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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 02.04.2002
Aktenzeichen: 1 U 7/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 97 | |
ZPO § 412 | |
ZPO § 543 Abs. 1 a.F. | |
ZPO § 543 n.F. | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 713 | |
BGB § 847 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 1 U 7/02
verkündet am 02. April 2002
In Sachen
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht, des Richters am Oberlandesgericht und der Richterin am Landgericht
auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 14.12.2001 - 15 O 417/00 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.669,83 € (= 15.000,00 DM)
Tatbestand:
Die Klägerin stellte sich wegen einer persistierenden Schmerzsymptomatik nach einem Bandscheibenvorfall bei HWK 5/6 am 20.08.1996 in der Klinik für Neurochirurgie der Beklagten vor. Nach einem mündlichen Aufklärungsgespräch mit dem Chefarzt erklärte sie, sich eine Operation erst noch überlegen zu wollen. Am 09.09.1996 wurde sie stationär zur Diskektomie in die Neurochirurgische Klinik der Beklagten aufgenommen und am 10.09.1996 operiert. Die Randwülste der vorgewölbten Bandscheibe wurden abgetragen und in den Zwischenwirbelraum ein vorgeformter Palacosdübel eingebracht. Etwa vier Monate danach traten wieder Beschwerden auf und es zeigte sich eine Instabilität. Am 04.11.1999 erfolgte eine Re-Fusion in einer anderen Klinik, bei der ein coricospongioser Knochenblock der Klägerin verwendet wurde und eine Drei-Monolochplatte eingebracht wurde. Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld. Sie ist der Auffassung, bereits bei der Operation in der Klinik der Beklagten hätte eine Platte eingesetzt werden müssen. Jedenfalls hätte sie über die Möglichkeit der Verwendung von Eigeninterponat aufgeklärt werden müssen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 847 BGB. Sie wurde vor der Operation vom 10.09.1996 ordnungsgemäß aufgeklärt und nicht fehlerhaft behandelt.
1. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sie fehlerhaft behandelt wurde. Nach dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. G gibt es aus den Behandlungsunterlagen, insbesondere dem Operationsbericht, keine Hinweise auf irgend einen Fehler (Gutachten S. 15). Aus der postoperativen Instabilität kann nicht auf einen Fehler geschlossen werden, wie die Klägerin in der Berufungsbegründung meint. Die postoperative Instabilität kommt bei dieser Art der Operation vor (Gutachten S. 13). Die Verwendung eines Palacos-Dübels ist üblich, nach den Schätzungen des Sachverständigen sogar in 70% der Kliniken, und entspricht damit den Regeln der Medizin. Ein Anlass für ein zusätzliches orthopädisches Gutachten bei der neurochirurgischen Operation besteht nicht. Eine weitere Begutachtung kommt nach § 412 ZPO in Betracht, wenn das erste Gutachten unvollständig oder widersprüchlich ist, von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, der Sachverständige nicht die notwendige Sachkunde hat oder ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel verfügt. Keine dieser Voraussetzungen ist dargetan. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass ein orthopädischer Sachverständiger bei einer neurochirurgischen Operation über überlegene Forschungsmittel verfügt oder sachkundiger ist.
2. Die Klägerin wurde über die Operation richtig und ausreichend aufgeklärt.
a) Die Klägerin wurde umfassend über die Risiken der Operation aufgeklärt, auch über die Gefahr einer Instabilität.
Der Patient muss bei der Risikoaufklärung über das Gewicht der medizinischen Indikation einer Operation, also die zeitliche Dringlichkeit, die medizinische Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten, und über die dem Eingriff spezifisch anhaftenden Risiken aufgeklärt werden.
Die Klägerin wurde danach ausreichend aufgeklärt. Dass die Operation nur relativ indiziert war und die Klägerin darauf hingewiesen wurde, ist unstreitig. Der Klägerin wurde schon von Dr. M auch das Risiko der Instabilität des operierten HWS-Abschnitts und damit im Ergebnis der Erfolglosigkeit des Eingriffs genannt. Die Klägerin hat zwar angegeben (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht S. 2), nach ihrer Erinnerung habe er nicht darauf hingewiesen, dass die knöcherne Konsolidierung ausbleiben könne. Der Zeuge Dr. M hat aber glaubhaft bekundet, dass er darauf hingewiesen habe, dass es wie bei einem Knochenbruch sei und die Sache zusammenheilen müsse (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht S. 4). Seine Angaben werden gestützt durch den Zettel, den er verwendet haben will und der in der Ambulanzakte enthalten ist. Dort ist die Instabilität ausdrücklich vermerkt. Dass sich der Zeuge an die Einzelheiten des Gesprächs nicht mehr erinnern konnte, mindert seine Glaubwürdigkeit nicht. An den Beweis der Behandlungsseite gehöriger Erfüllung ihrer Aufklärungspflichten sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Der Feststellung einer ständigen Aufklärungsübung kommt gerade in Verbindung mit einer auch nur skizzenhaften Dokumentation starke Indizwirkung zu (BGH NJW 1994, 3009). Zusammen mit dem, was der Zeuge Dr. M noch konkret erinnerte, ist der Senat danach mit dem Landgericht davon überzeugt, dass er die Klägerin im dargelegten Umfang ausgeklärt hat.
b) Eine Pflicht zur Aufklärung über die Möglichkeit, statt eines Palacosdübels ein Eigenknochen-Interponat zu verwenden, bestand nicht. Zur Behandlungsaufklärung gehört die Erläuterung der konkreten Behandlung. Über Alternativen zur beabsichtigten Behandlung ist nur aufzuklären, wenn die Behandlungsalternativen zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Dabei muss es sich um Unterschiede von Gewicht handeln, nicht nur um eine geringfügig niedrigere Komplikationsrate (BGHZ 102, 17; Geiß-Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. C 23). Zwischen dem Palacos-Dübel und dem Eigenknochen-Interponat bestehen keine Unterschiede von Gewicht. Die Verwendung des Dübels bringt im Vergleich mit der des Eigenknochen-Interponats für den Patienten keine zusätzlichen Belastungen mit sich. Im Gegenteil entfallen sogar die Belastungen und Risiken, die bei der Verwendung von Eigenknochen mit der notwendigen Zweitoperation am Beckenkamm verbunden sind. Die Erfolgschancen bei dem Einbau von Eigenknochen-Dübeln als Abstandhalter sind nicht größer als bei der Verwendung von Fremdmaterial (Gutachten S. 13). In solchen Fällen besteht keine Pflicht zur Aufklärung über die Möglichkeit der Verwendung eines Eigeninterponats, wenn ein gebräuchlicher zugelassener Dübel benutzt wird (BGH - 4. Strafsenat - MedR 1996, 22).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. besteht nicht. Die Rechtsache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Ende der Entscheidung
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