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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: 1 U 152/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253 Abs. 2
Erleidet ein Kind wegen ärztlicher Behandlungsfehler vor und unmittelbar nach der Geburt schwerste hypoxische Hirnschäden, die in einem Bereich liegen, der die denkbar schwerste Schädigung eines Menschen charakterisiert, rechtfertigt dies ein Schmerzensgeld von € 500.000,00.
Oberlandesgericht Stuttgart 1. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 1 U 152/07

Verkündet am 09. September 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Arzthaftung

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dörr Richter am Oberlandesgericht Dr. Häcker Richter am Oberlandesgericht Jakob

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 29.11.2007 - 3 O 179/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 350.000 €

Gründe:

A.

I.

Der am 18.03.1998 im K... krankenhaus geborene Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen eines Geburtsschadens geltend. Rechtsnachfolger des Trägers der Geburtsklinik ist die Beklagte.

Die Haftung ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten alleine um die Höhe des Schmerzensgeldes und die Verjährung eines Teiles der materiellen Schadensersatzansprüche.

Die Mutter des Klägers wurde am Abend des 18.03.1998 gegen 19.10 Uhr in das K... krankenhaus zur Entbindung aufgenommen. Ab 19.16 Uhr erfolgte eine CTG-Kontrolle. Nach einem Blasensprung um 19.30 Uhr begab sich die Mutter um 19.35 Uhr in eine Gebärwanne. Ab diesem Zeitpunkt wurde nur noch eine externe Herzton-Kontrolle aber keine Wehenableitung mehr durchgeführt. Um 20.05 Uhr wurden die Herztöne des Kindes mit einer Frequenz von unter 60/min bradycard. Das Kind erholte sich auch um 20.10 Uhr noch nicht. Um 20.15 Uhr verließ die Mutter die Gebärwanne und wurde in den Kreißsaal gebracht, wo nach Einsetzen der Presswehen eine Vakuumextraktion vorbereitet wurde. Erst um 20.30 Uhr erholte sich das Kind dann etwas. Um 20.55 Uhr lag die Frequenz der kindlichen Herztöne bei 150/min. Um 21.00 Uhr wurde der Kläger spontan geboren. Er war zyanotisch und atmete und bewegte sich nicht. Die APGAR-Werte lagen bei 1 - 2 - 2. Bis 21.15 Uhr wurde er über eine Maske beatmet, bevor er intubiert wurde. Um 21.20 Uhr setzte die Spontanatmung des Klägers ein, um 21.30 Uhr die Spontanmotorik. Nach dem Eintreffen des Kinderarztes um 22.15 Uhr wurde der Kläger extubiert und um 22.40 Uhr in die (Name der Klinik) nach (Ort) verlegt.

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. Dr. H.... in seinem Gutachten vom 15.09.1999 (Anlage K 1) stehen folgende Behandlungsfehler unstreitig fest: Fehlerhaft war es, bei der sich in der Gebärwanne befindenden Kreißenden die Wehentätigkeit nicht abzuleiten. Dadurch war es nicht möglich, die für die Geburtsleitung wichtige Zuordnung zwischen fetaler Herzfrequenz und Wehenverlauf zu kontrollieren. Wäre dies erfolgt, hätte die Bradykardie vermieden bzw. abgekürzt werden können. Außerdem hätte die Gebärende beim Abfallen der Herzfrequenz sofort aus der Gebärwanne herausgenommen werden müssen. Eine wegen der anhaltenden Bradykardie zur Prüfung einer vorzeitigen Geburtsbeendigung erforderliche Fetalblutanalyse wurde nicht durchgeführt. Unmittelbar nach der Geburt wurde behandlungsfehlerhaft kein Nabelschnurblut entnommen, so dass der Säure-Basen-Status nicht bestimmt und keine Aussage zu Schwere und Dauer des intrauterinen Sauerstoffmangelzustandes getroffen werden konnte. Schließlich wurde der Kläger zu lange vergeblich mittels Maske beatmet und zu spät intubiert.

