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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 13 U 51/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB 536 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 13. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 13 U 51/06
In Sachen
Verkündet am: 21. Dezember 2006
wegen Forderung und Feststellung
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Eberle, des Richters am Oberlandesgericht Wetzel und des Richters am Oberlandesgericht Andelfinger
auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2006
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 17.2.2006 in Ziffern 1, 2 und 4 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 14.062,17 zuzüglich Zinsen in Höhe von jeweils 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 2.424,52 seit 4.2.2005 und aus jeweils € 1.616,34 seit 4.3.2005, 5.4.2005, 5.5.2005, 4.6.2005, 5.7.2005 und 4.8.2005 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin berechtigt ist, den Mietzins für die von der Beklagten im xxx, xxx in xxx angemieteten Räumlichkeiten
a) für den Zeitraum vom 1.4.2005 bis 31.8.2005 um 15 %, bezogen auf die Ursprungsmiete zu mindern;
b) für den Zeitraum vom 1.3.2005 bis 31.3.2005 um 10 %, bezogen auf die Ursprungsmiete, zu mindern und diesen reduzierten Mietzins um 5 % zu mindern;
die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
3. In erster Instanz trägt die Klägerin 2 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten sowie 3 % ihren eigenen außergerichtlichen Kosten. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Beklagte.
II. Im übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 45 %, die Beklagte 55 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können jeweils die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Streitwerte:
I. Instanz
Klage | € 14.062,17 |
Widerklage | € 92.810,50 |
Drittwiderklage | € 44.999,04 |
Summe | € 151.871,71 |
II. Instanz Berufung
Klage | € 2.249,89 |
Widerklage | € 3.262,44 |
Anschlußberufung | € 1.968,70 |
Summe | € 7.481,03 |
Tatbestand:
Durch schriftlichen Mietvertrag vom 11.2.2004 hat die Beklagte von der Klägerin im 9. Obergeschoß des sogenannten Neckarturmes in H. gelegene Büroräume zum Preis von € 11,20 je m² sowie Kfz-Abstellplätze gemietet. Der Mietzins beträgt insgesamt netto € 3.232,69 zuzüglich Mehrwertsteuer. Hinzu kommen die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten.
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts wies der örtliche Mietspiegel für Gewerbeobjekte einen Mietpreis für Büroraum von € 5,50 bis € 10,50 je m² aus.
Die Klägerin hatte in einem Exposé unter anderem damit geworben, daß sie ein außergewöhnliches Bürogebäude erstelle, das ein einmaliges Ambiente aufweise und in dem es sich in angenehmer Atmosphäre arbeiten lasse.
In der Mieterbaubeschreibung, die Bestandteil des Mietvertrages ist, verpflichtete sich die Klägerin, an sämtlichen Zugängen eine Türsprechanlage sowie eine Zugangskontrollanlage mit berührungslosen Kartenlesegeräten zu installieren.
Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren Teilflächen an eine Versicherungsgruppe, eine Wirtschaftsprüferkanzlei, eine Anwaltskanzlei, eine private Managerschule und eine radiologische Arztpraxis vermietet.
Die Flächen der zweiten bis vierten Etage standen zunächst leer, bis sie im Januar 2005 an die Agentur für Arbeit vermietet wurden, in der diese die Suchtberatungsstelle, die Schuldnerberatung sowie die sogenannte Hartz IV-Behörde unterbrachte, in der Langzeitarbeitslose und arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger betreut werden.
Die Sozialbehörde wird täglich von bis zu 500 Besuchern frequentiert. Seit deren Einzug ist der Haupteingang während der dortigen Sprechzeiten ständig geöffnet. Die Sozialbehörde beschäftigt innerhalb der von ihr angemieteten Stockwerke einen Sicherheitsdienst. Im Treppenhaus und im Zugangsbereich ist eine stärkere Verschmutzung eingetreten. Ein Kunde der Sozialbehörde hat den Aufzug kurze Zeit nach deren Einzug mutwillig schwer beschädigt.
