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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: 8 UF 266/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1579 Nr. 7
BGB § 1615 h
Der Umstand, dass die geschiedene Ehefrau aus einer neuen Beziehung, die schon mehr als zwei Jahre andauert, ein neues Kind empfangen hat, kann den Rückschluss auf eine eheähnliche Verfestigung der neuen Gemeinschaft rechtfertigen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 266/03

In der Familiensache (nachehelicher Unterhalt und Kindesunterhalt)

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rendsburg vom 19. November 2003 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen noch folgenden Unterhalt zu zahlen:

1. an die Klägerin zu 1)

a) ab April 2003 monatlich weitere 102,- €,

b) von Juli bis November 2003 monatlich weitere 114,- €,

c) ab September 2004 monatlich 800,- €, davon 154,- € Krankenversicherungsunterhalt;

2. an die Klägerin zu 2) ab September 2004 monatlich 405,- €.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben, die Kosten der Berufungsinstanz werden den Klägerinnen auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1) und der Beklagte hatten 1998 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe stammt die Tochter Le. (Klägerin zu 2), geboren 1998. Die Klägerin zu 1) hat eine weitere Tochter aus erster Ehe. Sie bewohnt seit der Trennung der Parteien eine Wohnung in E.. Sie ist Eigentümerin eines Pferdes, welches bisher auf dem Hof des Zeugen R. in E. untergestellt war. Zu diesem Zeugen unterhält sie eine Beziehung, aus der die 2003 geborene Tochter La. hervorgegangen ist.

Der Beklagte ist Diplomingenieur. Er hat sich im Jahre 2000 selbständig gemacht. Er zahlt seit April 2003 monatlich insgesamt 1500 € Ehegatten- und Kindesunterhalt an die Klägerin zu 1), seit Februar 2004 monatlich 1300 €.

Die Ehe der Parteien ist seit dem 28. März 2003 rechtskräftig geschieden (23 (19) F 559/02).

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Kindesunterhalt nach der Einkommensgruppe 13 der Düsseldorfer Tabelle sowie Ehegattenunterhalt von monatlich 1428 € Elementar, 493 € Altersvorsorge und 244 € Krankenvorsorge ab April 2003 verlangt.

Der Beklagte hat den Kindesunterhalt anerkannt, im Übrigen Klagabweisung beantragt. Er hat geltend gemacht, dass Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) wegen der Beziehung zu dem Zeugen R. jedenfalls teilweise verwirkt seien.

Das Familiengericht hat den Beklagten wegen des Kindesunterhalts antragsgemäß verurteilt und hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts zur Zahlung von 2150 € monatlich für die Zeit von Juni bis Juli 2003 sowie ab Juli 2003 (gemeint ist August 2003) monatlich 2139 €, jeweils einschließlich Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, die sich nicht gegen die Zahlung von Kindesunterhalt wendet. Er macht geltend, die Klägerin zu 1) unterhalte eine feste soziale Beziehung zu dem Zeugen R.. Da aus dieser Beziehung ein Kind hervorgegangen sei, gelte nicht die Mindestdauer von drei Jahren. Eine häusliche Gemeinschaft sei ebenfalls nicht notwendig für die Anwendung des § 1579 Nr. 7 BGB. Die Klägerin zu 1) und der Zeuge wohnten in einem Dorf. Sie habe jetzt einen Unterhaltsanspruch gegen ihn. Es werde bestritten, dass der Zeuge nicht leistungsfähig sei.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Verurteilung zum Ehegattenunterhalt über freiwillige Zahlungen hinausgeht, für die Zeit ab August 2004 soweit monatlich mehr als 800 € verlangt würden.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien im Termin vom 20. Juli 2004 gehört.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen begründet. Er schuldet der Klägerin zu 1) nachehelichen Unterhalt in geringerer Höhe als vom Familiengericht angenommen.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) ergibt sich aus § 1570 BGB, weil sie ein gemeinsames minderjähriges Kind der Parteien betreut. Die Klägerin ist unterhaltsbedürftig, denn sie hat kein eigenes Einkommen. Allerdings ist der Unterhalt aus Billigkeitsgründen ab Dezember 2003 zu kürzen.

