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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 05.06.2002
Aktenzeichen: 14 U 6/2002
Rechtsgebiete: ZPO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 91 a
ZPO § 91 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 92
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 93
ZPO § 515 Abs. 3 Satz 1 (a.F.)
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
HGB § 164
HGB § 166
HGB § 166 Abs. 1
HGB § 166 Abs. 3
HGB § 257 Abs. 4
1. Ein Kommanditist braucht sich dann nicht mehr auf die Einsichtnahme in die Bücher verweisen zu lassen, wenn es aus besonderen Gründen nicht mehr mit dem Vorhandensein von Geschäftsunterlagen zu den Vorgängen, über die er Auskunft verlangt, rechnen muss.

2. Bei einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers ist die Kostenentscheidung nach §§ 91, 92 ZPO zu treffen, nicht nach § 91 a ZPO analog.


Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 14 U 6/2002

verkündet am: 05. Juni 2002

In Sachen

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2002 unter Mitwirkung

des Vizepräsident des Oberlandesgerichts Mayer, des Richters am Oberlandesgericht Kaulig und der Richterin am Landgericht Aderhold

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 18.12.2001 (Az.: 8 O 1724/01 KfH 2) wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs tragen der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert bis zur Rücknahme der Anschlussberufung: 6.000,00 €, danach 3.000,00 €

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO (a.F.) abgesehen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, weil die Feststellungsklage bezüglich der Anträge Ziffer 1.a) und b) nach der im Ergebnis zutreffenden Begründung der landgerichtlichen Entscheidung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses begründet war.

Der Kläger hatte wegen der in den Anträgen Ziffer 1.a) und b) genannten Grundstücke einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte und konnte insoweit nicht auf sein Einsichtsrecht als Kommanditist nach § 166 Abs. 1 oder Abs. 3 HGB in die Bücher und Papiere verwiesen werden. Nach wohl einhelliger Auffassung hat der Kommanditist einen Auskunftsanspruch, soweit er ihn zur Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte benötigt. § 166 HGB ist nicht abschließend. Grundsätzlich ist der Auskunftsanspruch jedoch insoweit beschränkt, als dem Kommanditisten kein unbeschränkter Zugriff auf alle in der Gesellschaft vorhandenen Informationen gewährt werden soll, sondern das Kontrollrecht einerseits funktionell an die Kontrolle des Jahresabschlusses gebunden und andererseits an die Abstimmung über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nach § 164 HGB geknüpft ist (Martens, in: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl. 1986, § 166 Rdz. 18 ff.; Ebenroth/Bonjong/Joost/Weipert, HGB 2001, § 166 Rdz. 27 f.). Auch soweit der Kommanditist bei Änderungen in der Gesellschaftsstruktur ein Stimmrecht hat, besteht vorbereitend ein Auskunftsanspruch (vgl. BGH, WM 1992, 875, 876).

II.

Hier ergab sich der Auskunftsanspruch aus der Gesellschafterstellung des Klägers insoweit, als nach § 14 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags vom 13. Mai 1964 die Gesellschafterversammlung über die Genehmigung der Bilanz, die Verteilung und Auszahlung des Reingewinns sowie die Entlastung des geschäftsführenden Gesellschafters zu beschließen hatte. Zur Vorbereitung seiner Stimmabgabe musste der Kläger sich umfassend über die Vermögenslage der Beklagten unterrichten können.

Dazu gehörte die Kenntnis der Vermögenspositionen der Beklagten. Unstreitig war der Komplementär der Beklagten hinsichtlich der in den Anträgen Ziffer 1 a) und b) genannten Betriebsgrundstücke nur Treuhänder, wirtschaftliche Eigentümerin war die Beklagte. Damit ergaben sich aus dem Treuhandverhältnis Ansprüche der Beklagten, etwa auf Übereignung, die eine Vermögensposition darstellten. Zwar sind die Auskunftsanträge des Klägers formal auf die Frage gerichtet, ob die Beklagte für die im Eigentum des Komplementärs stehenden Grundstücke Kaufpreiszahlungen geleistet habe; nach vernünftigem Verständnis sind sie jedoch dahingehend auszulegen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1183 f.; 2000, 1446 jeweils m.w.N.), ob die Beklagte wirtschaftliche Eigentümerin dieser Grundstücke geworden sei, zumal die Grundstücke unstreitig immer von der Beklagten als Betriebsgrundstücke genutzt wurden.

