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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 13 U 70/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 273
BGB § 426
BGB § 670
Macht ein Ehegatte als Alleineigentümer gegen den anderen Ehegatten Mietrückstände aus der Vermietung eines Hausgrundstücks geltend, dessen Erwerb durch einen Kredit finanziert worden ist, für den beide Ehegatten gesamtschuldnerisch haften, so steht dem anderen Ehegatten ein Zurückbehaltungsrecht zu, soweit der eine Ehegatte früher eingegangene Mieten nicht vorrangig für die fälligen Raten auf Zins und Tilgung verwendet hat; soweit dem anderen Ehegatten kein Zurückbehaltungsrecht zusteht, kann der eine Ehegatte Zahlung der Mietrückstände in Höhe der fälligen Raten auf Zins und Tilgung nur an den Kreditgeber, nicht aber an sich selbst verlangen. Nach Kündigung des Mietverhältnisses kann der eine Ehegatte die Räumung nur Zug um Zug gegen Befreiung des anderen Ehegatten von seiner Mithaftung für den Kredit verlangen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 13. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 13 U 70/03

Verkündet am: 13. November 2003

In Sachen

wegen Forderung und Herausgabe

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Richters am OLG Steck, des Richters am OLG Andelfinger und des Richters am OLG Wetzel

auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Urteil der 5. Zivilkammer (ER) des Landgerichts Heilbronn vom 4.4.2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 50.362,00 nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus € 1.073,71 seit 5.4.2001, weiteren Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus € 12.884,56 seit 5.4.2001, weiteren Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus jeweils € 1.073,71 seit 5.6.2001 und 5.7.2001 sowie weiteren 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils € 3.425,66 seit 5.8.2001, 5.9.2001 und 5.10.2001 sowie weiteren Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.853,44 seit 5.11.2001, 5.12.2001, 5.1.2002, 5.2.2002, 5.3.2002 und 5.4.2002 zu zahlen,

a)

...

b)

davon einen Teilbetrag in Höhe von € 9.433,34 Zug um Zug gegen Zahlung der Klägerin auf das gemeinsame Konto der Parteien bei der W. AG mit Sitz in L. zu Darlehensnummer ... oder das gemeinsame Konto der Parteien bei der W. AG mit Sitz in L. zu Darlehensnummer ..., davon einen weiteren Teilbetrag in Höhe von € 18.014,96 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus € 1.073,71 seit 5.7.2001 und aus jeweils € 1.801,50 seit 5.8.2001, 5.9.2001, 5.10.2001, 5.11.2001, 5.12.2001, 5.1.2002, 5.2.2002, 5.3.2002 und 5.4.2002 auf das gemeinsame Konto der Parteien bei der W. AG mit Sitz in L. zu Darlehensnummer ... oder das gemeinsame Konto der Parteien bei der W. AG mit Sitz in L. zu Darlehensnummer ...; im übrigen wird der Klagantrag Ziff.2 abgewiesen.

2.

Der Beklagte wird verurteilt, auf dem Grundstück H.str. ... in L. das Erdgeschoß und das Untergeschoß des großen Wohngebäudes, das Bürogebäude, bestehend aus drei Zimmern, Bad und Toilette, sowie sämtliche Stellplätze und Lagerflächen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben Zug um Zug gegen Befreiung des Beklagten von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der W. AG mit Sitz in L. zu Darlehensnummer ... und der W. AG mit Sitz in L. zu Darlehensnummer ... durch die Klägerin; im übrigen wird der Klagantrag Ziff. 3 abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung aus Ziff. I 1 und aus Ziff. 1 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils € 60.000,00 und die Vollstreckung aus Ziff. III gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 3.000,00 abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung aus Ziff. III gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 1.500,00 abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert der Berufung: € 110.336,53