Diese Behandlungsfehler führten - unstreitig - zu schwersten körperlichen und geistigen Schäden. Der Kläger leidet an einer schweren spastischen Tetraparese sowie einer therapieresistenten Epilepsie mit bis zu 15 epileptischen Anfällen täglich. Hinzu gekommen ist inzwischen auch eine hirnorganische Blindheit. Ein Reflux, unter dem der Kläger ebenfalls litt, konnte operativ behoben werden. Der Kläger ist bei allen wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens dauerhaft und ausschließlich auf fremde Hilfe angewiesen. Nur weil er regelmäßig von seinen Eltern und seinen zwei jüngeren Geschwistern gefüttert wird, war eine Umstellung auf Sondenernährung bislang nicht erforderlich. Die motorische Entwicklung entspricht dem Stand eines drei bis vier Monate alten Kindes, die geistige Entwicklung nicht einmal einem Kind dieses Alters. Es ist so gut wie keine Kommunikation mit dem Kläger möglich, nur zu Schmerzbekundungen ist er in der Lage. Er kann aber weder lachen noch weinen. Seine Familie vermag zu erkennen, wenn er zufrieden ist oder sich freut. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich die Situation künftig nicht verbessern lassen.

Die Beklagte hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 153.387,56 € (300.000 DM) bezahlt. Der Kläger fordert dagegen ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 500.000 € und macht den Differenzbetrag in Höhe von 346.612,44 € im vorliegenden Rechtsstreit geltend. Seine materiellen Schäden macht der Kläger mit einem Feststellungsantrag geltend, den die Beklagte anerkannt hat, soweit die Ansprüche bei Rechtshängigkeit noch nicht verjährt waren.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 83 ff. d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Das Landgericht hat der Klage - von einem Teil der geltend gemachten Zinsen abgesehen - in vollem Umfang stattgegeben.

Es hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 € für angemessen. Der Kläger sei auf das Schwerste geschädigt. Seine Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeit sei auf ein Minimum eingeschränkt. Sein Leben werde weitgehend auf die Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen sowie die Vermeidung von Krankheiten und Schmerzen beschränkt bleiben. Eine erhebliche Reduzierung des Schmerzensgeldes dürfe nicht deswegen vorgenommen werden, weil der Kläger aufgrund seiner Schädigung nicht in der Lage sei, die Bedeutung und das Ausmaß seiner körperlichen und geistigen Behinderung und damit sein Schicksal bewusst zu erfassen.

Ein wirksames prozessuales (Teil-)Anerkenntnis des Feststellungsantrages, das gem. § 307 ZPO den Erlass eines Anerkenntnisurteils rechtfertige, habe die Beklagte nicht erklärt. Ein prozessuales Anerkenntnis könne nicht unter einem Vorbehalt erklärt werden, der sich - wie die Einrede der Verjährung - auf den Anspruch selbst beziehe. Ein Anerkenntnisurteil könne auch nicht bezüglich der noch nicht verjährten Ansprüche erlassen werden, da nicht bestimmbar sei, welche Anspruchsteile von dem Anerkenntnis umfasst seien. Schließlich sei mangels substantiierten Vortrags der darlegungsbelasteten Beklagten nicht feststellbar, ob bzw. welche Ansprüche verjährt seien.

Mangels eines wirksamen Anerkenntnisses scheide eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO aus, zumal die Beklagte auch Anlass zur Erhebung der Feststellungsklage gegeben habe, weil sie die Schadensersatzansprüche trotz einer entsprechenden Aufforderung vom 19.10.1999 nicht anerkannt habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

III.

Das Urteil wurde der Beklagten am 04.12.2007 zugestellt (Bl. 95 d. A.). Mit der am 19.12.2007 eingegangenen (Bl. 97 d. A.) und mit Schriftsatz vom 17.03.2008 (Bl. 106 ff. d. A.), eingegangen am selben Tag, innerhalb der Fristverlängerung begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.

Sie ist der Ansicht, das zugesprochene Schmerzensgeld sei überhöht. Das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 153.387,56 € sei ausreichend. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Geschädigte nicht in der Lage sei, sein Schicksal zu erfassen. In einem solchen Fall komme die neben der Ausgleichsfunktion bestehende Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes nicht zum Tragen.

Ein prozessuales Anerkenntnis könne unter dem Vorbehalt erklärt werden, dass die anerkannten Ansprüche noch nicht verjährt seien. Andernfalls habe die Beklagte keine Möglichkeit, die Einrede der Verjährung geltend zu machen und sich bezüglich der nicht verjährten Ansprüche gleichzeitig die vorteilhafte Kostenfolge des § 93 ZPO zu erhalten. Es habe daher ein Anerkenntnisurteil ergehen müssen.

