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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 14 U 50/05
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 38
ZPO § 935
ZPO § 940
1. Im Wege der einstweiligen Verfügung kann gegenüber den beiden alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Komplementär-GmbH einer zweigliedrigen GmbH & Co KG mit paritätischen Mehrheitsverhältnissen nur in eng zu begrenzenden Ausnahmefällen ein umfassendes Tätigkeitsverbot ausgesprochen werden. Wenn beiden jeweils von einer Gesellschafterin gestellten Geschäftsführern von der Gegenseite Unregelmäßigkeiten zur Last gelegt werden, müssen ganz erhebliche konkrete und unmittelbar bevorstehende Nachteile für die Gesellschaft drohen, die es rechtfertigen, eine Gesellschafterin von den im Gesellschaftsvertrag angesichts der Mehrheitsverhältnisse bewusst angelegten wechselseitigen Kontrollmöglichkeiten durch die beiden Geschäftsführer bei Geschäften der laufenden Verwaltung auszuschließen.

2. Für einen Verfügungsgrund genügt eine gewisse Verunsicherung der Geschäftspartner und eine abstrakte Gefährdung der Kreditwürdigkeit infolge der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Geschäftsführers nicht. Vielmehr müsste von der Verfügungsklägerin vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, dass die Gesellschaft in naher Zukunft auf weitere Kredite angewiesen ist, die ihr mit dieser Begründung verweigert werden, oder dass der Abbruch von Geschäftsbeziehungen zu wichtigen Vertragspartnern unmittelbar bevorsteht.

3. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache gelten diese strengen Voraussetzungen insbesondere dann, wenn die Gesellschaft befristet ist, so dass angesichts der notwendigen Tatsachenermittlungen für zahlreiche in der Vergangenheit liegende Vorgänge ein Hauptsacheverfahren erfahrungsgemäß nicht bis zum Ende der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft in den nächsten Monaten abgeschlossen werden kann.


Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 50/05

In Sachen

wegen einstweiliger Verfügung/Tätigkeitsverbot

Verkündet am 26.10.2005

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 12.10.2005 unter Mitwirkung von

Vizepräsident des Oberlandesgerichts Mayer, Richter am OLG Vatter, Richter am OLG Dr. Reder

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 21.07.2005 (21 O 55/05 KfH) abgeändert.

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweilen Verfügung wird abgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: 30.000,00 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat beim Landgericht Heilbronn im Wege der einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten die Anordnung eines Tätigkeitsverbots als Geschäftsführer erwirkt. Das Landgericht hat nach Widerspruch des Beklagten die zunächst im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung durch das angefochtene Urteil bestätigt.

1.

Die Y. GmbH & Co KG (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH H. S.) und die G. GmbH & Co KG (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH W.P.) sind als jeweils gleichberechtigte Gesellschafter an der X. GmbH & Co KG (X. KG) mit einer Kommanditeinlage von je 2.020.000,00 DM und einer Stammeinlage von je 25.000,00 DM an der Komplementärin X. Verwaltungs GmbH (X. GmbH) beteiligt. Die X. KG betreibt ein Schotterwerk und ein Asphaltmischwerk. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Komplementärin X. GmbH sind W. P. und H. S.. Der Geschäftsführer H. S. ist unstreitig von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht befreit, beim Geschäftsführer W. P. ist dies streitig. Nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der X. GmbH "dauert die Gesellschaft bis zum 28.02.2006 und ist bis dahin unkündbar".

