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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 10 U 219/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 906 Abs. 2 S. 2
Zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch bei Verursachung eines Brandes durch das Abfeuern einer Feuerwerksrakete von einem Nachbargrundstück
Oberlandesgericht Stuttgart 10. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 10 U 219/07

Verkündet am 20. März 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2008 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Orlowsky Richter am Oberlandesgericht Rast Richterin am Oberlandesgericht Wagner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 26.10.2007, Az. 4 O 262/07, wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des dem Grunde nach bestehenden nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs der Klägerin an das Landgericht Ulm zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 417.720,91 €

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten gemäß § 67 VVG auf sie übergegangene Ersatzansprüche aufgrund eines Brandschadens geltend, den der Beklagte durch das Abfeuern einer Leuchtrakete am 1.1.2006 um 20.21 Uhr verursacht hat.

Der Beklagte hatte vor dem von ihm bewohnten Haus eine Leuchtrakete in einen Schneehaufen gesteckt und gezündet. Die Rakete stieg zunächst ca. 5 Meter gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine Spalte von ca. 67 bis 87 mm Durchmesser zwischen der mit Eternit verkleideten Außenwand und dem Blech-Trapezdach in einer ca. 12 Meter entfernten Scheune ein, in der sie explodierte und innerhalb kürzester Zeit das Gebäude in Brand setzte.

Bezüglich der Einzelheiten des feststehenden Schadenshergangs sowie des Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Ulm vom 26.10.2007, AZ: 4 O 262/07, verwiesen.

Mit diesem Urteil hat das Landgericht Ulm die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den Schaden des Versicherungsnehmers der Klägerin nicht fahrlässig herbeigeführt. Die gegenüber dem Abschussplatz liegende Scheune habe in den über dem Erdgeschoss liegenden Stockwerken weder Fenster noch Dachluken aufgewiesen, aus denen sich eine objektive und erkennbare Gefährdung durch Eindringen einer Rakete ergeben hätte. Die Scheune sei an Wänden und Dach vollständig mit unbrennbarem Material versehen gewesen. Die Spalte, durch die die Rakete in das Gebäudeinnere eingedrungen sei, sei für den Beklagten nicht erkennbar und tatsächlich auch nicht bekannt gewesen.

Das Zünden der Rakete aus einem Schneehaufen begründe eine Fahrlässigkeit des Beklagten nicht, weil nach dem Untersuchungsbericht des kriminaltechnischen Instituts des LKA Baden-Württemberg ein problemloser Start mit annähernd vertikalem Flugverlauf auch aus einem Schneehaufen heraus möglich sei, sofern die Schneemasse ausreichend Halt biete und keine Hindernisse die Flugbahn beeinträchtigten.

Das Abbrennen des Feuerwerkkörpers könne auch keinen Anspruch gemäß § 1004, 906 BGB rechtfertigen. Am 1. Januar sei zwar das Abbrennen eines Feuerwerks noch zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich. Gegen das Abbrennen einzelner handelsüblicher Raketen in der Silvesternacht und am 1. Januar bestehe kein Unterlassungsanspruch, weil ein derartiges Feuerwerk nach Art und Umfang ein übliches Maß nicht überschreite, und damit auch kein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch, auch wenn dabei eine in diesem Tun liegende Gefahr entstehe.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts Ulm verwiesen.

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt. Für ein Feuerwerk müsse ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Auch wenn die Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin eine Eternitverkleidung der Wände aufgewiesen habe, sei doch in der Scheue höchst brennbares Material gelagert worden, wodurch im Fall eines Eindringens einer Feuerwerksrakete ein hoher Schaden habe verursacht werden können.

Die Feststellung des Landgerichts Ulm, die Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin habe in den über dem Erdgeschoss liegenden Geschossen weder Fenster noch Dachluken aufgewiesen, sei überraschend und unrichtig. Das Scheunengebäude habe an der Nordseite, von wo aus die Rakete abgeschossen worden sei, drei Fenster und zwei Tore aufgewiesen; auf der Ostseite hätten sich ebenfalls eine Tür sowie zwei Fenster befunden, durch welche ohne weiteres eine Rakete habe eindringen können. Im Dachbereich hätten sich Entlüftungskamine befunden, die offen gestanden seien und durch die ebenfalls eine Feuerwerksrakete hätte ins Innere gelangen können. Der Beklagte habe deshalb damit rechnen müssen, dass die Rakete auch dort einschlagen könne, wo man es nicht wolle und auch nicht vermute. Er hätte sie deshalb nicht in der Nähe der Scheune zünden dürfen. Wo letztlich die Rakete in die Scheune eingedrungen sei, sei deshalb unerheblich. Es werde bestritten, dass im vorliegenden Fall die Schneemasse, aus der die Rakete gezündet worden sei, ausreichend Halt geboten habe.