Mittlerweile ist die Managerschule aus ihren Räumen im 8. Obergeschoß ausgezogen. Diese Räume hat nun ebenfalls die Agentur für Arbeit angemietet.
Die Beklagte und weitere Mieter vertreten die Auffassung daß die jeweiligen Mieträume aufgrund der zeitweiligen Umgehung der Zugangskontrolle und aufgrund des Besucherverkehrs der Sozialbehörde mangelbehaftet seien, weshalb eine Mietminderung gerechtfertigt sei. Zum selben Ergebnis führe auch eine Herabsetzung des Mietzinses wegen Störung der Geschäftsgrundlage, mit der allerdings die Klägerin nicht einverstanden ist.
Die Beklagte hat eine Reduzierung der Miete in Höhe von 50 % für angemessen gehalten, weshalb für den Zeitraum von Februar bis August 2005 Mietzinsforderungen der Klägerin in Höhe von € 14.062,17 offen stehen, die sie aus abgetretenem Recht geltend macht.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 17.2.2006 der Klage über € 14.062,17 in Höhe von € 11.812,28 stattgegeben und sie wegen des weitergehenden Betrages von € 2.249,89 aufgrund einer Mietzinsanpassung im Wege einer Störung der Geschäftsgrundlage abgewiesen. Der Feststellungswiderklage hat es - unter Abweisung im übrigen - wegen einer Berechtigung der Beklagten zur Minderung in Höhe von 5 % stattgegeben.
Das Landgericht kommt zunächst zu dem Ergebnis, daß der Beklagten angesichts der vertraglichen Beschränkung ihres Minderungsrechtes auf Anerkenntnis und gerichtliche Feststellung im selben Verfahren ein entsprechendes Feststellungsinteresse zuzubilligen sei, das sich auch auf die Abtretungsempfängerin, nämlich die Klägerin beziehe.
Als Mangel, der zur Minderung berechtige, komme jedoch lediglich die fehlende Zugangsbeschränkung in Betracht. Im Mietvertrag sei die Einrichtung eines Zugangskontrollsystems geschuldet. Tatsächlich stehe das Haus aber zu den Öffnungszeiten der Agentur für Arbeit offen. Ab März 2005 sei deshalb eine 5 %-ige Minderung gerechtfertigt. Aufgrund der Beschränkung des Minderungsrechtes im Mietvertrag führe dies nicht zu einer sofortigen Reduzierung des Mietzinses in dieser Höhe, sondern lediglich zu einer entsprechenden Feststellung im Wege der Widerklage, die die Beklagte bei einer Vollstreckung seitens der Klägerin entgegenhalten könne.
Die stärkere Verschmutzung in den Zugangsbereichen, die Wartezeiten an den Aufzügen, die Verschlechterung der Luftqualität im Treppenhaus, die Frequentierung des Gebäudes mit problematischen Kunden der Agentur für Arbeit und die vorgekommenen Sachbeschädigungen seien zwar keine wesentlichen Mängel. Jedoch werde durch diese Umstände die Geschäftsgrundlage gestört. Aufgrund des Mietpreises und weiterer Umstände seien beide Parteien davon ausgegangen, daß Gebäude und Mieterstruktur einem exklusiven Anspruch entsprechen. Die vorgenannten Umstände stünden der Verwirklichung dieses Anspruches entgegen, weshalb eine Anpassung des Mietzinses durch eine Reduzierung des Ursprungsmietzinses von € 3.232,69 um 10 % auf € 2.909,42 zu erfolgen habe. Unter Berücksichtigung der monatlichen Zahlungen der Beklagten in Höhe von € 1.616,34 ergebe sich ein monatlicher Restanspruch von € 1.293,08, was für den Zeitraum von März 2005 bis August 2005 € 7.758,48 ergibt. Der ausstehende Mietzins für Februar in Höhe von € 2.424,52 sei in voller Höhe zuzusprechen, weil in diesem Monat die Störung der Geschäftsgrundlage noch nicht vorgelegen habe, so daß der Gesamtanspruch auf € 10.183,00 laute, was zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe 1.629,28 schließlich € 11.812,28 ergebe.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht rückständigen Mietzins in Höhe von € 14.062,17 für den Zeitraum von Februar bis August 2005. Die Beklagte begehrte im Wege der Widerklage ursprünglich die Feststellung, daß sie zu einer Minderung des Mietzinses in Höhe von 50 % ab 15.1.2005 berechtigt ist. Zu den Einzelheiten wird auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Heilbronn verwiesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 17.2.2006 der Klage in Höhe von € 11.812,28 stattgegeben und sie wegen des weitergehenden Betrages von € 2.249,89 abgewiesen, weil es eine Reduzierung des Mietzinses um 10 % aus dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage für gerechtfertigt angesehen hat. Der Feststellungswiderklage hat es - unter Abweisung im übrigen - wegen einer Berechtigung der Beklagten zur Minderung in Höhe von 5 % aus dem angepassten Mietzins für den Zeitraum vom 1.3.2005 bis 31.8.2005 stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, das Urteil des Landgerichts verletze das Recht.
