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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: Not 1/08
Rechtsgebiete: BNotO, AVNot Schl.-H.
Vorschriften:
BNotO § 6 | |
AVNot Schl.-H. § 6 | |
AVNot Schl.-H. § 7 |
Not 1/08
Beschluss
in der Notarverwaltungssache
wegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung
hat der Senat für Notarsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 17. April 2008 ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 7. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Geschäftswert von 50.000,00 €. Die weitere Beteiligte trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe:
I.
Der 1964 geborene Antragsteller ist seit 1994 als Rechtsanwalt zugelassen, zunächst mit Amtssitz in A, seit 1996 dann in B. Er hat sich um die im Amtsgerichtbezirk X in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen 2007, S. ..., ausgeschriebene freie Notarstelle beworben. Einzige Mitbewerberin ist die 1965 geborene weitere Beteiligte, die ebenfalls seit 1994 als Rechtsanwältin zugelassen ist und ihre Tätigkeit durchweg in B ausgeübt hat.
Die Antragsgegnerin ermittelte für den Antragsteller im Rahmen der Punktebewertung nach § 6 Abs. 2 AVNot i. d. F. v. 21.08.2006 (SchlHA 2006, 307 ff.) einen Punktewert von 106,55 Punkten, die sich aus folgenden Einzelpunkten zusammensetzte: Staatsprüfung 41,25 Punkte
Anwaltstätigkeit 42,50 Punkte
Fortbildungskurse 0,00 Punkte
Niederschriften 22,80 Punkte
Sonderpunkte 0,00 Punkte
zusammen 106,55 Punkte
Die Antragsgegnerin ermittelte für die weitere Beteiligte 104,35 Punkte mit folgenden Einzelpunkten:
Staatsprüfung 41,90 Punkte
Anwaltstätigkeit 39,25 Punkte
Fortbildungskurse 10,80 Punkte
Niederschriften 7,40 Punkte
Sonderpunkte (Fachanwältin Familienecht) 5,00 Punkte zusammen 104,35 Punkte
Der Präsident des Landgerichts C sprach sich mit Datum vom 27.08.2007 dafür aus, unter Berücksichtigung einer Gesamtschau von einer gleichwertigen Eignung der beiden Bewerber auszugehen, weshalb der weiteren Beteiligten der Vorzug zu geben sei, weil Bewerberinnen und schwerbehinderte Menschen bei gleichwertiger Eignung vorrangig berücksichtigt werden müssten (§ 7 Abs. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 2 AVNot). Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die weitere Anerkennung der Schwerbehinderung bei der weiteren Beteiligten (GdB von 80 % ab 01/2002 für fünf Jahre, Neubescheidung mit einem GdB von 30 %, dagegen Widerspruch eingelegt) gegenwärtig in Frage stehe. Zur Begründung führte der Landgerichtspräsident aus, der Vorsprung des Antragstellers beruhe im Wesentlichen in der im Bereich der praktischen Vorbereitung erzielten deutlich höheren Punktzahl. Es müsse aber bedacht werden, dass er abgesehen von der Absolvierung des Grundkurses über keine theoretischen Vorbereitungen auf das Notaramt verfüge. Er habe nicht einen einzigen notarspezifischen Fortbildungskurs besucht. Bei ihm sei deshalb ein ausgewogenes Verhältnis der fachspezifischen Leistungen zueinander nicht zu erkennen. Die Einseitigkeit der von ihm erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse trete offen zu Tage. Das Gewicht sei deutlich zu Gunsten einer rein praktischen Einarbeitung auf das angestrebte Notaramt bei gleichzeitig gänzlich fehlender theoretischer Vorbereitung verschoben. Weil beide Bewerber mit einer Punktedifferenz von 2,2 dicht beieinander lägen, käme diesem krassen Missverhältnis in seiner Gesamtwürdigung ausschlaggebende Bedeutung zu.