Zu Unrecht habe das Landgericht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog abgelehnt. Ein solcher Anspruch sei gegeben, wenn von einem Grundstück auf ein anderes Grundstück Einwirkungen ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Mit dem Begriff der Einwirkung habe sich das Landgericht Ulm nicht auseinandergesetzt. Dabei sei nicht auf die Handlung, sondern auf die Wirkung abzustellen. Die völlige Zerstörung eines fremden Gebäudes sei nicht hinnehmbar. Insoweit habe dem Versicherungsnehmer der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB zugestanden, den dieser allerdings nicht habe wahrnehmen können, weil er nicht vor Ort gewesen sei, als die Rakete abgeschossen worden sei, und weil dies auch aufgrund der Natur des Abschießens einer Rakete nicht möglich sei. Im übrigen wäre es unbillig, wenn der Versicherungsnehmer der Klägerin bzw. die Klägerin den vom Beklagten durch das Zünden der Rakete verursachten Schaden zu tragen hätte.

Die Klägerin beantragt,

für den Fall, dass der Anspruch vom Senat als dem Grunde nach bestehend erkannt wird, gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO das Verfahren zur Höhe an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die in der Berufungsbegründung genannten Öffnungen der Scheune seien üblicherweise nicht geeignet, Feuerwerkskörper in das Rauminnere gelangen zu lassen oder durch das Eindringen von Feuerwerkskörper z.B. durch einen Kamin eine Brandgefahr hervorzurufen. Auch wenn in der Scheune brennbares Material gelagert habe, sei das Dach und die Verkleidung der Wände nicht brennbar gewesen. Die Flugbahn der Feuerwerksrakete und der Zwischenraum, durch den diese in die Scheune gelangt sei, sei für den Beklagten nicht erkennbar gewesen. An die auf der Raketenverpackung angegebenen Vorsichtsmaßnahmen habe sich der Beklagte gehalten.

Auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch sei nicht gegeben. Hierfür bedürfe es einer unzulässigen Mehrfachanalogie. Letztlich wäre ein solcher Anspruch von dem Zufall abhängig, ob die Rakete vom Nachbargrundstück oder der öffentlichen Straße abgefeuert werde. Dies zeige, dass sich hier keine grundstückspezifische Gefährdung verwirklicht habe.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der geltend gemachte Klaganspruch ist dem Grunde nach als nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog gegeben. Ein Grundurteil hierüber darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (§ 304 ZPO; BGH MDR 2005, 921, Juris RN 15). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Nachdem die Parteien sich erstinstanzlich im wesentlichen auf eine Auseinandersetzung über den Grund des Anspruchs beschränkt haben (vgl. Bl. 31 d.A.), war der Klage dem Grunde nach statt zu geben und nach pflichtgemäßem Ermessen hinsichtlich der - bereits erstinstanzlich streitigen - Höhe auf den Antrag der Klägerin das Verfahren entsprechend § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO (vgl. Thomas/Putzo, ZPO 28. Aufl. § 538 RN 19; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. § 538 RN 43 u. 46) an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Parteien erhalten so die Gelegenheit, zur Schadenshöhe Stellung nehmen zu können, ohne eine Instanz zu verlieren und den Beschränkungen einer Berufungsinstanz zu unterliegen.

1.

Zu Recht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 67 VVG wegen des Startens der Feuerwerksrakete aus einem Schneehaufen heraus abgelehnt.

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Startvorgang aus einem Schneehaufen um eine Pflichtverletzung handelt, nachdem der Hersteller des Feuerwerks das Starten aus einer Flasche heraus empfohlen hat. Nach den Ausführungen des kriminaltechnischen Instituts des LKA Baden-Württemberg, auf die sich das Landgericht bezogen hat, muss der Start einer Rakete aus einem Schneehaufen nicht zu einer Abweichung in der vorgesehenen Flugbahn führen. Die Klägerin hat nicht ausreichend substantiiert dargelegt und bewiesen, dass im konkreten Fall der Start aus dem Schneehaufen zum Abweichen der Flugbahn des Feuerwerkskörpers hin zur Scheune ihres Versicherungsnehmers geführt hätte. Dagegen spricht schon die sich aus der beigezogenen Strafakte des Amtsgerichts Ulm, AZ: 4 Cs 42 Js 1135/06 ergebende und im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Urteils festgehaltene und damit für die Berufungsinstanz bindende Feststellung, dass die Rakete zunächst ca. 5 Meter nach oben gestiegen ist und erst dann in Richtung Scheune schwenkte.

b) Das Starten der Feuerwerksrakete in 12 Meter Entfernung von dem später in Brand gesetzten Bauwerk begründet im vorliegenden Fall keinen Schadensersatzanspruch wegen einer schuldhaften Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.

