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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 14.04.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 32/09
Rechtsgebiete: StGB, GmbHG


Vorschriften:

StGB § 2 Abs. 3
StGB § 266 Abs. 1
StGB § 266 Abs. 1 2. Var.
GmbHG § 30 Abs. 1
GmbHG § 64 Satz 1
GmbHG § 64 Satz 3
(1) Aufgrund der mit der Änderung von § 30 GmbHG und Aufhebung von §§ 32 a und b GmbHG eingetretenen Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ist allein aufgrund der Rückgewähr eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen oder gleichstehender Leistungen eine Strafbarkeit wegen Untreue gem. § 266 Abs. 1, 2. Var. StGB (Treubruchtatbestand) nach § 2 Abs. 3 StGB auch rückwirkend entfallen.

(2) Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH wegen existenzvernichtenden Eingriffs (§ 266 Abs.1 2. Var. StGB i.V.m. § 64 S. 1, S. 3 GmbHG [n.F]) durch Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen oder diesen gleichstehenden Leistungen besteht auch nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts weiter, wenn dies für den Geschäftsführer erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt bzw. diese vertieft. Insofern besteht für Taten, die vor dem Inkrafttreten des MoMiG begangen wurden, Unrechtskontinuität zur heute geltenden Rechtslage mit der Folge, dass eine Strafbarkeit nicht gem. § 2 Abs. 3 StGB entfallen ist.


Oberlandesgericht Stuttgart

- 1. Strafsenat -

Beschluss

vom 14. April 2009

Geschäftsnummer: 1 Ws 32/09

152 Js 11078/03 StA Stuttgart

in der Strafsache gegen

wegen Untreue.

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird der Beschluss der 6. Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Stuttgart vom 29. Januar 2009 aufgehoben,

die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 29. November 2005 zugelassen und das Hauptverfahren vor der 6. Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Stuttgart eröffnet.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen den Kosten in der Hauptsache.

Gründe:

I.

1. Die Angeklagten waren in der Zeit vom 11. März 1997 bis 10. Mai 2001 Geschäftsführer der am 19. Juli 1991 gegründeten GmbH), die Systemmöbel herstellte. Das Stammkapital der betrug zu-letzt 110.000,-- DM. Ab dem 10. Mai 2001 wurde der Angeklagte zum Alleingeschäftsführer der -GmbH bestellt. Alleingesellschafterin der -GmbH ist seit 16. Oktober 1998 die Firma , deren Generaldirektor der Angeklagte ist. Gesellschafterin der ist die Firma . 1999 gewährte die Firma der -GmbH ein Gesellschafterdarlehen über insgesamt 1.000.000.-- DM und die Firma ein solches über 700.000,-- DM. Die Bilanz der -GmbH hatte zum 31. Dezember 1999 einen Fehlbetrag von 2.428.468,46 DM und einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.870.802,57 DM ausgewiesen.

Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 29. November 2005 war die -GmbH seit dem 30. September 2000 zahlungsunfähig, als die Kredite über 650.000,-- DM sowie die Avalkreditlinie über 200.000.-- DM zum 30. September 2000 fällig stellte und seit deren Rückführung am 13. September 2000 keine weiteren Kreditmöglichkeiten mehr bestanden hätten. Spätestens zum 31. Dezember 2000 sei die Gesellschaft überschuldet gewesen, nachdem die Bilanz zum Stichtag einen Fehlbetrag von 2.333.677,69 DM ausgewiesen habe. Die tatsächliche Überschuldung habe mindestens 2.048.447,69 DM betragen.

Zwar hätte der Angeklagte am 29. Februar 2000 und 22. Juni 2000 Rangrücktrittserklärungen bezüglich der eigenkapitalersetzenden Darlehen der und der sowie von Forderungen aus Lieferung und Leistung der über 2.065.149,51 DM abgegeben, diese seien jedoch lediglich formeller Natur und daher unwirksam gewesen, nachdem sich die Angeklagten entschlossen hätten, sich in der Krise des Vermögens der -GmbH zur bestmöglichen Rückführung der Verbindlichkeiten zu bemächtigen.

Im Einzelnen sollen die Angeklagten folgende Handlungen begangen haben.

* Die Angeklagten hätten in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung es innerhalb der gesetzlichen Frist vom 21. Oktober 2000 bis zu ihrem Ausscheiden als Geschäftsführer am 10. Mai 2001 und der Angeklagte vom 10. Mai 2001 bis zum 28. Januar 2002 vorsätzlich unterlassen, Insolvenzantrag zu stellen (Insolvenzverschleppung gem. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG [a. F] - Fall 1).

