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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 31.10.2000
Aktenzeichen: 9 W 145/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78
ZPO § 91 Abs. 2
Einem auswärtigen Anwalt sind die Reisekosten zur Terminswahrnehmung zu erstatten, wenn die Kosten eines beauftragten Unterbevollmächtigten nicht niederer gewesen wären.

SchlHOLG, 9. ZS, Beschluss vom 31. Oktober 2000, - 9 W 145/00 -


Beschluss

9 W 145/00 6 O 164/00 LG Kiel

In Sachen

der Firma K GmbH & Co. KG, vertreten durch den Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Schmitz und Spiekermann, Kölnstraße 20, 53111 Bonn,

gegen

Herrn

Beklagten,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Lotz, Schmidt, Hoppe, Sohst und Braunschweiger, Rathausallee 31, 22846 Norderstedt,

wegen Kostenfestsetzung

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 08.09.2000 gegen den Beschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Kiel vom 15.08.2000 am 31.10.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Der Beklagte hat weitere 740,09 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.07.2000 an die Klägerin zu erstatten.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten trägt der Beklagte nach einem Beschwerdewert von 740,09 DM.

Gründe:

Der Beklagte hat aus einem gewonnenen Vorprozess zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse gegen die Klägerin in Höhe von 2.938,98 DM und 3.620,36 DM erwirkt. Die Klägerin hat durch Schreiben ihrer Bonner Anwälte vom 03.02. und 18.03.2000 die Aufrechnung erklärt mit ihrem Anspruch aus einem Versäumnisurteil vom 12.04.1996 über 30.981,40 DM, auf dessen Vollstreckung und Zahlung des ausgeurteilten Betrages die Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen verzichtet hatte.

Der Beklagte hat die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen gegen die Klägerin betrieben. Die in Köln ansässige Klägerin hat gegenüber dem Gerichtsvollzieher am 27.03.2000 durch ihren Prokuristen H der Durchsuchung widersprochen mit der Begründung, dass mit titulierten Gegenansprüchen aufgerechnet sei. Unter dem gleichen Tag hat die Klägerin vor dem Landgericht Kiel durch ihre Bonner Anwälte Vollstreckungsgegenklage erheben lassen verbunden mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 31.03.2000 die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt und nach mündlicher Verhandlung vom 30.05.2000 der Vollstreckungsgegenklage stattgegeben mit der Begründung, die Ansprüche des Beklagten aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen seien durch die von der Klägerin erklärte Aufrechnung erloschen.

Neben Prozess- und Verhandlungsgebühr hat die Klägerin Reisekosten ihres Bonner Anwalts gemäß § 28 BRAGO für die Teilnahme am Verhandlungstermin in Höhe von 740,09 DM geltend gemacht. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung der Terminsreisekosten unter Hinweis auf § 91 Abs. 2 ZPO abgelehnt und ausgeführt, die Klägerin hätte einen hiesigen Anwalt schriftlich beauftragen können. Auch die persönliche Teilnahme ihres Prokuristen am Verhandlungstermin sei nicht erforderlich gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie sich gegen die Absetzung der Reisekosten wendet und auch rügt, dass der Rechtspfleger die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten ihres Prokuristen verneint habe. Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Fahrtkosten des Bonner Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Kiel zum Verhandlungstermin am 30.05.2000 sind erstattungsfähig. Die Bonner Anwälte waren gemäß § 78 Abs. 1 ZPO vor dem Landgericht Kiel postulationsfähig. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten kann entgegen der Auffassung des Rechtspflegers nicht mit Hinweis auf § 91 Abs. 2 ZPO verneint werden. Nach dessen Satz 2 sind der obsiegenden Partei die Mehrkosten nicht zu erstatten, die dadurch entstehen, dass der bei dem Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht an dem Ort des Prozessgerichts hat. Diese Bestimmung ordnet einen Ausschluss der Erstattung von Reisekosten nur für den am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt an, nicht aber für einen dort zwar postulationsfähigen, aber bei einem anderen Amts- oder Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt (ebenso OLG Frankfurt MDR 2000, 1215).

Die Erstattung von Reisekosten eines beim Prozessgericht postulationsfähigen, aber nicht zugelassenen Rechtsanwalts richtet sich vielmehr nach § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz ZPO und hängt davon ab, ob die Zuziehung dieses Anwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Diese Notwendigkeit kann nunmehr nicht mehr unter Hinweis auf eine obligatorische Einschaltung eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts verneint werden. Vielmehr ist allein auf die Sicht einer vernünftigen, kostenorientierten Partei bei Beauftragung eines ortsansässigen Anwalts abzustellen. Gegen den Grundsatz einer möglichst kostengünstigen Prozessführung hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht verstoßen.

Die in Köln ansässige Klägerin hat in ihrer Nähe befindliche Bonner Rechtsanwälte beauftragt, die die Vorprozesse als Korrespondenzanwälte begleitet und auch die Schreiben mit der Aufrechnungserklärung verfasst hatten. Zudem war die Angelegenheit eilig, wie der Vollstreckungsversuch am 27.03.2000 und die am gleichen Tag erhobene Vollstreckungsgegenklage mit dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zeigen. Die Beauftragung auswärtiger Rechtsanwälte ist daher grundsätzlich als notwendig anzusehen, wenn kein weiterer - beim Prozessgericht zugelassener - Rechtsanwalt eingeschaltet wird.

Fraglich kann nur sein, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Verhandlungstermin am 30.05.2000 selbst wahrnehmen musste oder sich durch einen Unterbevollmächtigten vertreten lassen konnte. Diesem wären eine 5/10-Prozessgebühr und eine 10/10-Verhandlungsgebühr nach § 53 BRAGO in Höhe von 685,00 DM erwachsen, wie die Klägerin in der Beschwerdebegründung richtig errechnet hat. Demgemäss hätte sich die Verhandlungsgebühr der Hauptbevollmächtigten gemäß § 33 Abs. 3 BRAGO auf 5/10 verringert, also um 215,00 DM. Die Kostenersparnis hätte also 215,00 DM + 55,09 DM (740,09 DM abzüglich 685,00 DM) = 270,09 DM betragen. Bei Einschaltung eines mit der Sache nicht weiter vertrauten Unterbevollmächtigten hätte aber die Notwendigkeit der Anwesenheit des Prokuristen H der Klägerin am Verhandlungstermin nicht verneint werden können, auch wenn das persönliche Erscheinen eines Vertreters der Klägerin zum Termin nicht angeordnet war und der Prokurist auch nicht angehört worden sein sollte. Gerade bei einem nicht weiter unterrichteten Terminsvertreter hätten sich im Termin jedoch Rückfragen zu entscheidungserheblichen Punkten ergeben können. Zwar betrug der Streitgegenstand nur 6.559,34 DM und war der dem zugrundeliegende Sachverhalt nicht schwierig. Die eigentliche Streitfrage war aber, ob die Aufrechnung mit der Forderung der Klägerin aus dem Versäumnisurteil in Höhe von 30.981,40 DM wirksam erklärt war, weil die Voraussetzungen für den Verzicht auf diesen Anspruch nicht vorlagen. Von daher lässt sich die Notwendigkeit der Anwesenheit des Prokuristen der Klägerin im Termin nicht verneinen, dessen Kosten die Klägerin nicht gesondert geltend gemacht hat.

Nach allem sind die geltend gemachten Reisekosten in Höhe von 740,09 DM daher erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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