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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 18.08.2006
Aktenzeichen: 1 Sch 1/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1059
ZPO § 1060
Ein Schiedsspruch, der auf eine lediglich vorläufige Tatsachengrundlage gestützt ist und die abschließende Feststellung den staatlichen Gerichten für das Vollstreckbarerklärungsverfahren oder die Vollstreckungsgegenklage zuweist, verstößt gegen den verfahrensrechtlichen ordre public.
Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 1 Sch 1/06

Verkündet am 18. August 2006

In Sachen

wegen Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 1. August 2006 unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am OLG Rabbow-Geiß, des Richters am OLG Dr. Groß, des Richters am OLG Dr. Häcker

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag des Antragstellers, den von Einzelschiedsrichter Rechtsanwalt Prof. Dr. G. W. am 18. November 2005 in S. erlassenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, wird unter Aufhebung des Schiedsspruch abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.

III. Der Streitwert wird festgesetzt auf 467.115,56 €.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten darüber, ob der im Tenor genannte, von Rechtsanwalt Prof. Dr. G. W. als Einzelschiedsrichter am 18. November 2005 in S. erlassene Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären oder ob der Vollstreckbarerklärungsantrag unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen ist.

Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 2. Oktober 1998 (Anl. AG 1) erwarb die A. GmbH (Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin) die Gesellschaftsanteile des Antragstellers und der übrigen drei Mitgesellschafter an der B. GmbH mit Sitz in ... (Ort). Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um ein Unternehmen, das Dienstleistungen im EDV-Bereich anbietet. Es war mit 98,5% an den Tochterunternehmen B. S. GmbH, ... (Ort), B. AG, ... (Ort)/Schweiz, und B. S.A.R.L., ... (Ort), beteiligt. Die weitere Tochtergesellschaft B. S.A.R.L., ... (Ort), an der die B. GmbH in gleicher Höhe beteiligt war, wurde im Jahr 2003 gegründet. Der Antragsteller war Inhaber von 60% der Gesellschaftsanteile der B. GmbH. Auf die weiteren Gesellschafter M., R. und S. entfielen 25%, 10% bzw. 5% der Anteile.

In § 2 Abs. 1 des Kaufvertrags vom 2. Oktober 1998 ist geregelt, dass die A. GmbH einen Basiskaufpreis von 6.000.000 DM schuldet. Dieser erhöht sich um 3.000.000 DM, wenn bis 31. Dezember 1998 der in Anlage 2 des Vertrags vertraglich näher definierte Earn Out Profit After Tax (im folgenden EOP) 1,8 Millionen DM und das konsolidierte Eigenkapital nach Abzug des EOP 2,2 Millionen DM beträgt. Nach § 2 Abs. 2 b wurden für die Geschäftsjahre 1999 bis 2003 weitere Kaufpreisanpassungen vereinbart, deren Höhe sich nach den Veränderungen des EOP des laufenden Jahres gegenüber demjenigen des Vorjahres richten sollte. Der anteilige Anspruch der Verkäufer auf diese weiteren Kaufpreisanpassungen setzt zumindest teilweise ihre tatsächliche Beschäftigung als Manager der Gesellschaft voraus. Von den beiden Methoden zur Berechnung der Anpassung, einer festen und einer variablen Kaufpreisanpassung, sollte die jeweils höhere maßgebend sein. Der Earn Out Profit ergibt sich nach Anlage 2 zum Kaufvertrag "zunächst aus dem konsolidierten jährlichen Gewinn der B.-Gruppe nach Steuern [inklusive Steuerverlustvorträge, Steuergutschriften, jedoch abzüglich von Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung und (Weiter-)Bildung und abzüglich von Steuergutschriften, die sich aufgrund von Vorgängen ergeben, die außerhalb des ordentlichen Laufes der Geschäftstätigkeit der jeweiligen Gesellschaft liegen] wie dieser aus dem Konzernabschluß der B.-Gesellschaften (B. GmbH, B. AG und B. SARL) resultiert, wobei der Konzernabschluß auf der Grundlage der Jahresabschlüsse der einzelnen Gesellschaften der B.-Gruppe erstellt wird. Die Jahresabschlüsse werden auf der Basis der von den jeweiligen Gesellschaften in der Vergangenheit benutzten und gesetzeskonformen Buchführungsgrundsätze erstellt."

Ferner enthält die Anlage 2 Regelungen, nach denen der EOP um bestimmte Nettoauswirkungen zu berichtigen ist.

§ 2 Abs. 3 des Kaufvertrags regelt die Fälligkeit und Zahlungsweise des Basiskaufpreises und der Kaufpreisanpassungen wie folgt:

"Die Zahlung des Basiskaufpreises erfolgt heute an die vier Verkäufer im Verhältnis ihrer verkauften Geschäftsanteile zum Stammkapital von DM 1.000.000,-- (in Worten: Deutsche Mark Eine Million).Gleiches gilt für alle Kaufpreisanpassungen.

Die Zahlung der ersten Kaufpreisanpassung und jeder weiteren Kaufpreisanpassung ist jeweils fällig einen Monat nach (1) Übergabe der jeweils geprüften und testierten Konzernabschlüsse der B. GmbH, (2) Übergabe der Berechnungen des EPO [richtig: EOP] und (3) der daraus folgenden Berechnung der jeweiligen Kaufpreisanpassungen an A. GmbH.

Unter geprüften Konzernabschlüssen werden solche Jahresabschlüsse verstanden, die gemäß den im jeweiligen Land gültigen Buchführungsnormen der vollständigen Prüfung eines selbständigen Wirtschaftsprüfers unterworfen wurden und von ihm mit entsprechendem Bestätigungsvermerk testiert wurden. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die für die Erstellung der Konzernabschlüsse zugrunde liegenden Jahresabschlüsse der B. GmbH und B. AG nach den gleichen Buchführungs- und Bewertungsmethoden aufgestellt und nach den gleichen Prüfungsmethoden geprüft werden, welche die Gesellschaften zum Jahresabschluss per 30. September 1997 (B. GmbH) bzw. 31. Dezember 1997 (B. AG) angewendet haben und soweit diese Methoden rechtlich nicht unzulässig sind.

Ist die Prüfung einer Gesellschaft im jeweiligen Land rechtlich nicht vorgeschrieben, erfolgt die Prüfung unter den gleichen Bedingungen als wäre die Prüfung rechtlich vorgeschrieben.