An die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden, sind grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere müssen sie einen Standort wählen, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht (ernsthaft) gefährdet werden. Da niemals ein Fehlstart von Raketen völlig ausgeschlossen werden kann, muss beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können (BGH NJW 1986, 52, Juris RN 11 und 12; Thüringer OLG, Urteil vom 23.10.2007, AZ: 5 U 146/06, Juris RN 26).

In der Silvesternacht sind die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern herabgesetzt. Alle Verkehrssicherungspflichten sind grundsätzlich unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu bemessen. Maßstab für die Verkehrssicherungspflicht ist zwar das zum Schutz von Gefährdeten Erforderliche; jedoch richtet sich das auch danach, welche Maßnahmen diese zu ihrem Schutz vernünftigerweise erwarten können und welche Vorsorge ihnen selbst zum eigenen Schutz möglich und zumutbar ist. Der Verkehrssicherungspflichtige hat daher nur die Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein vernünftiger Angehöriger eines bestimmten Verkehrskreises erwarten darf. In der Silvesternacht ist es zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Auf diesen Brauch richtet sich der Verkehr ein, auch was - in vernünftigen Grenzen - die Maßnahmen zum Selbstschutz betrifft. Allerdings ist derjenige, der ein Feuerwerk abbrennt, nicht davon befreit, sorgfältig auf besondere Umstände zu achten, aufgrund derer das Abbrennen des Feuerwerks an der von ihm ausgewählten Stelle mit Gefahren verbunden sein kann, die nach Art und Umfang über diejenigen Gefahren hinausgehen, welche trotz vorschriftsmäßiger Handhabung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können (BGH a.a.O., Juris RN 13; Thüringer OLG, a.a.O.).

Gleiches gilt für den Abend des 1.Januar eines jeden Jahres. Auch in dieser Zeit ist es noch zulässig, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Auch wenn die Mehrheit der Feuerwerkskörper von der Bevölkerung in der Silvesternacht gezündet wird, ist es, wenn auch in wesentlich geringerem Maß, üblich, am Abend des 1. Januars Restbestände von Feuerwerkskörpern zu zünden. Auch hierauf kann sich der Verkehr einstellen. So ist zum Beispiel vom Besitzer eines Gebäudes zu erwarten, dass er in der Silvesternacht und am Abend des 1. Januars Fenster und Türen seiner Gebäude schließt, um Vorsorge vor dem Eindringen von Feuerwerkskörpern zu treffen. Dies gilt - unbeschadet der Rechtswidrigkeit eines dennoch verursachten Schadens - insbesondere dann, wenn sich in dem Gebäude hohe Brandlasten befinden.

aa) Allein die Brandlast in einem Gebäude wie hier Stroh und Getreide in der betroffenen Scheune stellt kein Hindernis für das Zünden eines Feuerwerks in der Nähe eines solchen Bauwerks dar. Entscheidend ist vielmehr, auf welche Weise ein solches Gebäude zur Außenwelt hin abgeschirmt ist. Zu Recht stellt das Landgericht darauf ab, dass hier die Scheune durch Eternitplatten an der Wand und durch ein Trapezdach aus Blech, also mit unbrennbaren Materialien, erkennbar geschützt gewesen war.

bb) Für das Landgericht bestand keine Veranlassung, sich mit Fenstern oder Dachluken oberhalb des Erdgeschosses zu befassen, aus denen sich eine objektive und erkennbare Gefahr des Eindringens einer Rakete ergeben hätte. Die Klägerin hatte sich erstinstanzlich, soweit aus den Akten und dem Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlich, hierauf nicht berufen. Ein Hinweis nach § 139 ZPO war nicht veranlasst.