Die beiden Gesellschafter der X. KG und der X. GmbH, die Y. GmbH & Co KG und die G. GmbH & Co KG versuchen jeweils im Wege der einstweiligen Verfügung, den gegnerischen Geschäftsführer von der Geschäftsführung/Vertretung der X. GmbH auszuschließen, bis über deren Abberufung in der Gesellschafterversammlung vom 28.05.2005 rechtskräftig in den Hauptsacheverfahren LG Dresden 44 O 222/05 und 44 O 263/05 entschieden ist. In der Gesellschafterversammlung am 28.05.2005 sollte jeweils über die sofortige Abberufung des gegnerischen Geschäftsführers aus wichtigem Grund abgestimmt werden, entsprechende Beschlüsse kamen angesichts der paritätischen Mehrheitsverhältnisse nicht zustande.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Landgericht Heilbronn (21 O 55/05 KfH) bzw. dem vorliegenden Berufungsverfahren 14 U 50/05 wird von der Verfügungsklägerin G. GmbH & Co KG dem Geschäftsführer H. S. insbesondere der Vorwurf gemacht, er habe die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens am 15.03.2005 verschwiegen, außerdem habe die Antragstellerin erst vor kurzem erfahren, dass im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren von verschiedenen Firmen der S. -gruppe im Frühjahr 2003 finanzielle Unregelmäßigkeiten aufgetreten seien, die Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seien. Durch diese beiden Umstände seien die Beziehungen der X. KG und der X. GmbH zu Banken und anderen Vertragspartnern in Gefahr, da diese kein Vertrauen mehr in den Geschäftsführer H. S. hätten.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Landgericht Stuttgart (39 O KfH 48/05 KfH) bzw. dem weiteren beim Senat unter dem Aktenzeichen 14 U 53/05 anhängigen Berufungsverfahren werden dem Geschäftsführer W. P. von der Y. GmbH & Co KG diverse Unregelmäßigkeiten angelastet. Hintergrund dieser Vorwürfe ist die Unternehmenskonzeption der X. KG, die darauf beruht, dass die Geschäfte vor Ort durch die F. GmbH & Co KG (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH G. O.) aufgrund eines Dienstleistungsvertrags mit der X. KG vom 16.06.1998 und durch die T. GmbH (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH A. H.) aufgrund eines Dienstleistungsvertrags mit der X. KG vom 16.03.1998 geführt werden. Für die Buchhaltungsarbeiten hat die X. KG einen Dienstleistungsvertrag vom 19.05.1998 mit der Y. GmbH & Co KG abgeschlossen. A. H. ist neben weiteren Personen auch Gesellschafter der G. Verwaltungs GmbH und Kommanditist der G. GmbH & Co KG. Der Geschäftsführer W. P. ist weder an der Y. GmbH & Co KG oder der G. GmbH & Co KG noch an der F. GmbH & Co KG oder der T. GmbH als Gesellschafter beteiligt. Die Y. GmbH & Co KG ist der Auffassung, dass der Geschäftsführer W. P. sich in verschiedener Hinsicht pflichtwidrig verhalten habe. Die D., eine wichtige Kundin der X. KG, habe eine weitere Zusammenarbeit mit A. H. abgelehnt, der Geschäftsführer W. P. habe der aus diesem Grund gebotenen fristlosen Kündigung des Dienstleistungsvertrags mit der T. GmbH und dem Hausverbot für A. H. grundlos widersprochen. Die F. GmbH & Co KG habe für Leistungen an die X. KG teilweise überhöhte Rechnungen und teilweise Scheinrechnungen (in denen die Vermietung zweier Radlader versteckt sei) gestellt mit der steuerrechtlichen Konsequenz von Steuernachforderungen in einer Größenordnung von rund 32.000,00 €; die Rechnungen seien von A. H. unzureichend auf ihre sachliche Berechtigung geprüft worden, der Geschäftsführer W. P. sei als Geschäftsführer nicht eingeschritten. Der Geschäftsführer W. P. habe außerdem geduldet, dass die F. GmbH & Co KG und die G. GmbH & Co KG auf Kosten der X. KG ihre Fahrzeuge mit Diesel betankt habe zu Preisen, die um 10 Cent unter den gegenüber Dritten in Rechnung gestellten Preisen lagen. Der Geschäftsführer W. P. habe sich einer berechtigten fristlosen Kündigung des Dienstleistungsvertrags mit der F. GmbH & Co KG widersetzt. Der Geschäftsführer W. P. habe gegen den Widerspruch der Y. GmbH & Co KG eine neue Softwareausstattung mit einer Investitionssumme von über 30.000,00 € angeschafft. Schließlich habe der Geschäftsführer W. P. unberechtigterweise den Dienstleistungsvertrag mit der Y. GmbH & Co KG gekündigt.

Ergänzend wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Parteien in erster Instanz auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die beigezogenen Akten des Parallelverfahrens 14 U 53/05 Bezug genommen.

2.