Demgegenüber sprach sich der Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Notarkammer unter dem 17.10.2007 dafür aus, dem Antragsteller den Vorzug zu geben. Die vorliegenden Daten würden es nicht rechtfertigen, von der nach Punkten ermittelten Reihenfolge der Bewerber abzuweichen. Sie seien nicht geeignet, den geringen Punkteabstand beider Bewerber zu überwinden. Es gelte insbesondere zu berücksichtigen, dass die von der weiteren Beteiligten nachgewiesene Fortbildungstätigkeit überwiegend mehr als 3 Jahre zurück liege. Ein Großteil der nachgewiesenen Fortbildungen liege sogar mehr als 7 Jahre zurück. Lediglich zwei Halbtage Fortbildung seien innerhalb von 3 Jahren vor Antragstellung absolviert worden.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter dem 28.11.2007 mit, dass sie beabsichtige, die ausgeschriebene Notarstelle mit der Mitbewerberin zu besetzen. Nach § 7 Abs. 1 AVNot würde im Regelfall die Bewerberin oder der Bewerber mit der höchsten Punktzahl bestellt, sofern nicht die nachfolgende Bewerberin besser geeignet erscheine. Ob die Mitbewerberin wegen ihrer praktischen Erfahrung und ihrer umfangreich erworbenen theoretischen Kenntnisse besser für das Amt einer Notarin geeignet erscheine, könne hier dahin gestellt bleiben. Die im Rahmen der Besetzungsentscheidung zu treffende Gesamtschau führe jedenfalls zu der Feststellung, dass die Mitbewerberin für das Amt einer Notarin zumindest gleich geeignet sei. Der Antragsteller habe die höhere Punktzahl im Wesentlichen aufgrund seiner umfangreichen Beurkundungstätigkeit erreicht. Die für das Amt eines Notars notwendigen theoretischen Kenntnisse habe er lediglich durch den erforderlichen Grundkurs erworben. Gegenüber dem vom Antragsteller erledigten 236 Niederschriften weise die weitere Beteiligte zwar eine geringere Beurkundungstätigkeit von nur insgesamt 74 Niederschriften auf. Dies werde jedoch durch den Erwerb und durch die Vertiefung der notarspezifischen theoretischen Kenntnisse - Besuch von 34 Halbtagen Fortbildungsveranstaltungen, von denen 32 Halbtage mehr als 3 Jahre zurückliegen würden - ausgeglichen. Für die Frage der fachlichen Eignung seien jedoch beide Komponenten - theoretische Fortbildung und praktisch erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse - im Rahmen einer Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen. Auf Seiten der Mitbewerberin liege ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Bereichen vor, während bei dem Antragsteller ein völliger Ausfall im Bereich der notariellen Fortbildung zu verzeichnen sei. Bei gleicher Eignung sei der Mitbewerberin gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 AVNot der Vorzug zu geben. Hinzu komme noch, dass die Mitbewerberin im Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist als schwerbehindert gelte, sodass ihr auch aus diesem Grunde bei gleicher Eignung der Vorzug einzuräumen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der fristgerecht eingegangene Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung und zugleich auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin habe ihm zu Unrecht im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen einen Totalausfall der theoretischen Fortbildung unterstellt. Sie verkenne, dass eine theoretische Fortbildung nicht ausschließlich durch gewerbsmäßige Fortbildungsveranstaltungen, sondern auch durch eigene Fortbildung erfolgen könne. Immerhin habe er den Notargrundkurs und anwaltliche Fortbildungsveranstaltungen besucht, zudem seien die von ihm erworbenen umfangreichen praktischen Erfahrungen im Rahmen der Notarvertretertätigkeit keineswegs ohne eine theoretische Fortbildung möglich gewesen. Die umfangreiche Tätigkeit im Rahmen des Notariats des Notars D habe deshalb auch zu einer theoretischen Fortbildung geführt, weil er mit diesem Notar in anwaltlicher Sozietät zusammenarbeite. Rechtsanwalt und Notar D habe seinerseits allein in den vergangenen zwei Jahren an drei Fortbildungsveranstaltungen - "WEG-aktuell", "Das neue Unterhaltsrecht in der notariellen Praxis" und "Ausgewählte Gestaltungsfragen zum Überlassungsvertrag" - teilgenommen, ihn, den Antragsteller, über diese Notarfortbildungsveranstaltungen informiert und ihm auch die Skripten ausgehändigt. Diese Skripten seien von ihm nachbereitet worden und in seine tägliche Arbeit als Notarvertreter eingeflossen.