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens Hstr. ... in L. , das mit einem kleineren Bürogebäude und einem größeren Wohngebäude bebaut ist. Das kleinere Bürogebäude, die Freiflächen sowie Erdgeschoß und Untergeschoß des größeren Wohngebäudes hat sie an den Beklagten zum Betrieb eines Garten- und Landschaftsbauunternehmens vermietet. Mit den Mieteinkünften hat sie in der Vergangenheit die Darlehensverbindlichkeiten bedient, mit denen der Erwerb des Anwesens finanziert worden ist und für die beide Parteien gesamtschuldnerisch haften.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten eine Entschädigung wegen Nutzung der dortigen früheren gemeinsamen Ehewohnung im OG und DG des Wohngebäudes durch den Beklagten (Klagantrag Ziff. 1). Ferner macht sie Ansprüche auf Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung bezüglich der Gewerbeflächen auf diesem Anwesen geltend (Klagantrag Ziff. 2), deren Räumung sie zugleich verlangt (Klagantrag Ziff. 3). Im Wege der Widerklage verlangt der Beklagte als Mieter Ersatz seiner Aufwendungen, die er nach einem Brand auf dem Grundstück im Rahmen der Wiederherstellung des Anwesens getätigt hat. Zu den Einzelheiten wird auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts verwiesen.

Das LG hat durch Teilurteil vom 4.4.2003 der Klägerin den mit dem Klagantrag Ziff. 2 geltendgemachten Anspruch auf Mietzins für Gewerbeflächen für den Zeitraum von April 2000 bis April 2002 in Höhe von € 50.362,00 zuzüglich eines Teils der geltendgemachten Zinsen sowie den Anspruch auf Räumung und Herausgabe dieser Räume und Flächen zuerkannt. Hinsichtlich des Zahlungsanspruches kommt es zu dem Ergebnis, dass für den genannten Zeitraum die Zahlungen des Beklagten in dieser Höhe hinter dem vereinbarten Mietzins von DM 9.775,00 monatlich zurückgeblieben seien. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass er nur insoweit Mietzahlungen zu leisten habe, als die Klägerin die Darlehen für die Immobilie bediene, auch wenn er sich für die Rückzahlung der Darlehen mitverpflichtet habe. Aus dem von der Klägerin ausgesprochenen Verbot der Untervermietung bezüglich der Räume im UG und im EG folge weder ein Minderungs- noch ein Zurückbehaltungsrecht. Auch aus der Aussetzung der Darlehenstilgung durch die Klägerin ergebe sich kein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht. Hinsichtlich des Räumungsanspruches kommt es zu dem Ergebnis, dass auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine Gründe gegen die Geltendmachung des Eigentumsrechtes durch die Klägerin sprächen, auch wenn die Eigentumszuordnung unter den Eheleuten nur aus steuerlichen Gründen erfolgt sein mag. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein.

Er trägt hinsichtlich des Zahlungsanspruches vor, dass er wegen des Verbotes der Untervermietung zur Mietminderung berechtigt sei. Unerheblich sei, ob tatsächlich Mindereinnahmen entstanden seien. Entscheidend sei vielmehr, dass für die Minderung allein schon die Androhung von behördlichen Maßnahmen ausreiche.

Er habe für die Monate Juli bis Dezember 2001 von der Klägerin nicht berücksichtigte Zahlungen in Höhe von monatlich DM 1.100,00 erbracht, obwohl er schriftsätzlich eine entsprechende Leistungsbestimmung getroffen habe.

Die Klägerin könne die Zahlung von ausstehendem Mietzins bzw. ausstehender Nutzungsentschädigung allenfalls an die das Anwesen finanzierende Bank, nicht aber an sich verlangen. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise begleiche er die Darlehensverbindlichkeiten bei der Bank, gegenüber der er mithafte. Nachdem die Klägerin die Zahlungen an die Bank nicht mehr weiterreiche, sei er auch nicht mehr zur Zahlung an die Klägerin verpflichtet, denn sonst drohe ihm die doppelte Inanspruchnahme aus dem Mietverhältnis einerseits und dem Darlehen andererseits.

Hinsichtlich der begehrten Räumung ist er der Auffassung, daß aus dem Zusammenhang der Regelungen des Mietvertrages auf einen "familiären" Charakter zu schließen sei mit der Folge, dass die Klägerin nicht berechtigt ist, die Nutzung der Gewerbeflächen zu entziehen, die dem Betrieb des Landschaftsbauunternehmens dienen, das wiederum Grundlage der familiären Einkünfte ist.