Die Klägerin hat erstmals in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass das Scheunengebäude auf der Nordseite drei Fenster und zwei Tore sowie auf der Ostseite eine Tür sowie zwei Fenster aufgewiesen habe, durch die eine Rakete ohne weiteres hätte eindringen können. Darüber hinaus seien auf dem Dach offenstehende Entlüftungskamine gewesen. Dieser neue Sachvortrag zu besonderen Gefahren, die einen größeren Abstand beim Zünden von Feuerwerk zu der Scheune hätten veranlassen können, wenn sie für den Beklagten bei Dunkelheit am Abend des 1.1.2006 erkennbar gewesen wären, darf der Senat gemäß § 531 Abs. 2, 529 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht berücksichtigen.

cc) Die Feststellung des Landgerichts, es sei für den Beklagten objektiv nicht erkennbar und ihm tatsächlich nicht bekannt gewesen, dass die Scheune im Bereich des oberen Endes der Eternitverkleidung der Wände und der entsprechenden Dachverkleidung wenige Zentimeter große Spalten aufwies, durch die eine Rakete in das Gebäudeinnere eindringen konnte, begegnet keinen Zweifeln an der Richtigkeit und ist deshalb der Entscheidung der Berufungsinstanz zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Unter Berücksichtigung der Empfehlung des Herstellers der Feuerwerkskörper, von Gebäuden einen Abstand von mindestens 5 Meter einzuhalten, ist angesichts des Fehlens konkreter Anhaltspunkte für eine besondere Gefahr beim Abbrennen der Feuerwerksrakete im Abstand von 12 Meter zur Scheune des Versicherungsnehmers der Klägerin dem Beklagten keine schuldhafte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, die zu dem entstandenen Sachschaden geführt hätte, vorzuwerfen.

2.

Allerdings besteht entgegen der Auffassung des Landgerichts ein nach § 67 VVG auf die Klägerin übergegangener nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog.

a) Eine direkte Anwendung der Norm scheidet aus, weil unter § 906 BGB nicht die Grenzüberschreitung von größeren festkörperlichen Gegenständen, sogenannten Grobimmissionen, fällt. Eine Feuerwerksrakete mit einer Gesamtlänge von ca. 93 cm und einem Bruttogewicht von ca. 116 g ist kein - im Gegensatz zu Feuerwerksrückständen (RG JW 27, 45) - sonstiger Kleinstkörper, der unter die in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB fallenden Einwirkungen ähnlich der dort aufgezählten Arten fallen kann.

b) Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der betroffene Eigentümer aus besonderen (tatsächlichen oder rechtlichen) Gründen gehindert war, die Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden. Der Anspruch ist nicht, wie § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst, auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, sondern erfasst vielmehr auch Grobimmissionen (vgl. BGHZ 160, 232, Juris RN 10; BGHZ 155, 99, Juris RN 9 und 10).

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich nicht nur gegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, soweit er als Störer zu qualifizieren ist (BGH NJW 2006, 992, Juris RN 5), sondern auch gegen den Nutzer als denjenigen, der die Nutzungsart dieses Grundstücks bestimmt (BGHZ 155, 99, Juris RN 8 m.w.N.).

aa) Der Beklagte hat als Besitzer des von ihm bewohnten und seiner Ehefrau gehörenden Grundstücks Kelternweg 3 - von ihm angesichts der in den beigezogenen Ermittlungsakten enthaltenen polizeilichen Feststellungen nicht ausreichend substantiiert bestritten - unmittelbar vor dem Gebäude Kelternweg 3 auf dem eigenen Grundstück und nicht im öffentlichen Straßenraum die den Brand auslösende Rakete gezündet. Nach den Angaben des Beklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung am 4.1.2006 hatte er die Rakete von dem Schneehaufen vor seinem Hauseingang, der bis zur Straße hin cirka 3 Meter lang war, die Rakete gezündet (Strafakte Bl. 35). Aus dem Lageplan auf Bl. 80 der Strafakte ist ersichtlich, dass zwischen dem Gebäude Kelternweg 3 und dem an dieser Stelle verschmälerten Kelternweg sich eine größere Freifläche auf dem Grundstück Kelternweg 3 befindet. Aus den von der Polizei gesicherten Spuren im Schneehaufen vor der Haustür des Gebäudes Kelternweg 3 und der Darstellung in Lichtbildern (Bl. 82 und 94 der Strafakte) wird erkennbar, dass sich die Raketenabschussstelle unmittelbar vor dem Balkon über der Haustür des Gebäudes Kelternweg 3 und damit eindeutig auf dem vom Beklagten bewohnten Grundstück befunden hat.

bb) Der Versicherungsnehmer der Klägerin hatte gegenüber dem Beklagten objektiv einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004, 906 BGB hinsichtlich des Abbrennens von Feuerwerks-Raketen in der Nähe seiner Scheune. Zwar ist es in der Silvesternacht zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden (BGH NJW 1986, 52, Juris RN 13). Dies gilt in ähnlicher Weise, auch wenn Feuerwerkskörper nicht mehr in der Masse wie in der Silvesternacht gezündet werden, für den Abend des 1. Januars (vgl. oben unter Ziff. 1). Dies gilt jedoch nicht, wenn mit dem Abbrennen von Feuerwerk an der ausgewählten Stelle besondere Gefahren verbunden sind, die über Art und Umfang über dasjenige hinausgehen, welche trotz vorschriftsmäßiger Handhabung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können (BGH a.a.O.). Da niemals ein Fehlstart von Raketen völlig ausgeschlossen werden kann, muss nämlich beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehl gehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können (BGH a.a.O. Juris RN 12).