Berücksichtigt werden müsse auch, dass er mit dem Notar D bei schwierigen Urkundsentwürfen sowie bei der Abwicklung der Urkundsgeschäfte zusammengearbeitet habe. Dies ergäbe sich aus der nunmehr (Bl. 47 ff. d. A.) eingereichten spezifizierten Beurkundungstätigkeit als Notarvertreter. Daraus ließe sich eine Urkundstätigkeit in verschiedensten Rechtsbereichen (Immobilienrecht, Handelsrecht, Erbrecht, Schuldanerkenntnisse, Mietverträge, vereinsrechtliche Angelegenheiten) entnehmen. Diese Beurkundungstätigkeit sei ihm nur möglich gewesen, weil er sich jeweils über die aktuellen Auswirkungen im Immobilienrecht bzw. die speziellen Beurkundungsvorschriften Kenntnisse verschafft habe. Diese Fortbildung sei im Eigenstudium und durch den fachlichen Austausch mit dem Notar D erfolgt.
Die Antragsgegnerin unterstelle ihm nicht nur zu Unrecht einen Totalausfall des Erwerbs theoretischer Kenntnisse, sie berücksichtige auch nicht, dass die von der Mitbewerberin erworbenen theoretischen Kenntnisse ersichtlich überwiegend viele Jahre zurück lägen, während sie in den letzten Jahren nur eine geringe theoretische Fortbildungstendenz habe erkennen lassen. Eine Qualifizierung dieser Fortbildungskurse sei ihm nicht möglich, weil er nicht wisse, welche Fortbildungskurse die Mitbewerberin tatsächlich belegt habe.
Hinzuweisen sei auch darauf, dass er - der Antragsteller - sich ebenso wie die Mitbewerberin bereits um eine im Jahr 2003 ausgeschriebene Notarstelle beworben habe, bei der dann einem dritten Kollegen der Vorrang eingeräumt worden sei. Auch anlässlich dieses Bewerbungsverfahrens habe er aber bereits vor der Mitbewerberin gelegen.
Der Antragsteller beantragt,
der angegriffene Bescheid vom 28.11.2007 wird aufgehoben und der Antragsgegner wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts die Bewerbung des Antragstellers hinsichtlich der im Juni 2007 im Bezirk des Amtsgerichts Mölln ausgeschriebenen Notarstelle neu zu bescheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag des Antragstellers als unbegründet zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin erwidert:
Die Auswahl halte sich an den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum. Es sei nicht verkannt worden, dass der Antragsteller durch seine Notarvertretung ein hohes Maß an praktischer Erfahrung gewonnen habe, während die Mitbewerberin nur eine geringere Urkundstätigkeit vorweisen könne. Allerdings bleibe es dabei, dass der Antragsteller außer der Teilnahme am Grundkurs in rund 13 Jahren seiner anwaltlichen Tätigkeit keine weitergehenden theoretischen Kenntnisse im Rahmen von Fortbildungskursen erworben habe. Der völlige Ausfall des Fortbildungsbereiches auf Seiten des Antragstellers rechtfertige nicht die Annahme, dass er besser fachlich für das Notaramt geeignet sei als seine Mitbewerberin, die sowohl im praktischen als auch im theoretischen Bereich Fertigkeiten und Kenntnisse aufweise. Auch wenn die von der Mitbewerberin absolvierten Fortbildungskurse zum größten Teil länger als drei Jahre zurückliegen würden, stellten sie für die zukünftige Notartätigkeit gleichwohl nützliches und noch verwertbares Wissen dar. Auch solche schon etwas zurückliegenden zeit- und kostenintensiven Fortbildungsveranstaltungen würden nach dem Punktesystem gerade als Merkmal fachliche Eignung angesehen werden.
Wenn der Antragsteller auf anwaltliche Fortbildungsveranstaltungen verweise und auf einen Fachanwaltslehrgang für Verwaltungsrecht, den er vor fast 10 Jahren absolviert habe, trage dies nicht dazu bei, den völligen Ausfall der notarspezifischen Fortbildung zu mildern oder gar auszugleichen. Aus dem pauschalen Vortrag des Antragstellers ergäbe sich nicht, dass die von ihm besuchten anwaltlichen Fortbildungskurse Rechtskenntnisse im Bereich des Notarberufes in besonderer Weise nahe gebracht hätten.