* Die Angeklagten hätten in Kenntnis der Krise der Gesellschaft und ihrer Vermögensbetreuungspflicht die Insolvenz der -GmbH dadurch vertieft, dass sie entgegen dem Auszahlungs- und Verrechnungsverbot des § 30 GmbHG [a. F.] die Kaufpreisforderung der -GmbH über 723.259,60 DM aus dem am 31. Oktober 2000 erfolgten Verkauf des gesamten Warenlagers an die mit deren Forderungen aus Lieferung und Leistung am 31. Oktober 2000 verrechnet, weshalb die -GmbH entsprechend geschädigt worden sei. Der Angeklagte hätte hierbei die Angeklagten bestärkt und unterstützt (Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante StGB bzw. Beihilfe zur Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante, 27 StGB - Fall 2).

* Die Angeklagten und nach deren Ausscheiden der Angeklagte hätten es unterlassen, eine ausstehende Gesellschaftereinlage der über 75.000,-- DM einzuziehen, weshalb die -GmbH einen entsprechenden Vermögensnachteil erlitten habe. Der Angeklagte hätte hierbei die Angeklagten bestärkt und unterstützt (Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante StGB bzw. Beihilfe zur Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante, 27 StGB - Fall 3).

* Die Angeklagten hätten, entgegen dem ihnen bekannten Auszahlungs- und Verrechnungsverbot des § 30 GmbHG [a. F.] die aus einem Lizenzverkauf vom 27. März sowie 04. und 23. April 2001 gegen die bestehende Kaufpreisforderung über 600.000,-- DM zum 31. März 2001 mit deren eigenkapitalersetzender Forderung aus Lieferung und Leistung verrechnet, wodurch der -GmbH ein Vermögensnachteil entstanden und die Insolvenz der Gesellschaft vertieft worden sei. Der Angeklagte habe die Angeklagten hierbei bestärkt und unterstützt (Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante StGB bzw. Beihilfe zur Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante, 27 StGB - Fall 4).

* Der Angeklagte habe als Geschäftsführer der -GmbH zwischen Mai bis Dezember 2001 in insgesamt 8 Fällen Kundenforderungen der -GmbH über insgesamt 2.366.693,12 DM, die am 13. Oktober 2000 sicherungshalber an die abgetreten worden waren, für diese eingezogen und mit Forderungen der an die -GmbH aus Lieferung und Leistungen verrechnet. Infolge der Krise der -GmbH seien diese zu Eigenkapitalersatz geworden und hätten aufgrund des Auszahlungs- und Verrechnungsverbots des § 30 GmbHG [a. F.] nicht zurückgeführt werden dürfen. Ihm sei dabei bekannt gewesen, dass das Vermögen auch aus der objektiven Sicht eines ordentlichen Kaufmannes im Entnahmezeitpunkt in absehbarer Zeit zur Bedienung der Verbindlichkeiten der -GmbH und zur Abdeckung der Überschuldung benötigt wurde (Untreue gem. § 266 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante StGB - Fälle 5 - 12)

2. Die Strafkammer hat mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der Untreuestraftaten in den Fällen 2 sowie 4 bis 12 abgelehnt und wegen der verbliebenen Tatvorwürfe in den Fällen 1 und 3 unter Zulassung der Anklage das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - eröffnet.

Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Untreue bzw. Beihilfe durch die Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen und Leistungen sei aufgrund der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 eingetretenen Änderungen des GmbHG gem. § 2 Abs. 3 StGB entfallen. § 266 Abs. 1, 2. Variante StGB verweise als Blankettgesetz u.a. auf die blankettausfüllenden Normen des GmbHG. Nach dem zur Tatzeit geltenden § 32 a GmbHG seien u.a. Gesellschafterdarlehen als Eigenkapital dem Rückleistungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG [a. F] unterfallen. Bei einem bewusst pflichtwidrigen Verstoß habe sich daher der Geschäftsführer einer GmbH der Untreue nach § 266 Abs. 1, 2. Alternative StGB schuldig gemacht. Da nach der Novellierung des GmbH-Gesetzes durch das MoMiG die §§ 32 a und 32 b GmbHG jedoch ersatzlos aufgehoben und in § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG die Zulässigkeit der Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen normiert worden sei, bestehe nach heutiger Rechtslage eine Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB i.V.m. § 30 Abs. 1 GmbHG nicht mehr.