Schließlich habe der Kläger auch die Kosten des Rechtsstreits bezüglich des Feststellungsantrages gem. § 93 ZPO zu tragen. Die Beklagte habe keine Klageveranlassung gegeben. Sie sei zu keiner Zeit, insbesondere nicht mit Schreiben des Klägervertreters vom 19.10.1999 aufgefordert worden, die Haftung dem Grunde nach mit der Wirkung eines Feststellungsurteils anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt daher,

das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg vom 29.11.2007 - 3 O 179/07 - abzuändern und bei Abweisung der Klage im Übrigen festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen vergangenen und zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die fehlerhafte Leitung seiner Geburt am 18.03.1998 im K... krankenhaus sowie aus der fehlerhaften Behandlung und Betreuung nach der Geburt entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Schadensersatzansprüche des Klägers nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind und soweit Ansprüche bei Rechtshängigkeit nicht verjährt waren.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und stützt sich zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtene Entscheidung.

Er führt ergänzend lediglich zur Frage der Klageveranlassung aus, die Beklagte sei auch mit Schreiben vom 01.07.2003 (Anlage K 4) aufgefordert worden, die Ansprüche dem Grunde nach anzuerkennen.

IV.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

Dem Kläger steht gem. § 847 BGB a. F. wegen der immateriellen Schäden, die er in Folge der fehlerhaften Behandlung bei und unmittelbar nach seiner Geburt im K... krankenhaus erlitten hat, ein Schmerzensgeld zu (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB). Die körperlichen und geistigen Schäden, die dem Kläger hierdurch entstanden sind, liegen in dem Bereich, der die denkbar schwerste Schädigung eines Menschen charakterisiert. Daher erachtet der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht einen Betrag in Höhe von 500.000 € für angemessen.

1. Die Funktion des Schmerzensgeldes besteht darin, dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden und ferner Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben. Daher müssen diejenigen Umstände, die dem Schaden sein Gepräge geben, eigenständig bewertet werden. Aus deren Gesamtschau bestimmt sich die angemessene Entschädigung. Liegt der Gesundheitsschaden in einer weitgehenden Zerstörung der Grundlagen für die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit, die den Verletzten in seiner Wurzel trifft und für ihn deshalb existentielle Bedeutung hat, handelt es sich um eine eigenständige Fallgruppe, bei der gerade die Zerstörung der Persönlichkeit im Mittelpunkt steht. Ob der Betroffene sein Schicksal zu empfinden im Stande ist, ist dagegen nicht von zentraler Bedeutung, da andernfalls gerade der Umstand, der die besondere Schwere der zu entschädigenden Beeinträchtigung ausmacht, zum Anlass für eine Minderung des Schmerzensgeldes genommen würde. Die im Vordergrund stehende Schädigung bzw. Zerstörung der Persönlichkeit des Verletzten ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eigenständig zu bewerten. Dabei können je nach dem Ausmaß der jeweiligen Beeinträchtigung und dem Grad der dem Verletzten verbliebenen Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit Abstufungen vorgenommen werden, um den Besonderheiten des jeweiligen Schadensfalles Rechnung zu tragen (BGHZ 120, 1).

2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 € angemessen.

Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger in Folge der grob fehlerhaften Behandlung im K... krankenhaus aufs Schwerste behindert ist. Er leidet unstreitig an einer schweren spastischen Tetraparese und einer therapieresistenten Epilepsie mit bis zu 15 epileptischen Anfällen täglich. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung, an der der Kläger teilgenommen hat, einen Eindruck vom Verlauf eines solchen Krampfanfalles gewonnen. Außerdem leidet der Kläger an einer schwersten geistigen Behinderung und einer mittlerweile hinzugekommenen hirnorganischen Blindheit. Er ist bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens dauerhaft und ausschließlich auf fremde Hilfe angewiesen. Die motorische Entwicklung entspricht dem Stand eines drei bis vier Monate alten Kindes erreicht, die geistige nicht einmal diesem. Grundsätzliche Schritte im Sinne einer Weiter- und Höherentwicklung sind nicht zu erwarten. Sein Zustand wird sich nicht verbessern. Der Kläger ist in der Lage, Schmerzen zu empfinden. Seine Angehörigen nehmen wahr, wenn er sich freut und wenn er unter Schmerzen leidet. Lachen oder weinen kann er hingegen nicht. Eine Kommunikation mit ihm ist nicht möglich.