Soweit der Antragsteller auf den Austausch theoretischer Fachkenntnisse im Notarbereich mit dem soziierten Rechtsanwalt und Notar D hinweise, liege eine gleichwertige Situation auf Seiten der Mitbewerberin vor, die ebenfalls die Praxis mit einem Rechtsanwalt und Notar ausübe.
Der Vorrang des Antragstellers im Rahmen des Bewerbungsverfahrens 2005 sei unerheblich, weil seinerzeit das neue Punktesystem noch nicht angewandt worden sei.
Die weitere Beteiligte hat keinen Antrag gestellt, macht aber geltend:
Die Entscheidung der Antragsgegnerin sei ermessensfehlerfrei ergangen. Die fehlende notarspezifische Fortbildung könne der Antragsteller nicht durch Verweis auf anwaltliche Fortbildungen ausgleichen. Auch die weitere Beteiligte habe in den Jahren ihrer anwaltlichen Tätigkeit eine Vielzahl von entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen im anwaltlichen Bereich besucht. So habe sie etwa von Februar bis Mai 2006 den Fachanwaltslehrgang Medizinrecht erfolgreich absolviert. Was die notarspezifische Fortbildung angehe, sei möglicherweise von ihr die Vorlage einer Teilnahmebescheinigung über zwei Halbtage am 03.03.2007 - "Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht 2006/2007" - versäumt worden, diese Bescheinigung des deutschen Anwaltsinstituts vom 20.03.2007 werde nunmehr nachgereicht (Bl. 39 d. A.).
Hinzuweisen sei im Übrigen darauf, dass die Urkundsgeschäfte des Antragstellers größtenteils lange zurückliegen würden. Der Antragsteller habe schon im Zeitpunkt seiner vorherigen Bewerbung zum Stichtag 31.07.2003 insgesamt 196 Urkundsgeschäfte aufgewiesen, von denen sogar schon im damaligen Zeitpunkt 168 Niederschriften nicht aus dem Zeitraum der letzten 3 Jahre stammen, also zum maßgeblichen Stichtag des vorliegenden Bewerbungsverfahrens am 31.07.2007 bereits mehr als sechs Jahre zurück liegen würden.
Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass sie durchgehend bis heute als Schwerbehinderte mit einem GdB von 80 % anerkannt sei. Soweit sie gegen eine Herabstufung auf 30 % zwischenzeitlich Widerspruch eingelegt habe, sei ihrem Widerspruch nunmehr abgeholfen worden.
II.
Über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sämtliche Beteiligte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 111 BNotO zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben, weil die Antragsgegnerin die Auswahlentscheidung in nicht zu beanstandender Weise getroffen hat.