Die Vermietung eines Teils der Räume an die Agentur für Arbeit rechtfertige auch unter Berücksichtigung des damit verbundenen Publikumsverkehrs und der damit verbundenen Beeinträchtigungen keine Anpassung des Mietzinses wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Eine bestimmte Mieterstruktur sei im Mietvertrag nicht vereinbart. Der Hinweis auf den Spitzen-Mietpreis reiche nicht aus, weil dieser sich in erster Linie auf die Ausstattung der Mieträume und deren Lage beziehe. Im übrigen gehe es nicht an, durch das Instrument der Störung der Geschäftsgrundlage einen Milieuschutz zu installieren.
Darüber hinaus könne die Beklagte eine Reduzierung der Miete über eine Störung der Geschäftsgrundlage nicht gegen sie geltend machen. Ausweislich des Mietvertrages sei die Berücksichtigung von Zurückbehaltungs- und Minderungsrechten auf Anerkenntnisse und rechtskräftige Feststellungen beschränkt. Solange eine solche rechtskräftige Feststellung nicht vorliege, könne die Beklagte diese Einwendungen im Hinblick auf § 404 BGB nicht der Klägerin entgegenhalten. Vielmehr sei die Beklagte auf die Ansprüche aus § 812 BGB zu verweisen.
Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zur Störung der Geschäftsgrundlage seien widersprüchlich. Verschmutzungen im Eingangsbereich und längere Wartezeiten seien zur Begründung herangezogen worden, obwohl nach dem Inhalt des Urteils derartige Beeinträchtigungen nicht festgestellt worden seien. Die Aggressivität der Besucher sei nicht erwiesen, weil sich das Landgericht insoweit auf die (Partei-)Angaben eines Beteiligten aus den beiden anderen Verfahren gestützt habe. Die übrigen Umstände könnten nicht herangezogen werden, weil Beanstandungen, die nicht im Wege des Gewährleistungsrechtes Berücksichtigung finden können, nicht zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führen würden.
Auch hinsichtlich des Minderungsrechtes habe das Landgericht nicht gesehen, daß gegenüber der Klägerin wegen der Regelung in § 404 BGB nur solche Minderungen berücksichtigt werden könnten, die im Zeitpunkt der Abtretung zumindest bereits angelegt gewesen seien. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Minderung auf den Fall des Anerkenntnisses bzw. der rechtskräftigen Feststellung beschränkt sei.
Im übrigen bestehe in der Sache kein Minderungsanspruch. Abgesehen davon, daß es am entsprechenden Vortrag der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit fehle, sei keine Zugangsbeschränkung im Mietvertrag vereinbart. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es sich aber dabei nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung gehandelt. Im übrigen sei die Öffnung durch die im Mietvertrag enthaltene Ermächtigung der Vermieterin zum Erlaß einer Hausordnung gedeckt. Die Beklagte habe keine Mangelbeseitigung verlangt. Vielmehr habe sie auf die Mitteilung der Öffnung des Hauses geschwiegen, so daß von einem konkludenten Einverständnis auszugehen sei.
