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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 04.01.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 270/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172 Abs. 2 Satz 1
StPO § 172 Abs. 3 Satz 1
Haben der Antragsteller und der Beschuldigte eines Klageerzwingungsverfahrens über den vermögensrechtlichen Verfahrensgegenstand im Zivilprozess einen Vergleich mit Abgeltungsklausel geschlossen, so fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzinteresse für den Klageerzwingungsantrag. Eine Ausnahme gilt nur für unwirksame oder wegen arglistiger Täuschung angefochtene Vergleiche.
Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Strafsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 1 Ws 270/01

vom 04. Januar 2002

in der Anzeigesache

wegen versuchten Betruges.

Tenor:

Der Antrag des Anzeigeerstatters auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 13. November 2001 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wirft der Beschuldigten, mit der er verheiratet war, vor, sie habe ihn in einem nach der Ehescheidung beim Amtsgericht - Familiengericht - B. in den Jahren 1999 bis 2001 anhängigen Zugewinnrechtsstreit zu betrügen versucht (§§ 263 Abs. 1, Abs. 4, 22 StGB). Sie habe bis kurz vor der Trennung der Parteien am 23. August 1997 ein Sparkonto bei der Sparkasse Z. mit einem Guthaben von ca. 67.000,00 DM unterhalten, jedoch im Rahmen der Zugewinnauseinandersetzung dahingehend Auskunft erteilt, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags des Antragstellers am 16. Oktober 1997 nur ein Guthaben von 17.745,60 DM vorhanden gewesen sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 1999 habe sie erklärt, sie habe von dem Konto den vom Kläger (jetzigen Antragsteller) behaupteten Differenzbetrag von ca. 50.000,00 DM nicht abgehoben.

Im Termin vom 25. Januar 2001 wurde der - angebliche - Differenzbetrag erneut zwischen den Parteien streitig erörtert. Hierauf schlossen diese - Antragsteller und Beschuldigte - einen unwiderruflichen Prozessvergleich, in dem sie ihr unbewegliches und bewegliches Vermögen, insbesondere auch vorhandene Bankguthaben endgültig aufteilten. In Ziffer 6 dieses Vergleichs heißt es: "Damit sind sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien abgegolten."

Mit Schriftsatz vom 02. Juli 2001 erstattete der Antragsteller Strafanzeige und stellte Strafantrag gegen die Beschuldigte wegen versuchten Betruges. Nach Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft Hechingen und Zurückweisung seiner Beschwerde durch die Generalstaatsanwaltschaft stellte er am 17. Dezember 2001 Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist nicht zulässig, da dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt.

1. Im Zivilprozess liegt ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers dann vor, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat, zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes ein Zivilgericht in Anspruch zu nehmen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 23. Auflage, Vorbem. 26 vor § 253 m.w.N.). Kann er sein Ziel auf einem einfacheren und billigeren Weg erreichen, weil er bereits einen Titel über die Forderung hat, so ist das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen. Das selbe gilt, wenn das angestrebte Ziel objektiv unerreichbar ist oder wenn der Kläger sich durch die Klage mit seinem früheren Verhalten in unlösbaren Widerspruch setzt. Die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses dient dem Zweck, die personellen und sachlichen Mittel der Justiz nicht für mutwillig oder treuwidrig verfolgte Klageziele zu vergeuden.

Dieselben Grundgedanken gelten für das Klageerzwingungsverfahren, das ähnlich wie das Parteienverfahren ausgestaltet ist. Diese besondere Verfahrensart dient dem Zweck, das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) zu sichern und durchzusetzen (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Auflage, § 172 Rdnr. 1 m.w.N.). Da der Verletzte einer Straftat wegen des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft (§ 152 Abs. 1 StPO) ein Strafverfahren gegen den der Tat hinreichend Verdächtigen nicht selbst einleiten kann, gibt ihm § 172 StPO die Möglichkeit, die Staatsanwaltschaft in einem gerichtlichen Kontrollverfahren zur Anklageerhebung zu zwingen (§ 175 StPO). Eine Erzwingung der öffentlichen Klage gegen den Willen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse daran hat, die - unmittelbare - Verletzung seiner Rechte, Rechtsgüter oder rechtlich geschützten Interessen im Wege der Strafverfolgung geahndet zu sehen. Bei durch den Verfahrensgang überholten Antragszielen ist dies nicht der Fall. Der Senat hat bereits entschieden, dass das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers dann entfällt, wenn dieser in einem zivilprozessualen Vergleich erklärt hat, er verfolge den Klageerzwingungsantrag nicht weiter (Beschluss vom 05. Dezember 2001 - 1 Ws 241/01); dasselbe gilt, wenn der Antragsteller im Vergleich zum Ausdruck gebracht hat, er habe an der Strafverfolgung des Beschuldigten kein Interesse mehr (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Auflage, § 172 Rdnr. 17).