Der Unterhaltsbedarf der Klägerin bemisst sich grundsätzlich nach dem Einkommen des Beklagten, welches dieser aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Maßgeblich sind die Gewinne des Beklagten im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2003. Entgegen der Ansicht des Familiengerichts sind dabei die Ansparabschreibungen nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2004, 1177). Im vorliegenden Falle ist es auch deswegen nicht gerechtfertigt, weil die in den Jahren 2001 und 2002 vorgenommenen Ansparabschreibungen im Jahre 2003 aufgelöst worden sind. Im Ergebnis wirken sich diese Rücklagen dann auf die Höhe der Gewinne in den Jahren 2001 bis 2003 nicht aus.

Abzusetzen sind die für die Jahre 2001 bis 2003 festgesetzten Einkommensteuern, die nunmehr nachgewiesen sind. Abzusetzen sind weiterhin Vorsorgeaufwendungen des Beklagten einschließlich eines für die Klägerin gezahlten Lebensversicherungsbeitrages sowie der Kindesunterhalt in der anerkannten Höhe nach der Einkommensgruppe 13 der Düsseldorfer Tabelle.

Auf Seiten der Klägerin ist der monatliche Krankenversicherungsbeitrag inzwischen ebenfalls belegt, er ist niedriger als vom Familiengericht angenommen.

Gemäß § 1578 Abs. 3 BGB hat die Klägerin zu 1) bis einschließlich November 2003 einen Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt, danach nicht mehr, weil der gekürzte Unterhalt unter dem kleinen Selbstbehalt liegt.

Es ergibt sich dann folgende Unterhaltsberechnung:

April bis Juni 2003

Einkommen des Beklagten 2001 Gewinn 46 083,00 € 2002 80 250,00 € 2003 66 611,00 € insgesamt 192 944,00 € Festgesetzte Einkommensteuer einschließlich Solidaritäts- zuschlag für 2001 5 693,00 € 2002 27 534,00 € 2003 20 451,00 € Es verbleiben dann 139 266,00 €, im Monatsdurchschnitt (: 36) 3868,50 € abzgl. Krankenversicherung 431,26 € Pflegeversicherung 58,66 € Lebensversicherungsprämie für die Klägerin 147,97 € Lebensversicherungsprämie des Beklagten 336,00 € verbleiben 2894,61 € Kindesunterhalt 376,00 € Krankenversicherung der Klägerin 146,12 € verbleiben 2372,49 € 3/7-Quote 1016,79 € Zuschlag laut Bremer Tabelle 24 % 244,03 € Bruttobemessungsbetrag für den Vorsorgeunterhalt 1260,82 € Vorsorgeunterhalt (19,5 %) 245,86 €

Neuberechnung des Elementarunterhalts:

anrechenbares Einkommen des Beklagten wie oben 2372,49 € abzgl. Vorsorgeunterhalt 245,86 € verbleiben 2126,63 € 3/7-Quote 911,42 € zzgl. Krankenversicherung 146,12 € Altersvorsorge 245,86 € Kindesunterhalt Zahlbetrag 299,00 € nsgesamt zu zahlen 1602,40 €. Gezahlt hat der Beklagte 1500,00 €, so dass noch 102,40 €

verbleiben. Mangels Zahlungsbestimmung ist davon auszugehen, dass von der freiwilligen Zahlung des Beklagten zunächst der Kindesunterhalt und danach die Vorsorgeaufwendungen der Klägerin abgedeckt werden sollen, so dass dann noch ein restlicher Elementarunterhaltsanspruch von 102,40 €, gerundet 102 € verbleibt.

Juli bis November 2003

Nunmehr ist der Kindesunterhalt höher.

Monatliches Nettoeinkommen des Beklagten wie oben 2894,61 € Kindesunterhalt 398,00 € Krankenversicherung der Klägerin 146,12 € verbleiben 2350,49 € 3/7-Quote 1007,36 € Zuschlag laut Bremer Tabelle 24 % 241,77 € Bruttobemessungsbetrag 1249,12 € Vorsorgeunterhalt (19,5 %) 243,58 €

Neuberechnung des Elementarunterhalts:

anrechenbares Einkommen des Beklagten wie oben 2350,49 € abzgl. Vorsorgeunterhalt 243,58 € verbleiben 2106,91 € 3/7-Quote 902,97 € zzgl. Krankenversicherung 146,12 € Altersvorsorge 243,58 € Kindesunterhalt Zahlbetrag 321,00 € insgesamt 1613,67 € gezahlt hat der Beklagte 1500,00 € restlicher Elementarunterhalt für die Klägerin zu 1) 113,67 €.