Schließlich habe sich das Landgericht im Zusammenhang mit der Minderung auf zahllose Feststellungen gestützt, die weder von den Parteien dieses Rechtstreites vorgetragen worden seien, noch sonst aus den Akten ersichtlich gewesen seien. Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heilbronn
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 2.249,89 zu zahlen
und
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Anschlussberufung trägt die Beklagte vor, neben der Reduzierung des Mietzinses um 10 % wegen Störung der Geschäftsgrundlage sei eine Minderung in Höhe von 15 % gerechtfertigt, weil neben der fehlenden Zugangsbeschränkung auch ein Mangel in Gestalt der Behinderung eines beschwerdefreien Zugangs vorliege. Die Erschwerung beruhe vor allem auf den häufig langen Wartezeiten vor den Aufzügen, den Geruchsbelästigungen im Treppenhaus und den Verunreinigungen im Zugangsbereich. Das Landgericht habe dies nicht wahrnehmen können, weil es den Augenschein außerhalb der üblichen Bürozeiten durchgeführt habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heilbronn
festzustellen, daß die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin berechtigt ist, die Miete von April 2005 bis August 2005 bezogen auf die Ursprungsmiete um 15 % zu mindern.
Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit sie Zahlung des restlichen Klagbetrages in Höhe von € 2.249,89 begehrt. Soweit sie mit ihrer Berufung die zuerkannte Reduzierung bzw. Minderung des Mietzinses angreift, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg.
Die zulässige Anschlußberufung der Beklagten hat Erfolg, soweit sie für den Zeitraum von April bis August 2005 im Ergebnis eine Reduzierung des Mietzinses um insgesamt 15 % aus der Ursprungsmiete begehrt. Soweit sie eine weitergehende Reduzierung für diesem Zeitraum anstrebt, bleibt ihrem Rechtsmittel der Erfolg versagt.
1.
Die Beklagte ist verpflichtet, gemäß § 535 BGB restlichen Mietzins an die Klägerin in Höhe von € 14.062,17 zu zahlen.
Unstreitig schuldet die Beklagte der Klägerin nach dem Inhalt des aus Bl. 6 ff. d.A. ersichtlichen Mietvertrages für die Überlassung der streitgegenständlichen Räume bezüglich der Monate Februar bis August 2005 insgesamt 26.249,44, von denen sie lediglich € 12.187,27 bezahlt hat, so daß noch € 14.062,17 zur Zahlung offen stehen. Das Landgericht hat in seinem Urteil rechtskräftig auf Zahlung von € 11.812,28 erkannt, so daß weitere € 2.249,89 zuzusprechen waren.
Aufgrund der Beschränkungen in Ziff. 11 des Mietvertrages kann die Beklagte der Klägerin im Rahmen der Klage keine Minderungs- und Zurückbehaltungsrechte entgegenhalten. Der Vortrag der Beklagten zu angeblichen Mängeln ist daher bei der Behandlung der Klage nicht zu berücksichtigen. Die Auffassung des Landgerichts in diesem Punkt (Urteil S. 22 unten) wird von den Parteien nicht ernsthaft beanstandet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die Regelung in Ziff. 11 des Mietvertrages auch eine Reduzierung des Mietzinses im Wege der Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen ist. Die Regelungen über die Geschäftsgrundlage sind hier nicht anwendbar, weil sich die Störungen auf Mängel der Mietsache beziehen, bei der §§ 536 ff. BGB als ausschließende Sonderregelung vorgehen (Palandt, BGB, 66. Aufl., § 536 Rdnr. 13).
2.
Der Beklagten steht ein Anspruch auf die Feststellung zu, daß sie zur Minderung des Mietzinses in Höhe von 15 % für den Zeitraum vom 1.4.2005 bis 31.8.2005 berechtigt ist.