Im übrigen sei eine Teilkündigung bzw. Teilräumung in rechtlicher Hinsicht aus Gründen der Übergewichtstheorie und aus tatsächlicher Sicht wegen der erforderlichen Mitbenutzung von Zugangsflächen zur Ausübung seines Wohnrechtes im OG/DG des Wohngebäudes nicht möglich.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Heilbronn vom 4.4.2003 - 5 O 1307/2001 - die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat nur teilweise Erfolg.

1. Mietzins (Klagantrag Ziff. 2)

Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. §§ 535, 546a BGB ein Anspruch auf rückständigen Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum von April 2000 bis April 2002 in Höhe von € 50.362,00 zu.

a)

Der Beklagte ist verpflichtet, in dem streitgegenständlichen Zeitraum von April 2000 bis April 2002 monatliche Mietzahlungen bzw. Nutzungsentschädigung in Höhe von € 4.997,88 (DM 9.775,00) zu zahlen.

Der Beklagte hat durch Mietvertrag vom 7.7.1989 von der Klägerin die Freiflächen und das kleine Bürogebäude zum Preis von DM 4.000,00 monatlich angemietet. Ab 1998 ist der Mietzins einvernehmlich auf DM 4.600,00 angehoben worden (Bl. 35 d.A.).

Durch Mietvertrag vom 15.12.1993 hat er von der Klägerin EG und UG des großen Gebäudes zum Preis von monatlich DM 4.600,00 angemietet. Ab 1998 ist der Mietzins einvernehmlich auf DM 5.175,00 angehoben worden (Bl. 35 d.A.).

Tatsächlich ist für den Zeitraum von April 2000 bis April 2002 Mietzins in Höhe von DM 98.499,51 (€ 50.362,00) offen, weil der Beklagte für die ihm überlassenen Flächen und Räume im Zeitraum April 2000 bis Juni 2001 seine monatlichen Zahlungen um 2.100,00 auf DM 7.675,00 und im Zeitraum von Juli 2001 bis April 2002 seine Zahlungen um 6.700,00 auf DM 3.075,00 reduziert hat.

Soweit der Beklagte behauptet, er habe im Zeitraum von Juli 2001 bis Dezember 2001 monatlich weitere DM 1.100,00 an die Klägerin als Miete erbracht, hat er diese Behauptung nicht ausreichend substantiiert. Das Landgericht Heilbronn hat ihm ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 13.11.2002 aufgegeben, seine Behauptung näher darzulegen (Bl. 111 d.A.). Dies ist nicht erfolgt, auch nicht im Rahmen des Berufungsverfahrens.

b)

Zu einer Minderung der Miete gem. § 536 BGB n.F. wegen eines behaupteten Verbots der Untervermietung durch die Gemeinde L. ist der Beklagte nicht berechtigt.

Eine Mietsache ist nur dann mangelhaft, wenn sie mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert. Hierzu gehören auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse bzw. -beschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, wenn sie mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in betrieblichen oder persönlichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (Beispiel: fehlende Zweckentfremdungsgenehmigung) (OLGR Naumburg 2000, 377).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Soweit sich der Beklagte auf das Schreiben der Gemeinde L. vom 11.9.2001 bezieht, ist diesem Schreiben weder eine behördliche Maßnahme noch deren Androhung zu entnehmen. Das Schreiben beschränkt sich auf eine Mitteilung. Soweit sich der Beklagte auf Äußerungen des Bürgermeisters der Gemeinde bezieht, ist sein Vortrag unsubstantiiert. Er legt nicht dar, wann, wo, gegenüber wem und unter welchen Umständen diese Äußerung erfolgt ist.

Im übrigen deutet der Vortrag des Beklagten darauf hin, dass er nicht Minderung sondern Schadensersatz geltend machen will, weil er angeblich einen Teil der gemieteten Räume nicht habe untervermieten können. Hierzu fehlt jedoch der Vortrag zu einem konkreten Schadenseintritt. Er legt nicht dar, dass er infolge des behaupteten Verbots Räume nicht untervermietet habe, obwohl Interessenten vorhanden gewesen wären.

c)

Zurückbehaltungsrechte gem. § 273 BGB am Mietrückstand stehen dem Beklagten lediglich teilweise zu.