Dieses Treuhandeigentum wurde unstreitig in der aktuellen Bilanz nicht aufgeführt, obwohl das Treuhandeigentum oder daraus resultierende Ansprüche in irgendeiner Weise hätten bilanzwirksam werden müssen (vgl. Pankow/Reichmann in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 2. Aufl. 1990, § 247 Rdz. 450 ff.). Dem steht auch die Tatsache nicht entgegen, dass seit dem Prüfungsbericht vom 17. Dezember 1970 die streitgegenständlichen Grundstücke nicht mehr in der Steuerbilanz geführt wurden. Es spricht nämlich viel dafür, dass hier entgegen der Auffassung der Beklagten der Grundsatz der einheitlichen Bilanzierung und die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz durchbrochen ist, und die Grundstücke jedenfalls - unabhängig von der Handhabung durch das zuständige Finanzamt - in einer Handelsbilanz bilanzwirksam hätten werden müssen (vgl. Pankow/Fitzner in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, a.a.O. Rdz. 799, vgl. aber auch OLG Hamm, Urteil vom 8. Januar 1993 - 26 U 98/92 - Juris-Dokumentation <GmbH und Co. KG>; BFHE 127, 163; 124, 335; FG Neustadt, EFG 1966, 452). Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt sich im übrigen auch nicht, dass das Treuhandeigentum des Komplementärs der Beklagten in der Steuerbilanz nicht mehr aufgeführt werden durfte, denn in dem Prüfungsbericht vom 17. Dezember 1970 heißt es dazu: "Der Bilanzierung - wie bisher geschehen - steht steuerlich nichts entgegen."

Der Kläger brauchte sich aber auch deshalb nicht auf die Einsichtnahme in die Bücher verweisen lassen, weil er mit dem Vorhandensein der betreffenden Unterlagen nicht mehr rechnen musste. Zwar hat ein Kommanditist zur Vorbereitung der Kontrolle des Jahresabschlusses zunächst grundsätzlich nur das Recht auf Einsichtnahme in die Bücher und Papiere nach § 166 Abs. 1 und Abs. 3 HGB. Erst wenn sich aus diesen die Vermögenslage der Gesellschaft nicht hinreichend entnehmen lässt, besteht ergänzend ein Auskunftsanspruch (vgl. BGH, BB 1984, 1271, 1272; Martens, in Schlegelberger, a.a.O.; Ebenroth/Bonjong/Joost/Weipert, a.a.O.). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Kommanditist aus besonderen Gründen nicht mehr mit dem Vorhandensein von Geschäftsunterlagen zu den Vorgängen, über die er Auskunft verlangt, rechnen muss. Die Aufbewahrungsfristen des § 257 Abs. 4 HGB können hier nur einen Anhaltspunkt bieten. Wenn jedoch - wie hier - diese Aufbewahrungsfristen schon mehrfach abgelaufen waren, weil die zugrunde liegenden Grundstückskaufverträge aus der Zeit vom 13. März 1959 bis 22. Dezember 1961 sowie der Prüfungsbericht vom 17. Dezember 1970 datieren, brauchte sich der Kläger nicht mehr auf die Einsichtnahme in die Bücher verweisen lassen. Statt dessen hatte er Anspruch auf Auskunft; dieser Anspruch scheitert auch nicht daran, dass der Kläger in der Vergangenheit möglicherweise Kenntnis von dem Erwerbsvorgang und dem wirtschaftlichen Eigentum der Beklagten hatte. Der Auskunftsanspruch war schon daher begründet, weil der Kläger die Kenntnis zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche benötigte und von ihm auch nicht verlangt werden kann, Vorgänge, die mehr als dreißig Jahre zurückliegen und aktuell jedenfalls nirgends dokumentiert sind, im Gedächtnis zu behalten, während die Auskunft für die Beklagte vergleichsweise leicht zu erteilen ist und auch keine Risiken für sie birgt (vgl. auch BGH, WM 1982, 709, 710; BB 1984, 1271, 1272).

III.