Diese Reduzierung würde der Beklagten an und für sich auch für März 2005 zustehen. Aufgrund des Ausspruches des Landgerichts unter Berücksichtigung der Rechtsmitteleinlegung durch die Beklagte ist der Senat jedoch auf die vom Landgericht ausgeworfene Reduzierung des Mietzinses der Höhe nach beschränkt.
a)
Die Mietsache ist seit 1.3.2005 mängelbehaftet
aa) Zugangskontrollanlage
Die Klägerin schuldet den Betrieb einer Zugangskontrollanlage an den Haupteingängen, der Tiefgaragenzufahrt und den Mietbereichseingängen von den Treppenhäusern bzw. Aufzugsvorräumen zu den Bürobereichen. Diese ist gemäß der dortigen Ziff. 5.5.3 Inhalt der Mieterbaubeschreibung, die wiederum gemäß Teil III Ziffer 4 des Mietvertrages dessen Bestandteil ist.
Es kann für die Annahme eines Mangels dahingestellt bleiben, ob diese an den werktäglichen Vormittagen und an einem Nachmittag in der Woche auf Veranlassung der Klägerin generell außer Betrieb ist oder ob die Drehtür im EG zu diesen Zeiten offen steht. Dies führt in beiden Fällen dazu, daß beliebige Personen in das Gebäude gelangen können und dadurch die Funktion dieser Zugangskontrollanlage, die sie nach Sinn und Zweck erfüllen soll, vereitelt wird.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß die Beklagte konkludent mit dieser Vorgehensweise einverstanden war. Zwar hat die Beklagte auf die schriftliche Mitteilung der Klägerin vom 22.7.2004 (Anlage B 2), in der diese Öffnung angekündigt worden ist, geschwiegen. Ihr Schweigen kann jedoch ohne weitere besondere Umstände, die weder ersichtlich noch vorgetragen sind, nicht als Zustimmung angesehen werden.
Unzutreffend ist die Behauptung der Klägerin, die Beklagte und die übrigen Mitmieter hätten sich selbst noch im Termin vor dem Landgericht nicht gegen die Türöffnung gewandt. Die Beklagte hat im Termin lediglich geäußert (Bl. 136 d.A.), dass man sich auf die schriftliche Mitteilung der Klägerin nicht gegen die Türöffnung gewandt habe, weil man sich der Tragweite nicht bewusst gewesen sei.
Die Klägerin kann auch nicht vorbringen, dass durch eine auf ihre Kosten an der Drehtür postierte Person, die sie teils als Pförtner (Bl. 271 d.A.), teils als Sicherheitsdienst (Bl. 92 d.A.) bezeichnet, eine vergleichbare Sicherheitslage wie durch die Zugangskontrollanlage geschaffen werde. Diese Person kann das weitere Verhalten nach Passieren des Eingangsbereichs nicht wahrnehmen. Nur deshalb ist es auch erklärbar, dass unstreitig ein Besucher der dortigen Abteilungen der Agentur für Arbeit die Sachbeschädigung im Aufzug verursachen konnte. Eine vergleichbare Sicherheitslage wäre nur gegeben, wenn die Sicherheitskraft vor allem die unangemeldeten Besucher von und zu den Abteilungen der Agentur für Arbeit eskortieren würde. Dies ist aber, wie es in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gekommen ist, nicht der Fall.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß die Außerbetriebnahme der Zugangskontrollanlage bzw. die Öffnung der Drehtür am Haupteingang im EG zu bestimmten Zeiten von ihrer Ermächtigung zum Erlaß einer Hausordnung gedeckt ist. Der vertraglich geschuldete Unterhalt der Zugangskontrollanlage schließt die - auch nur zeitweise erfolgende - Außerbetriebnahme bzw. Funktionsvereitelung aus. Denkbar ist allenfalls eine durch besondere Umstände (Bauarbeiten etc.) veranlasste Außerbetriebnahme, um die es hier aber nicht geht.
bb) Besucherverkehr
Die Klägerin schuldet dem Beklagten die Vermietung der übrigen Flächen an solche Mitmieter, deren Besucherverkehr in quantitativer Hinsicht einem Bürobetrieb entspricht und durch eine Zugangskontrollanlage in Verbindung mit der Türsprechanlage bewältigt werden kann. Sowohl aus Ziff. 1.1 des Mietvertrages als auch aus Ziff. 1 der Vertragsbestandteil gewordenen Mieterbaubeschreibung geht hervor, daß die Flächen, die sich in dem teilweise vom Beklagten angemieteten Gebäudeteil befinden, ausschließlich für Bürozwecke vermietet werden. Der Betrieb der Zugangskontrollanlage und der Türsprechanlage wird von der Klägerin ausweislich der Vertragsbestandteil gewordenen Mieterbaubeschreibung geschuldet.
