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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 18.06.2002
Aktenzeichen: 9 W 53/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 91 I Satz 1
ZPO § 104 III
BGB § 134
BRAO § 45
Keine erstattungsfähigen Anwaltskosten fallen im Kostenfestsetzungsverfahren an, wenn der zwischen der obsiegenden Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag nichtig ist.
9 W 53/02

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin bei dem Landgericht Itzehoe vom 26. Februar 2002 am 19. Juni 2002 durch den Richter als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens fallen der Beklagten nach einem Wert von 888,17 € zur Last.

Gründe:

I.

Die Beschwerde betrifft ein Kostenfestsetzungsverfahren, in dem die Parteien um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten streiten.

Mit Beschluss vom 14. November 2001 verwarf das Landgericht Kiel den Einspruch der beklagten Rechtsanwältin, den diese gegen einen von der Klägerin erwirkten Vollstreckungsbescheid eingelegt hatte, und wies den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom hiesigen Oberlandesgericht mit Beschluss vom 17. Januar 2002 abschlägig beschieden. Die genannten Beschlüsse enthalten jeweils Kostenentscheidungen zum Nachteil der Beklagten.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2002 hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an die Klägerin aufgrund der beiden Kostengrundentscheidungen zu erstattenden Anwaltskosten auf 888,17 € festgesetzt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, der Festsetzung stehe entgegen, dass der zwischen der Klägerin und der Sozietät ihres Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt K., geschlossene Anwaltsvertrag nach § 134 BGB nichtig sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe nach § 45 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO nicht tätig werden dürfen. Hierzu beruft sie sich auf den unstreitigen Umstand, dass der Sozius von Rechtsanwalt K. zum Zeitpunkt der die Anwaltsgebühren auslösenden Tatbestände als ehrenamtlicher Richter mit einem von der Klägerin angestrengten und gegen die Beklagte geführten anwaltsgerichtlichen Verfahren befasst war, und verweist auf den engen Zusammenhang dieses Verfahrens mit der in dem hiesigen Rechtstreit durch Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung.

Die Klägerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Von dem anwaltsgerichtlichen Verfahren habe ihr Prozessbevollmächtigter - was unstreitig ist - erst durch den Hinweis der Beklagten im Schriftsatz vom 19. Dezember 2001 erfahren. Zu diesem Zeitpunkt seien sämtliche Gebühren bereits entstanden gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 f. ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

a) Der angefochtene Beschluss ist nicht im Hinblick auf eine unzulässige Prozessvertretung aufzuheben. Rechtsanwalt K. dürfte zwar in diesem Kostenfestsetzungsverfahren von vornherein dem Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 3 i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO unterlegen haben, weil er vor Stellung des Kostenfestsetzungsantrags vom 5. Februar 2002 von der Mitwirkung seines Sozius in dem gegen die Beklagte betriebenen anwaltsgerichtlichen Verfahren durch den Schriftsatz der Beklagten vom 19. Dezember 2001 Kenntnis erlangt hatte. Dies kann jedoch dahin gestellt bleiben, weil ein Verstoß gegen § 45 BRAO weder die Wirksamkeit einer Prozessvollmacht noch die der namens der Partei vorgenommenen Prozesshandlungen berührt (vgl. BGH NJW 1993, 690).

b) Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch der Klägerin umfasst die geltend gemachten Anwaltskosten. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des gegnerischen Rechtsanwalts zu erstatten, sofern diese der obsiegenden Partei "erwachsen" sind. An Letzterem fehlt es, wenn mit dem Anwalt kein wirksamer Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen ist (vgl. nur OLG Stuttgart JurBüro 1999, 314 m.w.N.) oder wenn der Vertrag zwar wirksam ist, die Geltendmachung der Kosten jedoch mit dem das gesamte Zivil- und Zivilprozessrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar ist.

aa) Entgegen der Beschwerde steht der Wirksamkeit des mit Rechtsanwalt K. geschlossenen Vertrages nicht § 134 BGB entgegen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass sämtliche Tätigkeitsverbote des § 45 BRAO als Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB zu qualifizieren wären (vgl. dazu etwa Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 3. Auflage, § 45 Rdnr. 44 m.w.N.), läge ein zur Nichtigkeit führender Gesetzesverstoß nicht vor.