Sofern A. GmbH nicht mit der von den Verkäufern vorgenommenen Berechnung des EOP einverstanden ist, wird A. GmbH dies den Verkäufern unverzüglich mitteilen. Vor der Geltendmachung weiterer Ansprüche (z.B. gemäß nachfolgendem Absatz 6) werden die Parteien miteinander ein klärendes Gespräch führen."

Gemäß § 7 Abs. 2 des notariellen Vertrags kann ein Wechsel des Abschlussprüfers der B. GmbH nur mit Zustimmung von deren Geschäftsführern erfolgen, wenn nicht ein wichtiger Grund vorliegt.

Der Antragsteller blieb bis Mitte 2004 Mitgeschäftsführer der B. GmbH.

Die seit mehreren Jahren als Abschlussprüferin der B. GmbH tätige H. GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft testierte am 17. März 2004 den Jahresabschluss der B. GmbH für das Geschäftsjahr 2003 mit einem Bilanzgewinn von 2.680.471,08 €.

Auf dieser Grundlage errechneten der Antragsteller und die übrigen ursprünglichen Inhaber der Gesellschaftsanteile an der B. GmbH die Höhe der letzten für das Jahr 2003 geschuldeten Kaufpreisanpassung. Auf diese erbrachte die Antragsgegnerin am 21. April 2004 eine erste Zahlung von 3.902.561 €. Die Antragsgegnerin veranlasste eine zweite Zahlung an den Antragsteller in Höhe von 1.250.660 €, die dieser im Zusammenhang mit dem Streit der Parteien über den von den Verkäufern mit Schreiben vom 2. Juli 2004 erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag und die Wirksamkeit des den Verkäufern im Kaufvertrag vom 2. Oktober 1998 auferlegten Wettbewerbsverbots zurück überwies.

Wegen Zweifeln an der Richtigkeit des testierten Jahresabschlusses 2003 beauftragte die Antragsgegnerin die M. ...gesellschaft mbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung des Abschlusses. In dem zwischen den Parteien zur Frage der zutreffenden Berechnung der letzten Kaufpreisrate aus dem notariellen Kaufvertrag vom 2. Oktober 1998 eingeleiteten Schlichtungsverfahren legte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 24. September 2004 einen - noch nicht endgültigen - Prüfbericht der M. ...gesellschaft mbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Anl. NSL 49) vor, der unter anderem die Aktivierung von Software in den Jahresbilanzen 2002 und 2003 rügt. Dieser enthält kein Datum, ist nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Schlichtungsverfahren aber am 8. September 2004 erstellt worden.

Der Antragsteller und J. M. beantragten als Verfügungskläger beim Landgericht Stuttgart (37 O 149/04 KfH und 37 O 150/04 KfH) den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin, die B. GmbH sowie deren Geschäftsführer X. D. als Verfügungsbeklagte. In diesen zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren schlossen die Parteien am 18. Oktober 2004 vor dem Landgericht Stuttgart einen Vergleich (Bl. 76 ff. d.A.). Darin verpflichteten sich der Antragsteller und J. M. gegen Bezahlung einer Karenzentschädigung bis 30. Juni 2005 weder mittelbar noch unmittelbar in Wettbewerb gegenüber der B. GmbH und deren Tochterunternehmen zu treten. Ziffer 6 des Vergleichs enthält eine Vereinbarung zur Bezahlung des Kaufpreises aus dem notariellen Vertrag vom 2. Oktober 1998 mit folgenden Wortlaut:

"Die Verfügungsbeklagte Ziff. 2, Fa. A. D. GmbH, verpflichtet sich, an die beiden Verfügungskläger sowie an

- Herrn H. R., ... (Straße) ... (Hausnummer), ... (PLZ) ... (Ort), und

- Herrn M. S., ... (Straße) ... (Hausnummer) , ... (PLZ) ... (Ort)

insgesamt € 1.250.6660,-- als Kaufpreis zu bezahlen. Die Geltendmachung einer weiteren Kaufpreisforderung aus dem Kaufvertrag vom 02. Oktober 1998 bleibt vorbehalten.

Etwaige Streitigkeiten hierüber werden durch ein Schiedsgericht, und zwar durch Herrn Prof. Dr. G. W. c/o. Kanzlei ... (Name), ... (Straße) ... (Hausnummer), ... (PLZ) ... (Ort), als Einzelschiedsrichter entschieden, und zwar unter Verzicht auf die vorgesehene Schlichtung. Maßgeblich hierfür ist die Schiedsordnung der DIS.

Herr Rechtsanwalt S. [der Prozessbevollmächtigte der Kläger] erklärt, er vertrete bei diesem Vergleichsabschluss auch die in Ziff. 6 dieses Vergleichs genannten Herren R. und S., von denen er Prozessvollmacht habe und die diesem Rechtsstreit zum Zweck des Vergleichsabschlusses hinsichtlich dieser Ziffer beitreten.

In der Folgezeit überwies die Antragsgegnerin am 21. Oktober 2004 entsprechend § 6 des Vergleichs auf die Restforderung aus dem Vergleich 1.250.660 € an den Antragsteller.

Mit der Begründung, dem Antragsteller sowie den weiteren früheren Mitgesellschaftern der B. GmbH, die ihre Ansprüche an den Antragsteller abtraten, stehe über die von der Antragsgegnerin im Jahr 2004 als letzte Kaufpreisanpassung für das Jahr 2003 bezahlten 5.153.221 € hinaus eine weitere Forderung von 702.601 € zu, leiteten die Parteien durch die auf Ziffer 6 des gerichtlichen Vergleichs vom 18. Oktober 2004 gestützte Benennung von Rechtsanwalt Prof. Dr. W. als Schiedsrichter das Schiedsverfahren ein. Nach Annahme des Schiedsrichteramts wurde Prof. Dr. W. mit Brief vom 31. Januar 2005 von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit zum Einzelschiedsrichter bestellt. Am 30. Juni und am 18. Juli 2005 wurde in dem Schiedsverfahren mündlich verhandelt. Mit Verfügung vom 27. September 2005 (Anl. AG 23) wies das Schiedsgericht die Parteien darauf hin, es sei beabsichtigt, den Bericht des Wirtschaftsprüfers H. abzuwarten. Sodann werde den Parteien Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben. Die für den 27. September angekündigte Übersendung des Schiedsurteils erfolge daher zunächst nicht, wie sich aus dem Brief des Schiedsgerichts an Herrn H. vom 23. September 2005 ergebe. Zum Inhalt dieses Briefs haben die Parteien nicht näher vorgetragen.

