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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 18.09.2001
Aktenzeichen: 14 U 32/2001
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 823 ff.
BGB § 781
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
1. Die Äußerung des Arztes in seiner Stellungnahme gegenüber seiner Haftpflichtversicherung, ihm scheine eine Haftung gegeben, ist in der Regel kein Schuldanerkenntnis gegenüber dem Geschädigten.

2. Es entsprach 1995 den Regeln der Tiermedizin bei einem Pferd, einen Venenkatheter ohne vorangehende Lokalanästhesie der Einstichstelle zu fixieren.


Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer 14 U 32/2001

In Sachen

verkündet am 18. September 2001

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Richters am OLG der Richterin am OLG des Richters am OLG

auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 07.03.2001 - 8 O 43/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Klägerin: 38.000,00 DM

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach tierärztlicher Behandlung eines Pferdes.

Die Klägerin brachte am 01.03.1995 ihren Hengst F zu einer Szintigraphie in die Tierklinik des Beklagten. Die Narkose erfolgte durch eine Infusion unter anderem mit dem Medikament My 301 in die am Hals des Pferdes verlaufende linke Drosselvene. Während der Infusion glitt der Venenkatheter aus der Vene heraus, so dass Teile des Narkosemittels paravenös verliefen. In einer Stellungnahme vom 17.02.1996 gegenüber seiner Haftpflichtversicherung erklärte der Beklagte, der Venenkatheter sei nicht tief genug appliziert worden oder das Pferd habe durch starkes Hochwerfen des Kopfes während der Infusion den Katheter selbst gezogen, in beiden Fällen scheine ihm eine Haftung gegeben. Die Klägerin verlangt wegen einer Thrombophlebitis, die zu einem Wertverlust des Pferdes geführt habe, 38.000,00 DM Schadensersatz vom Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen weder wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags noch nach §§ 823 ff. BGB Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Beklagte den Hengst F. bei der Anlage des Venenkatheters fehlerhaft behandelt hat und der im Unterlassen der Injektion von Heparin nach dem Paravasat liegende Behandlungsfehler zu einer Gesundheitsschädigung des Tieres geführt hat.

1. Der Beklagte hat kein die Haftung selbständig begründendes Schuldanerkenntnis abgegeben. Für ein konstitutives Schuldanerkenntnis, mit dem unabhängig von einer bestehenden Schuld eine rechtliche Verpflichtung begründet wird, fehlt schon die nach § 781 BGB erforderliche schriftliche Erteilung des Schuldversprechens. Auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, mit dem bei Ungewissheit oder Streit der Parteien eine bestehende Schuld bestätigt und dem Streit entzogen werden soll, liegt weder mit den schriftliche Äußerungen noch mit den von der Klägerin behaupteten mündlichen Äußerungen des Beklagten vor. Das von der Klägerin herangezogene Schreiben des Beklagten vom 17.02.1996 an seine Haftpflichtversicherung enthält schon vom Wortlaut her kein Anerkenntnis einer Schuld, sondern nur eine Meinungsäußerung mit einer Bewertung. Darin führt der Beklagte lediglich aus, dass eine nicht ausreichend tiefe Applikation des Venenkatheters oder ein Ziehen des Katheters durch Hochwerfen des Kopfes zum Herausrutschens des Katheters geführt haben könne und ihm in beiden Fällen eine Haftung gegeben erscheine. Nach seinem Zweck sollte das Schreiben nicht eine bestehende Schuld oder eine Haftung des Beklagten bestätigen, sondern nur gegenüber der eigenen Haftpflichtversicherung Stellung nehmen. Dem Schreiben fehlt damit auch jeder Anhalt für einen Schuldbestätigungswillen. Auch den bestrittenen mündlichen Äußerungen des Beklagten lässt sich eine Erklärung, die auf den Abschluss eines schuldbestätigenden Vertrages gerichtet ist, nicht entnehmen. Eine Äußerung unmittelbar nach der Operation, es sei etwas neben die Vene gelangt, erschöpft sich in der Information über den Hergang. Die behauptete Erklärung des Beklagten vom 07. November 1996, er sei der Verursacher, er rate der Versicherung zu bezahlen, enthält dem Wortlaut nach eine Stellungnahme zur Verursachung, aber nicht eine Bestätigung der Haftung. Die Haftung setzt neben der Verursachung auch einen Behandlungsfehler und einen Schadenseintritt voraus. Die Erklärung, er rate seiner Versicherung zur Zahlung, ist dem Wortlaut nach ebenfalls nur eine Erklärung über seine beabsichtigte Stellungnahme gegenüber der Versicherung, aber weder ein Schuldeingeständnis noch eine Bestätigung der Haftung. Auch den Umständen der Äußerung - nach der Untersuchung des Hengstes F. - lässt sich nicht entnehmen, dass über den Wortlaut hinaus eine Haftung bestätigt werden sollte.

2. Einen Behandlungsfehler in der Durchführung der Szintigraphie hat die Klägerin nicht bewiesen.

a) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Beklagte und die Zeugin Dr. E. fehlerhaft vorgegangen sind. Die Beweislast für tierärztliche Behandlungsfehler hat die Klägerin (BGH NJW 1982, 1327). Die Zeugin Dr. E. hat ein ordnungsgemäßes Vorgehen geschildert.

Beweiserleichterungen kommen der Klägerin nicht zugute.