Der Auskunftsanspruch ist unstreitig erledigt, wobei offen bleiben kann, ob erledigendes Ereignis die Auskunfterteilung in der Klageerwiderung vom 5. August 2000 oder erst die Einsichtnahme des Klägers in die Bücher und Geschäftsunterlagen der Beklagten war.

B.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91, 92 Abs. 1, 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO (a.F.). Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger betreffend der Klaganträge Ziffer 1 c) bis h) unselbständige Anschlussberufung eingelegt, diese aber im Termin vor dem Senat zurückgenommen hat. Insoweit hatte er nach § 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO die durch die Anschlussberufung entstandenen Kosten zu tragen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erwachsen dem Kläger jedoch keine weiteren Kosten aus der Tatsache, dass er nicht bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat. Die Erledigung kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt werden (Zöller-Vollkommer, 23. Aufl. 2002, ZPO, § 91a Rdz. 36 f.).

Zwar wird zum Teil vertreten, dass es unbillig sei, dem Beklagten bei einer verspäteten Erledigungserklärung des Klägers die gesamten Kosten aus dem vollen Streitwert aufzubürden (so OLG München, NJW-RR 1993, 571 im Anschluss an Lindacher, in MünchKomm-ZPO, 1992, § 91 a Rdz. 94; OLG Stuttgart, NJW 1962, 1871, 1872 m.w.N.; Müller-Tochtermann, NJW 1958, 1761, 1764). Nach dieser Auffassung ist über die Kosten des Verfahrens auch bei der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO analog nach billigem Ermessen zu entscheiden. Nur für die Frage, ob die Hautsache erledigt ist oder nicht sollen Entscheidungsmaßstab §§ 91, 92 ZPO sein.

Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Kostenentscheidung ist bei einseitiger Erledigungserklärung nach §§ 91, 92 ZPO zu treffen, nicht nach § 91 a ZPO analog (vgl. BGHZ 83, 12, 15, BGH, NJW 1994, 2895, 2896; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1566, Stein-Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. 1994, § 91a Rdz. 41 m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 91 a Rdz. 44 m.w.N.; Wolst in Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 91 a Rdz. 45; Zöller-Vollkommer, a.a.O. Rdz. 47 m.w.N.; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 91a Rdz. 39; Blomeyer, Zivilprozessrecht: Erkenntnisverfahren, 2. Aufl. 1985, 336). Die abweichende Auffassung des Oberlandesgerichts München (NJW-RR 1993, 571) überzeugt nicht, weil es zur analogen Anwendung des § 91a ZPO schon an der Vergleichbarkeit der Vorschriften fehlt und § 91a ZPO als Sondervorschrift nicht analogiefähig ist (so auch Stein-Jonas/Bork a.a.O.; Wolst a.a.O.; im Ergebnis wohl auch Wieczorek/Schütze/Steiner a.a.O.; einschränkend wohl nun auch Lindacher in Münch-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2000, § 91a Rdz. 109, weil er nur mehr auf die übereinstimmende Erledigterklärung abstellt). Die Anwendung der §§ 91, 92 ZPO ist auch nicht unbillig, denn dem Beklagten steht es frei, durch die Zustimmung zur Erledigterklärung des Klägers die Anwendung der Billigkeitsregel des § 91 a ZPO herbeizuführen. Tut er dies nicht, sondern verlangt auf eine verspätete Erledigungserklärung die Klagabweisung, hat er, soweit Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, die Kosten als der unterlegene Teil zu tragen (so auch OLG Düsseldorf a.a.O.; Blomeyer, a.a.O. m.w.N.; Zöller-Vollkommer, a.a.O.).

Auch für eine Anwendung des § 93 ZPO zugunsten der Beklagten ist vorliegend kein Raum, weil sie unstreitig Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, indem sie auf das vorgerichtliche Schreiben des Klägers vom 25. April 2000 die geforderte Auskunft bezüglich der in den Klaganträgen Ziffer 1 a) und b) näher bezeichneten Grundstücke nicht erteilt hat.

Infolge des Grundsatzes der einheitlichen Kostenentscheidung waren die Kosten entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu quoteln, dabei waren Stufenstreitwerte zu bilden.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 ZPO (n.F.) nicht vorliegen.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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