Der Wirtschaftsprüfer H. legte - wie sich aus Rdn. 153 des Schiedsspruchs ergibt - in der Folgezeit den avisierten Bericht nicht vor. Das Schiedsgericht erließ am 18. November 2005 den im Streit stehenden Schiedsspruch (Bl. 4 d.A.). Darin verurteilte es die Antragsgegnerin zur Zahlung eines weiteren Betrags von 467.115,56 €. Zur Begründung führte es unter anderem aus, der Berechnung der laut Kaufvertrag vom 2. Oktober 1998 geschuldeten letzten Kaufpreisanpassung für 2003 sei der testierte Jahresabschluss zugrunde zu legen. Demgegenüber komme es auf die materielle Richtigkeit des Jahresabschlusses im Blick auf die aufgeworfenen bilanziellen Fragen nicht an. Eine Abänderung der Kaufpreisanpassungsforderung komme nur nach Änderung bzw. Berichtigung des Abschlussvermerks durch den Wirtschaftsprüfer bei der Nachtragsprüfung oder nach erfolgreichen Einwendungen gegen den Abschlussvermerk im dafür vorgesehenen Verfahren (Rdn. 150) in Betracht. "Würde das Verfahren der angeblich erforderlichen Berichtigung des Testats des Wirtschaftsprüfers kurz vor dem Abschluss stehen, so wäre der Einzelschiedsrichter geneigt, das Schiedsverfahren hinsichtlich dieses einen Punktes auszusetzen, um das Ergebnis abzuwarten." Da die Antragsgegnerin ein Jahr lang nichts unternommen habe, um den Abschussvermerk des Wirtschaftsprüfers anzugreifen, komme dem Interesse des Antragstellers an einer Durchsetzung seines Zahlungsanspruchs auf der Grundlage des testierten Jahresabschlusses 2003 Vorrang zu gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an einer endgültigen Klärung der Frage der Aktivierungsfähigkeit der Softwareentwicklungskosten sowie der Überstundenrückstellungen. In Rdn. 154 und 155 führt der Schiedsspruch aus, sofern der Abschlussvermerk nach Abschluss des Schiedsverfahrens materiell geändert werde, könne die Antragsgegnerin dies im Wege der Vollstreckungsgegenklage oder im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs geltend machen.

Die Antragsgegnerin ließ den Jahresabschluss 2003 der B. GmbH durch die A. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüfen. Diese kam in ihrem Prüfbericht vom 2. Februar 2006 zu einem Jahresüberschuss nach Steuern von 1.620.553,51 €. Außerdem leitete sie beim Amtsgericht Böblingen nach § 318 Abs. 3 HGB ein Verfahren zur Abberufung des Wirtschaftsprüfers H. ein.

Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2006 (Bl. 3 d.A.) beantragt der Antragsteller, den im Original vorgelegten Schiedsspruch vom 18. November 2005 des aus dem Einzelschiedsrichter Prof. Dr. G. W. bestehenden Schiedsgerichts mit dem Wortlaut:

1. A. hat an G. EUR 467.115,56 zu zahlen. Darüber hinaus wird die Schiedsklage abgewiesen.

2. Auf diesen Betrag hat A. Zinsen in Höhe von 6,5% p.a. seit dem 24.06.2004 zu zahlen, bis zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtung durch A..

3. Die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens tragen die Parteien jeweils zur Hälfte, soweit es sich nicht um die den Parteien jeweils entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung einschließlich sonstiger hiermit zusammenhängender Aufwände handelt, diese Kosten trägt jede Partei selbst.

4. A. hat einen Betrag in Höhe von EUR 3.763,00 zuzüglich EUR 602,08 MwSt., insgesamt EUR 4.365,08 an G. als die Hälfte der DIS-Gebühr zu zahlen.

5. Der Streitwert wird auf EUR 702.601,00 festgesetzt.

für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegnerin stellt den Antrag aus den Schriftsätzen vom 9. Februar 2006 (Bl. 14 d.A.) und vom 17. Juli 2006 (Bl. 163 d.A.), den Vollstreckbarerklärungsantrag unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen.

Sie macht geltend, das Schiedsgericht habe das ihr zu gewährende rechtliche Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Schiedsgericht habe die Entscheidung über ihr Vorbringen, der bestätigte Jahresabschluss der B. GmbH für das Jahr 2003 enthalte bilanzrechtliche Fehler und sei daher materiell unrichtig, zu Unrecht dem staatlichen Gericht zugewiesen, das hierüber im Rahmen der Vollstreckbarerklärung bzw. der Vollstreckungsklage zu entscheiden habe. Ferner habe die Antragsgegnerin erstmals im Laufe des Schiedsverfahrens Anhaltspunkte dafür gewonnen, dass die von den Verkäufern auf der Grundlage des Jahresabschlusses 2003 berechnete Restkaufpreisforderung nicht nur - wie zuvor angenommen - auf Fehlern der EOP-Berechnung, sondern auf einem unrichtigen Jahresabschluss beruhe. Der Schiedsspruch stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Der Schiedsrichter habe entgegen seiner Ankündigung in der Verfügung vom 27. September 2005 den Bericht des Wirtschaftsprüfers H. nicht abgewartet, sondern ohne diesen Bericht und ohne den Parteien noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zu gegeben, völlig überraschend am 18. November 2005 entschieden. Aufgrund der Beweisaufnahme des Schiedsgerichts und der Verfügung vom 27. September 2005 habe die Antragsgegnerin davon ausgehen dürfen, das Schiedsgericht erachte ihren Vortrag zur materiellen Fehlerhaftigkeit des bestätigten Jahresabschlusses als erheblich. Soweit das Schiedsgericht zu einer hiervon abweichenden Rechtsansicht gelangt sei, hätte es die Antragsgegnerin darauf hinweisen müssen. Dadurch hätte sie zumindest versuchen können, auf den Wirtschaftsprüfer einzuwirken, damit dieser seinen Bestätigungsvermerk berichtigt. Der Jahresabschluss sei materiell fehlerhaft, weil Herstellungskosten für verschiedene Softwareprodukte in unzulässiger Weise aktiviert worden seien. Ferner seien für von Mitarbeitern der B. GmbH im Jahr 2003 geleistete Überstunden sowie für bis 31. Dezember 2003 nicht genommene Urlaubstage keine Rückstellungen vorgenommen worden. Schließlich seien Stunden mit dem falschen Kostensatz bilanziert worden.

