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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 10 U 3/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 855
Bei Gefälligkeiten entsteht ein ähnliches Verhältnis im Sinne des § 855 BGB, wenn der Besitzherr jederzeit auf die Sache Zugriff nehmen kann, weil er zumindest aus tatsächlichen Gründen weisungsbefugt ist.

Abgeschlossen durch Berufungsrücknahme.


Oberlandesgericht Stuttgart 10. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 10 U 3/09

12. Februar 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Herausgabe

Tenor:

1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 28.11.2008, Az. 2 O 163/08, durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger kann hierzu Stellung nehmen bis Freitag, 13.03.2009.

Gründe:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in der Hauptsache mit einem Teilbetrag von 14.000,00 € weiter. Mit der Berufungsbegründung wendet sich der Kläger zum einen dagegen, dass das Landgericht angenommen hat, bei der Entgegennahme der 14.000,00 € von der Bankangestellten habe die Beklagte als Besitzdienerin gehandelt. Zum anderen wendet sich die Berufungsbegründung dagegen, dass trotz der Angaben des Zeugen W. das Landgericht nicht davon überzeugt war, dass die Beklagte die 14.000,00 € aus der Wohnung des Zeugen W. mitgenommen habe.

Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

1.

Unstreitig hat die Beklagte im Beisein des Zeugen W. für ihn von der Bankangestellten Sabrina Straub den vom Konto des Zeugen W. abgehobenen Geldbetrag in Höhe von 14.000,00 € in Empfang genommen und diesen in Begleitung des Zeugen W. in dessen Wohnung getragen. Wenn die Beklagte dies im Rahmen ihrer Tätigkeit als Haushaltshilfe des Zeugen W. getan hat, ist die Annahme einer Besitzdienerschaft nach § 855 BGB nicht zu beanstanden.

Allerdings weist die Berufungsbegründung auf Gesichtspunkte hin, die für einen Freundschaftsdienst außerhalb der Haushaltstätigkeit sprechen können. Dennoch hat die Beklagte angesichts der konkreten Umstände - Freundschaftsdienst für den Zeugen W., ständige Begleitung durch den Zeugen W. bis in dessen Wohnung - keinen Besitz erworben, sondern es ist trotzdem von einer Besitzdienerschaft gemäß § 855 BGB auszugehen. Die dafür erforderliche Weisungsgebundenheit muss sich nämlich nicht aus einem privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis ergeben. Es genügt ein tatsächliches Weisungsverhältnis (Münchener Kommentar-Joost, BGB, 4. Aufl., § 855 Rn. 7), das sich nach dem Wortlaut des § 855 BGB nicht auf den Haushalt oder ein Erwerbsgeschäft beziehen muss, sondern auch aus einem ähnlichen Verhältnis entspringen kann. Deshalb kann die in § 855 BGB vorausgesetzte Interessenlage auch bei Unterstellung unter eine Weisungsbefugnis aus Gefälligkeit wie z.B. bei einer nachbarlichen Mithilfe, verwirklicht sein (Staudinger-Bund, BGB, Bearbeitung 2007, § 855 Rn. 6 und 11). Bei Gefälligkeitshandlungen reicht es aus, wenn der Besitzdiener nur insoweit weisungsgebunden ist, als der Besitzherr jederzeit auf die Sache Zugriff nehmen kann (OLG Nürnberg, Urteil vom 02.06.1988, Az. 8 U 2161/88, redaktioneller Leitsatz veröffentlicht in RuS 1989, 380, zitiert nach juris).

Nachdem die Beklagte für den Zeugen W. aus Gefälligkeit in dessen ständiger Begleitung den Betrag von 14.000,00 € in dessen Wohnung getragen hat und es sich jedenfalls bis dahin unstreitig um dem Zeugen W. gehörendes Geld gehandelt hat, auf das er jederzeit und ohne Einschränkung Zugriff gehabt hat, war die Beklagte bis einschließlich der Ankunft in der Wohnung des Zeugen W. dessen Besitzdienerin. Die Beklagte hatte bis dahin keinen eigenen Besitz erlangt.

Auf eine analoge Anwendung des § 855 BGB (vgl. Staudinger-Bund, a.a.O. Rn. 30) oder die Frage, ob die Beklagte wegen Fehlens eines Besitzbegründungswillens und der fehlenden Dauerhaftigkeit und Festigkeit des Besitzes keinen unmittelbaren Besitz an dem Geld bis zur Ankunft in der Wohnung des Beklagten erlangt hat (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 854 Rn. 5 unter dd); Staudinger-Bund a.a.O. § 854 Rn. 10), kommt es nicht mehr an.

2.

Maßgeblich ist danach, ob die Beklagte in der Wohnung des Zeugen W. die 14.000,00 € in Besitz genommen und mitgenommen hat. Im Ergebnis ist hier die Feststellung des Landgerichts, dass dies der Kläger nicht bewiesen habe, nicht zu beanstanden.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGHZ 158, 269, Juris Rn 8f). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz. Wenn sich das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag, so ist es an die erstinstanzliche Beweiswürdigung, die es aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht für richtig hält, nicht gebunden, sondern zu einer erneuten Tatsachenfeststellung berechtigt und verpflichtet (BGHZ 162, 313 Juris RN 7)

Als einziges unmittelbares Beweismittel hatte der Kläger seinen Vater, von dem er die Klagforderung abgetreten erhalten hatte, als Zeugen benannt. Diesen Zeugen hat das Landgericht gehört. Auf der Grundlage der Angaben dieses Zeugen konnte das Landgericht keine Überzeugung nach § 286 ZPO gewinnen, dass die Beklagte die 14.000,00 € weggenommen hätte.

Auch wenn die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eine ausreichende Beweiswürdigung der Angaben des Zeugen W. vermissen lassen, bestehen doch keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts. Die Angaben des Zeugen W. sind, soweit sie überprüfbar sind, mit erheblichen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten behaftet.

...

3.

Danach ist es durchaus möglich, dass die Beklagte vom Zeugen W. 14.000,00 € in bar für einen Autokauf erhalten oder die Beklagte diesen Betrag eigenmächtig an sich genommen hat. Einen entsprechenden Nachweis hat der beweisbelastete Kläger jedoch nicht führen können, weshalb die Klage zu Recht abgewiesen wurde und die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.

Ende der Entscheidung

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