Ein Zurückbehaltungsrecht folgt nicht aus einem Anspruch des Beklagten auf Abänderung des Mietvertrages hinsichtlich der Höhe des Mietzinses. Ein solcher Anspruch steht dem Beklagten nicht zu. Zwar wurde das Mietverhältnis bis zur Trennung der Parteien durch die Ehe der Parteien überlagert. Es kann jedoch offen bleiben, ob aus der Ehe in Verbindung mit der gesamtschuldnerischen Haftung beider Parteien für die Finanzierung der im Alleineigentum der Klägerin stehenden Mietsache der Schluß gezogen werden muß, dass der Mietzins an die Zins- und Tilgungsaufwendungen hätte angelehnt werden sollen, was offenbar auch so praktiziert worden ist. Dies hätte zwar zur Folge, dass der Beklagte aufgrund der Reduzierung der Zins- und Tilgungsaufwendungen im März 2000 einen Anspruch auf entsprechende Anpassung des Mietzinses ab April 2000 hätte mit der Folge eines entsprechenden Zurückbehaltungsrechtes, soweit die vertraglich geschuldete Miete den angepassten Mietzins überstiegen hätte. Die Überlagerung des Mietverhältnisses durch die Ehe ist jedoch mit der endgültigen Trennung der Parteien im September 1998 beendet. Der Umstand der gesamtschuldnerischen Haftung beider Parteien für die Finanzierung der Mietsache allein reicht nicht für einen entsprechenden Anspruch des Beklagten aus. Die Trennung hat somit zur Folge, dass der Beklagte grundsätzlich den vertraglichen Mietzins ohne Rücksicht auf die Höhe der Zins- und Tilgungsaufwendungen schuldet.

Einen Anspruch auf Abänderung der Höhe des Mietzinses könnte der Beklagte ab dem Zeitpunkt der Trennung nur dann geltend machen, wenn der vertraglich geschuldete Mietzins den ortsüblichen Mietzins übersteigen würde. Wenn bis zum Zeitpunkt der Trennung von einem an den Schuldendienst angelehnten Mietzins ausgegangen worden wäre, dann darf nämlich auch der Beklagte nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass der vertragliche Mietzins (der zugleich angelehnter Mietzins ist) trotz Trennung fortgilt, obwohl der ortübliche Mietzins niedriger ist. Der Beklagte hat aber bisher nicht vorgetragen, der ortsübliche Mietzins sei niedriger.

Allerdings folgt ein teilweises Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB aus der Überlagerung des Mietverhältnisses durch das Gesamtschuldverhältnis der Parteien aus anderen Gründen. Unabhängig von der Frage nach den Motiven für die Begründung des Alleineigentums der Klägerin an dem Hausgrundstück einerseits und die gesamtschuldnerische Haftung beider Parteien für die Finanzierung dieses Hausgrundstücks andererseits zwingt allein die Konstruktion zu dem Schluß, dass die Parteien bei Eingehung der gesamtschuldnerischen Haftung zumindest konkludent vereinbart haben, dass die Klägerin eingehende Mietzinszahlungen des Beklagten vorrangig für Zinsen und Tilgung zu verwenden hat. Eine derartige Zweckbestimmung wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt (Bl. 109 d.A. unten) und korrespondiert mit deren entsprechender jahrelanger Handhabung. Diese Überlagerung gilt auch für den Fall, dass der Beklagte den geschuldeten Mietzins lediglich teilweise erbringt.

Der Beklagte leistete den einseitig reduzierten Mietzins in Höhe von DM 3.075,00 auch im Zeitraum von November 2001 bis April 2002, den die Klägerin aber unstreitig nicht für Zins und Tilgung verwendete. Hieraus ergibt sich ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 6 x DM 3.075,00 = DM 18.450,00 (€ 9.433,34) bis zur Zahlung dieses Betrages durch die Klägerin an die kreditierenden Banken, wobei es der Klägerin überlassen bleiben muß, ob sie die in diesem Zeitraum bei der W. AG oder die bei der W. AG aufgelaufenen Verbindlichkeiten bedient.

d)

Von dem nicht vom Zurückbehaltungsrecht erfassten Mietrückstand in Höhe von € 40.928,66 (DM 80.049,51) kann die Klägerin lediglich Zahlung in Höhe von € 22.913,70 (DM 44.815,31) an sich verlangen. Hinsichtlich des Restbetrages in Höhe von € 18.014,96 (DM 35.234,20) kann sie nur Zahlung auf die Darlehenskonten der Parteien bei den kreditierenden Banken verlangen, wobei es dem Beklagten überlassen bleiben muß, ob er die in diesem Zeitraum bei der W. AG oder die bei der W. AG aufgelaufenen Verbindlichkeiten bedient, wobei er die von der Klägerin als Zug-um-Zug-Leistung zu erbringende Zahlung gegebenenfalls zu berücksichtigen haben wird.