Das Landgericht hat die durch Beschluss vom 01.06.2005 ergangene einstweilige Verfügung, durch die dem Beklagten untersagt wurde, für die X. GmbH geschäftsführend und/oder vertretend tätig zu sein, bis über seine Abberufung aus wichtigem Grund durch die Gesellschafterversammlung vom 28.05.2005 rechtskräftig entschieden ist, durch das angefochtene Urteil bestätigt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin einen wichtigen Grund zur Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer und einen hieraus resultierenden Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Der Gesellschafterin Y. GmbH & Co KG sei es wegen ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verwehrt gewesen, in der Gesellschafterversammlung am 28.05.2005 gegen die Abberufung des Beklagten zu stimmen. Es stelle eine grobe Pflichtverletzung des Beklagten dar, dass er die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens verschwiegen habe. Hierdurch sei die Vertrauenswürdigkeit der X. gegenüber Banken und Vertragspartnern gefährdet, zumal auch die Einleitung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts von Bankrotthandlungen als weiterer Umstand hinzukomme. Es bestehe deshalb, um schwerwiegende Nachteile für die Gesellschaft zu verhindern, auch ein Verfügungsgrund.

3.

Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren, das Urteil des Landgerichts abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen bzw. hilfsweise anzuordnen, dass der Beklagte nur zusammen mit einem Geschäftsführer, Prokuristen oder einem noch zu bestellenden Notgeschäftsführer gemeinschaftlich geschäftsführend oder vertretend tätig sein darf, bis über seine Abberufung als Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung vom 28.05.2005 rechtskräftig entschieden ist.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass das Landgericht sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund zu Unrecht bejaht habe. Das Landgericht habe vor allem die Besonderheiten bei der zweigliedrigen GmbH mit auch im vorliegenden Fall bewusst paritätisch ausgestalteten Mehrheitsverhältnissen nicht hinreichend gewürdigt. Alleine die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens sei kein Grund für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers, wie die Regelung in § 6 Abs. 2 GmbHG zeige. Vor diesem Hintergrund könne die ältere Rechtsprechung nur sehr bedingt herangezogen werden. Keiner der Geschäftspartner der X. KG habe bisher Anstoß daran genommen, dass bereits im Frühjahr 2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH & Co KG eröffnet wurde. Durch die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Privatvermögen des Beklagten seien keine Interessen der X. KG beeinträchtigt, zumal der Beklagte bereit gewesen wäre, für theoretisch denkbare Schadensersatzansprüche aus seiner Geschäftsführertätigkeit, die ohnehin nicht an einer Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren teilnehmen, eine Bankbürgschaft zu stellen. Konkrete Beeinträchtigungen der Interessen der Gesellschaft habe die Klägerin nicht dargetan. Außerdem sei ein Recht zur sofortigen Abberufung des Beklagten verwirkt, da der Verfügungsklägerin das Insolvenzverfahren der S. und der Bericht des Insolvenzverwalters vom 18.06.2003 seit zwei Jahren bekannt gewesen sei. Strafanzeigen des Insolvenzverwalters aus dem Jahr 2003 seien angesichts der Unschuldsvermutung nicht relevant, der Beklagte sei weder als Beschuldigter vernommen worden noch sei Anklage erhoben worden. Schließlich sei dem Verfügungsbeklagten bislang keine Abberufungserklärung zugegangen.

Ein Verfügungsgrund liege ebenfalls nicht vor, da die vorgelegten Bescheinigungen keine hinreichende Glaubhaftmachung von Tatsachen enthielten, die eine einstweilige Verfügung und hier im vorliegenden Fall sogar eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigten.

4.

Die Klägerin hält das Urteil des Landgerichts für zutreffend und beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Das Landgericht habe die Besonderheiten bei der zweigliedrigen GmbH bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Im vorliegenden Fall gehe es nicht darum, dass sich zwei Geschäftsführer wechselseitig Pflichtverletzungen vorwerfen, sondern darum, dass die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft durch die Eröffnung des Verbrauchinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Geschäftsführers tangiert seien. Wegen des damit einhergehenden Vertrauensverlustes der Geschäftspartner der Gesellschaft sei ein Verfügungsgrund gegeben.

5.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 26.07.2005 (Bl. 98 ff.) und des Klägervertreters vom 19.09.2005 (Bl. 127 ff.) verwiesen.

