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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 18.11.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 255/02
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 172 Abs. 3 Satz 1 | |
StPO § 205 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Strafsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Ws 255/02
vom 18. November 2002
wegen versuchten Prozessbetruges und Untreue
Tenor:
Der Antrag der Anzeigeerstatter auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 30. September 2002 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Anzeigeerstatter werfen dem Beschuldigten, der Präsident des Verwaltungsrats der T.- AG mit Sitz in /Schweiz ist, versuchten Prozessbetrug und Untreue vor. Dieser habe in dem von der T.- AG vor dem Landgericht - KfH - Stuttgart betriebenen Wechselprozess sich namens der Aktiengesellschaft im Rahmen seiner Parteivernehmung eines Anspruchs aus Wechselbürgschaft gegenüber der Kreissparkasse W. berühmt, obwohl er beim Ankauf der von den Anzeigeerstattern ausgestellten Wechsel um die zugrundeliegenden Absprachen (keine verkehrsfähigen, sondern nur Bonitätswechsel) und um die Fälschungsvorgänge im Zusammenhang mit der Diskontierung der Wechsel (Fälschung der Unterschriften hinsichtlich Indossament und Bankbürgschaft) gewusst habe. Dadurch sei es zu einem (nicht rechtskräftigen) Wechselvorbehaltsurteil und zu dessen Vorbehaltloserklärung gekommen. Für die Vermittlung des Wechselgeschäfts habe der Beschuldigte namens der T.-AG zwei (früheren) Mitbeschuldigten hohe Geldbeträge zukommen lassen.
Der Beschuldigte ist Staatsangehöriger der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit Wohnsitz in U./Schweiz.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist nicht zulässig, weil erden formellen Anforderungen nicht genügt. Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss der Antrag die Tatsachen angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage rechtfertigen sollen. Hierzu gehört eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts, die dem Oberlandesgericht die Möglichkeit eröffnet, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten die Einstellung des Verfahrens zu überprüfen und zu entscheiden, ob - bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts - die Erhebung der öffentlichen Klage in formeller und materieller Hinsicht gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG NJW 2000, 1027; OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 79; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 45. Auflage, § 172 Rdnr. 27 mit weiteren Nachweisen).
An diesen formellen Voraussetzungen für die Erhebung der öffentlichen Klage mangelt es hier nach dem Antragsvorbringen. Aus den von den Anzeigeerstattern vorgelegten Anlagen ergibt sich, dass der Beschuldigte Staatsangehöriger der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweizer Bürger) mit dortigem Wohnsitz und Arbeitsplatz ist. Damit stünde er für ein Strafverfahren vor einem Gericht in der Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung; dass ersieh einem solchen Strafverfahren freiwillig stellen würde, wird von den Anzeigeerstattern nicht behauptet und ist im Übrigen nach der Lebenserfahrung auch völlig unwahrscheinlich. Ein Untersuchungshaftbefehl gegen ihn dürfte nicht ergehen, weil er, der nach der Parteivernehmung im Zivilprozess ohne Bezug auf ein etwaiges Ermittlungsverfahren als Ausländer an seinen ausländischen Wohnsitz zurückgekehrt ist, nicht als flüchtig im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO angesehen werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 112 Rdnr. 13 mit Rechtsprechungsnachweisen). Im Übrigen dürfte er als Schweizer Bürger selbst aufgrund eines deutschen Untersuchungshaftbefehls von seinem Heimatstaat nicht an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert werden (Art. 7 Abs. 1 des Schweizerischen Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen). Würde der Senat bei dieser Sachlage die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigen nach § 175 StPO anordnen, so hätten die deutschen Strafverfolgungsbehörden keine Möglichkeit, der Person des Beschuldigten habhaft zu werden; gegen diesen dürfte vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts jedoch nur in Anwesenheit verhandelt werden, da ein Ausnahmefall nach §§ 232 ff. StPO, der eine Hauptverhandlung in Abwesenheit zuließe, nicht gegeben ist. Mit dem Auslandsaufenthalt des Beschuldigten und der Unausführbarkeit seiner Gestellung vor das zuständige deutsche Gericht liegt eine Verfahrensgestaltung vor, die nach § 276 StPO der länger dauernden Abwesenheit des Beschuldigten an einem unbekannten Aufenthaltsort gleichzustellen ist; in diesen Abwesenheitsfällen ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 205 StPO vorläufig einzustellen (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 1999, 277; Tolksdorf in Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Auflage, § 205 Rdnr. 6). Dasselbe muss auch für die Fälle der Klageerzwingung gelten, in denen die deutsche Strafverfolgungskompetenz wegen des auf der Souveränität beruhenden nationalen Sanktionsvorbehalts an den Staatsgrenzen endet. Der Senat wäre daher im Falle eines hinreichenden Tatverdachts auch nicht befugt, die Bezirksstaatsanwaltschaft Zürich zur Erhebung der öffentlichen Klage anzuweisen.
Da eine Anklageanweisung sonach in jedem Falle nicht zur einer Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten führen könnte, liegt ein Fall vor, der dem in § 205 StPO geregelten ähnlich ist. Während der Zeit der vorläufigen Einstellungsreife des Verfahrens ist daher ebenso wie bei unbekanntem Aufenthalt des Beschuldigten (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 1999, 277; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45 Auflage, § 172 Rdnr. 34) ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wegen der genannten verfahrensrechtlichen Hinderungsgründe für eine Hauptverhandlung nicht zulässig. Denn ein solcher Antrag ist auf ein derzeit unmögliches prozessuales Ziel gerichtet.
Ende der Entscheidung
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