Der Antrag des Antragstellers sei abzulehnen, weil der Schiedsspruch einen außergewöhnlichen Inhalt habe. Das Schiedsgericht habe die Beurteilung von Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerin dem Staatsgericht zur Entscheidung vorbehalten. Der Schiedsspruch sei auch widersprüchlich. So habe das Schiedsgericht das Vorbringen der Antragsgegnerin zur materiellen Unrichtigkeit des Jahresabschlusses 2003 teilweise inhaltlich gewürdigt, während es sich an anderer Stelle wegen des Bestätigungsvermerks hieran gehindert gesehen habe. Hilfsweise stehe der Antragsgegnerin aus eigenem Recht ein Rückzahlungsanspruch wegen einer Überzahlung der Kaufpreisrate für 2003 sowie ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der dem Antragsteller ihr gegenüber obliegenden Pflichten zu. Ferner stehe ihr aus abgetretenem Recht der B. GmbH ein Schadensersatzanspruch gegen den Antragsteller zu, der auch Pflichten gegenüber der B. GmbH verletzt habe. Mit diesen Gegenforderungen rechne sie hilfsweise auf. An einer Aufrechnung sei sie durch den am 18. Oktober 2004 vor dem Landgericht Stuttgart geschlossenen Vergleich nicht gehindert. Der Vergleich enthalte kein Aufrechnungsverbot. Darüber hinaus sei der Vergleich unwirksam, weil bei dessen Abschluss niemand Zweifel an der Richtigkeit des Jahresabschlusses 2003 gehabt habe. Uneinigkeit habe nur bestanden im Blick auf die Berechnung des Earn Out Profit auf der Grundlage des bestätigten und von beiden Parteien damals als zutreffend erachteten Jahresabschlusses.

Der Antragsteller ist der Auffassung, das Schiedsgericht habe das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin nicht verletzt. Es habe deren Einwand der materiellen Unrichtigkeit des Jahresabschlusses 2003 zur Kenntnis genommen und lediglich aus materiellrechtlichen Gründen als nicht berücksichtigungsfähig erachtet. Die Antragsgegnerin sei darüber hinaus mit der Gehörsrüge ausgeschlossen, weil sie diese nicht schon im Schiedsverfahren vorgebracht habe. Die Antragsgegnerin hätte zumindest Aussetzung des Schiedsverfahrens beantragen müssen, bis die Nachtragsprüfung oder das von ihr gemäß § 318 Abs. 3 HGB eingeleitete Verfahren zur Abberufung des Abschlussprüfers abgeschlossen sei. Wegen des unveränderten Bestätigungsvermerks stünden der Antragsgegnerin die behaupteten Gegenforderungen nicht zu. Die von ihr gegen die materielle Unrichtigkeit des Jahresabschlusses erhobenen Bedenken bestünden nicht. Der Jahresabschluss entspreche den bilanzrechtlichen Vorschriften. Mit Gegenforderungen könne die Antragsgegnerin gegen die im Schiedsspruch titulierte Forderung nicht aufrechnen. Eine Aufrechnung sei im Vollstreckbarerklärungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen. Ferner enthalte der gerichtliche Vergleich vom 18. Oktober 2004 Aufrechnungsverbote. Schließlich könne sie auch deswegen nicht aufrechnen, weil sie mit der Aufrechnung präkludiert sei, da sie nicht schon im Schiedsverfahren die Aufrechnung erklärt habe. Der landgerichtliche Vergleich sei nicht unwirksam. Die von der Antragsgegnerin mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2003 beauftragte M. ...gesellschaft mbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe die fehlerhafte Aktivierung der Software schon im Frühjahr 2004 beanstandet und die Antragsgegnerin vor Abschluss des Vergleichs darauf hingewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat am 1. August 2006 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 209 d.A.) wird Bezug genommen.

B.

Der Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung des im Tenor näher bezeichneten Schiedsspruchs ist zulässig. Der Senat ist nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 1060 Abs. 2 ZPO für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung bzw. Aufhebung des Schiedsspruchs zuständig. Das dem Schiedsspruch zugrunde liegende schiedsrichterliche Verfahren wurde im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart durchgeführt. Der Antrag ist in der Sache jedoch gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, weil Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b und Nr. 2 b ZPO vorliegen.

Der Entscheidung, die die formalen Anforderungen an einen Schiedsspruch erfüllt, liegt zwar eine gültige Schiedsvereinbarung zugrunde. Die Schiedsvereinbarung gemäß Ziffer 6 des am 18. Oktober 2004 vor dem Landgericht Stuttgart abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs ist wirksam (I.). Die Anerkennung des Schiedsspruchs vom 18. November 2005 würde aber zu einem Ergebnis führen, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) - hier in Ausprägung des prozessualen ordre public - widerspräche, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO, so dass der Schiedsspruch der Aufhebung unterliegt (II.). Darüber hinaus liegt hinsichtlich der Antragsgegnerin ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs vor. Der Schiedsspruch ist deswegen auch nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b ZPO aufzuheben (III.).

I. Der beantragten Vollstreckbarerklärung steht nicht schon das Fehlen einer Schiedsvereinbarung entgegen.

Die Antragsgegnerin beruft sich zur Begründung ihrer Ansicht, die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen scheitere nicht an in einzelnen Klauseln des gerichtlichen Vergleichs vom 18. Oktober 2006 enthaltenen Aufklärungsverboten, unter anderem auf die Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs gemäß § 779 BGB. Die behauptete Unwirksamkeit des Vergleichs hätte zur Folge, dass der Schiedsspruch schon wegen Unwirksamkeit der in Ziffer 6 des Vergleichs enthaltenen Schiedsabrede aufzuheben wäre. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Vergleich ist wirksam.

