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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 09.05.2003
Aktenzeichen: 9 W 22/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 104
1. Da es sich beim Kostenfestsetzungsverfahren um ein Massenverfahren handelt, das der zügigen, reibungslosen und unkomplizierten Abwicklung bedarf, darf von der Berücksichtigung der Umsatzsteuer ausnahmsweise nur dann Abstand genommen werden, wenn die Möglichkeit des Antragstellers zum Vorsteuerabzug einem nicht mit Umsatzsteuerfragen vertrauten Kostenbeamten ohne nähere Sachprüfung gleichsam "ins Auge springt".

2. Die Frage, ob die Erklärung des Antragstellers nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO der materiellen Rechtslage entspricht, kann der Antragsgegner im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss - ohne die Beschränkungen des § 767 Abs. 2 ZPO - klären zu lassen.


9 W 22/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 18. November 2002 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem Landgericht Kiel vom 3. September 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Roth als Einzelrichter am 9. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 883,74 € zu tragen.

Gründe:

I.

Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger die auf Gebühren und Auslagen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. und 2. entfallenden Umsatzsteuerbeträge in die Ausgleichung einbezogen hat.

Nach dem Wortlaut des § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO genügt zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Diese Erklärung haben die Beklagten zu 1. und 2. abgegeben. Der von der Klägerin ins Feld geführten Auffassung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (AnwBl 1996, 514), wonach eine summarische Schlüssigkeitsprüfung durchzuführen sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Eine solche Einschränkung lässt sich weder dem klaren und unzweideutigen Wortlaut von § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO entnehmen noch ist eine dahin gehende teleologische Reduktion geboten. Eine Durchbrechung des Wortlauts ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 11. Februar 2003 - VIII ZB 92/02 - in JURIS dokumentiert - m.w.N. auch zur Rspr. des BVerfG) nur dann zulässig, wenn die Richtigkeit der Erklärung durch entsprechenden, von dem Antragsteller zu erbringenden Beweis bereits entkräftet wäre oder sich eine offensichtliche Unrichtigkeit der Erklärung sonst zweifelsfrei ergibt. Dabei gilt es bei der Konkretisierung des Merkmals der offensichtlichen Unrichtigkeit darauf Bedacht zu nehmen, dass es sich beim Kostenfestsetzungsverfahren um ein Massenverfahren handelt, das der zügigen, reibungslosen und unkomplizierten Abwicklung bedarf. Daher darf von der Berücksichtigung der Umsatzsteuer nur dann Abstand genommen werden, wenn die Möglichkeit des Antragstellers zum Vorsteuerabzug einem nicht mit Umsatzsteuerfragen vertrauten Kostenbeamten ohne nähere Sachprüfung gleichsam "ins Auge springt". Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Durch die Einbeziehung der Mehrwertsteuer in die Ausgleichung wird die Klägerin keineswegs rechtlos gestellt. Ihr bleibt es unbenommen, die Frage der Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer im Wege der Vollstreckungsgegenklage - ohne die Beschränkungen des § 767 Abs. 2 ZPO - klären zu lassen (vgl. Zöller/Herget, 23. Aufl., § 104 ZPO RdNr. 21 Stichwort "Vollstreckungsgegenklage").

II.

Der Kostenausspruch beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und auf Nr. 1957 des Kostenverzeichnisses zum GKG. Zur Übertragung des Beschwerdeverfahrens auf den Senat (§ 568 Satz 2 ZPO) oder zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO) besteht keine Veranlassung. Die Rechtslage ist durch die oben zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung) geklärt worden. Die Auffassung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ist überholt.

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