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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 08.02.2001
Aktenzeichen: 9 W 11/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 485
Zur Frage, wie die Kosten zu berechnen sind, wenn der niedrigere Wert des Hauptsacheverfahrens gegenüber der Wertfestsetzung im selbständigen Beweisverfahren auf einer unterschiedlichen Bewertung desselben Anspruchs (Identität des Streitgegenstandes) beruht.

SchlHOLG, 9. ZS, Beschluss vom 08. Februar 2001, - 9 W 11/01 -,


9 W 11/01 2 O 307/99 LG Kiel

- Rubrum kopiert -

die

- Beklagte -

wegen Kostenfestsetzung

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Kläger vom 23.01.2001 gegen den Beschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Kiel vom 02.01.2001 am 08.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Die von der Beklagten an die Kläger als Gesamtgläubiger zu erstattenden Kosten werden anderweitig auf 13.163,98 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17.10.2000 festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.

Die außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte nach einem Beschwerdewert von 8.053,78 DM.

Gründe:

Die Kläger haben im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber beantragt, ob das Dach der Tiefgarage ihrer Wohnungseigentumsanlage bezüglich vier Mängelpunkten der Dachbegrünung mangelhaft ist, worin die Ursachen der Mängel zu sehen sind und wie hoch sich die geschätzten Kosten der Mängelbeseitigung belaufen. Als vorläufigen Gegenstandswert haben die Kläger 80.000,00 DM angegeben und dazu angeführt, dass nach ihrer Ansicht dieser Betrag zur Mängelbeseitigung erforderlich sei, weil zunächst umfangreiche Abräumarbeiten zur Feststellung der Mängel erforderlich würden, so dass neben den reinen Mängelbeseitigungskosten auch hohe Wiederherstellungskosten anfallen würden.

Der Sachverständige hat die vier Mängel bestätigt und die Dachbegrünung für mangelhaft erachtet. Zu den behaupteten Rissbildungen hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Mangel darin bestehe, dass formstabiles - nicht dehnungsaktives - Material hätte verwendet werden müssen. Die verwendeten Schutzmatten hätten sich gedehnt und nach oben gefaltet, so dass die Technoflor-Platten nach oben gedrückt worden seien und sich an den Stoßstellen mit den Kanten "Risse" gebildet hätten. Da das Material sechs Jahre nach dem Einbau seine Dehnungsmöglichkeiten verloren habe, sei eine Mängelbeseitigung durch Herausschneiden der Überdehnungen vertretbar. Die Kosten dafür hat der Sachverständige auf 2.250,00 DM (netto) geschätzt, die gesamten Mängelbeseitigungskosten auf 11.000,00 DM (brutto). Der Wert des Streitgegenstandes des Beweisverfahrens ist auf 80.000,00 DM festgesetzt worden.

Die Kläger haben den Betrag von 11.000,00 DM als Vorschuss für die Mängelbeseitigung eingeklagt und ein obsiegendes Urteil erstritten.

Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Kläger eine Verhandlungsgebühr nach einem Wert von 11.000,00 DM, eine Prozess- und Beweisgebühr im selbständigen Beweisverfahren nach einem Wert von 80.000,00 DM und die Gerichtskosten des Hauptverfahrens und des Beweisverfahrens geltend gemacht. Der Rechtspfleger hat neben den Gerichtskosten des Hauptverfahrens alle Anwaltsgebühren nach einem Wert von 11.000,00 DM festgesetzt, außerdem 11/80 der Gerichtskosten des Beweisverfahrens. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Zwar ist der Rechtspfleger zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, dass die Kosten eines Beweisverfahrens nur insoweit Kosten des Rechtsstreits sind, als die Streitgegenstände sich decken und der Wert des Beweisverfahrens den Wert der Hauptsache nicht übersteigt (vgl. Beschluss des Senats vom 15.08.1978 - 9 W 161/78 - JurBüro 1978, 1880 = SchlHA 1978, 221). Zu Unrecht hat der Rechtspfleger dabei aber lediglich auf die unterschiedlichen Streitwerte abgestellt und sich nicht mit der durch Rechtsprechungshinweise belegten Auffassung der Kläger auseinandergesetzt, dass das Verhältnis der Streitwerte nicht zu berücksichtigen ist, wenn das Beweisverfahren nur deshalb einen höheren Streitwert als der Hauptsacheprozess aufweist, weil der in beiden Verfahren verfolgte identische Anspruch unterschiedlich bewertet wurde. Für diesen Fall sind nach der Rechtsprechung des Senats die Kosten des Beweisverfahrens nicht im Verhältnis der Streitwerte zu quoteln (Beschluss vom 25.07.1984 - 9 W 82/83 - JurBüro 1985, 216; ebenso OLG Köln JurBüro 1986, 1565; OLG München MDR 1995, 1073; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 13 Selbständiges Beweisverfahren). Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Streitgegenstand in beiden Verfahren hier identisch ist. Dies ist nach Auffassung des Senats zu bejahen:

In beiden Verfahren ging es um Mängel der 1993 ausgeführten Dachbegrünung einer Tiefgaragendecke, die der Sachverständige in vollem Umfang bestätigt hat. Die Kläger haben bei Einreichung des Antrages vom 23.11.1998 im selbständigen Beweisverfahren angenommen, dass die Dachbegrünung möglicherweise insgesamt erneuert werden müsse, und sind so auf einen vorläufigen Streitwert von 80.000,00 DM gekommen. Wenn der Sachverständige in seinem Gutachten vom 07.04.1999 dann zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die verwendeten Matten - als unterste Schicht - nicht ausgetauscht werden müssen (was praktisch eine vollständige Erneuerung der Dachbegrünung bedeuten würde), sondern eine Mängelbeseitigung durch Herausschneiden der Überdehnungen vertretbar sei, weil das Material sechs Jahre nach dem Einbau seine Dehnungsmöglichkeiten verloren habe, dann ändert sich nichts an dem grundlegenden Mangel; lediglich die Mängelbeseitigungskosten haben sich durch Zeitablauf verringert. Dies verändert die Identität des Streitgegenstandes aber nicht; die Kläger haben inhaltlich denselben Anspruch im Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren verfolgt und nicht lediglich eine Teilklage erhoben.

Eine Ausnahme von der vollen Einbeziehung der Kosten des Beweisverfahrens könnte dann in Betracht kommen, wenn der höhere Streitwert dieses Verfahrens allein auf offensichtlich überhöhten Angaben der Kläger beruhen würde. Dann müsste die Beklagte allerdings einen ungerechtfertigten Kostenanteil hinnehmen. Ein solcher Ausnahmefall lässt sich hier jedoch nicht feststellen.

Die Kosten des Beweisverfahrens gehören daher in vollem Umfang zu den von der Beklagten zu tragenden Kosten des Rechtsstreits, und zwar sowohl die gerichtlichen als auch die außergerichtlichen Kosten. Die Kläger können daher gemäß ihrem Festsetzungsantrag vom 13.12.2000 folgende Kosten erstattet verlangen:

Verhandlungsgebühr des Hauptverfahrens 771,40 DM

Gerichtskosten des Hauptverfahrens 795,00 DM

Prozess- und Beweisgebühr des selbständigen Beweisverfahrens (einschl. § 26 BRAGO) 8.607,20 DM

Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens 2.990,38 DM

13.163,98 DM

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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