Eine Strafbarkeit wegen Untreue durch einen existenzgefährdenden / -vernichtenden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen sei nach den durch das MoMiG eingetretenen Änderungen ebenfalls nicht mehr gegeben. Durch die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen würde in der Krise die Überschuldung der GmbH nicht erhöht. Die Rückgewähr bewirke zwar eine entsprechende Abnahme der Aktiva, die jedoch durch die Verminderung der Passiva kompensiert werde. Nachdem die Zahlungsunfähigkeit der -GmbH bereits zum 30. September 2000 eingetreten sei, konnten nach einer Beurteilung aufgrund des neuen Rechts durch die zulässigen und damit auch nicht als sittenwidrige Schädigung im Sinne der neueren zivilrechtlichen BGH-Rechtsprechung zu bewertenden Rückgewährleistungen hierdurch eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft nicht mehr kausal herbeigeführt werden.

3. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist § 266 StGB keine Blankettnorm. Die sich "kraft Gesetzes" ergebende Treupflicht des Geschäftsführers sei als normatives Tatbestandsmerkmal § 43 Abs. 1 GmbHG zu entnehmen, wonach dieser die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden habe. Sie richte sich ausschließlich nach dem zur Tatzeit geltenden Recht, so dass für eine Anwendung von § 2 Abs. 3 StGB kein Raum bleibe. Hierbei sei insbesondere beachtlich, dass der BGH am 26.01.2009 (II ZR 260/07) entschieden habe, dass zivilrechtlich für Altfälle der Rechtszustand vor Inkrafttreten des MoMiG zu gelten habe.

Auch nach der Änderung des GmbH-Gesetzes bleibe es darüber hinaus bei einer Haftung der Geschäftsführer nach §§ 64 Satz 1 und 3, 43 GmbHG, da diese keine Zahlung an Gesellschafter leisten dürften, wenn dies die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführe. Eine insolvenzverursachende Anweisung des Gesellschafters, Darlehen zurückzuzahlen, sei nach der neuen Rechtslage ebenso nichtig wie eine insolvenzvertiefende. Der Gesellschafter erhalte nämlich Befriedigung einer Forderung, die mit dem Makel des "Nichtbehaltendürfens" belastet sei. Auch nach der neuen Rechtslage habe ein gewissenhafter Geschäftsführer das Ausschüttungsverbot des § 64 Satz 3 GmbHG zu beachten, da Schutzobjekt das im Gläubigerinteresse gebundene Gesellschaftsvermögen selbst und nicht die Forderung des einzelnen Gläubigers sei.

4. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart beigetreten. Sie ist der Auffassung, dass § 2 Abs. 3 StGB vorliegend keine Anwendung finden könne, da durch das MoMiG außerstrafrechtliche Normen geändert worden seien, die zugrundeliegende Strafnorm § 266 StGB jedoch unverändert geblieben sei. Für Altfälle gelte weiterhin die Regelung wie sie vor dem Inkrafttreten des MoMiG gegolten habe, insbesondere seien für diese Fälle die §§ 32 a, 32 b GmbHG weiter anwendbar. Im übrigen sei auf § 64 GmbHG n. F. zu verweisen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg.

1. Die Angeklagten sind auch nach der durch das MoMiG zum 01. November 2009 in Kraft getretenen Änderung des GmbHG der ihnen in der Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart zur Last gelegten Untreuestraftaten (§ 266 Abs. 1 StGB - Treubruchtatbestand) im Zusammenhang mit der ihnen zur Last gelegten Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen bzw. -Leistungen nach Eintritt der Krise durch den danach erfolgten Verkauf des Warenbestandes bzw. von Lizenzrechten sowie den Einzug abgetretener Kundenforderungen hinreichend verdächtig.

In den Fällen 2 und 4 sowie 5 bis 12 der ihnen in der Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 29. November 2005 zur Last gelegten Taten besteht aufgrund der Ermittlungen der Kriminalpolizei, wie sie insbesondere im Ermittlungsbericht vom 27. April 2005 (EO 1, Bl. 1-19) zusammengefasst sind, in objektiver und subjektiver Hinsicht mit einer zur Eröffnung des Hauptverfahrens in tatsächlicher Hinsicht erforderlichen Wahrscheinlichkeit hinreichender Tatverdacht.