A) Die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises liegen nicht vor. Ein Anscheinsbeweis kommt nur dann in Betracht, wenn ein typischer Geschehensablauf fest steht, bei dem nach der Lebenserfahrung auf die Verursachung einer bestimmten Folge durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, nach dem eine Komplikation auf einen ärztlichen Fehler zurückgeht, gibt es jedoch nicht (BGH NJW 1992, 1560), ein solcher Erfahrungssatz lässt sich auch für ein Paravasat nach der Anlage eines Venenkatheters bei Pferden nicht aufstellen. Der Sachverständige Dr. B. hat dargelegt, dass auch bei korrektem Vorgehen der ordnungsgemäß fixierte Venenkatheter herausrutschen und es zu Paravasat des Kontrastmittels kommen kann.

B) Auch eine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt eines einseitigen Schuldbekenntnisses kommt nicht in Betracht. Ein einseitiges Schuldbekenntnis kann, auch wenn es sich lediglich auf die Schilderung des Hergangs eines Unfalls beschränkt, dazu führen, dass der Schädiger einen später behaupteten abweichenden Verlauf beweisen muss (BGH NJW 1982, 996). Der Beklagte hat aber keinen Fehler eingeräumt. Er hat nicht erklärt, dass eine zu geringe Tiefe des Katheters zum Herausrutschen führte. Bereits in seiner Stellungnahme vom 17.02.1996 hat er darauf hingewiesen, dass es auch ein Herausrutschen des ordnungsgemäß befestigten Katheters eine möglich Ursache war. Diese hat er zwar auch für einstandspflichtig erachtet, ein Schuldbekenntnis gegenüber der Klägerin liegt in dem Schreiben vom an seine eigene Haftpflichtversicherung mit der Meinungsäußerung, einstandspflichtig zu scheinen, aber nicht. Auch die übrigen, von der Klägerin behaupteten Äußerungen des Beklagten beschränken sich auf Schilderungen des Hergangs, die jetzt nicht im Streit sind, und beziehen sich nicht auf Tatsachen, die auf einen Behandlungsfehler schließen lassen. Unmittelbar nach der Operation hat er danach nur das Austreten von Paravasat geschildert. Die Erklärung vom 07. November beschränkte sich darauf, dass er der Verursacher sei und der Versicherung zur Zahlung rate.

b) Es war nicht behandlungsfehlerhaft, den Venenkatheter ohne vorangehende Lokalanästhesie zu fixieren und My 301 vor Ablegen des Pferdes zu applizieren. Das Vorgehen des Beklagten und der Zeugin Dr. E. folgte einer seit langem bewährten Methode zur Narkoseinduktion bei Pferden, die auch heute noch am häufigsten angewendet wird. Das hat der Sachverständige Dr. B. in seinem ergänzenden Gutachten vom 18.08.2001 überzeugend dargelegt. Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor, wenn der Tierarzt den geschuldeten Standard einhält (BGH VersR 1983, 665). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BGH vom 15. März 1977 - VI ZR 201/75 (NJW 1977, 1102). Soweit dort ausgeführt ist, dass der Tierarzt grundsätzlich die Wahl der sichersten Methode schuldet, bezieht sich dies darauf, dass im entschiedenen Fall die Wahl der anderen, unsichereren Methode nach den Ausführungen des dort gehörten Sachverständigen naheliegend fehlerhaft war und sie zudem fehlerhaft angewendet wurde. Bei der Anästhesierung im Zusammenhang mit der Anlage eines Venenketheters ist es nicht üblich und tiermedizinischer Standard, den Katheter unter einer Lokalanästhesie zu fixieren und das Pferd vor der Applikation von My 301 zum Ablegen zu bringen. Ein solches Vorgehen ist nach dem eingeholten Sachverständigengutachten aus tierärztlicher Sicht unsinnig, weil dadurch zweimal anästhesiert wird, also zweimal eine Nadel die Haut mit der verdoppelten Gefahr von Infektionen und Gewebsschäden perforieren muss. Diese Methode ist auch nicht der sicherste Weg. Sie mag im Hinblick auf das Herausrutschen des Katheters und ein daraus folgendes Paravasat sicherer sein. Ein Paravasat ist aber auch bei fixiertem Katheter nicht ausgeschlossen. Auf der anderen Seite ist diese Methode jedoch wegen der doppelten Hautperforation mit höheren anderen Gesundheitsrisiken verbunden, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B. klar ergibt. Bei My 301 handelt es sich um ein gebräuchliches Medikament, dessen Auswahl kein Fehler ist.

3. Behandlungsfehlerhaft war es, nach dem Paravasat kein Heparin zu spritzen. Da das nach den Angaben des Sachverständigen dokumentationspflichtige Spritzen von Heparin nicht dokumentiert ist, ist von einem Untertassen auszugehen. Ebenso wie in der Humanmedizin führt auch in der Tiermedizin die unterlassene Dokumentation einer dokumentationspflichtigen Maßnahme zur Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist (OLG Stuttgart VersR 1996, 1029). Einen Beweis, dass entgegen der Dokumentation Heparin gespritzt wurde, hat der Beklagte nicht angetreten. Die Klägerin hat aber den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, dass dieser Behandlungsfehler die Ursache der Schädigung war. Da das verwendete Narkosemittel My 301 hoch reaktiv ist, soll Heparin nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B noch nicht einmal wie sonst in den meisten Fällen eine Gewebeschädigung verhindern. Beweiserleichterungen für die Kausalität kommen der Klägerin nicht zugute. Der Behandlungsfehler ist nach den Angaben des Sachverständigen nicht grob, so dass eine Beweislastumkehr ausscheidet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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