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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 18.09.2001
Aktenzeichen: 8 UF 22/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 623 II S. 3
ZPO § 628 Nr. 4
BGB § 1587 a II Nr. 3
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Folgesache nachehelicher Unterhalt abgetrennt werden kann, ohne gleichzeitig die Sorgerechtsregelung abzutrennen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 22/01

Verkündet am: 18. September 2001

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lassen, den Richter am Oberlandesgericht Jacobsen und den Richter am Amtsgericht Dr. von Krog auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Norderstedt vom 13. Dezember 2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Norderstedt zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien haben 1989 die Ehe miteinander geschlossen. Ihrer Verbindung entstammen die Kinder Jan-Maximilian, geboren am, und Joe-Martin, geboren am, die seit der Trennung der Parteien im Herbst 1997 beim Antragsteller leben.

In dem seit 1998 anhängigen, seit dem 29. April 1999 rechtshängigen Verfahren haben beide Parteien die Scheidung der Ehe beantragt. Zur elterlichen Sorge hat der Antragsteller beantragt, ihm diese für beide Kinder zu übertragen. Die Antragsgegnerin hat beantragt, diesen Antrag des Antragstellers zurückzuweisen und ihr zumindest die elterliche Sorge für Joe-Martin zu übertragen. Im Termin vom 22. November 2000 hat die Antragsgegnerin einen Schriftsatz vom selben Tage mit einem Auskunftsantrag und einem noch unbezifferten Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts überreicht und "den" Antrag aus diesem Schriftsatz gestellt. Der Antragsteller hat zu diesem Antrag nicht verhandelt und die Abtrennung des nachehelichen Unterhalts nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO beantragt, während die Antragsgegnerin auf einer Entscheidung über die Anträge zur Scheidung, zur elterlichen Sorge und zum nachehelichen Unterhalt im Verbund bestanden hat.

Das Familiengericht hat die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und dem Antragsteller die elterliche Sorge für beide Kinder übertragen. Beim Versorgungsausgleich hat es neben Rentenanwartschaften der Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung eine betriebliche Altersversorgung des Ehemannes berücksichtigt. Trotz noch andauernder Betriebszugehörigkeit bis zum 29. Februar 2016 hat das Familiengericht als Gesamtzeit der Betriebszugehörigkeit lediglich die Zeit vom Eintritt in den Betrieb am 11. Oktober 1977 bis zum Ehezeitende am 31. März 1999 berücksichtigt und außerdem bei der Umrechnung dieser Anwartschaft in eine gesetzliche Rente die Betriebsrente auch im Leistungsstadium als statisch behandelt, obwohl sie nach Auskunft des Arbeitgebers in diesem Stadium dynamisch sein soll. Die Folgesache nachehelicher Unterhalt hat das Familiengericht durch unbegründeten Beschluss vom 13. Dezember 2000 abgetrennt.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit der Berufung gegen die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt. Diese Abtrennung sei verfahrensfehlerhaft, weil die Abtrennungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die Antragsgegnerin sei ohne zureichende Regelung des nachehelichen Unterhalts ungesichert und will deshalb ohne Regelung dieser Scheidungsfolge nicht geschieden werden. Zur Regelung des Versorgungsausgleichs rügt sie, dass das Familiengericht bei seiner "formularmäßigen Umrechnung" die betriebliche Altersversorgung als im Leistungsstadium statisch behandelt hat, obwohl sie nach der Auskunft des Arbeitgebers in diesem Stadium dynamisch sein soll.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen und das angefochtene Urteil hinsichtlich des Ausspruches zum Versorgungsausgleich nach Maßgabe der Beschwerdebegründung zu ändern.

Der Antragsteller erwidert auf die Verfahrensrüge hinsichtlich der Abtrennung, diese sei zu Recht erfolgt, um eine Verschleppung des Scheidungsverfahrens zu verhindern. Sie sei begründet sowohl nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO als auch nach § 628 Nr. 4 ZPO. Bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung des Antragstellers habe das Familiengericht eine zu geringe Gesamtzeit zugrunde gelegt, indem es auf die Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Ehezeitende abgestellt habe, statt die Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze am 29. Februar 2016 zugrunde zu legen. Dadurch habe sich zu Lasten des Antragstellers ein zu hoher Ehezeitanteil ergeben.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und gemäß § 539 ZPO an das Familiengericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil es an einem wesentlichen Mangel leidet. Die vom Familiengericht zu Unrecht vorgenommene Auflösung des Verbundes durch Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt stellt für die Antragsgegnerin eine selbständige Beschwer dar (BGH FamRZ 1996, 1333).