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt zur Vermeidung von Interessenkonflikten nicht tätig werden, wenn er in derselben Rechtssache als Richter tätig war. Dieses Verbot trifft auch die Mitglieder eines Anwaltsgerichts, die als ehrenamtliche Richter die Stellung eines Berufsrichters innehaben (§ 95 Abs. 1 BRAO). Zwar wird dieses Tätigkeitsverbot über § 45 Abs. 3 BRAO auf sämtliche Mitglieder einer Anwaltssozietät erweitert. Jedoch ist diese Erstreckung - nicht zuletzt wegen des damit verbundenen Eingriffs in die von Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Berufsausübungsfreiheit - eng auszulegen.

Mit der Erstreckung des § 45 Abs. 3 BRAO verfolgt der Gesetzgeber das legitime Anliegen, eine Umgehung der Tätigkeitsverbote des § 45 Abs. 1 u. 2 BRAO zu verhindern (Kleine-Cosack a.a.O.). Besteht die Gefahr der Umgehung für bestimmte Fallgruppen aber von vornherein nicht, liegt auf der Hand, dass ein weitergehendes Tätigkeitsverbot nicht erforderlich ist und daher unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit keinen Bestand haben kann. So liegt es jedenfalls in den Fällen des aus einer richterlichen Tätigkeit resultierenden Tätigkeitsverbots nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO, wenn man bedenkt, dass der Anwalt, der auch als ehrenamtlicher Richter an einem Anwaltsgericht tätig ist, nach §§ 95 Abs. 1 BRAO, 71 DRiG i.V.m. § 39 BRRG und dem entsprechenden Landesrecht - hier § 77 Abs. 1 LBG-SH - verpflichtet ist, Verschwiegenheit über anhängige Streitsachen zu bewahren (vgl. dazu auch Feuerich/Braun, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Auflage, § 95 Rdnr. 16). Ein solcher Anwalt darf daher auch keine Vorkehrungen treffen, aufgrund deren sich seine Sozien über anwaltsgerichtliche Verfahren informieren könnten. Dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, das den Sozius nach § 45 Abs. 3 BRAO treffende Tätigkeitsverbot jedenfalls bei der hier in Rede stehenden Fallgruppe zumindest erst mit Kenntniserlangung der das Tätigkeitsverbot begründenden Umstände eingreifen zu lassen; dem steht lediglich gleich, wenn sich ein Anwalt trotz evidenter Anhaltspunkte der Kenntnisnahme solcher Umstände verschließt. Nur unter diesen einschränkenden Voraussetzungen ist es gerechtfertigt, dem Anwaltsvertrag die rechtliche Anerkennung mit den für beide Parteien gravierenden Folgen - der Anwalt kann kein Honorar verlangen, dem Mandanten stehen keine Schadensersatzansprüche zur Seite, wenn ihm durch die Vornahme ihm zuzurechnender, aber fehlerhaften Prozesshandlungen (siehe dazu oben 1.) Schäden zugefügt werden - zu versagen. Dabei kann offen bleiben, ob § 134 BGB nur die Fälle erfasst, in denen der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz bereits bei Vornahme des Rechtsgeschäft gegeben ist oder ob die Nichtigkeit mit ex-nunc-Wirkung eingreift, wenn erst später - nach wirksamem Vertragsschluss - unter Verstoß gegen § 45 BRAO weitere Gebührentatbestände verwirklicht werden. Denn selbst wenn man Letzteres verneinen wollte, stünde der Geltendmachung solcher Ansprüche jedenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen.

bb) Auf dieser Grundlage ist die angefochtene Kostenfestsetzung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Sämtliche Gebührentatbestände waren verwirklicht, als Rechtsanwalt K. von der richterlichen Tätigkeit seines Sozius in dem gegen die Beklagte gerichteten anwaltsgerichtlichen Verfahren durch den Schriftsatz der Beklagten vom 19. Dezember 2001 erfuhr. Auch im übrigen sind die Kosten sachlich und rechnerisch zutreffend festgesetzt worden.

2. Der Kostenausspruch beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Nr. 1957 des Kostenverzeichnisses zum GKG.

Ende der Entscheidung

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