Zumindest für den Fall der vollständigen Mietzinszahlung steht dem Beklagten aus dem Gesamtschuldverhältnis bezüglich der Darlehen ein Anspruch auf Freistellung in Höhe der Zins- und Tilgungsaufwendungen zu. Soweit die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit den vollen Mietzins geltend macht, kann sie, soweit der Beklagte mit seinen Zahlungen hinter den tatsächlichen Zins- und Tilgungsaufwendungen zurückgeblieben ist, lediglich Zahlung an die kreditierenden Banken geltend machen (Umkehrschluß aus SchlHOLG MDR 1998, 1493). Bis einschließlich Juni 2001 ist der Beklagte mit seinen Zahlungen in Höhe von monatlich DM 7.675,00 nicht hinter den monatlichen Zins- und Tilgungsaufwendungen von DM 6.598,43 zurückgeblieben. Ab Juli 2001 ist er aufgrund seiner monatlichen Zahlungen in Höhe von lediglich DM 3.075,00 um monatlich DM 3.523,42 hinter den monatlichen Zins- und Tilgungsaufwendungen zurückgeblieben. Für den Zeitraum bis April 2002 ergibt sich hieraus ein Betrag in Höhe von 10 x DM 3.523,42 = DM 35,234,20 (€ 18.014,96).

Die Entscheidung des Landgerichts über die Zinsen wurde von dem Beklagten nicht angegriffen und war daher nur insoweit abzuändern, als dem Beklagten an dem Mietzinsanspruch ein Zurückbehaltungsrecht zusteht.

2. Räumung

Der Beklagte ist gem. § 546 BGB verpflichtet, die Freiflächen, das kleine Bürogebäude sowie EG und UG des großen Gebäudes zu räumen und an die Klägerin herauszugeben, dies jedoch nur Zug um Zug gegen Befreiung von seiner gesamtschuldnerischen Haftung bei den kreditierenden Banken.

Der Beklagte hat durch Mietvertrag vom 7.7.1989 von der Klägerin die Freiflächen und das kleine Bürogebäude angemietet. Gem. § 2 des Mietvertrages kann das Mietverhältnis nach Ablauf einer Mietdauer von 10 Jahren mit einer Frist von 24 Monaten ordentlich gekündigt werden. Die Klägerin hat durch Erklärung vom 13.12.2000, die mit der von dem beklagten nicht angegriffenen Auffassung des Landgerichts in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist, das Mietverhältnis gekündigt. Das Mietverhältnis ist damit zum 31.1.2003 beendet.

Durch Mietvertrag vom 15.12.1993 hat er von der Klägerin EG und UG des großen Gebäudes angemietet. Gem. Ziffer 3 des Mietvertrages kann das Mietverhältnis mit einer Frist von 4 Monaten zum Ende des Kalenderjahres ordentlich gekündigt werden. Die Klägerin hat durch Erklärung vom 13.12.2000, die ebenfalls mit der vom Beklagten nicht angegriffenen Auffassung des Landgerichts in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist, das Mietverhältnis gekündigt. Das Mietverhältnis ist damit zum 31.12.2001 beendet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten (Bl. 188 d.A.) hindern die "Grundsätze der Übergewichtstheorie" den Räumungsanspruch der Klägerin nicht. Die herauszugebenden Flächen und Räume sind Gegenstand der beiden genannten Mietverträge. Eine Teilkündigung bzw. Teilräumung liegt daher nicht vor. Unerheblich ist auch, dass der geltendgemachte Räumungsanspruch teilweise - das Treppenhaus ist nicht Gegenstand des Räumungsverlangens - zugleich die Zugangsflächen zum OG/DG des Wohngebäudes berührt. Soweit dem Beklagten ein Recht zur Nutzung der Wohnung im OG/DG zusteht, berührt der Räumungsanspruch nicht die entsprechende Nutzung derjenigen Freiflächen, deren Begehung als Zuweg zu dieser Wohnung erforderlich ist. Vom Räumungsanspruch erfasst werden allerdings die Stellplätze, die Gegenstand des (Büro-Lager-)Mietvertrages vom 7.7.1989 sind und deren Nutzung als Zuweg zur Wohnung eben nicht zwingend erforderlich ist.

Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht dem Räumungsverlangen der Klägerin nicht entgegen. Zwar geht aus dem Mietvertrag vom 7.7.1989 im dortigen § 21 hervor, dass Grundstück und Gebäude die Alterssicherung für beide Parteien darstellen soll. Dies soll aber lediglich für den Fall der Fortdauer der ehelichen Gemeinschaft gelten. Mit der endgültigen Trennung der Parteien verliert die Klausel jede Bedeutung. Soweit der Klägerin in Gestalt der Immobilie entsprechende Werte zur Verfügung stehen, werden diese im Wege des Zugewinnausgleichs auch dem Beklagten zugute kommen.

Die Klägerin kann aber die Räumung im Falle der ordentlichen Kündigung nur Zug um Zug gegen Befreiung des Beklagten von seiner gesamtschuldnerischen Haftung für die Verbindlichkeiten bei der W. AG und der W. AG aus der Finanzierung des Hausgrundstücks verlangen.

Das familienrechtlich begründete Gesamtschuldverhältnis der Parteien hinsichtlich der Kredite ist unter Heranziehung der Regeln des Auftragsrechtes abzuwickeln (BGH MDR 1989, 977). Die Kündigung der Mietverhältnisse durch die Klägerin ist zugleich als Kündigung des Auftragsverhältnisses anzusehen. Der Beklagte, der als Mithaftender ohne Eigentümerstellung die Rolle des Beauftragten spielt, kann Ersatz seiner Aufwendungen gem. § 670 BGB verlangen. Soweit er -wie hier - für diesen Zweck Verbindlichkeiten eingegangen ist, kann er Befreiung von diesen verlangen (§ 257 BGB) (BGH aaO). Dabei kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht wie etwa die Erbringung der Leistung an den Drittgläubiger, eine befreiende Schuldübernahme oder die Sicherstellung des Gläubigers. Solange die Klägerin diesen Befreiungsanspruch nicht erfüllt hat, kann sie vom Beklagten keine Räumung verlangen. Denn dies würde sonst im Ergebnis dazu führen, dass der Beklagte ein anderes Anwesen zur Fortführung seines Unternehmens zu einem entsprechenden Mietzins anmieten müsste, gleichzeitig aber weiter in der Haftung gegenüber den kreditierenden Banken steht.

Ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten mit der Folge eines Räumungsanspruches nur Zug um Zug gegen Befreiung des Beklagten von seiner gesamtschuldnerischen Haftung wäre nur dann nicht gegeben, wenn die Klägerin zu Recht die Mietverhältnisse außerordentlich wegen eines wichtigen Grundes in der Person des Beklagten gekündigt hätte. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall.

3.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 12, 16 Abs.2 Satz 1 GKG. Der Senat ist dabei von einem Mietzins für die herauszugebenden Räume und Flächen in Höhe von € 4.997,88 monatlich ausgegangen.

4.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Hinsichtlich des Zahlungsanspruches ist der Senat davon ausgegangen, dass die Klägerin im Umfang der Zug-um-Zug-Verurteilung hälftig und im Umfang der Zahlung des Beklagten an die W. AG bzw. an die W. AG zu einem Drittel unterlegen ist. Hinsichtlich des Räumungsanspruches ist die Klägerin angesichts der Zug-um-Zug-Verurteilung ebenfalls zur Hälfte unterlegen.

5.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung hinsichtlich der Befugnis des Beklagten zur Abwendung der Räumungsvollstreckung hat der Senat dem berechtigten Interesse der Klägerin auf Sicherung ihres Vermögensstandes für den Fall Rechnung getragen, dass der Beklagte mit weiteren Mietzinszahlungen in Rückstand kommt.

6.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vor. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts, weil von einer Vielzahl von Fällen mit vergleichbarer Konstellation auszugehen ist, über die - soweit ersichtlich- bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden ist.

Ende der Entscheidung

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