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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 10 W 43/08
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 63 Abs. 2
ZPO § 485
Die vom Sachverständigen angegebenen Kosten der von ihm vorgeschlagenen Mangelbeseitigungsmaßnahme sind auch dann der Festsetzung des Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens zu Grunde zu legen, wenn der Antragsteller eine andere, teurere Mangelbeseitigungsmaßnahme und deren vermutliche Kosten in der Begründung seiner Anträge genannt hat, ohne sich in seinen Anträgen oder dessen Begründung ausdrücklich auf diese eine Mangelbeseitigungsmaßnahme festzulegen.
Oberlandesgericht Stuttgart 10. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 10 W 43/08

07. August 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Beweissicherung

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von

Richter am Oberlandesgericht Rast Richterin am Oberlandesgericht Wagner Richterin am Amtsgericht Dr. Kienzle-Hiemer

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 29.4.2008 abgeändert und der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auf 3.645,-- € festgesetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wehrt sich gegen die Streitwertfestsetzung für ein selbständiges Beweisverfahren.

Mit Antrag vom 15.5.2007 begehrte die Antragstellerin im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu Mängeln am Außenputz eines Bürogebäudes an den Fenstern, deren Ursache sowie zur Art der zur Mangelbeseitigung notwendigen Maßnahmen und deren Kosten. Im Rahmen der Begründung des Antrags schätzte die Antragstellerin die Kosten der zur Mangelbeseitigung erforderlichen Maßnahmen auf mindestens netto 11.000,-- € und vertrat in diesem Zusammenhang unter anderem die Auffassung, dass die gesamte Fassade neu zu streichen sei.

Aufgrund Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 14.6.2007 wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, das zwar nicht alle, aber einen erheblichen Teil der behaupteten Mängel bestätigte. Die Beseitigungskosten für die festgestellten Mängel bezifferte der Sachverständige auf 3.105,-- €. Dabei ging der Sachverständige davon aus, dass die Fassade nicht insgesamt neu zu streichen wäre. Auf Nachfrage der Antragstellerin blieb der Sachverständige bei dieser Feststellung.

Mit Beschluss vom 29.4.2008 setzte der Einzelrichter des Landgerichts Stuttgart den Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auf 10.000,-- € fest. Dabei berücksichtigte das Landgericht, dass die Antragstellerin das Interesse verfolgt habe, feststellen zu lassen, dass ein Neuanstrich der Fassade erforderlich sei.

Gegen diesen am 5.5.2008 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14.5.2008 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 3.645,-- € festzusetzen. Die vom Sachverständigen ermittelten Kosten der Mangelbeseitigung seien lediglich um 540,-- € zu erhöhen, die als fiktive Kosten auf die nicht festgestellten Mängel an zwei Fenstern entfielen. Die Schätzung der Antragstellerin des erforderlichen Mangelbeseitigungsaufwands in der Antragschrift sei völlig unverbindlich. Entgegen dem Landgericht sei das Interesse der Antragstellerin nicht auch auf Feststellung der Notwendigkeit eines Neuanstrichs der Fassade gegangen. Soweit die Antragstellerin von einer entsprechenden Mangelbeseitigungsmaßnahme ausgegangen sei, sei auch dies unverbindlich gewesen. Diese Auffassung habe deshalb keinerlei Auswirkungen auf den Streitwert gehabt.

Die Antragsgegnerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Die Antragstellerin habe in der Antragsschrift eine bestimmte Mangelbeseitigungsmethode vorgegeben und sich nicht nur auf die Bezeichnung der zu beseitigenden Mangelsymptome beschränkt. Darüber hinaus habe sie an den Sachverständigen Ergänzungsfragen im Hinblick auf die Methode der Mangelbeseitigung gestellt. Deshalb sei von einem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an dem Verfahren, das den kompletten Neuanstrich der Fassade beinhalte, auszugehen.

Mit Beschluss vom 7.7.2008 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 7.8.2008 hat der Einzelrichter wegen der grundlegenden Bedeutung der Sache das Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Entscheidend für die Bemessung des Streitwerts im selbständigen Beweisverfahren ist das in der Antragschrift zum Ausdruck gekommene Interesse an der Klärung (OLG Stuttgart IBR 2006, 309). Dabei ist allerdings der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert weder bindend noch maßgeblich; das Gericht hat nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen (BGH BauR 2004, 1975, Juris RN 18). Wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären (BGH a.a.O.).

a) Der objektive, "richtige" Wert der festgestellten Mängel beträgt nach den Feststellungen des Sachverständigen 3.105,-- €. Nachdem der Sachverständige an zwei von drei Fenstern den gerügten Mangel von Putzabplatzungen im Bereich des Vorbaurollladens nicht festgestellt hat, ist für die Streitwertfestsetzung dieser Betrag um die fiktiven Kosten für die nicht festgestellten Mängel zu erhöhen. Nachdem der Mangel der Putzabplatzung am Rollladenkasten an einem Fenster vom Sachverständigen mit Beseitigungskosten in Höhe von 270,-- € bewertet wurde, ist für die übrigen zwei Fenster, an denen dieser Mangel vom Sachverständigen nicht bestätigt wurde, bei der Streitwertbemessung ein Betrag von 2 x 270,-- €, insgesamt also 540,-- € anzusetzen.

b) Der sich daraus ergebende Betrag von 3.645,-- € ist nicht um das Interesse eines vollständigen Neuanstrichs des Gebäudes zu erhöhen. Das Interesse der Antragstellerin am selbständigen Beweisverfahren ergibt sich vorrangig aus den gestellten Anträgen, die unter Berücksichtigung von deren Begründung auszulegen sind. In ihren Anträgen stellte die Antragstellerin jedoch lediglich die allgemeine Frage nach Maßnahmen zur Mängelbeseitigung zur Beweiserhebung, ohne sich auf eine bestimmte Mangelbeseitigungsmaßnahme festzulegen. Dies ist auch nicht durch die in der Begründung der Anträge geäußerte Vermutung geschehen, die Fassade sei nach den Mangelbeseitigungsarbeiten neu zu streichen. Denn auch die Unterstellung der Antragstellerin, es sei ein Neuanstrich der Fassade notwendig, ist hier nicht maßgeblich, sondern die vom Sachverständigen festzustellenden tatsächlichen Mangelbeseitigungsmaßnahmen, solange sich die Partei in ihrem Antrag nicht schon auf eine bestimmte Mangelbeseitigungsmaßnahme festgelegt hat. Insoweit richtet sich der Hauptsachewert nach der objektiv erforderlichen, "richtigen" Mangelbeseitigungsmaßnahme und deren tatsächlichen, "richtigen" Kosten.

Die Nachfragen der Antragstellerin auf das schriftliche Sachverständigengutachten dokumentieren nur die Sorge, der Sachverständige habe nicht die richtigen Mangelbeseitigungsmaßnahme beschrieben, und beinhalten nicht die Behauptung, ein Neuanstrich des Gebäudes sei die allein richtige Mangelbeseitigungsmaßnahme. Auch hieraus kann ein über den Mangelbeseitigungsbetrag von 3.645,-- € hinausgehendes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin am selbständigen Beweisverfahren nicht entnommen werden.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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