Somit zählt der Kläger nach der Überzeugung des Senats zu den Fällen, bei denen dem Geschädigten aufgrund einer schwersten Gesundheitsschädigung die Basis für die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit genommen ist. Eine wesentlich schwerere Schädigung ist nicht vorstellbar. Angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Persönlichkeitsrecht zukommt (Art. 1 und 2 GG), hält der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände daher auch ein Schmerzensgeld an der obersten Grenze in einem Betrag von 500.000 € für angemessen (vgl. auch OLG Köln VersR 2007, 219; LG Berlin VersR 2005, 1247 - bestätigt durch KG GesR 2005, 499; OLG Hamm VersR 2002, 1163; VersR 2004, 386; mit geringeren Schmerzensgeldbeträgen: OLG Düsseldorf VersR 2008, 534; OLG Brandenburg VersR 2004, 199; OLG Bremen NJW-RR 2003, 1255).

II.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der aus der fehlerhaften Behandlung entstandenen materiellen Schäden aus positiver Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages und aus unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB zu (Art. 229 §§ 5, 8 Abs. 1 EGBGB).

1. Ein Anerkenntnisurteil gem. § 307 ZPO kann indessen nicht ergehen, weil die Beklagte den Feststellungsantrag nur anerkannt hat, soweit die Ansprüche zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit noch nicht verjährt waren.

a) Der Erlass eines Anerkenntnisurteils setzt voraus, dass das prozessuale Anerkenntnis nicht unter dem Vorbehalt von Einwendungen und Einreden erklärt wird, die den Bestand oder die Durchsetzbarkeit des Anspruchs in Frage stellen und bereits im laufenden Verfahren zu prüfen sind (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 307, Rdnr. 3; Schilken, ZZP 90 (1977), 157, 182).

Einen solchen, ein Anerkenntnisurteil ausschließenden Vorbehalt hat die Beklagte erklärt. Die Einrede der Verjährung betrifft die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruches, der Gegenstand der Feststellungsklage ist. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils schließt die spätere Geltendmachung der Einrede der Verjährung aus, selbst wenn die Einrede mangels Kenntnis zum Zeitpunkt der Feststellungsklage noch nicht geltend gemacht werden konnte (Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO, 3. Aufl., § 322, Rdnr. 159; vgl. zum Mitverschuldenseinwand BGH, Urteil vom 20.05.2008 - X ZR 6/06 - veröffentlicht in juris). Daher kann die Frage, ob der festzustellende Anspruch ganz oder teilweise bereits verjährt ist, bei der Entscheidung über den Feststellungsantrag nicht offen gelassen werden.

b) Auch der Erlass eines Teilanerkenntnisurteils kommt nicht in Betracht.

Ein Anspruch kann zwar gem. § 307 ZPO auch zum Teil anerkannt werden. Ein solches Teilanerkenntnis wäre der Beklagten möglich gewesen. Da nach dem Vortrag der Beklagten eine Verjährung ohnehin nur in Betracht kommt, soweit der geschuldete Schadensersatz in wiederkehrenden Leistungen besteht, die einer von der Verjährung des Stammrechts abweichenden, kürzeren Verjährung gem. § 197 BGB a. F. unterliegen, hätte das Anerkenntnis unter Ausschluss dieser Ansprüche erklärt werden können. Bezüglich der Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen hätte gleichzeitig die Abweisung der Klage beantragt werden können. Auf ein solches Teilanerkenntnis hätte ein Teilanerkenntnisurteil ergehen können.

Eine entsprechendes Teilanerkenntnis hat die Beklagte jedoch nicht erklärt. Ihr Antrag zielte vielmehr darauf ab, die Entscheidung über die Verjährung einer nachfolgenden Zahlungsklage vorzubehalten. Daher wurde auch erst im zweiten Rechtszug auf Hinweis des Senates die Einrede der Verjährung erhoben. Vor dem Hintergrund dieses Antragsziels kommt auch eine entsprechende Auslegung bzw. Umdeutung des von der Beklagten erklärten Anerkenntnisses nicht in Betracht.

2. Der Feststellungsantrag ist insgesamt zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass der in der Vergangenheit liegende materielle Schaden zum Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage bereits beziffert werden konnte (BGH NJW 2003, 2827).