Die Klägerin schuldet dem Beklagten die Vermietung der übrigen Flächen an solche Mitmieter, deren Besucherverkehr in qualitativer Hinsicht zumindest durchschnittlichen Anforderungen gerecht wird. Die Klägerin hat mit der Beklagten einen Mietpreis vereinbart, der deutlich über dem Spitzenmietpreis für Büroräume in xxx liegt. Durch die Vereinbarung dieses Mietpreises unter Berücksichtigung des von ihr herausgegebenen Exposés (Anlage K 3 im Parallel-Rechtsstreit OLG Stuttgart - 13 U 55/2006 -) haben die Vertragparteien konkludent verabredet, daß die Mieträume sowohl hinsichtlich ihrer Ausstattung und Lage als auch hinsichtlich ihres unmittelbaren Umfeldes, zu denen insbesondere auch die Mitmieter und deren Besucherverkehr gehören, eher über dem Durchschnitt liegenden Anforderungen gerecht werden. Die Klägerin geht fehl, wenn sie meint, daß die Mietpreisvereinbarung ausschließlich eine konkludente Abrede über die Ausstattung der Mieträume und den besonderen Blick beinhalte. Wer als Mieter bereit ist, einen über dem Spitzenpreis liegenden Mietzins zu zahlen, erwartet nicht zuletzt angesichts des Exposés, daß neben der Ausstattung und Lage der Räume auch die übrigen Einrichtungen und Umstände im Haus mit diesem hoch angesiedelten Niveau korrespondieren. Nicht anders hat es auch die Klägerin gesehen. Schließlich hat sie das im Exposé angepriesene "einmalige Ambiente" samt der "angenehmen Atmosphäre" nicht auf das Innere der angemieteten Büro-Räumlichkeiten beschränkt.
Die Überlassung der Räumlichkeiten an die Agentur für Arbeit zum Zwecke des Betriebs der Hartz-IV-Abteilung, der Suchtberatungsstelle und der Schuldnerberatung widerspricht den konkludenten Abreden der Klägerin mit der Beklagten über den Besucherverkehr sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht. Die dadurch hervorgerufenen Umstände berühren die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch unmittelbar.
Der Besucherverkehr in den Räumlichkeiten der Agentur für Arbeit übersteigt in quantitativer Hinsicht das für den normalen Bürobetrieb übliche Maß. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nun mit der Aussage des Zeugen xxx eher von 280 Besuchern pro Tag oder mit der Behauptung des Klägers von 500 Personen auszugehen ist, wobei der Senat von der höheren Zahl ausgeht, weil der Zeuge xxx selbst angegeben hat, daß die Besucher häufig in Begleitung oft mehrerer Personen erscheinen. Die Nutzung der Räumlichkeiten ist damit statt durch den Bürobetrieb eher durch den Besucherverkehr geprägt und steht damit der Schalterhalle einer Bank oder dem Bürgeramt einer Gemeindeverwaltung näher, die ebenfalls nicht mit einer Büronutzung in Verbindung gebracht werden. Die Zugangskontrollanlage kann diesen Besucherverkehr nicht mehr bewältigen. Die Drehtür steht deshalb zu den Besuchszeiten der Agentur für Arbeit offen.