II.

In der Sache hat die zulässige Berufung des Beklagten Erfolg, da unabhängig von der Frage, ob ein Verfügungsanspruch der Klägerin, gerichtet auf sofortige Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer der X. GmbH besteht, jedenfalls kein hinreichender Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung vorgetragen und glaubhaft gemacht wurde, die in der gegebenen Konstellationen de facto zu einer Vorwegnahme der Hauptsache geführt hätte.

1.

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an einem Verfügungsanspruch der Klägerin. Voraussetzung hierfür wäre, dass im Verhältnis zum Geschäftsführer eine Abberufung nach § 38 GmbHG möglich war und dass auf Gesellschafterebene der nach § 46 Nr. 5 GmbHG und § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags notwendige Beschluss der Gesellschafterversammlung auch ohne die an sich erforderliche Mehrheit (§ 47 GmbHG und § 7 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags) wirksam war.

a) Die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Geschäftsführers kann möglicherweise dessen sofortige Abberufung aus wichtigem Grund rechtfertigen (vgl. BGHZ 32, 17, 33 für Ausschließung eines Gesellschafters bei Konkursreife; OLG Hamburg BB 1954, 978 bei Überschuldung; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 21; einschränkend Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 8; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 49; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 45). Zwar vermag der Hinweis des Beklagten auf § 6 Abs. 2 GmbHG, eingefügt durch Gesetz vom 04.07.1980, nicht besonders zu überzeugen, da eine rechtskräftige Verurteilung wegen Straftaten nach §§ 283 bis 283 d StGB nach § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG auch im Interesse der Allgemeinheit einen automatischen Verlust der Organstellung zur Folge hat (vgl. Michalski-Heyder § 6 GmbHG Rn. 86; Lutter-Hommelhoff-Kleindiek § 6 GmbHG Rn. 12 und Rn. 17; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 9), während es hier um eine Abberufung nach dem Willen der Gesellschafter zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft geht. Ein Umkehrschluss aus § 6 Abs. 2 GmbHG auf den Fall der Abberufung ist deshalb nicht gerechtfertigt.

Allerdings ist eine Gesamtabwägung im Einzelfall vorzunehmen (Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 43; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 38). Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Beklagte den Umstand, dass am 15.03.2005 ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wurde, zunächst verschwiegen hat, der Mitgeschäftsführer W. P. will hiervon erst am 03.05.2005 durch Dritte erfahren haben (eidesstattliche Versicherung AS 9). Auch außerhalb der Person des Geschäftsführers liegende Umstände können berücksichtigt werden, wie z.B. der Wegfall des Vertrauens von Kunden oder Kreditgebern (Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 46 und 50; Rowedder-Koppensteiner § 38 GmbHG Rn. 14). Auf der anderen Seite ist aber in der personalistisch geprägten Zweipersonengesellschaft ein strengerer Maßstab anzulegen (BGH NJW-RR 1992, 292, 294; OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; OLG Düsseldorf WM 1992, 14, 18; OLG Hamm GmbHR 2002, 328; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 31; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 39 und Rn. 54), zumal wenn es wie hier um die wechselseitige Hinausdrängung aus der Geschäftsführung geht (Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 36 a-d; OLG Hamm GmbHR 2002, 328). Allerdings darf es auch bei der paritätische Zweipersonen-GmbH nicht ausgeschlossen sein, dass sich die Gesellschaft von einem Geschäftsführer, der gröblich gegen seine Pflichten verstoßen hat, trennt (BGH NJW 1983, 938 = BGHZ 86, 177). Ob in diesem Zusammenhang eine Abberufung des Beklagten gerechtfertigt wäre, kann letztlich offen bleiben, da es, wie in der Folge näher ausgeführt wird, jedenfalls an einem Verfügungsgrund fehlt.

b) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, dass der Beklagte das seit 2003 laufende Ermittlungsverfahren verschwiegen habe, ist diesem Umstand keine größere Bedeutung beizumessen. Zwar können Straftaten, z.B. Bilanzmanipulationen oder Steuerhinterziehung, eine Abberufung aus wichtigem Grund rechtfertigen (Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 21; Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 8; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 49; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 44; Rowedder-Koppensteiner § 38 GmbHG Rn. 11; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 46 f.; OLG Düsseldorf WM 1992, 14, 19). Solche Straftaten sind aber weder hinreichend glaubhaft gemacht noch positiv erwiesen.