1. Die Voraussetzungen für eine Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO lagen nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Abtrennung einer Folgesache zur Sorgerechtsregelung mit einem Antrag auf Abtrennung einer Folgesache nach § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ("die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht") verbunden werden. Einem solchen gestuften Abtrennungsantrag hat das Gericht jedoch nur zu entsprechen, wenn es auch die Folgesache zur Sorgerechtsregelung abtrennt. Belässt es diese dagegen im Verbund, ist der weitere Abtrennungsantrag zum nachehelichen Unterhalt nach dieser Vorschrift nicht bescheidungsfähig. Die Gefahr inhaltlich widersprechenden Entscheidungen zum nachehelichen Unterhalt, der z. B. gerade wegen Kindesbetreuung nach § 1570 BGB zugesprochen wird, und einer späteren Sorgerechtsentscheidung außerhalb des Verbundes, durch die das Sorgerecht auf den Unterhaltsschuldner übertragen wird, droht nämlich nicht, solange die Folgesache elterliche Sorge im Verbund verbleibt (vgl. dazu Zöller/Philippi, § 623 Rdnr. 32 e). Das Familiengericht hat aber dem Abtrennungsantrag nach § 623 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der Folgesache elterliche Sorge nicht stattgegeben, vielmehr im Verbund über die elterliche Sorge entschieden, so dass die Folgesache nachehelicher Unterhalt nach der genannten Vorschrift nicht abgetrennt werden durfte.

2. Auch die Voraussetzungen einer Abtrennung nach § 628 Nr. 4 ZPO lagen nicht vor. Diese Vorschrift erlaubt dem Gericht, dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache stattzugeben, wenn die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Allein die außergewöhnliche Verfahrensverzögerung, die im Streitfall zu bejahen nahe liegt, eröffnet nicht bereits die Möglichkeit einer Abtrennung und stellt nicht schon als solche eine unzumutbare Härte dar, wie die ausdrückliche gesetzliche Erwähnung dieser zusätzlichen Voraussetzung zeigt (vgl. OLG Schleswig FamRZ 1989, 1106). Zur unzumutbaren Härte, die in einer weiteren Verzögerung der Scheidung liegen könnte, fehlt jeglicher Vortrag des Antragstellers. Anhaltspunkte dafür, dass seine Lebensplanung durch das laufende Scheidungsverfahren blockiert wäre oder dass sich die Antragsgegnerin durch das Hinausschieben des Scheidungsverfahrens auf Kosten des Antragstellers Vorteile sichern könnte, die ihr gesetzlich nicht zustünden, fehlen.

3. Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Familiengericht zu prüfen haben, ob die Antragsgegnerin (inzwischen) prozessfähig ist und ob im Falle der Prozessunfähigkeit ein Prozesspfleger zu bestellen oder ob zweckmäßigerweise die Bestellung eines Betreuers mit umfassendem Wirkungskreis anzuregen ist.

Bei der erneuten Entscheidung über den Versorgungsausgleich werden die in den Berufungs- und Beschwerdeschriften vorgebrachten Bedenken der Parteien gegen die Richtigkeit der bisherigen Regelung, soweit sie die betriebliche Altersversorgung des Ehemannes betrifft, zu prüfen sein. Dies gilt sowohl für die Ermittlung des Verhältnisses der Gesamtbetriebszugehörigkeit zur ehezeitlichen Betriebszugehörigkeit als auch für die Frage, ob die Betriebsrente in eine dynamische Rente umzurechnen ist. Bei fortbestehender Betriebszugehörigkeit ist auf das Erreichen der Altersgrenze, nicht auf das Ehezeitende abzustellen (§ 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 a BGB). Ob die betriebliche Altersversorgung tatsächlich im Leistungsstadium dynamisch ist, wie es der Arbeitgeber in seiner Auskunft vom 11. Januar 2000 angegeben hat, erscheint zweifelhaft. Möglicherweise hat der Arbeitgeber irrtümlich von einer Prüfungspflicht nach § 16 BetrAVG auf eine Dynamik im Sinne des § 1587a Abs. 3 BGB geschlossen. Eine Rückfrage des Familiengerichts beim Arbeitgeber wird diese Zweifel ausräumen.

4. Über die Kosten des Berufungsverfahrens hat das Familiengericht zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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