3. Der Feststellungsantrag ist begründet.

a) Das von der Beklagten unter der Einschränkung, dass die festzustellenden Schadensersatzansprüche noch nicht verjährt sind, erklärte Anerkenntnis, führt zwar nicht zum Erlass eines Anerkenntnisurteils. Die Beklagte ist an diese Erklärung gleichwohl materiell-rechtlich gebunden (vgl. BGH NJW 2006, 217; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 307, Rdnr. 14 m. w. N.). Der Senat hat daher nur noch über die bezüglich der Schadensersatzansprüche auf wiederkehrende Leistungen für den Zeitraum von 1998 bis 2003 erhobene Einrede der Verjährung zu entscheiden.

b) Soweit der geschuldete Schadensersatz in wiederkehrenden Leistungen für die Zeit von 1998 bis 2003 besteht, ist bis zum 24.05.2005 keine Verjährung eingetreten; weitergehend ist die Einrede der Verjährung nicht erhoben. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24.05.2005 erstmals auf die Einrede der Verjährung verzichtet, soweit die Ansprüche zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren (Anlage K 13). Dieser Verjährungsverzicht wirkt bis zur Erhebung der Feststellungsklage fort.

aa) Schadensersatzansprüche auf wiederkehrende Leistungen unterlagen vor der am 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform gem. § 197 BGB a. F. einer vierjährigen Verjährungsfrist. Diese Frist begann jeweils am Schluss des Jahres, in dem der Schaden entstanden ist, und galt unabhängig vom Anspruchsgrund (BGH VersR 2000, 1116; VersR 2002, 996). Seit dem 01.01.2002 verjähren diese Schadensersatzansprüche nach der allgemeinen Vorschrift des § 195 BGB n. F. in drei Jahren, beginnend am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte hiervon Kenntnis erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB n. F.). Die Verjährung der in den Jahren 1998 bis 2001 entstandenen Ansprüche richtet sich somit nach Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB.

bb) Nach dieser Vorschrift sind jedoch nicht einmal die Schadensersatzansprüche des Jahres 1998 verjährt, da der Ablauf der Verjährungsfrist vor Eintritt der Verjährung gehemmt wurde. Dasselbe gilt für die sich auf die Folgejahre bis 2003 beziehenden Schadensersatzansprüche.

Der Ablauf der Verjährung ist gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB i. V. m. § 852 Abs. 2 BGB a. F. bzw. ab dem 01.01.2002 gem. § 203 BGB n. F. gehemmt, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz schweben. Dabei beziehen sich die Hemmungstatbestände nicht nur auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, sondern auch auf die vertraglichen Ansprüche (BGH VersR 1998, 377).

Die Parteien, insbesondere die Haftpflichtversicherung der Beklagten, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen muss, haben Verhandlungen über den gesamten zu leistenden Schadensersatz - einschließlich der Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen - spätestens mit der mit Schreiben vom 20.10.2000 erklärten Bereitschaft, in die Schadensregulierung einzutreten (Anlage K 2), aufgenommen.

Zwar wirkt die Verjährungshemmung für einen abtrennbaren Teil der gesamten Ansprüche nicht, wenn die Parteien nur über einen anderen Teil verhandelt haben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Ausnahme, an die strenge Anforderungen zu stellen sind. Im Allgemeinen kann der Berechtigte davon ausgehen, dass Verhandlungen sämtliche Einzelansprüche zum Gegenstand haben sollen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich der dahingehende Wille der Parteien eindeutig ergibt (BGH VersR 1998, 377 m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr lässt sich dem vorgelegten Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Haftpflichtversicherung der Beklagten entnehmen, dass insbesondere der Pflegemehrbedarf von Anfang an in die Verhandlungen mit einbezogen war. Bereits im Schreiben der Haftpflichtversicherung vom 20.10.2000 finden sich Ausführungen zum Pflegemehrbedarf (Anlage K 2). Dasselbe gilt für die Schreiben des Klägervertreters vom 06.08.2002 (Anlage K 14) und die Antwortschreiben der Haftpflichtversicherung vom 23.10.2002 (Anlage K 15) und 14.11.2002 (nicht vorgelegt). Bei der zum Ersatz des Pflegemehrbedarfs gem. § 843 Abs. 1 BGB möglicherweise geschuldeten Mehrbedarfsrente handelt es sich um die wesentliche Schadensposition, für die eine Verjährung gem. § 197 BGB a. F. überhaupt in Betracht kommt. Etwas anderes ist von der Beklagten auch nicht dargetan, zumal Verdienstausfallschäden bei dem im fraglichen Zeitraum bis 2003 gerade einmal fünf Jahre alten Kläger von vornherein nicht in Rede stehen. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat jedenfalls nicht davon zu überzeugen, dass die Parteien bestimmte Ansprüche oder Anspruchsteile ihren Verhandlungen ausdrücklich entziehen wollten. Da hierfür die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist, ist davon auszugehen, dass die durch die Verhandlungen eingetretene Hemmung sich auf den gesamten Schadensersatz erstreckt. Damit ist keine Verjährung eingetreten.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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