Die Grundsätze einer Verdachtskündigung, die sowohl im Arbeitsrecht (BAG NZA 2004, 919, 920 mit weit. Nachw.; Münchener Kommentar-Henssler § 626 BGB Rn. 240; Erfurter Kommentar-Müller-Glöge § 626 BGB Rn. 208) als auch im Gesellschaftsrecht (BGH WM 1984, 1187; BGH NJW 1996, 1403; BGH NJW 1997, 2055, 2056; OLG Celle GmbHR 2003, 773; Goette DStR 1998, 1137, 1141; Lutter-Hommelhoff-Kleindiek Anh. § 6 GmbHG Rn. 59; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 51; Münchener Kommentar-Henssler § 626 BGB Rn. 240) anerkannt sind, erlauben keine andere Beurteilung. Es müssen objektive Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit bzw. einen dringenden Tatverdacht begründen (OLG Celle GmbHR 2003, 773; Münchener Kommentar-Henssler § 626 BGB Rn. 246; Erfurter Kommentar-Müller-Glöge § 626 BGB Rn. 212). Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen kann dies kaum angenommen werden. Es ist, von eindeutigen Fällen abgesehen, nicht Aufgabe des zivilrechtlichen Verfügungsverfahrens, über mehrere Jahre laufende Ermittlungen abschließend zu bewerten. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da bereits aus anderen Gründen eine Abberufung im Mai 2005 nicht auf Vorfälle aus dem Jahr 2003 gestützt werden kann.

c) Anders als bei der Kündigung des Anstellungsverhältnisses muss zwar bei der Abberufung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten werden, allerdings muss die Abberufung innerhalb angemessener Frist ausgesprochen werden (Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 18; Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 9 a; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 54; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 63; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 54; Rowedder-Koppensteiner § 38 GmbHG Rn.16). Außerdem kann das Abberufungsrecht verwirkt sein, wenn die Gesellschafter den Geschäftsführer in Kenntnis des wichtigen Grundes längere Zeit im Amt belassen und der Geschäftsführer davon ausgehen darf, dass die Gesellschafter auf diese Gründe nicht mehr zurückkommen werden (BGH NJW-RR 1992, 292; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 19; Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 9 a; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 54; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 55; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 63). Nach der unwidersprochenen Darstellung des Beklagten wurde anlässlich einer Besprechung am 09.09.2003 der Bericht des Insolvenzverwalters vom 16.06.2003 zwischen W. P. und dem Sohn des Beklagten (vgl. dessen eidesstattliche Versicherung Anlage AG 7) angesprochen. Zumindest aus diesem Grund sind die Vorfälle im Jahre 2003 jetzt nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung, selbst wenn der Antragstellervertreter erst am 22.06.2005 bei der LPD S. Akteneinsicht gehabt haben sollte und hierbei das genaue Ausmaß der Vorwürfe im Ermittlungsverfahren erfahren haben sollte (vgl. Anlage AS 19).

d) Hinzu kommt, dass auf der Gesellschafterebene das Verhältnis zu der Y. GmbH & Co KG zu berücksichtigen ist, die sich geweigert hat, einer Abberufung des Beklagten aus wichtigem Grund zuzustimmen, wodurch die erforderliche Mehrheit verfehlt wurde.

Der Ausschluss des Stimmrechts des betroffenen Gesellschafters unter dem Gesichtspunkt des Richtens in eigener Sache betrifft den Gesellschaftergeschäftsführer (BGH NJW 1983, 938 = BGHZ 86, 178; OLG Zweibrücken GmbHR 1998, 373, 374; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 228; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 17 und § 47 GmbHG Rn. 19; Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 15; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 60). Diese Grundsätze sind hier nicht unmittelbar einschlägig. Der Beklagte ist zwar (neben Familienangehörigen) mittelbar über die S. B. GmbH & Co KG an der Y. GmbH & Co KG und an deren Komplementärin beteiligt, allerdings sind noch weitere Gesellschafter bzw. Kommanditisten vorhanden (vgl. Anlage AG 2). Ein formelles Stimmverbot der Y. GmbH & Co KG als Gesellschafterin der X. GmbH bestand deshalb nicht.

