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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 10 U 3/08
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 184 | |
InsO § 189 |
Oberlandesgericht Stuttgart 10. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 10 U 3/08
20. Februar 2008
In dem Rechtsstreit
wegen Feststellung
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Orlowsky, der Richterin am Oberlandesgericht Wagner und des Richters am Oberlandesgericht Rast
beschlossen:
Tenor:
1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 30.11.2007, AZ: 5 O 303/07, durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Beklagte kann hierzu bis Montag, 17.3.2008, Stellung nehmen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass Rechtsgrund der seitens der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung in Höhe von 8.905,47 € eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Beklagten sei.
Mit Urteil vom 30.11.2007 hat das Landgericht Ellwangen der Klage stattgegeben und das in der mündlichen Verhandlung vom 9.11.2007 gegen den Beklagten erlassene Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Die Klage sei nach § 184 InsO zulässig. Laut Spalte 10 der Insolvenztabelle habe die Klägerin eine Deliktsforderung in Höhe von 8.905,47 € angemeldet. Als Ergebnis der Prüfungsverhandlung sei in Spalte 8 eingetragen: "Vom Schuldner insgesamt vorläufig bestritten". ... Damit stehe fest, dass der Beklagte im Prüfungstermin die Qualifizierung der Forderung der Klägerin als aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung herrührend vorläufig bestritten habe. Dies gelte als uneingeschränkter Widerspruch mit der Folge, dass eine Feststellungsklage nach § 184 InsO erhoben werden könne. Dass der Insolvenzverwalter inzwischen die angemeldete Forderung anerkannt habe, habe mit dem Widerspruch des Schuldners nichts zu tun und stehe der Klage deshalb nicht entgegen. Die vom Beklagten herangezogene Norm des § 189 InsO sei nicht einschlägig und stehe deshalb der Klage nicht entgegen. Das vorsätzliche Vorenthalten fälliger Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung stelle eine vorsätzliche unerlaubte Handlung nach den §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a StGB dar. Zwar liege ein Vorenthalten in der Regel dann nicht vor, wenn es dem Arbeitgeber wegen Zahlungsunfähigkeit nicht möglich gewesen sei, die Beiträge abzuführen. Der Beklagte habe jedoch nur pauschal den Feststellungsanspruch nach Grund und Höhe bestritten. Zur möglichen Zahlungsunfähigkeit habe er nicht substantiiert vorgetragen und auch die anderen Tatbestandsmerkmale nicht substantiiert bestritten.
II.
Die dagegen gerichtete zulässige Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg; die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 ZPO).
1.
...
2.
...
3.
Die Klage ist nicht nach § 189 InsO analog verfristet.
Die entsprechende Anwendung des § 189 InsO auf die Feststellungsklage gemäß § 184 InsO war in der Vergangenheit strittig (ablehnend: MünchKomm-Schumacher, InsO 2. Aufl., § 184 RN 2; FK-Kießner, InsO 3. Aufl., § 189 RN 6 und 10; a. A. Hattwig, ZInsO 2004, 636 ff.; Braun-Kießner, InsO 3. Aufl., § 189 RN 13a; Kübler/Brütting, InsO § 184 RN 111). Dabei beziehen sich diejenigen Meinungen, die eine analoge Anwendung des § 189 InsO auf die Feststellungsklage nach § 184 InsO befürworten, auf die Ziele des Gesetzgebers und auf die Annahme einer Regelungslücke, die durch eine möglichst gesetzesnahe Anwendung zu schließen sei. Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 hat sich jedoch der Gesetzgeber auch mit dem § 184 InsO befasst und diesem einen neuen Absatz 2 angefügt, der lediglich eine Widerspruchsfrist für den Schuldner hinsichtlich Forderungen regelt, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. Obwohl in der Literatur der Streit über eine analoge Anwendung des § 189 InsO vor und während dieses Gesetzgebungsverfahrens bekannt war und zum Beispiel Hattwig in seinem viel zitiertem Aufsatz (a.a.O., Seite 641) den Gesetzgeber ausdrücklich aufgefordert hatte, im Zuge der anstehenden Änderungen der InsO eine Ausschlussfrist zur Klageerhebung in § 184 InsO aufzunehmen, hat der Gesetzgeber davon abgesehen. Spätestens jetzt ist daher nicht mehr von einer unbewussten Gesetzeslücke oder einer Regelungslücke etwa aufgrund einer nachträglichen Änderung wirtschaftlicher oder sonstiger wesentlicher Verhältnisse auszugehen (so noch Hattwig, a.a.O. S. 637 f). Wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund eine Frist für die Feststellungsklage nach § 184 InsO in das Gesetz auch nicht nachträglich aufgenommen hat, darf die Rechtsprechung angesichts des Prinzips der Gewaltenteilung diese Lücke nicht durch eine Analogie schließen. Es mag zwar sinnvoll sein, den zwischen den Beteiligten umstrittenen Charakter einer Forderung möglichst frühzeitig abzuklären, damit nicht die Ungewissheit fortbesteht, ob trotz der vom Schuldner angestrebten Restschuldbefreiung die betreffende Forderung tituliert und durchgesetzt werden kann oder nicht (BGH ZIP 2007, 541, Juris RN 11). Eine Klagefrist ist aber nicht zwingend erforderlich. Der Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung nicht entgegen. Die Forderung wird ohne Einschränkung bei der Verteilung der Masse berücksichtigt. Der Widerspruch des Schuldners verhindert lediglich, dass der Gläubiger nach Abschluss des Verfahrens die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben kann (§ 201 Abs. 1 InsO).