Die Beklagte wird dadurch im Gebrauch ihrer Mietsache unmittelbar berührt. Die Leichtigkeit des Zugangs zu den Büroräumen der Beklagten wird beeinträchtigt. An den Aufzügen entstehen Wartezeiten, zumal die Agentur für Arbeit Räume im zweiten bis vierten und im achten Obergeschoß nutzt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nun nach den Aussagen des Zeugen xxx zwei Minuten gewartet werden muß oder, wie es von Beklagtenseite behauptet wurde, bis zu 15 Minuten Wartezeit eintritt. Maßgeblich ist, daß ohne diesen Besucherverkehr kaum mit Wartezeiten zu rechnen ist. Ferner wird das Erscheinungsbild des Zugangs zu den Büroräumen der Beklagten beeinträchtigt. Aus der Aussage des Zeugen xxx (Bl. 139 d.A.) ergibt sich, daß eine größere Verschmutzung des Treppenhauses und der übrigen Zugänge eintritt, die bis zur nächsten Reinigung andauert, auch wenn sich die Klägerin bzw. deren Rechtsnachfolgerin hier um regelmäßige Beseitigung bemüht. Schließlich kann dies zu einer Störung des Geschäftsablaufes bei der Beklagten führen. Denn die Öffnung der Drehtür hat zur Folge, daß Personen ohne ausdrückliche Zutrittsgewährung in das Gebäude gelangen und sich zu den Büroräumen der Beklagten begeben können.
Der Besucherverkehr in den Räumlichkeiten der Agentur für Arbeit unterschreitet in qualitativer Hinsicht das durchschnittliche Maß. Zwar verkennt der Senat nicht, daß ein erheblicher Teil der Besucher dem Durchschnitt der Bevölkerung entspricht. Es können aber auch nicht die Augen davor verschlossen werden, daß sich unter den Besuchern der Hartz-IV-Abteilung, der Suchtberatungsstelle und der Schuldnerberatung ein überdurchschnittlicher Anteil von sozial auffällig gewordenen Personen befindet.
Die Beklagte wird auch hierdurch im Gebrauch ihrer Mietsache unmittelbar berührt. Allein die Möglichkeit von Belästigungen und Gefahren, die von diesem Personenkreis ausgehen, rechtfertigt eine Minderung (LG Berlin NJW-RR 1996, 264). Daß diese Möglichkeit nicht fern liegend ist, beweist nicht nur der Umstand, daß ein Besucher der Agentur für Arbeit eine Aufzugskabine zerstört hat. Hierfür genügt schon der Umstand, daß der Zeuge xxx bekundet hat, daß die Agentur für Arbeit zum Schutz ihrer eigenen Bediensteten einen Sicherheitsdienst auf den Fluren der von ihr gemieteten Räumlichkeiten patroullieren lässt. Die Klägerin könnte auch nicht mit dem Argument gehört werden, daß der Einsatz von Sicherheitskräften beispielsweise in Banken und Einkaufscentern ebenfalls üblich ist. Dies ist nicht vergleichbar, weil es bei dem dortigen Einsatz von Sicherheitskräften in erster Linie um den Schutz von Geld und Waren vor Raub und Diebstahl geht.
b)
Zu Unrecht greift die Klägerin das Urteil des Landgerichts mit dem Argument an, die Beklagte habe den Mangel nicht gerügt (§ 536c BGB).
Unstreitig hat die Beklagte im Februar 2005 die Schaffung eines separaten Einganges angemahnt. Dies schließt nach Auffassung des Senates die Rüge ein, daß die Zugangskontrollanlage außer Betrieb genommen worden ist und der Besucherverkehr den vertraglichen Vereinbarungen widerspricht mit der Folge einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Mietgebrauchs der Beklagten.
Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Einer Anzeige der Beklagten bedurfte es überhaupt nicht, weil die Rechtsnachfolgerin der Klägerin den Mangel kannte und die Klägerin sich dies gem. § 404 BGB zurechnen lassen muß (Palandt, § 536c Rdnr. 8). Eine Anzeige zu dem Zweck, daß die Beklagte zum Ausdruck bringt, daß der Mangel von ihr auch als solcher angesehen wird, kennt das Mietrecht nicht.
c)
Bei der Bemessung der Höhe der Minderung hält der Senat 15 % für angemessen. Eine weitergehende Minderung kommt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht in Betracht.
Zwar verkennt der Senat nicht, daß weder Ausstattung und Funktion der Mieträumlichkeiten der Beklagten noch der oft zitierte Ausblick unmittelbar beeinträchtigt werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die von der Klägerin gepriesene Kombination von einmaligem Ambiente und angenehmer Atmosphäre durch die vorgenannten Umstände deutlich verfehlt wird.