Die Y. GmbH & Co KG war aber auch materiellrechtlich nicht zur Zustimmung verpflichtet. Im rechtlichen Ausgangspunkt besteht eine Zustimmungspflicht zu Geschäftsführungsmaßnahmen nur, wenn sich der betroffene Gesellschafter weigert, obwohl der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft es erfordern und eine Verweigerung der Zustimmung unvertretbar ist (BGH NJW 1972, 862, 863; BGH NJW 1986, 844; OLG München NJW 2001, 613, 614). Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht kann eine Zustimmungspflicht zur Abberufung des Geschäftsführers nach sich ziehen (BGH NJW 1988, 969, 970; BGH NJW 1991, 846; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 4; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 18 und 20). Die Stimme des rechtsmissbräuchlich handelnden Gesellschafters ist bei der Feststellung des Beschlussergebnisses nicht mitzuzählen, ein ablehnendes Beschlussergebnis wäre anfechtbar (BGH NJW 1991, 846). Der Senat sieht in der gegebenen Situation keine Verpflichtung einer der beiden Gesellschafterinnen, der Abberufung des aus ihrem Lager bestellten Geschäftsführers zuzustimmen. Hierdurch würde das im Gesellschaftsvertrag und den übrigen Verträgen bewusst eingeführte System der wechselseitigen Befugnisse und Kontrollmöglichkeiten einseitig zu Lasten einer Gesellschafterin verschoben. Die gegenseitig erhobenen Vorwürfe sind einerseits auch in ihrer Gewichtung nicht hinreichend glaubhaft gemacht, andererseits aber im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens auch nicht gänzlich von der Hand zu weisen oder gar zu widerlegen (zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf das Urteil im Parallelverfahren 14 U 53/05 verwiesen). Gerade in dieser Konstellation bedarf es einer Teilhabe beider Gesellschafterinnen an der Geschäftsführung, um ein nicht mehr kontrollierbares Verhalten der anderen Seite auszuschließen. Die bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags bewusst in Kauf genommene Aufteilung der Befugnisse, die erfahrungsgemäß zu Konflikten führen kann, ist deshalb hinzunehmen, zumal dies nur noch für einen beschränkten Zeitraum gilt, da die werbende Tätigkeit der X. GmbH und auch der X. KG am 28.02.2006 endet und eine Fortsetzung der Gesellschaft mit den bisherigen Gesellschaftern kaum zu erwarten sein dürfte.

e) Die weitere Frage, ob die Abberufung wirksam gegenüber dem Geschäftsführer erklärt wurde (vgl. Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 6; Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 19; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 29 f.; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 79 f.; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 23 f.; Rowedder-Koppensteiner § 38 GmbHG Rn. 21), muss nicht abschließend beantwortet werden. Der Beklagte hat an der Gesellschafterversammlung am 28.05.2005 nicht selbst teilgenommen. Soweit der Beklagtenvertreter in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass er in der Gesellschafterversammlung nur Vollmacht für die Y. GmbH & Co KG gehabt habe, dürften sich keine durchgreifenden Probleme ergeben, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch als Abberufungserklärung ausgelegt werden könnte.

2.

Entscheidend ist, dass ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde. Es ist grundsätzlich anerkannt, dass einem abberufenen Gesellschafter-Geschäftsführer im Wege der einstweiligen Verfügung Maßnahmen der Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft untersagt werden können (BGH NJW 1983,938, 939 = BGHZ 86, 177; OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; OLG Zweibrücken GmbHR 1998, 373; OLG Hamm GmbHR 2002, 328; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 36; Baumbach-Zöllner § 38 GmbHG Rn. 35; Scholz-Schneider § 38 GmbHG Rn. 68 und 72 a; Hachenburg-Stein § 38 GmbHG Rn. 124 f.; Michalski-Terlau-Schäfers § 38 GmbHG Rn. 76 f.; Rowedder-Koppensteiner § 38 GmbHG Rn. 29 und 32; Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, S. 9 ff. und 164 ff.). Hierfür sind aber ganz gewichtige Umstände zu verlangen (OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; OLG Zweibrücken GmbHR 1998, 373), vorläufige Unsicherheiten sind hinzunehmen (OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313).