Umfassender Maßstab für die Bestellung zum Notar ist gem. § 6 BNotO die persönliche und fachliche Eignung. Unter mehreren geeigneten Bewerbern muss dann, wenn nur eine geringere Zahl an Stellen ausgeschrieben ist, eine Auswahlentscheidung nach den Kriterien des § 6 Abs. 3 BNotO vorgenommen werden. Die Reihenfolge richtet sich nach der persönlichen und fachlichen Eignung unter Berücksichtigung der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung und der bei der Vorbereitung auf den Notarberuf gezeigten Leistungen. Im Falle der Anwaltsnotare nach § 3 Abs. 2 BNotO - wie hier - können insbesondere in den Notarberuf einführende Tätigkeiten und die erfolgreiche Teilnahme an freiwilligen Vorbereitungskursen, die von den beruflichen Organisationen veranstaltet werden, in die Bewertung einbezogen werden. Ein Auswahlermessen obliegt der Antragsgegnerin insoweit nicht. Bei den in § 6 Abs. 3 BNotO genannten unbestimmten Rechtsbegriffen gesteht die Rechtsprechung der Justizverwaltung jedoch einen Beurteilungsspielraum zu, von dem auch durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften Gebrauch gemacht werden kann (BGH DNotZ 1994, 118 ff.; Senatbeschluss vom 30.06.2000, VA (Not) 1/00).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20.04.2004 (DNotZ 2004, 560 ff.) deutlich gemacht, dass die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit dem Erfordernis der chancengleichen Bestenauslese genügen muss. Eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Auswahl werde - so das Bundesverfassungsgericht - die für den Notarberuf wesentlichen Eigenschaften, also die fachliche Eignung der Bewerber, ebenso differenziert zu bewerten haben, wie die von ihnen in der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen und praktischen Kenntnisse. Solange weder die erworbenen theoretischen Kenntnisse der Bewerber um ein Anwaltsnotariat noch deren praktische Erfahrungen - insbesondere bei den Beurkundungen - bewertet seien, werde in Abwägung zu den weiterhin berücksichtigungsfähigen Leistungen aus der die Ausbildung abschließenden Prüfung eine individuelle Prognose über die Eignung des Bewerbers im weiteren Sinne zu treffen sein. Dabei komme den beiden genannten spezifischen Eignungskriterien im Verhältnis zur Anwaltspraxis und zu dem Ergebnis des Staatsexamens eigenständiges Gewicht zu.
Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung sind die norminterpretierenden Vorschriften der AVNot in Schleswig-Holstein zwischenzeitlich neu gefasst worden (AVNot vom 21.08.2006, SchlHA 2006, 307 ff.). Nach § 6 Abs. 2 AVNot werden die fachliche Eignung sowie die Dauer der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit Punkten nach dortiger näherer Maßgabe berücksichtigt, nämlich das Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung, die Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt, die erfolgreiche Teilnahme an sonstigen notarspezifischen Fortbildungskursen und die Niederschriften, die der Bewerber oder die Bewerberin als Notarvertreterin oder Notarvertreter oder als Notariatsverwalterin oder Notariatverwalter bis zum Ende der Bewerbungsfrist beurkundet hat. Zudem können im Rahmen der Gesamtentscheidung auf Vorschlag oder nach Anhörung der Notarkammer weitere Punkte hinzugerechnet werden, wenn dies die fachliche Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers besser kennzeichnet. Das Punktesystem in § 6 AVNot entspricht der vorausgehenden Fassung der AV vom 16.02.2005 (SchlHA 2005, 75 ff.).
Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss vom 20.11.2006 (SchlHA 2007, 35 ff.) entschieden, dass das Punktesystem der Schleswig-Holsteinischen AVNot 2005 grundsätzlich den Anforderungen der Bundesnotarordnung unter Berücksichtigung der Vorgaben des Grundgesetzes nach Maßgabe der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt.
Die Antragsgegnerin hat für den Antragsteller wie auch für die weitere Beteiligte das Punktesystem nach § 6 Abs. 2 AVNot 2006 zutreffend angewandt, was auch der Antragsteller nicht in Abrede nimmt.
Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20.04.2004 jedoch weiter ausgeführt, dass vor einer Auswahlentscheidung das über das Punktesystem gewonnene Ergebnis in Wege der Gesamtschau auf seine Richtigkeit zu überprüfen sei. Die Ausrichtung auf ein Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung von fachlichen Qualifikationsmerkmalen in eine benotete Rangskala birgt nämlich auch die Gefahr in sich, dass den Besonderheiten des Einzelfalles nicht immer ausreichend Rechnung getragen und das Maß der Eignung des einzelnen Bewerbers nicht vollständig ermittelt wird. Das Punktesystem für sich allein kann den Anforderungen, die an einen individuellen Leistungsvergleich zu stellen sind, nicht genügen und vor allem eine abschließende, alle Gesichtspunkte umfassende Beurteilung der fachlichen Eignung der Bewerber nicht ersetzen. Die Justizverwaltung schöpft deshalb ihren Beurteilungsspielraum nicht aus, wenn sie sich auf eine Gegenüberstellung der für die einzelnen Bewerber innerhalb des Bezugsystems gewonnenen Gesamtpunktzahlen beschränkt und ohne weiteres dem Bewerber den Vorzug gibt, der die auf diese Weise ermittelte höchste Punktzahl erreicht hat.