1. § 779 BGB stellt einen gesetzlichen Sonderfall der Störung der Geschäftsgrundlage dar (vgl. Sprau in Palandt, BGB 65. Aufl. § 779 Rdn. 13). Danach ist ein Vergleich dann unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend erachtete Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht entstanden wäre. Als feststehend zugrunde gelegt ist der unstreitige Sachverhalt, von dem die Parteien bei Abschluss des Vergleichs ausgehen, der also von ihnen nach dem Inhalt des Vergleichs als Grundlage und wesentliche Voraussetzung für die erzielte Beilegung ihres Streits betrachtet wird und sich außerhalb des Streits oder der Ungewissheit befindet (Sprau aaO Rdn. 15 m.w.Nachw.).

2. Diese Voraussetzungen liegen nach der Überzeugung des Senats nicht vor. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 18. Oktober 2004 darauf abgehoben, bei dessen Abschluss habe niemand Zweifel an der (materiellen) Richtigkeit des Jahresabschlusses 2003 der B. GmbH gehabt. Unterschiedliche Auffassungen zur Höhe der letzten Kaufpreisrate hätten nur in Bezug auf die Berechnung des Earn Out Profit bestanden. Dies trifft - worauf der Antragsteller mit Recht hingewiesen hat - nach den vorgelegten Unterlagen nicht zu. Die Frage, ob der Jahresabschluss 2003 den geltenden Bilanzierungsrichtlinien entsprach, war schon zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 18. Oktober 2004 zwischen den Parteien streitig. Dies ergibt sich - jedenfalls für selbst entwickelte Softwareprodukte, sog. "self software developed" - aus dem von der M. ...gesellschaft mbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag der Antragsgegnerin gefertigten Prüfbericht vom 8. September 2004 (Anl. NSL 49). Der Prüfbericht selbst enthält zwar kein Datum der Erstellung. Die Antragsgegnerin hat den Prüfbericht aber im Schlichtungsverfahren mit Schriftsatz vom 24. September 2004 vorgelegt und als am 8. September 2004 erstellt bezeichnet. Dies steht in Einklang mit den Angaben der Zeugin M., einer Mitarbeiterin der Firma M., die im Schiedsverfahren (Anl. AG 15, dort Seiten 282 ff., 284) von einer Abschlussbesprechung im Juli 2004 berichtete, bei der es um die Frage der richtigen Bilanzierung selbst entwickelter Software gegangen sei. Dass die Antragsgegnerin möglicherweise erst nach Abschluss des Vergleichs das Problem unterlassener Personalrückstellungen für geleistete Überstunden sowie der Höhe bilanzierter Stundenkostensätze erkannte, steht einem wirksamen Vergleichsabschluss nicht entgegen. Zum einen bestand zwischen den Parteien - jedenfalls zur Frage der Aktivierung selbst entwickelter Software - Uneinigkeit über die richtige Bilanzierung. Zum anderen wäre der Streit zwischen den Parteien wegen der richtigen Bilanzierung der Überstundenrückstellungen und der Stundenkostensätze bei Kenntnis der wahren Sachlage gerade nicht entfallen. Noch heute vertreten die Parteien hierzu gegensätzliche Standpunkte.

II. Der Schiedsspruch verstößt gegen die nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO auch im schiedsrichterlichen Verfahren zu beachtenden prozessualen Grundregeln. Die Einhaltung dieser Regeln sind von Amts wegen zu berücksichtigen.

1. Ein Schiedsspruch kann gegen die in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO genannte öffentliche Ordnung (ordre public) sowohl in ihrer materiellrechtlichen, als auch in ihrer verfahrensrechtlichen Ausprägung verstoßen. Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public liegt vor, wenn ein Schiedsspruch elementare Verfahrensvorschriften außer Betracht lässt. Dies ist der Fall, wenn ein Schiedsgericht über einen qualitativen Teil eines Anspruchs entscheidet und dem staatlichen Gericht einen weiteren Teil von Rechtsfragen zur Entscheidung überlässt, deren Beantwortung den Rechtsstreit erst insgesamt beendet. Eine derartige Aufgabenverteilung zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht in derselben Sache ist unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 - II ZR 75/58, NJW 1960, 1462; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 3 Rdn. 21). Dies ergibt sich aus dem Gebot der selbständigen und abschließenden Entscheidung des Schiedsgerichts über einen geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang oder jedenfalls über einen Teil (oder möglicherweise über den Grund) des Anspruchs (BGH aaO). Für diese Ansicht spricht auch folgender Gesichtspunkt: Kommt einer schiedsrichterlich entschiedenen Rechtsfolge präjudizielle Bedeutung für ein weiteres - späteres - Verfahren vor Schiedsgerichten oder staatlichen Gerichten zu, wirkt auch hier die Rechtskraft. Der Schiedsspruch bindet wie ein Urteil und bestimmt bzw. begrenzt die spätere richterliche Entscheidungsfindung. Es verbleibt jedoch bei dem Grundsatz, dass nur der Tenor und nicht die Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Entscheidungsgründe im Falle eines nicht eindeutigen Tenors zur Feststellung der schiedsrichterlich entschiedenen Rechtsfolge herangezogen werden können (vgl. Münch in MüKo/ZPO, 2. Aufl. § 1055 Rdn. 9 m.w.Nachw.). Weist ein Schiedsgericht die Entscheidung über einzelne Verteidigungsmittel eines Antragsgegners, die es grundsätzlich für erheblich erachtet, dem staatlichen Gericht zu, kann es das staatliche Gericht nicht an seine rechtliche Beurteilung binden. Deswegen bestünde in solchen Fällen die Gefahr, dass das staatliche Gericht die Einwendungen nach seiner rechtlichen Beurteilung für unerheblich erachtet mit der Folge, dass die Einwendungen auch dort nicht berücksichtigt werden. Ein zur Entscheidung berufenes Schiedsgericht muss deswegen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines geltend gemachten Anspruchs oder eines quantitativen Teils abschließend entscheiden. Die einzige prozessual zulässige Ausnahme kann die rechtsvernichtende Einwendung der Aufrechnung mit Gegenforderungen darstellen. In dieser Situation wird der Erlass eines Vorbehaltsurteils diskutiert (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 3 Rdn. 14 m.w.Nachw.). Kommt ein Schiedsgericht in einer solchen Lage zu dem Ergebnis, dass der mit der Schiedsklage geltend gemachte Anspruch begründet ist, steht dies mit dem Schiedsspruch abschließend fest. Soweit - wie bei einem Vorbehaltsurteil - später über das Bestehen eines Gegenanspruchs zu entscheiden ist, der infolge Aufrechnung den titulierten Anspruch zu Fall bringt, ist dies unbedenklich. Denn die Entscheidung über das Bestehen des Gegenanspruchs und die Wirksamkeit der Aufrechnung lässt die vorherige abschließende Beurteilung des Schiedsgerichts, dass der titulierte Anspruch vorbehaltlich der Wirksamkeit der Aufrechnung besteht, unberührt.