2. Die Frage, ob bei dem Beschuldigten angelasteten Vermögensstraftaten das Rechtsschutzinteresse auch durch einen zivilprozessualen Vergleich mit Abgeltungsklausel entfällt, wenn in dem Vergleich das Schicksal des Klageerzwingungsverfahrens mangels Anhängigkeit noch gar nicht geklärt werden konnte, ist bisher weder in der Rechtsprechung entschieden noch im Schrifttum erörtert worden. Der Senat bejaht diese Frage.

Ein Prozessvergleich, der wegen seiner Doppelnatur sowohl eine Prozesshandlung als auch ein materiell-rechtliches Rechtsgeschäft enthält (BGHZ 28, 171), ist darauf angelegt, den Streit oder die Ungewissheit der Parteien im Wege gegenseitigen Nachgebens durch einen Vertrag zu beseitigen (vgl. § 779 BGB). Dabei kann sich die Unsicherheit auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte beziehen. Entscheidend ist, dass die Parteien - nicht das Gericht - eine neue vertragliche Grundlage für ihre Rechtsbeziehungen schaffen. Die gütliche Einigung kann sich sowohl auf den Streitgegenstand des Zivilprozesses beschränken als auch darüber hinausgehen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 61. Auflage, § 779 Rdnrn. 1 a f., insbesondere 29).

Hier haben der Antragsteller und die Beschuldigte im Rechtsstreit über den Zugewinnausgleich vor dem Amtsgericht - Familiengericht - ihre vermögensrechtlichen Beziehungen nach der Ehescheidung durch Prozessvergleich neu geordnet. Einbezogen waren neben einer Immobilie verschiedene Konten, darunter auch dasjenige der Beschuldigten (Beklagten) bei der Sparkasse Z. Dieses Konto ist im Vergleich zwar nicht ausdrücklich erwähnt; sein Stand wurde jedoch ausweislich des Verhandlungsprotokolls, das auch den Vergleich vom 25. Januar 2001 enthält, erörtert. Der Streit der Parteien über die Differenz von ca. 50.000,00 DM ist daher mit der in Ziffer 6 des Vergleichs enthaltenen Abgeltungsklausel hinsichtlich sämtlicher Ansprüche zwischen den Parteien endgültig beigelegt worden. Auch insoweit sollte nach dem Willen der Parteien eine endgültige Regelung getroffen werden und die Befriedigungswirkung des Vergleichs eintreten. Der Streit ist auch insoweit endgültig bereinigt worden. Damit verträgt es sich nicht, dass der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17. Dezember 2001 gegen die Beschuldigte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen die Einstellung des durch seine Strafanzeige vom 02. Juli 2001 in Gang gekommenen Ermittlungsverfahrens gestellt hat. Ein derartiges Prozessverhalten ist in sich widersprüchlich und damit treuwidrig. Der Senat hatte bereits des öfteren Fälle zu entscheiden, in denen wegen desselben vermögensrechtlichen Verfahrensgegenstandes ein Zivilprozess geführt und ein Klageerzwingungsantrag gestellt wurde; häufig wurde dabei das Klageerzwingungsverfahren zur Beweismittelbeschaffung missbraucht oder es sollte dazu dienen, der im Zivilprozess unterlegenen Partei einen Grund für dessen Wiederaufnahme zu liefern. Das ist - abgesehen von den Fällen des § 154 d StPO - legitim. In sich widersprüchlich und damit treuwidrig ist es hingegen, den Zivilrechtsstreit durch einen Vergleich mit Abgeltungsklausel endgültig mit befriedender Wirkung abzuschließen, den Konflikt jedoch auf der Ebene des Strafprozessrechts fortzusetzen. Durch ein solches Prozessverhalten wird die knappe Ressource Recht vergeudet und die ohnehin stark in Anspruch genommene Strafjustiz in unnötiger Weise belastet. Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers ist daher zu verneinen, wenn nach einem zivilprozessualen Vergleich mit Abgeltungsklausel das Klageerzwingungsverfahren wegen des selben vermögensrechtlichen Verfahrensgegenstands doch noch betrieben wird.

Eine Ausnahme muss allerdings für den Fall gelten, dass ein Irrtum beider Parteien über die Vergleichsgrundlage vorgelegen hat, der zur Unwirksamkeit des Vergleichs führte (§ 779 Abs. 1 BGB), oder dass der Vergleichsabschluss durch die arglistige Täuschung (§ 123 BGB) einer Partei durch die andere herbeigeführt worden war und der Geschädigte den Vergleich hierwegen angefochten hat. Derartige Umstände müssten - wie der Vergleichsschluss als solcher - in jedem Falle vom Antragsteller vorgetragen werden (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO).

Ein solcher defekter Vergleich liegt hier nach dem Antragsvorbringen nicht vor. Vielmehr hatten sich der Erkenntnisstand und der Vortrag der Parteien sowie die Beweislage seit Prozessbeginn im Jahre 1999 nicht verändert. Der wirksame Prozessvergleich hindert daher die Fortsetzung des Konflikts mit den Mitteln des Strafprozessrechts. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Ende der Entscheidung

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