Der Senat sieht sich hinsichtlich der Zeitraums März 2005 auch ohne Rechtsmittel der Beklagten nicht daran gehindert, den Anspruch der Beklagten insgesamt auf Minderung zu stützen, selbst wenn der Anspruch in erster Instanz teilweise mit Vertragsanpassung nach Störung der Geschäftsgrundlage begründet worden ist. Wenn bei gleicher tatsächlicher Grundlage ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt geltend gemacht wird, liegt keine Klageänderung vor, so daß § 533 ZPO nicht eingreift.
d)
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Beklagte trotz Beschränkung ihres Minderungsrechts auf unstreitige oder gerichtlich festgestellte Fälle sogleich im Wege der Feststellungswiderklage im vorliegenden Verfahren geltend machen, daß ihr hinsichtlich der mit der Klage geforderten Mietzinsansprüche Gegenansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung zustehen. Sie kann hierzu nicht auf ein gesondertes Verfahren verwiesen werden (vgl. KGR 2001, Seite 119).
e)
Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch die Regelung in § 404 BGB der Feststellungswiderklage nicht entgegen (BGH NJW-RR 1994, Seite 880). Maßgeblich kommt es darauf an, daß die Tatbestandsvoraussetzungen der Minderung zum Zeitpunkt der Abtretung am 25.8.2005 (Bl. 41 d.A.) bereits angelegt waren.
3.
Die Entscheidung über die Streitwerte beruht auf §§ 48 Abs. 1, 42 Abs. 5 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO (BGH NZM 2005, Seite 519; OLG Stuttgart NJW-RR 1997, Seite 1303).
In erster Instanz bemisst sich der Streitwert für die Widerklage über die Feststellung der Berechtigung zur zukünftigen Minderung nach dem 3,5-fachen Wert des Jahresbetrages. Dies ergibt 42 Monate á € 1.874,96 (50 % aus € 3.232,69 zzgl. 16 % MwSt. = € 517,23, insgesamt also 3.749,92), also € 78.748,33. Die bei Einreichung fälligen Beträge sind hinzuzurechnen, so daß weitere € 14.062,17 hinzuaddiert werden müssen. Insgesamt folgt hieraus für die Widerklage in erster Instanz ein Streitwert in Höhe von € 92.810,50. Weil es sich um eine Feststellungsklage handelt, die den Mietzins teilweise leugnet, ist ein Abschlag nicht gerechtfertigt.
In zweiter Instanz ergibt sich für die Berufung hinsichtlich der Widerklage ein Streitwert in Höhe von € 3.262,44. Die angegriffene Reduzierung des Mietzinses um 10 % aus € 3.749,92 entspricht monatlich € 374,99. Die angegriffene Minderung um 5 % aus dem reduzierten Mietzins in Höhe von € 3.374,93 (€ 3749,92 - € 374,99) entspricht monatlich € 168,75. Unter Berücksichtigung des allerdings nur aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Zeitraumes von März 2005 bis August 2005 folgt hieraus ein Wert von € 3.262,44 (€ 374,99 + € 168,75 = 543,74 x 6).
In zweiter Instanz ergibt sich für die Anschlußberufung hinsichtlich der Widerklage ein Streitwert in Höhe von € 1.968,70. Die Beklagte begehrt mit ihrer Anschlussberufung über die Reduzierung der Miete um 10 % hinaus eine auf die Ursprungsmiete bezogene Minderung in Höhe von 15 %. Dies ergibt monatlich € 937,48, wovon jedoch bereits € 543,74 durch das Landgericht zuerkannt worden sind. Es verbleiben monatlich € 393,74, was bei den geltend gemachten 5 Monaten (April bis August 2005) € 1.968,70 ergibt. 4.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vor. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts, weil die Frage, inwieweit Umstände, die sich aus einer verschlechternden Mieterstruktur ergeben, als Sachmangel anzusehen sind, bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden ist.
Ende der Entscheidung
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