Eine an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientierte Besetzungsentscheidung erfordert deshalb, dass die Antragsgegnerin, bevor sie eine endgültige Auswahl trifft, zum einen danach fragt, ob für die jeweiligen Bewerber Umstände ersichtlich sind, die in das an den genannten festen Kriterien ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen. Insoweit sieht die AVNot 2006 in § 6 Abs. 2 Nr. 5 vor, dass im Rahmen der Gesamtentscheidung die Vergabe von Sonderpunkten in Betracht kommt. Dies hat die Antragsgegnerin hier auch nicht verkannt und der weiteren Beteiligten - wegen ihrer Qualifikation als Fachanwältin im Familienrecht - 5 Sonderpunkte zuerkannt. Bei dem Antragsteller war ein Ansatz für derartige Sonderpunkte dagegen nicht vorhanden. Die insofern getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin rügt der Antragsteller nicht.
Im Rahmen der Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums hat die Justizverwaltung nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (SchlHA 2007, 35, 37 f.) zum anderen aber auch zu prüfen, ob die in das Punktesystem aufgenommenen Kriterien und sonst eingeflossenen Gesichtspunkte im jeweiligen Einzelfall angemessen gewichtet sind. In einer wertenden Gesamtschau ist das über das Punktesystem gewonnene Ergebnis, das sich in der nach der erreichten Gesamtpunktzahl bestimmten Rangfolge der Bewerber ausdrückt, auf seine Richtigkeit zu hinterfragen. Insoweit sieht § 7 Abs. 1 AVNot vor, dass zur Notarin oder zum Notar nur im Regelfall die Bewerberin oder der Bewerber mit der höchsten Punktzahl bestellt wird, sofern nämlich nicht eine nachfolgende Bewerberin oder ein nachfolgender Bewerber persönlich besser geeignet erscheint. Der Bundesgerichtshof hat dazu aaO ausgeführt, dass etwa ein Bewerber im Auswahlverfahren die höchste Punktzahl allein aufgrund seiner Teilnahme an zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen zu erzielen vermag, ohne aber zugleich auf praktische Erfahrungen verweisen zu können - oder gerade umgekehrt durch intensive Beurkundungstätigkeit bei jedoch fehlender theoretischer Vorbereitung auf das Notaramt. In solchen Konstellationen könne es zu einem völligen Ausfall des einen oder anderen Bereichs kommen, obwohl sich die fachliche Eignung nur unter Heranziehung beider Komponenten - nämlich der theoretischen Fortbildung ebenso wie der praktisch erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse - zuverlässig beurteilen lasse. Gerade vor einem solchen Hintergrund habe die Justizverwaltung im Rahmen der wertenden Gesamtschau das über das Punktesystem gewonnene Ergebnis auf seine Richtigkeit zu hinterfragen (so auch nunmehr BGH DNotZ 2007, 874, 875; vgl. auch BGH DNotZ 2007, 66 f., bei juris Rn. 18 - hier hatte der eine Bewerber bei der Beurkundungstätigkeit lediglich 1,6 Punkte erzielt und innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Ausschreibung nur ein Beurkundungsgeschäft vorgenommen, während er bei der theoretischen Vorbereitung 72,5 Punkte erreichen konnte; demgegenüber wies der dortige Antragsteller bei der theoretischen Vorbereitung 7 Punkte auf, konnte zugleich aber auf 731 vorgenommene Beurkundungen verweisen - diese Gesichtspunkte hatte der Antragsgegner in seine Auswahlentscheidung nach Maßgabe des Bundesgerichtshofs einzubeziehen).