a) Die zum Verfügungsgrund vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (Anlage AS 16, eidesstattliche Versicherung W. P. zur Haltung der H.bank; Anlagen AS 20 und 21 von verunsicherten Geschäftspartnern; Anlage AS 22 mit allgemein gehaltenen Ausführung der Volksbank B. zur Kreditwürdigkeit) genügen diesen strengen Maßstäben nicht und können einen Verfügungsgrund nicht hinreichend belegen. Gerade in der gegebenen Situation einer zweigliedrigen Gesellschaft und wenn dem anderen Geschäftsführer ebenfalls Unregelmäßigkeiten zur Last gelegt werden (vgl. dazu BGHZ 32, 17, 31; BGH NJW-RR 1990, 530, 531; OLG Düsseldorf WM 1992, 14, 19; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 38), müssen ganz erhebliche konkrete und unmittelbar bevorstehende Nachteile für die Gesellschaft drohen, um ein Tätigkeitsverbot für einen der Geschäftsführer zu rechtfertigen und damit eine Kontrolle des anderen Geschäftsführers auszuschalten. Eine gewisse Verunsicherung der Geschäftspartner und eine abstrakte Gefährdung der Kreditwürdigkeit genügen hierfür nicht. Die Klägerin hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass sie in naher Zukunft auf weitere Kredite angewiesen ist und dass diese ihr wegen der Tätigkeit des Beklagten als einer von zwei Geschäftsführern verweigert worden seien. Ein unmittelbar bevorstehender Abbruch von Geschäftsbeziehungen zu wichtigen Vertragspartnern mit konkreten gewichtigen Nachteilen für die Gesellschaft wird ebenfalls nicht geltend gemacht. Da beide Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt sind, könnten die erforderlichen Maßnahmen und Verhandlungen bis zum Ablauf der Befristung nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags nötigenfalls auch durch den anderen Geschäftsführer vorgenommen werden.

b) In diesem Zusammenhang ist auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zu beachten (vgl. dazu allgemein Zöller-Vollkommer § 938 ZPO Rn. 3 und § 940 ZPO Rn. 6). Die Hauptsache, hier die endgültige Abberufung des Geschäftsführers, ist Gegenstand der Verfahren beim Landgericht Dresden. Ein umfassendes Tätigkeitsverbot kommt aber einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich, zumal auch Vorwürfe gegen den anderen Geschäftsführer im Raum stehen und damit eine gegenseitige Kontrolle nicht mehr möglich ist. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft bis 28.02.2006 befristet ist, so dass angesichts der notwendigen Tatsachenermittlung für zahlreiche in der Vergangenheit liegende Vorgänge ein Hauptsacheverfahren erfahrungsgemäß kaum bis zum Abschluss der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft abgeschlossen sein dürfte.

Der Senat braucht in dieser Situation nicht zu entscheiden, ob ein milderes Mittel als ein umfassendes Tätigkeitsverbot angezeigt (OLG Stuttgart GmbHR 1997, 312, 313; Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 23; Zöller-Vollkommer § 938 ZPO Rn. 4) oder praktisch durchführbar wäre. Eine Gesamtvertretung, die entsprechend dem Hilfsantrag des Beklagten in Betracht gezogen werden könnte (vgl. auch Lutter-Hommelhoff § 38 GmbHG Rn. 23), ist im Gesellschaftsvertrag gerade nicht vorgesehen, außerdem bestünde die Gefahr einer wechselseitigen Blockade und einer Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft nach außen. Die Bestimmung einer Gesamtvertretung nach Bestellung eines weiteren neutralen Geschäftsführers oder eines Prokuristen hätte von den Gesellschaftern allenfalls im Rahmen einer vergleichsweisen Regelung zumindest hinsichtlich der Auswahl und der Stellung des Dritten vorgenommen werden können. Der Senat kann die privatautonom zu treffende Entscheidung der Gesellschafter nicht ersetzen und sieht hierfür angesichts des überschaubaren Zeitrahmens bis zum Ablauf der Befristung auch keine Veranlassung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Eine Revision ist nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist nicht statthaft. Aus diesem Grund ist eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht veranlasst (vgl. Zöller-Herget § 708 ZPO Rn. 8).

Ende der Entscheidung

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