Im Fall 3 liegt es bezüglich des Angeklagten jedoch nahe, anstatt der ihm zur Last gelegten Beihilfe zur Untreue Täterschaft anzunehmen, da dieser es ab dem 10. Mai 2001 auch als Geschäftsführer unterlassen haben soll, die ausstehende Gesellschaftereinlage der einzufordern.

A) Zutreffend ist das Landgericht jedoch davon ausgegangen, dass aufgrund der durch das MoMiG eingetretenen Änderung des GmbH-Gesetzes, insbesondere die Änderung des § 30 GmbHG und die ersatzlose Aufhebung von §§ 32 a und b GmbHG, und damit der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechtes, gemäß § 2 Abs. 3 StGB eine Untreuestrafbarkeit wegen der Rückgewähr von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen auch rückwirkend entfallen ist.

aa) Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber die seitherigen Rechtssprechungs- und Novellenregeln zum Erhalt des Eigenkapitals und eigenkapitalersetzender Leistungen der Gesellschafter einer GmbH aufgehoben. Dementsprechend wurden die §§ 32 a und 32 b GmbHG gestrichen, der Begriff "Krise" aus dem Gesetz getilgt und obendrein in Gestalt einer Nichtanwendungsnorm (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n. F.) der Rechtsprechung verboten, die Rechtsprechungsregeln weiter zu praktizieren (Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 25). Nach der Begründung des Gesetzentwurfes soll es den Gesellschaftern damit erleichtert werden, mit ihrer Gesellschaft alltägliche und wirtschaftlich sinnvolle Leistungsbeziehungen zu unterhalten. Ernstzunehmende Schutzlücken entstünden nicht oder würden durch flankierende Regelungen und Schutzinstrumente im Gesellschaftsrecht, dem Deliktsrecht, den Rechtsprechungsregeln über den existenzvernichtenden Eingriff, der Geschäftsführerhaftung nach § 43 GmbHG und der Insolvenzanfechtung geschlossen. Der neue § 64 Abs. 2 GmbHG werde zudem zielgenau Ausplünderungen durch Gesellschafter im Vorfeld der Insolvenz verhindern (BT-Drucksache 16/6140, S. 41 - zu Nr. 20, Neufassung von § 30 Abs.1 GmbHG).

Da der Gesetzgeber das bisherige Kapitalersetzrecht völlig beseitigt hat, dürfen Gesellschafterdarlehen und diesen wirtschaftlich gleichstehende Leistungen nunmehr vorinsolvenzlich selbst in der Krise abgezogen und an den Gesellschafter zurückgewährt werden (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG; vgl. auch Bittmann NStZ 2009, 113; derselbe wistra 2009, 102; Livonius, wistra 2009, 91).

bb) In Konsequenz dieser Gesetzesänderungen erhält § 266 Abs. 1 StGB in Gestalt der Treubruchsvariante, für diese Fallgestaltungen einen anderen Regelungsinhalt. § 266 Abs. 1, 2. Variante StGB verzichtet ganz auf eine Handlungsbeschreibung und verweist auf andere Rechtsnormen und wird daher erst im Zusammenlesen mit den tatbestandsausfüllenden Normen zu einem vollständigen Straftatbestand (Fischer, StGB, 56. Aufl., § 1 Rdnr. 5). Die "kraft Gesetzes" zu bestimmende Vermögensbetreuungspflicht stellt daher keinen auslegungsfähigen unbestimmten Rechtsbegriff dar, sondern ist aufgrund des auf außertatbestandsmäßige Gesetze verweisenden Normbefehls eindeutig ein Blankettgesetz.

Bei der Anwendung von § 2 Abs. 3 StGB auf Blankettvorschriften und bei einer Änderung der Ausfüllungsnorm bleibt der Wortlaut der Strafvorschrift, um deren Anwendung es geht, unberührt. Gleichwohl ändert sich das Strafrecht, denn in aller Regel wird in Strafnormen nicht auf die zur Zeit des Normerlasses geltenden Regeln, sondern auf die jeweils geltenden Normen verwiesen. Eine Änderung blankettausfüllender Normen bewirkt damit eine Änderung des Blankettstrafgesetzes selbst (vgl. BGHSt 20, 177, OLG Stuttgart NStZ 1990, 88; LK - Dannecker, StGB, 12. Aufl., § 2 RdNr. 77). Sowohl das Erfordernis des Gesetzesvorbehalts als auch der dem Milderungsgebot zugrundeliegende Gedanke, die verbessernde Rechtserkenntnis auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte anzuwenden, spricht für eine uneingeschränkte Anwendung des Milderungsgebotes auf blankettausfüllende Normen. Wenn das ausfüllende Gesetz aufgehoben wird, fehlt zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Eingriffsermächtigung, die eine Bestrafung ermöglicht.