Ab Dezember 2003 ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) auf eine 2/7-Quote zu kürzen. Dabei kann es offen bleiben, ob die Klägerin aufgrund der Geburt des Kindes La. nunmehr einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1615l BGB gegen den Vater dieses Kindes hat - seine Leistungsfähigkeit ist zwischen den Parteien streitig -, in jedem Falle ist eine Unterhaltskürzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 1579 Nr. 7 BGB geboten. Denn die Klägerin unterhält seit Ende des Jahres 2001 eine feste Beziehung zu dem Zeugen R., aus der im Dezember 2003 ein Kind hervorgegangen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verfestigung der nichtehelichen Beziehung in der Regel nach zwei bis drei Jahren anzunehmen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn die Beziehung dauert schon mehr als zwei Jahre, ihre Intensität ergibt sich insbesondere aus der Geburt des Kindes La.. Dass die Klägerin zu 1) nicht mit ihrem neuen Lebenspartner unter einem Dach zusammenlebt, ändert daran nichts. Auch kommt es auf die Leistungsfähigkeit des Lebenspartners nicht an, wenn die Fortdauer der Unterhaltspflicht wegen der eheähnlichen Verfestigung der neuen Gemeinschaft für den früheren Ehegatten unzumutbar ist (im Einzelnen Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1579 Rdnr. 37). Das ist hier insbesondere im Hinblick auf die Geburt des Kindes La. jetzt der Fall. Ausgehend von der vorherigen Unterhaltsberechnung ergibt sich für Dezember 2003 für die Klägerin zu 1) nur noch eine Unterhaltsquote (2/7) von 671,57 €.

Hinzu kommt der Krankenversicherungsbeitrag von 146,12 €, so dass sich noch ein Zahlbetrag von 817,69 € für sie ergibt. Hinzu kommt der Zahlbetrag für den Kindesunterhalt in Höhe von 321,00 €, so dass der Beklagte insgesamt 1138,69 € zu zahlen hat. Tatsächlich hat er in dieser Zeit 1500 € an die Klägerin zu 1) gezahlt, so dass kein restlicher Unterhaltsanspruch verbleibt. Gleiches gilt auch für die Zeit ab 2004:

monatliches Nettoeinkommen des Beklagten 3868,50 € abzgl. Krankenversicherung 435,94 € Pflegeversicherung 59,28 € Lebensversicherungsprämie für die Klägerin 147,97 € Lebensversicherungsprämie des Beklagten 336,00 € verbleiben 2889,31 € Kindesunterhalt 398,00 € Krankenversicherung der Klägerin 154,00 € anrechenbar 2337,31 € 2/7-Quote 667,81 € zzgl. Krankenversicherungsbeitrag 154,00 € Zahlbetrag für die Klägerin zu 1) 821,81 € zzgl. Kindesunterhalt Zahlbetrag 321,00 € insgesamt zu zahlen 1142,81 €.

Der Beklagte hat bis Januar 2004 1500 € gezahlt, ab Februar 1300 € monatlich. Es verbleibt also kein restlicher Unterhalt.

Ab Juli 2004 ist der Kindesunterhalt höher und beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle (Einkommensgruppe 13) jetzt 482 €. Dadurch verringert sich das anrechenbare Einkommen des Beklagten auf 2253,31 €, die 2/7-Quote für die Klägerin zu 1) beträgt 643,81 € zzgl. Krankenversicherung 154,00 € Unterhalt insgesamt 797,81 € zzgl. Kindesunterhalt Zahlbetrag 405,00 € insgesamt zu zahlen 1202,81 €.

Der Beklagte hat weiterhin monatlich 1300 € gezahlt, so dass er bis einschließlich August 2004 keinen weiteren Unterhalt schuldet. Ab September hat er an die Klägerin zu 1) monatlich insgesamt 800 € zu zahlen, an die Klägerin zu 2) monatlich 405 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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