2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund verstößt der Schiedsspruch vom 18. November 2005 gegen das Gebot der endgültigen abschließenden Entscheidung durch das Schiedsgericht, dem allein kraft Vereinbarung der Parteien diese Aufgabe obliegt. Diesem Verfahrensprinzip kommt fundamentale Bedeutung zu.

a) Das Schiedsgericht hat sich hinsichtlich der zwei den Jahresabschluss 2003 betreffenden Streitfragen, ob die von der B. GmbH selbst hergestellte Software aktiviert werden durfte und ob Rückstellungen für Überstunden zu Unrecht nicht gebildet worden sind, auf den Standpunkt gestellt, entscheidend und für beide Parteien bindend sei der am 17. März 2004 von der H. GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft testierte Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 und nicht die - gegebenenfalls nach Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens festzustellende, weil möglicherweise davon abweichende - objektiv richtige Bilanzierung. Dies hat zur Folge, dass nach Ansicht des Schiedsgerichts eine andere Beurteilung der aufgeworfenen bilanziellen Fragen überhaupt nur aufgrund eines materiell geänderten Abschlussvermerks in Betracht kommt. Diese Beurteilung erscheint dem Senat zwar als eher fern liegend; wegen des Verbots der "révision au fond" in Verfahren über die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen ist diese Beurteilung einer inhaltlichen Überprüfung durch den Senat aber entzogen.

b) Sowohl zur Aktivierung der von der B. GmbH selbst entwickelten Software als auch zu den unterbliebenen Überstundenrückstellungen ist im Schiedsspruch (Seite 54 f. Rdn. 154 und 155) ausgeführt, die Antragsgegnerin könne eine eventuelle materielle Änderung des Abschlussvermerks nach Beendigung des Schiedsverfahrens im Wege der Vollstreckungsgegenklage oder im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs - und damit vor den staatlichen Gerichten - geltend machen. Damit trifft das Schiedsgericht eine (nicht sicher endgültige) Entscheidung, die einer künftigen Abänderung unterliegen kann, weil es die für eine endgültige und abschließende Entscheidung maßgebliche Frage an die staatlichen Gerichte verweist. Der Schiedsrichter bleibt somit eine abschließende Beurteilung des ihm kraft Schiedsvertrag zur Entscheidung übertragenen Streitstoffs schuldig. Es kann dahin stehen, ob - wofür prozessuale Anhaltspunkte allerdings nicht ersichtlich sind - das Schiedsgericht vorbehaltlich einer eigenen späteren anderen Beurteilung wegen eines geänderten Bestätigungsvermerks vorläufig über den streitgegenständlichen Anspruch hätte entscheiden können. Soweit der Schiedsspruch die endgültige Klärung der Frage der zutreffenden Bilanzierung dem staatlichen Gericht zuzuweisen versucht, verstößt es gegen die unter 1. dargelegte Aufgabenverteilung zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht. Deswegen kann der Schiedsspruch keinen Bestand haben.

3. Unabhängig davon wird der Schiedsspruch der in Ziffer 6 Satz 2 und 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 18. Oktober 2004 enthaltenen Schiedsklausel nicht gerecht, wonach das aus Prof. Dr. G. W. als Einzelschiedsrichter bestehende Schiedsgericht über die Geltendmachung einer weiteren Kaufpreisforderung entscheiden sollte.

a) Durch eine Schiedsvereinbarung wird eine sonst von einem staatlichen Gericht zu entscheidende Streitigkeit einem Schiedsgericht zur Entscheidung übertragen (Schwab/Walter aaO Kap. 3 Rdn. 5). Staatliche Gerichte entscheiden regelmäßig endgültig über die ihnen zur Entscheidung vorgelegten Rechtsstreitigkeiten. Ausnahmen sind nur zugelassen, wenn - etwa bei einem Vorbehalt der Aufrechnung mit Gegenforderungen oder im Urkundsverfahren - das Interesse eines Klägers an einer schnellen Entscheidung dem Interesse eines Beklagten an einer Klärung weiterer Umstände gegenübersteht. In diesen Fällen kann ein Vorbehaltsurteil ergehen, bei dem der Beklagte die Möglichkeit hat, seine Rechte nach näher umschriebenen Regeln im Nachverfahren geltend zu machen. Abgesehen vom vorläufigen Rechtsschutz ist es einem staatlichen Gericht darüber hinaus verwehrt, einen Rechtsstreit nur vorläufig zu entscheiden. Eine Korrektur endgültiger Entscheidungen, die sich im Nachhinein als unrichtig erweisen, sieht das Gesetz unter engen Voraussetzungen nach den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens vor, §§ 578 ff. ZPO.

b) Die von den Parteien vereinbarte Geltung der Zivilprozessordnung hat zur Folge, dass das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung an diese Grundsätze und Regeln gebunden war. Auch aus diesem Grund musste das Schiedsgericht eine den Streit über die letzte Kaufpreisrate endgültig und abschließend regelnde Entscheidung treffen. Soweit es die Möglichkeit einer Abänderung des von Wirtschaftsprüfer H. erteilten Bestätigungsvermerks als relevant erachtete, weil dieser nach der vom Schiedsgericht vertretenen Ansicht für die Bemessung der letzten Kaufpreisrate bindende Wirkung entfaltete, hätte der Schiedsrichter diesen Rechtsstandpunkt erörtern und gegebenenfalls - wenn er der Möglichkeit einer Aussetzung nicht zugeneigt war (Schiedsspruch Rdn. 151) - der Antragsgegnerin eine gegebenenfalls großzügig zu bemessende Frist nach § 356 ZPO setzen können, innerhalb der sie Maßnahmen zur Erwirkung eines geänderten Bestätigungsvermerks im Nachtragsprüfungsverfahren ergreifen konnte. Hätte die Antragsgegnerin derartige Maßnahmen nicht fristgerecht ergriffen, hätte einer endgültigen und abschließenden Entscheidung über die Höhe der letzten Kaufpreisrate nichts entgegengestanden. Dagegen war es dem Schiedsgericht verwehrt, über die letzte Kaufpreisrate zu befinden, und zugleich die Möglichkeit einer Abänderung bei Vorlage eines geänderten Abschlussvermerks zu eröffnen. Dies gilt unabhängig davon, dass das Schiedsgericht nicht - wie es seinem Auftrag entsprochen hätte - selbst über einen geänderten Abschlussvermerk entscheiden wollte, sondern diese Aufgabe entgegen der Schiedsvereinbarung dem staatlichen Gericht zur Beurteilung übertragen wollte.