Nach der Verkündung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007 und des damit verbundenen Absehens des Gesetzgebers von einer Klagefrist für eine Feststellungsklage nach § 184 InsO hat die Frage einer - abzulehnenden - analogen Anwendung des § 189 InsO auf § 184 InsO keine grundsätzliche Bedeutung mehr, die einem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entgegenstehen könnte.
4.
Die Berufungsbegründung weist zu Recht darauf hin, dass einem Schuldner ein strafrechtlich relevantes Verhalten unter Umständen dann nicht vorgeworfen werden kann, wenn ihm infolge eines überraschenden Eintritts der Zahlungsunfähigkeit die Mittel zur Zahlung der später fälligen Sozialversicherungsbeiträge fehlen. Auch das Landgericht hat erkannt, dass ein Vorenthalten im Sinn des § 266a Abs. 1 StGB in der Regel dann nicht vorliegt, wenn es dem Arbeitgeber wegen Zahlungsunfähigkeit nicht möglich war, die Beiträge abzuführen (vgl. auch BGH ZInsO 2006, 704, Juris RN 17).
Allerdings kann dieser Tatbestand auch dann verwirklicht werden, wenn der Handlungspflichtige zwar zum Fälligkeitstag zahlungsunfähig war, sein pflichtwidriges Verhalten jedoch praktisch vorverlagert ist; dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber erkennt, dass sich in seinem Unternehmen Liquiditätsprobleme abzeichnen und er es gleichwohl unterlässt, durch besondere Maßnahmen, zum Beispiel durch das Absehen von der Auszahlung des vollen Nettolohns an die Arbeitnehmer, die Zahlung zum Fälligkeitstag sicher zu stellen (BGH a.a.O. RN 18 m.w.N.). Bereits in der Klagschrift wurde behauptet, dass in dem Zeitraum von August 2003 bis Februar 2004 vom Beklagten Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden, aber gleichzeitig vom Beklagten den Arbeitnehmern der jeweilige Netto-Lohn ausbezahlt wurde (Seite 6 und Seite 8, 10 der Klagschrift). Zwar hat die Klägerin die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a Abs. 1 StGB darzulegen und zu beweisen und damit auch die Möglichkeit eines normgemäßen Verhaltens des Schuldners (BGH ZIP 2006, 2127, Juris RN 8; ZIP 2002, 524, Juris RN 14; ZIP 2005, 1026, Juris RN 10). Allerdings trifft den Schuldner, hier also den Beklagten, eine sekundäre Darlegungslast, nach der er das Vorbringen der Klägerin zu einer Zahlungsfähigkeit substantiiert zu bestreiten hat (BGH ZIP 2002, 524, Juris RN 16; ZIP 2005, 1026, Juris RN 12).
Nachdem die Klägerin die Voraussetzungen des § 266a StGB schlüssig dargelegt und insbesondere zur Zahlungsfähigkeit des Beklagten vorgetragen hat, dass dieser während des Zeitraums, in dem Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten wurden, andere Forderungen erfüllt und die Nettolöhne vollständig ausgezahlt hat, wäre es am Beklagten gelegen, zu seiner Zahlungsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum substantiiert vorzutragen. Dennoch hat er sich in erster Instanz darauf beschränkt, das Vorbringen der Klägerin lediglich pauschal zu bestreiten. Auch in der Berufungsbegründung findet sich hierzu kein ausreichend konkretisierter Vortrag, obwohl das Landgericht in seinem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er zur möglichen Zahlungsunfähigkeit substantiiert hätte vortragen müssen und auch andere Tatbestandsmerkmale substantiiert hätte bestreiten müssen. Er hat sich weder zum behaupteten überraschenden Eintritt der Zahlungsunfähigkeit näher geäußert noch zum zeitlichen Ablauf im Verhältnis des immerhin sieben Monate währenden Zeitraums, in dem Sozialversicherungsbeträge nicht abgeführt wurden.
Nach alledem hat die Berufung des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg.
Ende der Entscheidung
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