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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 280/06
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 57 Abs. 1 Nr. 2 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Strafsenat - Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Ws 280/06
vom 5. Oktober 2006
in der Strafvollstreckungssache gegen
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Ellwangen vom 21. August 2006 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2003 - 17 KLs 202 Js 13837/01 - wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen Untreue in 125 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren festgesetzt. Die Verurteilte hatte als Buchhalterin von den Konten ihres Arbeitgebers, eines Reiseunternehmens, insgesamt knapp 1,5 Mio. € für eigene Zwecke abgehoben und vollständig verbraucht. Nachdem sie (unter Anrechnung der Untersuchungshaft) etwa 1 Jahr und 8 Monate der verhängten Strafe verbüßt hatte, entschloss sie sich zur Flucht. Unter dem Vorwand erheblicher Beschwerden ließ sie sich am 1. Dezember 2003 in in in eines der dortigen Arrestkrankenzimmer verlegen. In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 2003 rief sie - dem von ihr entwickelten Fluchtplan gemäß - die sie bewachende Vollzugsbeamtin auf ihr Zimmer und bat sie, das Fenster zu kippen. Sie hatte vor, die Vollzugsbeamtin in dieser Situation zu überwältigen, um aus dem Krankenhaus flüchten zu können. Während des Kampfes schlug die Verurteilte der Vollzugsbeamtin eine Glasgetränkeflasche auf den Hinterkopf, wobei die Beamtin jedoch entgegen der Erwartung der Verurteilten nicht zusammenbrach, sondern vielmehr in der Lage war, um Hilfe zu rufen und den Fluchtversuch dadurch zu vereiteln. Die Vollzugsbeamtin erlitt multiple Hämatome am Brustkorb, eine Schädelprellung, sowie eine Beule am Hinterkopf. Wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilte das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd die Beschwerdeführerin daraufhin am 23. August 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, die sie mittlerweile vollständig verbüßt hat.
Den Antrag der Verurteilten auf Aussetzung des Strafrestes der durch das Landgericht Stuttgart verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wegen Untreue von 4 Jahren, von welcher Strafe etwas mehr als zwei Drittel verbüßt sind, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ellwangen mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Hiergegen richtet sich die rechtzeitige sofortige Beschwerde der Verurteilten. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB liegen nicht vor. Die Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe von 4 Jahren wegen Untreue kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden. Zwar ist die Verurteilte bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe wegen Untreue Erstverbüßerin. Für den Regelfall begründet dies die Annahme, dass die Strafe ihre spezialpräventiven Wirkungen jedenfalls nach Verbüßung von zwei Dritteln entfaltet hat und es verantwortbar ist, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen (BGH NStZ-RR 2003, 200; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Auflage, § 57 Rdn. 14 m. w. N.). Vorliegend hat die Verurteilte diese Vermutung jedoch durch die in der Strafhaft begangene gefährliche Körperverletzung eindrucksvoll widerlegt. Begeht jemand, der wegen eines erheblichen vorsätzlichen Deliktes eine Freiheitsstrafe verbüßt, während der Zeit der Strafverbüßung eine erneute planvoll ausgeführte und gewichtige Straftat, insbesondere ein Gewaltdelikt gegen Vollzugsbedienstete, so bringt er dadurch in der Regel eine rechtsfeindliche Gesinnung zum Ausdruck, die durch den Vollzug der Strafe nicht beeinflusst werden konnte. Der Strafvollzug hat in einem solchen Fall seine spezialpräventive Wirkung verfehlt. Dies verhindert auch bei einem Erstverbüßer die Annahme einer positiven Prognose als Voraussetzung für eine bedingte vorzeitige Entlassung.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beschwerdeführerin geltend macht, mit ihrer Flucht habe sie vermeiden wollen, gegen einen Tatbeteiligten, mit dem sie befreundet gewesen sei, als Zeugin aussagen zu müssen. Die darin begründete Unannehmlichkeit ist nicht so gewichtig, dass sie geeignet wäre, Verständnis für ihren Fluchtversuch und die dabei begangene Straftat zu wecken.
Die Strafvollstreckungskammer hat die Strafrestaussetzung zu Recht abgelehnt. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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