c) Selbst wenn man eine der Zivilprozessordnung fremde Möglichkeit in Betracht zöge, nach der über einen Rechtsstreit nur vorläufig und nach späterer Beibringung neuer Tatsachen endgültig entschieden werden könnte, war das Schiedsgericht jedenfalls daran gehindert, die endgültige Entscheidung dem staatlichen Gericht zuzuweisen. Die Parteien bestimmen in der Schiedsvereinbarung in einer das Schiedsgericht bindenden Weise den Umfang der Zuständigkeit des Schiedsgerichts und damit die Zuweisung der von diesem zu prüfenden und zu entscheidenden Rechtsfragen sowie der hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Danach waren Streitigkeiten über die Höhe einer vorbehaltenen eventuellen weiteren Kaufpreisforderung durch den Einzelschiedsrichter Prof. Dr. W. zu entscheiden. Nichts spricht dafür, dass diese Klausel anders als im Sinne einer Verpflichtung des Schiedsrichters zur abschießenden und endgültigen eigenen Entscheidung dieser Streitfrage verstanden werden könnte. Somit fehlte dem Schiedsgericht die Kompetenz, die ihm zur Entscheidung übertragene Streitigkeit durch eigenmächtige, der klaren Regelung in der Schiedsvereinbarung zuwider laufende Aufgabenzuweisung dem staatlichen Gericht durchzureichen, anstatt die Frage der Relevanz eines geänderten Testats für die Höhe der weiteren Kaufpreisforderung selbst abschließend zu beantworten.

4. Der weitere Vorwurf der Antragsgegnerin, der Schiedsspruch sei widersprüchlich und auch aus diesem Grund aufzuheben, trifft nicht zu.

a) Die Antragsgegnerin erkennt eine Widersprüchlichkeit in der Argumentation des Schiedsgerichts darin, dass es einerseits den testierten Jahresabschluss 2003 für förmlich verbindlich erkläre, was zur Folge haben müsse, dass die Frage der materiell richtigen Bilanzierung einer inhaltlichen Würdigung durch das Schiedsgericht entzogen sei, das Schiedsgericht sich aber andererseits nicht daran gehindert sehe, Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerin zum Teil selbst zu würdigen. Während der Schiedsrichter in Rdn. 154 und 155 des Schiedsspruchs auf die formelle Verbindlichkeit abgestellt habe, habe er im Gegensatz dazu in Rdn. 151 seiner Entscheidung die materielle Richtigkeit der Aktivierung der Softwareentwicklungskosten beurteilt.

b) Der von der Antragsgegnerin behauptete Widerspruch in der Argumentation des Schiedsgerichts liegt nicht vor. Der Schiedsspruch bringt in der Behandlung der Frage der Bilanzierung der Softwarekosten (Rdn. 130 ff., insbesondere 149, 150) eindeutig zum Ausdruck, dass es für die Entscheidung allein auf den formalen Gesichtspunkt des testierten Jahresabschlusses ankomme und eine andere als die vom Schiedsgericht getroffene (vorläufige) Entscheidung nur nach Vorlage eines geänderten Abschlussvermerks in Betracht komme. Soweit der Schiedsrichter in Rdn. 151 des Schiedsspruchs ausführt, er erachte die aktivierten Softwareentwicklungskosten als zum Großteil aktivierungsfähig, setzt er sich damit nicht über das Testat des Wirtschaftsprüfers H. hinweg. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass der Schiedsrichter seine - zum Großteil - in Einklang mit der des testierenden Wirtschaftsprüfers stehende Beurteilung nur erwähnt, um zu begründen, weswegen auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Schiedsparteien keine Aussetzung des Schiedsverfahrens gebiete, bis das Verfahren zur eventuellen Abänderung des Testats des Wirtschaftsprüfers abgeschlossen sei.

III. Der Schiedsspruch ist ferner unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragsgegnerin ergangen und auch diesem Grund auf deren begründeten Antrag aufzuheben, § 1059 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO.

1. Die Antragsgegnerin hat sich rechtzeitig auf diesen Gesichtspunkt berufen.

a) Nach § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 nicht zu berücksichtigen, wenn der Aufhebungsgrund nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten geltend gemacht wird, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Antragsteller den Schiedsspruch empfangen hat, §§ 1060 Abs. 2 Satz 3, 1059 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO.

b) Die Antragsgegnerin hat die Aufhebungsgründe vorliegend schon dann rechtzeitig geltend gemacht, wenn vom Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs am 18. November 2005 ausgegangen wird. Danach wäre die Dreimonatsfrist am 18. Februar 2006 abgelaufen. Berufen hat sich die Antragsgegnerin auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs in ihrem Schriftsatz vom 9. Februar 2006 (Bl. 13 d.A.), der bei Gericht am 10. Februar 2006 eingegangen und noch an diesem Tag dem Antragsteller übersandt worden ist.