cc) Obwohl die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG erst ab 01. November 2008 als rechtmäßig anzusehen ist, ist - wie die Strafkammer zu Recht ausführte - eine Verurteilung wegen Untreue zum jetzigen Zeitpunkt mit der Begründung unzulässiger Rückgewähr von Kapitalersatz gem. § 2 Abs. 3 StGB nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber hat einem solchen Geschehen nach neuer Rechtslage kein soziales Unwerturteil (mehr) beigemessen und hält die - gegenüber dem früheren Recht - erweiterte Anfechtung aus Gläubigerschutzgründen für ausreichend (Bittmann, wistra 2009, 102, 103; NStZ 2009, 113, 117).

Wenn auch die zivilrechtliche Rechtsprechung im Hinblick auf die Gesellschafterhaftung für sog. Altfälle das vor Inkrafttreten des MoMiG geltende Recht anwendet (vgl. BGH Beschluss vom 26.01.2009, II ZR 260/07 - Juris; OLG Köln, NZI 2009, 128) so hat dies für die Frage der Strafbarkeit keine unmittelbare Auswirkung, da § 2 Abs. 3 StGB jeden Wandel in der Auffassung über Recht und Unrecht und damit über die Strafwürdigkeit dem Täter auch für frühere Taten zu Gute kommen lassen will (LK - Dannecker aaO, § 2 Rdnr. 56; Bieneck in Müller-Guggenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Auflage, § 80 Rdnr. 26). Anders als im Zivilrecht gebietet es gerade § 2 Abs. 3 StGB, Änderungen der gesetzlichen Regelungen dem Angeklagten zu Gute kommen zu lassen.

B) Die Aufhebung der §§ 32 a und 32 b GmbHG und die Änderung von § 30 GmbHG führt jedoch im Ergebnis nicht zu einer Straflosigkeit der Angeklagten. Die mögliche Strafbarkeit der Angeklagten wegen existenzvernichtenden Eingriffs (§ 64 S. 1, S. 3 GmbHG) besteht weiterhin fort.

aa) Eine gem. § 2 Abs. 3 StGB maßgebliche Änderung blankettausfüllender Normen führt nicht in jedem Fall und zwingend zur Straflosigkeit. Die Strafbarkeit entfällt nicht, wenn auch nach der neuen Regelung Unrechtskontinuität besteht (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 27. Aufl., § 2 RdNr. 26; LK-Dannecker a.a.O., § 2 Rdnr. 63). Dies ist dann gegeben, wenn - ähnlich wie bei Änderungen von rein strafrechtlichen Tatbestandsmerkmalen - der Schutzzweck und die Angriffsrichtung des (Blankett-) Tatbestandes und damit auch das verwirklichte Unrecht im wesentlichen unberührt bleiben.

bb) Die durch das MoMiG vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen des GmbHG haben § 43 GmbHG unverändert gelassen, wonach der Geschäftsführer einer GmbH in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden hat. Ihnen ist bei eigener Haftung untersagt (§ 43 Abs. 3 GmbHG), entgegen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG das Stammkapital der Gesellschaft auszuzahlen. Dies gilt zwar nunmehr grundsätzlich nicht mehr für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen, § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG [n.F.]. Diese dürfen nach § 64 Satz 3 GmbHG [n.F]. aber dann nicht zurückgezahlt werden, wenn dies für den Geschäftsführer erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen würde.

Entgegen den Verbotsregelungen erfolgende Zahlungen an Gesellschafter bleiben daher als Untreue zum Nachteil der Gesellschaft gemäß § 266 StGB strafbar, wenn sie zur Zahlungsunfähigkeit führen (vgl. Bittmann, NStZ 2009, 113, 118; Livonius wistra 2009, 91, 95; Bittmann wistra 2009, 102, 103). Insoweit ist die, auch strafrechtliche, Haftung des Geschäftsführers bei der Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen im wesentlichen unverändert geblieben, wenn sie die Insolvenzreife bewirkt (Bittmann, wistra 2009, 103).