Objektiv bestand die - später tatsächlich realisierte - Gefahr, dass Raketen zwischen Wand und Dach in die Scheune eindringen und dort einen Brand entfachen konnten. Nachdem der Beklagte unstrittig bereits in den vorangegangenen Jahren Feuerwerk zum Jahreswechsel abgebrannt hatte, hätte der Versicherungsnehmer der Klägerin diesen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB wegen einer Wiederholungsgefahr vorbeugend auch im Hinblick auf den 31.12.2005 / 1.1.2006 geltend machen können.

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ist für die Frage des Vorliegens eines Unterlassungsanspruch damit nicht die Üblichkeit einer Handlung, sondern der durch sie hervorgerufene oder hervorzurufende, dem Inhalt des Eigentums widersprechende Zustand entscheidend. Für den Ausgleichsanspruch ist daher maßgeblich, welche Folge eine Handlung für das nachbarliche Eigentum hatte (BGH NJW-RR 2003, 953; BGHZ 66, 37, Juris RN 13). Es ist evident, dass die Folge der Handlung des Beklagten, nämlich das Abbrennen von Gebäuden, beweglichen Sachen und Tieren auf dem Grundstück des Versicherungsnehmers der Klägerin eine wesentliche und damit ausgleichspflichtige Beeinträchtigung darstellt.

cc) Der Versicherungsnehmer der Klägerin war jedoch aus besonderen tatsächlichen Gründen gehindert, die Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden.

Ein faktischer Duldungszwang kann sich unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (BGHZ 155, 99, Juris RN 10; BGHZ 160, 232, Juris RN 14). Angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles war es hier für den Versicherungsnehmer der Klägerin in gleicher Weise wie für den Beklagten nicht erkennbar, dass zwischen Wand und Dach der Scheune Feuerwerks-Raketen in die Scheune eindringen und dort einen Brand verursachen könnten. Er konnte davon ausgehen, dass das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk keine wesentliche Beeinträchtigung seines Grundstücks mit sich bringt und angesichts der Üblichkeit am 31.12. / 1.1. eines jeden Jahres von ihm entschädigungslos hinzunehmen ist.

Die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog sind danach erfüllt.

Es mag sein, dass die Möglichkeit eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs letztlich vom Zufall abhängen kann, ob eine Feuerwerksrakete von einem privaten Grundstück oder einer öffentlichen Straße abgefeuert wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für diesen Anspruch jedoch nur eine grundstücksspezifische Einwirkung von außen erforderlich (z.B. BGHZ 157, 188, Juris RN 5 f). Ob die Einwirkung nicht nur von einem bestimmten Grundstück, sondern auch von anderen Grundstücken oder von öffentlichen Straßen und Plätzen ausgehen kann, ist unerheblich. Maßgeblich ist die Entscheidung des Nutzers oder Eigentümers eines Grundstücks und damit der von seinem Willen getragene konkrete Tathergang, also ob die Einwirkung von seinem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Nutzung tatsächlich ausgegangen ist. Auch § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (in direkter Anwendung) differenziert nicht danach, ob die wesentliche Beeinträchtigung auch von anderen privaten oder öffentlichen Grundstücken herbeigeführt werden könnte.

3.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf eine angemessene Entschädigung in Geld gerichtet. Seine Höhe ist nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung zu bestimmen. Besteht die Einwirkung in einer Substanzschädigung, kann der Entschädigungsanspruch auf vollen Schadensersatz gehen und den Ausgleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks, wie zum Beispiel eine Ertragseinbuße, entwickeln (BGHZ 155, 99, Juris RN 25; BGH, Urteil v. 1.2.2008, Az. V ZR 47/07, unter Ziff. II 2.).

4.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, die sich auf die Einstellung der Vollstreckung aus der Kostenentscheidung erster Instanz bezieht, folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung orientiert sich am Rechtsverständnis des BGH sowohl zum Begriff der Fahrlässigkeit als auch zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch bei Grobimmissionen.

Ende der Entscheidung

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