Vor diesem Hintergrund hat die Antragsgegnerin ihren Beurteilungsspielraum im Rahmen der Gesamtschau erkannt und fehlerfrei ausgeschöpft. Sie hat zu Recht berücksichtigt, dass bei dem Antragsteller ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den beiden maßgeblichen Komponenten - nämlich der theoretischen Fortbildung einerseits und den praktisch erworbenen Fähigkeiten und Kenntnissen andererseits - nicht vorliegt, weil er im Bereich der Teilnahme an sonstigen notarspezifischen Fortbildungskursen - also der theoretischen Fortbildung - keinerlei Punkte erzielt hat und ein völliger Ausfall vorlag.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin nicht unterstellt, dass sich der Antragsteller "jeglicher theoretischer Fortbildung entzieht". In dem Bescheid selbst wird vermerkt, dass der Antragsteller theoretische Kenntnisse durch den Besuch des erforderlichen Grundkurses erworben hat. Soweit er argumentiert, er habe aber in den vergangenen Jahren "diverse anwaltliche Fortbildungsveranstaltungen" besucht und den Fachanwaltslehrgang für Verwaltungsrecht absolviert, ergeben sich daraus keine Hinweise für erworbene theoretische Kenntnisse gerade auf notarspezifischen Gebieten. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Auswahlentscheidung keine grundsätzliche berufliche Fortbildungsunwilligkeit des Antragstellers unterstellt.
Bei der Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums war nicht gesondert zu berücksichtigen, dass im Rahmen praktischer Beurkundungstätigkeit auch theoretische Kenntnisse erworben werden. Es gehört selbstverständlich zur ordnungsgemäßen und sorgfältigen Bearbeitung der einzelnen Urkundsgeschäfte, dass sich der Notar bzw. der Notarvertreter mit Hilfe einschlägiger juristischer Kommentare, Fachzeitschriften oder Datenbanken informiert und vorbereitet, insbesondere den neuesten Stand der Gesetzgebung und die aktuelle Auslegung der einschlägigen Normen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ermittelt. Das aber ist über die Punkte im Bereich praktischer Vorbereitungstätigkeit bereits in die Beurteilung der Antragsgegnerin eingeflossen. Es liegt auch nahe und kann als richtig unterstellt werden, wenn der Antragsteller darauf hinweist, dass ihm in Zusammenarbeit mit seinem Sozius - einem Rechtsanwalt und Notar - theoretische Kenntnisse vermittelt worden sind, weil er mit dem Sozius über die von diesem besuchten notarspezifischen Fortbildungsveranstaltungen gesprochen hat und ihm auch die entsprechenden Skripten übergeben worden sind. Eine solche Beschäftigung mit theoretischen Fragen im Rahmen des einzelnen Beurkundungsgeschäfts und in der täglichen Zusammenarbeit mit Kollegen ist aber nicht vergleichbar mit dem gezielten Besuch notarspezifischer Fortbildungsveranstaltungen, wo im unmittelbaren Kontakt mit einem referierenden Fachmann und jeweils zusammenhängend mindestens für die Dauer eines halben Arbeitstages theoretische Kenntnisse auf speziellen Gebieten vermittelt werden. Gerade deshalb sieht die AVNot 2006 auch zutreffend in § 6 Abs. 2 Ziff. 3 im Rahmen des Punktesystems die Zuerkennung von Punkten für die Teilnahme an derartigen notarspezifischen Fortbildungskursen vor. Die theoretische kompakte Beschäftigung mit notarspezifischen Fragen in solchen Kursen weist eine andere Qualität auf und vermittelt gerade typischerweise eine zusätzliche Qualifikation, die über das im Einzelfall bei der Beurkundungstätigkeit erworbene Wissen durch die dort notwendige theoretische Befassung deutlich hinausgeht.
