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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 29.06.2000
Aktenzeichen: 13 U 185/99
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG, StGB
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 2 | |
BGB § 852 Abs. 1 | |
GmbHG § 43 Abs. 4 | |
GmbHG § 64 Abs. 1 | |
StGB § 263 |
1. Die Verjährung von Direktansprüchen eines Gesellschaftsgläubigers gegen Geschäftsführer einer zahlungsunfähig gewordenen GmbH aus § 823 Abs. 2 BGB richtet sich jedenfalls dann nach § 852 BGB, nicht nach § 43 Abs. 4 GmbHG, wenn die Geschäftsführer nach dem Klagvortrag sowohl gegen § 64 Abs. 1 GmbHG als auch gegen § 263 StGB verstoßen haben.
2. Hinreichende Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen schon vor Abschluß des Strafverfahrens, das Anlaß für das zeitweilige Ruhen des Schadensersatzprozesses war?
Oberlandesgericht Stuttgart - 13. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 13 U 185/99 19 O 161/99 LG Stuttgart
Verkündet am: 29. Juni 2000
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Fischer JS'in
In Sachen
wegen Schadensersatzes
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2000 unter Mitwirkung
des Vors. Richters am OLG Dr. Hartmaier,
der Richterin am OLG Dr. Modersohn und
der Richterin am OLG Sost-Scheible
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart (ER) vom 17. September 1999 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers 11.499,23 DM
Entscheidungsgründe:
(Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten 1 und 2 als ehemalige einzelvertretungsberechtigte Gesellschafter der M GmbH auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 11.499,23 DM in Anspruch. Für die GmbH hatte der Kläger im Frühjahr 1993 Fliesenlegerarbeiten in zwei Objekten durchgeführt, die er der GmbH in Rechnung stellte. Aus diesen Rechnungen sind die geltend gemachten 11.499,23 DM noch nicht bezahlt. Mit Ansprüchen gegen die GmbH fiel der Kläger aus. Das Amtsgericht hatte mit Beschluß vom 8.10.1993 den Antrag der Beklagten vom 26.8.1993 auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der M GmbH mangels Masse abgelehnt.
II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Mögliche Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten sind verjährt. Der Senat folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und führt lediglich ergänzend aus:
1.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Verjährung nach § 852 BGB für mögliche Direktansprüche des Klägers als Gesellschaftsgläubiger gegen die Beklagten als Geschäftsführer der GmbH aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 64 Abs. 1 GmbHG) nicht durch die Verjährungsvorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG verdrängt. Eine solche Verdrängung der Verjährung nach § 852 BGB kann allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn die deliktische Haftung ausschließlich auf dem Umstand beruht, daß die gesellschaftsrechtliche Haftungsnorm ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. So liegt der Fall hier nicht. Vielmehr haben nach dem Vortrag des Klägers die Beklagten infolge ihrer frühzeitigen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht nur gegen ihre dem Gläubigerschutz dienende Pflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßen, sondern gleichzeitig durch die wahrheitswidrige Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit der GmbH den Kläger betrügerisch i.S.d. § 263 StGB geschädigt. In solchen Fällen, in denen das Verhalten eines Geschäftsführers einer Gesellschaft auch gegen eine andere als Schutzgesetz in Betracht kommende Norm, insbesondere - wie hier - einen Straftatbestand verstößt, gilt für den Anspruch aus unerlaubter Handlung aus Gründen des Gläubigerschutzes die Verjährung nach § 852 BGB (vgl. Stein in Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 852 Rn. 62; noch weitergehend i.S. einer generellen Anwendung des § 852 BGB: Rowedder in Rowedder u.a., GmbHG, 3. Aufl., § 64 Rn. 25). Es wäre nämlich nicht gerechtfertigt, bei einem solchen besonders rechtswidrigen Verhalten des Geschäftsführers einen Schadensersatzanspruch ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Person des Ersatzpflichtigen nach § 43 Abs. 4 GmbHG verjähren zu lassen, wenn es dem Geschäftsführer gelungen ist, sein Tun über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg vor dem Gesellschaftsgläubiger zu verbergen (vgl. etwa BGHZ 100, 190, 201 ff.). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22.9.1999 (DB 1999, 2205). Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in weichem sich die deliktische Haftung des Gesellschafters gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger ausschließlich aus einem Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB herleitete.
Auch die Verweisung des § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG auf die Verjährungsvorschrift des § 43 Abs. 4 GmbHG führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Verweisung gilt für den in § 64 Abs. 2 GmbHG geregelten Ersatzanspruch eigener Art der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer und besagt nichts über die hier in Frage stehenden Direktansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen die Geschäftsführer aus unerlaubter Handlung.
b) Hinsichtlich des Beginns der Verjährung nach § 852 BGB hat sich der Kläger allerdings, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, an seinem Prozeßverhalten festhalten zu lassen. Bezüglich des Beklagten 1 bedeutet dies, daß der Kläger die für § 852 BGB erforderliche Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen substantiiert und unter Beweisantritt spätestens in seiner Anspruchsbegründung vom 23.12.1993 behauptete und diesen Punkt weiter in seinem Schriftsatz vom 3.3.1994 ausführte. Bezüglich des Beklagten 2 lag die erforderliche positive Kenntnis seinen eigenen Ausführungen zufolge spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.8.1994 vor. Die Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen muß nur so weit gehen, daß der Geschädigte in der Lage ist, eine Schadensersatzklage erfolgsversprechend, wenn auch nicht risikolos zu begründen (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 59. Aufl., § 852 Rn. 8 und 11). Dies hat der Kläger durch sein Prozeßverhalten dokumentiert.
Die danach geltende 3jährige Verjährungsfrist nach § 852 BGB begann damit für mögliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Beklagten 1 gemäß § 211 Abs. 2 BGB mit Anordnung des Ruhens des Verfahrens durch das Landgericht Stuttgart am 15.8.1994 neu zu laufen; beim Beklagten 2 lief die Verjährung ebenfalls spätestens ab August 1994. Als der Kläger mit am 14.6.1999 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz das Verfahren gegen den Beklagten 1 weiterbetrieb und gleichzeitig die Klage auf den Beklagten 2 erweiterte, waren seine möglichen Ansprüche aus unerlaubter Handlung bereits verjährt.
2.
Hinsichtlich der Verjährung möglicher Ansprüche aus culpa in contrahendo wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 87, 27 ff verwiesen.
3.
Danach mußte die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben. Er hat deshalb gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der zweiten Instanz zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 ZPO.
4.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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