2. Die Antragsgegnerin hat begründet geltend gemacht, dass der Schiedsspruch unter Verletzung des ihr zu gewährenden rechtlichen Gehörs ergangen ist, § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

a) Das rechtliche Gehör einer Partei ist dann verletzt, wenn diese nicht die Gelegenheit hatte, alles vorzubringen, was ihr für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung schien (Geimer in Zöller/ZPO 25. Aufl. § 1042 Rdn. 6 m.w.Nachw.). Das rechtliche Gehör erschöpft sich hierbei nicht darin, den Parteien Gelegenheit zu geben, alles ihnen erforderlich Erscheinende vorzutragen. Das Schiedsgericht muss das Vorgebrachte vielmehr auch zur Kenntnis nehmen, in Erwägung ziehen und sich mit dem gesamten Parteivorbringen auseinander setzen (Geimer a.a.O. Rdn. 11 a.a.O.). Wie bei der Revisionsbegründung hat die Partei, die sich auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, darzulegen, was bei Gewährung des (vermeintlich) verweigerten rechtlichen Gehörs konkret vorgebracht bzw. von der nicht vernommenen Beweisperson ausgesagt worden wäre und wie sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hätte (Geimer aaO § 1059 Rdn. 40 m.w.Nachw.). Der Nachweis der potentiellen Kausalität reicht aus (Münch in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. § 1059 Rdn. 18).

b) Dem Vorbringen der Antragsgegnerin lässt sich entnehmen, dass sie darauf abhebt, das Schiedsgericht habe nach ausführlicher Beweisaufnahme auch über die Frage der Bilanzierung der Software und des Unterbleibens von Rückstellungen für Überstunden eine Überraschungsentscheidung erlassen. Hätte das Schiedsgericht deutlich gemacht, dass es ohne Prüfung der materiellen Richtigkeit des Jahresabschlusses 2003 allein auf das Testat abzustellen gedenke, hätte sie, die Antragsgegnerin, die Abänderung des testierten Jahresabschlusses in die Wege geleitet und so zumindest die Möglichkeit gehabt, den Abschussprüfer zu einem für sie günstigeren Berichtigungsvermerk zu veranlassen. Statt dessen habe das Schiedsgericht eine zweitägige Beweisaufnahme durchgeführt, die Bilanzierungsfragen betroffen habe, auf die es unter Zugrundelegung der im Schiedsspruch niedergelegten Rechtsansicht des Schiedsrichters nicht entscheidend angekommen sei.

c) Der darin liegende Vorwurf, das Schiedsgericht habe - zumindest durch schlüssiges Verhalten - den Eindruck erweckt, als komme es für seine Entscheidung auf die materielle Richtigkeit des testierten Jahresabschlusses an, ist nach Auffassung des Senats begründet. Dies ergibt sich zum einen aus der Tatsache der Beweisaufnahme. Dieser hätte es nicht - jedenfalls nicht in diesem Umfang - bedurft, wenn das Schiedsgericht von Anfang an der Meinung gewesen wäre, maßgebend sei der testierte Jahresabschluss 2003 und nicht dessen materielle Richtigkeit. Zum anderen konnte die Antragsgegnerin auch der Verfügung vom 27. September 2005 (Anl. AG 23) diese Sichtweise des Schiedsgerichts entnehmen, wonach der Bericht des Wirtschaftsprüfers H. abgewartet und den Parteien sodann Gelegenheit zur Äußerung hierzu geben werden sollte. Dass diese Umstände, insbesondere der vom Schiedsgericht angeforderte Bericht des Wirtschaftsprüfers, die Antragsgegnerin davon abgehalten haben, den Abschlussprüfer H. nachdrücklich zu einer Nachtragsprüfung mit dem Ziel einer Abänderung des testierten Jahresabschlusses der B. GmbH für das Jahr 2003 zu veranlassen und sich dieses Unterlassen ursächlich auf den Inhalt des Schiedsspruchs auswirken konnte, liegt auf der Hand. Das Schiedsgericht hat somit dadurch das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin verletzt, dass es - anders als es die Verfahrensweise erwarten ließ - die Parteien vor Erlass des Schiedsspruchs nicht auf die aus seiner Sicht mögliche, gegebenenfalls ausschließliche Bedeutsamkeit des Bestätigungsvermerks des Wirtschaftsprüfers hingewiesen hat, gleichwohl aber den im September 2005 in Aussicht gestellten Bericht des Abschlussprüfers nicht abgewartet hat.

3. Die Antragsgegnerin ist mit der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ausgeschlossen.

a) Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht dieser Rüge nicht entgegen, dass sich die Antragsgegnerin hierauf nicht schon im Schiedsverfahren berufen hat. Eine solche Präklusion kommt nur dann in Betracht, wenn die Partei, die sich im Vollstreckbarerklärungsverfahren auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, diesen Verfahrensverstoß schon im Schiedsverfahren erkennen konnte. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Die Antragsgegnerin konnte erst mit Erlass des Schiedsspruchs davon Kenntnis nehmen, dass das Schiedsgericht den Standpunkt vertrat, es komme allein auf den mit einem Bestätigungsvermerk versehenen Jahresabschluss 2003, nicht aber auf die materiellen Richtigkeit des Jahresabschlusses an.

b) Das Schiedsgericht musste die Schiedsparteien auf die Erheblichkeit des bestätigten Jahresabschlusses hinweisen, obwohl der Antragsteller sich schon im Schiedsverfahren (vgl. Schiedsspruch Rdn. 49) auf diesen Rechtsstandpunkt gestellt hatte und die Antragsgegnerin damit rechnen musste, dass sich das Schiedsgericht dieser Ansicht anschließt. Wegen der vom Schiedsgericht auch zur Frage der materiell richtigen Bilanzierung durchgeführten Beweisaufnahme und wegen der Verfügung vom September 2005, wonach der Bericht des Abschlussprüfers H. abgewartet werden sollte, bestand für die Antragsgegnerin keine erkennbare unmittelbare Veranlassung, sich selbst an den Wirtschaftsprüfer H. zu wenden, um diesen zu einer Berichtigung seines Bestätigungsvermerks zu veranlassen. Die Antragsgegnerin konnte vielmehr den Eindruck gewinnen, das Schiedsgericht lege seiner Entscheidung den inhaltlich überprüften, materiell richtigen Jahresabschlusses zugrunde. Zumindest musste die Antragsgegnerin nicht damit rechnen, dass das Schiedsgericht in der Sache entscheiden werde, ohne die Parteien davon in Kenntnis zu setzen, dass der Abschlussprüfer den angeforderten Bericht nicht vorgelegt hat.

IV. Da der Schiedsspruch wegem der dargelegten Verfahrensverstöße aufzuheben war, bedurfte es keiner Entscheidung über die hilfsweise erklärte Aufrechnung.

V. Die Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs unter Aufhebung desselben führt dazu, dass der Antragsteller als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Ende der Entscheidung

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