Die Antragsgegnerin musste die von dem Antragsteller hervorgehobene theoretische Befassung im Rahmen der einzelnen Beurkundungsgeschäfte und in der praktischen Zusammenarbeit gerade mit einem soziierten Rechtsanwalt und Notar zudem deshalb nicht gesondert in die Erwägungen einstellen, weil ersichtlich auch die weitere Beteiligte im Rahmen ihrer Beurkundungsgeschäfte sich jeweils mit den theoretischen Grundlagen zu befassen hatte und sie im Übrigen ebenfalls mit einem Rechtsanwalt und Notar zusammenarbeitet, wenn auch nicht in Sozietät so doch in Bürogemeinschaft. Für die Beurteilung wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Bewerbern liegen insoweit nicht vor. Der deutlich größere Anteil an Beurkundungen bei dem Antragsteller ist bereits über das Punktesystem berücksichtigt worden.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Gesamtschau - wie sich ihren Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid entnehmen lässt - auch nicht verkannt, dass allerdings der wesentliche Teil der notarspezifischen theoretisch erworbenen Kenntnisse der weiteren Beteiligten mehr als drei Jahre zurück liegt. Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten hat die weitere Beteiligte den Schwerpunkt ihrer theoretischen Fortbildung einerseits in den Jahren 1999/2000 und andererseits 2003 absolviert. Die besuchten Fortbildungsveranstaltungen weisen ein breites inhaltliches Spektrum auf (1999: Der Betriebsübergang. 2000: Die Anmeldung zum Handelsregister; Grundbuchberichtigung und Grundstücksveränderungen; Wohnungseigentum; Praxis des Disziplinarrechts des Notars; Dienstordnung für Notare; Gründung und Gesellschaftsvertrag der GmbH. 2003: Internationales Erbrecht; Praktische Auswirkungen von Insolvenzverfahren auf das Notariat; Internationale Eheverträge; Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung; Partnerschaftsverträge nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz; Bauträgervertrag; Betreuungsrecht, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügung in der notariellen Praxis. 2007: Gestaltung der Gegenleistung bei der vorweggenommenen Erbfolge). Die weitere Beteiligte weist im vorliegenden Verfahren darauf hin, dass sie im März 2007 an zwei weiteren Halbtagen eine notarspezifische Fachtagung "Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung im Immobilienrecht" absolviert hat, die Vorlage des Nachweises (Bl. 39 d.A.) im Bewerbungsverfahren habe sie wohl versäumt.
Bereits die AVNot selbst macht im Rahmen von § 6 Abs. 2 Ziff. 3 deutlich, dass Fortbildungskurse, die außerhalb der drei letzten Jahre vor dem Ende der Bewerbungsfrist bereits besucht worden waren, keinesfalls außer Betracht zu bleiben haben. Sie werden insoweit aber mit einem geringeren Punktewert bewertet. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass auch etwas länger zurückliegende theoretische Fortbildung die praktische Arbeit weiterhin positiv beeinflussen kann.
Lag der Schwerpunkt der theoretischen Fortbildung der weiteren Bewerberin also - wie die Antragsgegnerin nicht verkannt hat - etwas länger zurück, so muss auf der anderen Seite bedacht werden, dass auch der Schwerpunkt der Beurkundungstätigkeit des Antragstellers längere Zeit zurück liegt. Dies ergibt sich deutlich auch aus der nunmehr von ihm vorgelegten genaueren Auflistung seiner Beurkundungen als Notarvertreter im Zeitraum von 1997 bis 2003. Aus dieser Konkretisierung der durchgeführten Amtsgeschäfte lässt sich im Übrigen nicht entnehmen, dass er über die Beurkundungen in besonderer, außergewöhnlicher Weise auch theoretische Kenntnisse erworben haben muss. Es handelt sich vielmehr um eine durchaus durchschnittliche Mischung unterschiedlichster Beurkundungsgeschäfte - darunter eine große Anzahl auch von Standardgeschäften wie Unterschriftsbeglaubigungen und Grundschuldbestellungen.
Zusammengefasst lässt sich nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin ihren Beurteilungsspielraum im Rahmen der notwendigen, von ihr auch vorgenommenen Gesamtschau fehlerhaft ausgefüllt hat. Ihre Wertung, dass wegen des völligen Ausfalls des Antragstellers im Bereich der notarspezifischen Fortbildungskurse im Ergebnis von einer gleichen Eignung der beiden Bewerber auszugehen sei, ist vielmehr unter Berücksichtigung auch der zitierten jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden.
Dann aber war der weiteren Beteiligten bereits nach § 7 Abs. 1 S. 2 AVNot der Vorzug zu geben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 201 Abs. 1, 40 Abs. 4 BRAO, 13 a Abs. 1 FGG. Die weitere Beteiligte hat keinen Antrag gestellt, weshalb es nicht der Billigkeit entspricht, dass ihr etwa entstandene außergerichtliche Kosten zu ersetzen sind. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf den §§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, 202 Abs. 2 BRAO und 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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