Dieses Ergebnis war auch vom Gesetzgeber gewollt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum MoMiG (BT-Drucksache 16/6140, S. 46 - zu Nr. 43, Änderung von § 64 GmbHG) soll durch die Ergänzung des bisherigen § 64 Abs. 2 GmbHG dafür Sorge getragen werden, dass künftig Geschäftsführer auch für Zahlungen an Gesellschafter haften, die die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge haben müssen, es sei denn, dass dies aus Sicht eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht erkennbar war. Damit richtet sich die Neuregelung gegen den Abzug von Vermögenswerten, welche die Gesellschaft bei objektiver Betrachtung zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt und bestätigt die Haftung des Geschäftsführers wegen eines "existenzvernichtenden Eingriffs". Er setzt jetzt nur nicht mehr beim Gesellschafter als Empfänger der existenzbedrohenden Vermögensverschiebung, sondern beim Geschäftsführer als deren Auslöser oder Gehilfen an. Dabei soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern zum Nachteil anderer Gesellschaftsgläubiger Mittel entnommen werden. Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 S. 3 GmbHG [n. F.] setzt eine Kausalität für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit voraus. Dabei soll der Geschäftsführer nicht verpflichtet sein, jegliche Zahlungen an Gesellschafter zu ersetzen, die in irgendeiner Weise kausal für eine - möglicherweise erst in erheblichem zeitlichem Abstand eintretende - Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geworden sind. Vielmehr muss die Zahlung ohne Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen (BT-Drucksache 16/6140 Seite 46, B, besonderer Teil zu Art. 1, Nr. 43 - Änderung von § 64).

cc) Soweit den Angeklagten Zahlungen an Gesellschafter zur Last gelegt wurden, erfolgten diese nach Eintritt der aufgrund der Gutachten spätestens seit dem 30. September 2000 bestehenden Zahlungsunfähigkeit und führten zwar gem. § 64 Satz 3 GmbHG nicht mehr zur Zahlungsunfähigkeit, da diese nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bereits bestand.

Die Geschäftsführer handeln gem. § 64 S. 1 u. 3 GmbHG [n. F.] auch bei Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, pflichtwidrig. Nach § 64 S. 1 GmbHG [n. F.] besteht die Pflichtwidrigkeit auch bei einer Vertiefung der Zahlungsunfähigkeit. Der Geschäftsführer darf auch nach dem jetzigen Rechtszustand in der Krise der Gesellschaft diese nicht aushöhlen, Gewinne verdeckt ausschütten oder Gesellschafterleistungen zum Nachteil der anderen Gesellschaftsgläubiger zurückführen und somit die Regelungen des Insolvenzrechtes unterlaufen (so auch Bittmann wistra 2009, 104).

dd) Damit hat sich, bezogen auf den Anklagesachverhalt, an der Strafbarkeit der Geschäftsführer bei Zahlungen an Gesellschafter in der Krise durch die Änderung des MoMiG nichts am Unrechtsgehalt der Handlungen der Angeklagten verändert. Es besteht auch durch die nunmehr geltenden neuen gesellschaftsrechtlichen Regelungen Unrechtskontinuität i. S. von § 2 Abs. 3 StGB, so dass die Angeklagten auch weiterhin der Untreue hinreichend verdächtig sind.

ee) Soweit der Angeklagte als Generaldirektor der Alleingesellschafterin der -GmbH, der Firma bzw. Generaldirektor der Firma zur Wahrung auch derer Vermögensinteressen, insbesondere der Realisierung der eigenkapitalersetzenden Darlehen bzw. Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung, verpflichtet war, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Dem Angeklagten war bei den ihm zur Last gelegten Taten, der Rückführung dieser Verbindlichkeiten durch die Verrechnung von Ansprüchen der -GmbH, bewusst, dass die zugrundeliegenden Geschäfte, insbesondere der Verkauf des Warenlagers der -GmbH am 31. Oktober 2000, der Lizenzverkauf am 27. März sowie 04. und 23. April 2001 sowie der Einzugs der Kundenforderungen von Mai bis Dezember 2001 nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der -GmbH erfolgten und damit von ihm als Geschäftsführer der -GmbH nicht mehr straflos erfüllt werden konnten.

III.

Für eine Entscheidung gem. § 210 Abs. 3 S. 1 StPO besteht kein Anlass.



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