Anwendung der neu gefassten Barwertverordnung in eine dynamische Rente von monatlich 4,50 € umgerechnet (323,04 € x 3 [Barwertfaktor der Tabelle 1, Alter des Ehemannes bei Ende der Ehezeit: 41 Jahre] x 0,0001835894 x 25,31406) und sodann den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es die angleichungsdynamischen Anwartschaften beider Parteien gegenübergestellt und insoweit der Ehefrau einen Ausgleichsanspruch von monatlich 66,19 € zugesprochen hat (340,32 € - 207,94 € = 132,38 €, geteilt durch 2). Hinsichtlich der Hälfte der Differenz zwischen der dynamisierten betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes und der nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaft der Ehefrau (4,50 € - 3,39 € = 1,11 €, geteilt durch 2 = 0,56 €; das Familiengericht hat versehentlich eine Rentenanwartschaft von 3,34 € zugrunde gelegt und einen Ausgleichsanspruch von 0,58 € errechnet) hat es das Quasi-Splitting "zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Münster" nach § 1 Abs. 3 VAHRG angeordnet.

2. Mit ihrer Beschwerde beanstandet die Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Münster den Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes im Wege des Quasi-Splittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG. Träger der Versorgung sei die DB Regio AG, nicht die Bahnversicherungsanstalt, diese sei lediglich mit der Durchführung der betrieblichen Altersversorgung beauftragt. Die DB Regio AG sei kein öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger, so dass der Ausgleich nicht nach § 1 Abs. 3 VAHRG erfolgen dürfe.

Die Parteien und die übrigen Versorgungsträger haben sich zur Beschwerde nicht geäußert.

3. Auf die Beschwerde der Bahnversicherungsanstalt, Bezirksleitung Münster ist die angefochtene Entscheidung umfassend und ohne Beschränkung auf die vorgebrachten Beschwerdegründe zu überprüfen und in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht zu bringen (vgl. Zöller/Philippi, 24. Aufl., § 621e Rdnr. 70 m. w. N.). Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG ist vor der zurzeit noch nicht erreichten Einkommensangleichung der Versorgungsausgleich nur durchzuführen, wenn die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art erworben haben und entweder nur angleichungsdynamische Anwartschaften auf beiden Seiten zu berücksichtigen sind oder der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anrechten auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben hat. Dem Wortlaut der letztgenannten Alternative entspricht die Konstellation im Streitfall, denn der Ehemann hat sowohl die werthöheren angleichungsdynamischen Anrechte als auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben. Es müssten also nicht, was durch § 2 Abs. 1 VAÜG vor Eintritt von Versorgungsbezügen verhindert werden soll, zur Ermittlung der Ausgleichsbeträge angleichungs- und nichtangleichungsdynamische Anrechte auf unsicherer prognostischer Basis miteinander verrechnet werden. Allerdings lässt sich ein Versorgungsausgleich hinsichtlich der nichtangleichungsdynamischen Anrechte - also der Anwartschaften der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung und der dynamisierten betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes - nicht im Wege des Quasi-Splittings durchführen, denn zutreffend weist die Bahnversicherungsanstalt darauf hin, dass sie nur im Auftrag der DB Regio AG die betriebliche Altersversorgung durchführt, der eigentliche Versorgungsträger also in die Form einer Aktiengesellschaft gekleidet und mithin privatrechtlich organisiert ist. Ebenso wie ein Quasi-Splitting scheidet ein Versorgungsausgleich im Wege der Realteilung aus, denn nach der Auskunft der Bahnversicherungsanstalt sieht die geltende Versorgungsregelung diese Möglichkeit nicht vor. Es bleiben damit nach § 3b Abs. 1, 1. Halbsatz und Nr. 1 VAHRG nur die Ausgleichsformen einer späteren schuldrechtlichen Regelung, die der ausgleichsberechtigten Ehefrau keine eigenständige Versorgung verschaffen würde, oder der Begründung von Rentenanwartschaften durch Beitragsentrichtung. Der weitere über § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG grundsätzlich eröffnete Weg, den Versorgungsausgleich ohne Aufbürdung einer Zahlungsverpflichtung durch Zugriff auf erworbene Rentenanwartschaften des Ausgleichspflichtigen im Wege des erweiterten Rentensplittings durchzuführen, ist im vorliegenden Fall verschlossen, weil nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften, in die die betriebliche Altersversorgung mittels der Barwert- und Rechengrößenverordnung umgerechnet worden sind, nicht dem Wert der vom Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften entsprechen. Der Versorgungsausgleich wäre damit auf jene Formen beschränkt, die durch das VAHRG gerade zur Vermeidung verfassungswidriger oder zumindest verfassungsrechtlich bedenklicher Ergebnisse um die Möglichkeiten des erweiterten Rentensplittings und der Realteilung ergänzt worden sind (zur Verfassungswidrigkeit von § 1587b Abs. 3 Satz 1 BGB vgl. BVerfG, FamRZ 1983, 342 ff.). Ein sachlicher Grund, den Versorgungsausgleich bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit eingeschränkten Ausgleichsformen durchzuführen, besteht nicht, weil ein Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist, Rentenbezüge also weder zu kürzen noch zu erhöhen wären. § 2 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG ist, um beiden Parteien die Ausgleichsform des erweiterten Rentensplittings zu erhalten, dahingehend einzuschränken, dass vor einer Einkommensangleichung ein Versorgungsausgleich auch dann nicht durchzuführen ist, wenn nach Einkommensangleichung die Ausgleichsformen der Beitragsentrichtung oder eines schuldrechtlichen Ausgleichs durch erweitertes Rentensplitting, also durch Rückgriff auf die dann nicht mehr angleichungsdynamischen Anrechte, ersetzt werden können.

Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich war danach auszusetzen. Über die Aussetzung des Verfahrens und die Wiederaufnahme nach Einkommensangleichung wird das Familiengericht zu entscheiden haben (vgl. Johannsen/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 2 VAÜG Rdnr. 1).

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 8, 17 GKG. Über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Familiengericht in der zu treffenden abschließenden Entscheidung zu befinden.



Ende der Entscheidung

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