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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 08.01.2002
Aktenzeichen: 14 U 70/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB §§ 823 ff. | |
ZPO § 97 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
2. Die Aufklärung darf nicht deshalb bis zum Operationstag verzögert werden, weil sich der Chefarzt die Entscheidung über die Operation vorbehalten hat und den Patienten erst am Operationstag bei der Chefarztvisite sieht.
3. Auch bei einer verspäteten Aufklärung kann sich die Behandlungsseite darauf berufen, der Patient hätte auch bei rechtzeitiger Aufklärung in die Operation eingewilligt.
Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 14 U 70/01
Verkündet am 08. Januar 2002
In Sachen
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Richters am Oberlandesgericht Dr. Drescher, der Richterin am Oberlandesgericht Wiggenhauser sowie des Richters am Oberlandesgericht Haag
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 25. Juli 2001 - 8 O 25/00 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 11.250,00 € abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert und Beschwer des Klägers: 86.919,62 €
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einer Bandscheibenoperation.
Der am 02. Mai 1942 geborene Kläger litt ab Mitte August 1997 an andauernden starken Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Er begab sich zunächst in Behandlung von Dr. A, der am 13.09.1997 eine leichte Zehenheberschwäche feststellte, und nach ausbleibender Besserung in die Behandlung des Orthopäden Dr. B. Eine Computertomographie ergab am 18.09.1997 einen Bandscheibenvorfall bei L5/S1 dorsomedial bis links medio-lateral und ein Wurzelkompressionssyndrom S1 links, Sensibilitätsstörungen oder Paresen waren nicht festzustellen. Am 06.10.1997 kam es zu einer massiven Verschlechterung. Der Kläger konnte schmerzbedingt weder liegen noch sitzen, die Nächte verbrachte er in einer halbschrägen Stellung an einem Tisch. Am 09.10.1997 wies Dr. B den Kläger wegen der starken, nicht beherrschbaren Schmerzen als Notfall in ein Krankenhaus mit der Diagnose "Sensible/Reflexstörung, massive Schmerzsymptomatik" ein. Da in der Orthopädischen Klinik des beklagten Universitätsklinikums kein Bett frei war, wurde der Kläger in der Klinik Bad S aufgenommen. Bei der Aufnahme dort konnte er sich an den Unterarmgehstützen kaum halten und war auch mit Hilfestellung nicht imstande, ins Bett zu gelangen. Er konnte nicht liegen und hielt es nur im Stehen einigermaßen aus. Die Schmerzmedikation in Bad S ließ in den folgenden Tagen keinen Zustand erzielen, der es dem Kläger erlaubte, sich ins Bett zu legen. Mit der intravenösen Gabe von Fortral und Valium konnte mit Mühe in wenigen Minuten eine Lagerung erreicht werden, danach musste der Kläger sich wieder halb stehend in gebückter Haltung übers Bett oder einen erhöhten Tisch legen. Nachdem keine Besserung erzielt wurde, wurde der Kläger am Morgen des 15.10.1997 in die Orthopädische Klinik der Beklagten verlegt.
Eine Aufnahmeuntersuchung war aufgrund heftigster Rückenschmerzen kaum möglich. Neurologisch war der Kläger bis auf einen fehlenden ASR-Reflex links und Parästhesien im S1-Dermatom unauffällig. Diagnostiziert wurde ein NPP L5/S1 links. Das linke Bein war geschwollen, eine Phlebographie ergab keinen Befund. Gegen 10.30 h wurden Blutpräparate mit dem Vermerk angefordert "BSV - Nukleotomie vorgesehen". Ein neurologisches Konsil ergab beginnende Parästhesien im linken Fuß, außerdem einen massiven Lokalbefund mit steilgestellter LWS und massivem Hartspann. Als Therapievorschlag ist vermerkt "OP bereits von Ihnen für morgen vorgesehen". Der Kläger erhielt am Abend wegen starker Schmerzen mehrfach intravenös oder über den Perfusor Dipidolor. Im Pflegebericht ist vermerkt, dass der Kläger trotzdem die ganze Nacht unsagbare Schmerzen hatte. Die wegen der starken Schmerzen des Klägers nur unter Schwierigkeiten mögliche lumbale Radiographie am 16.10.1997 ergab einen links mediolateralen Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 mit Amputation der linken Wurzel S1 und Kompression des intraduralen Verlaufs der linken Wurzel S2. Im Krankenblatt ist nach der Chefvisite um 7.15 h vermerkt "OP-Aufklärung". Im Pflegebericht findet sich der Vermerk "Patient stark bewegungseingeschränkt, wird auf die Operation vorbereitet. Er hat einen starken Medikamentenüberhang". Auf dem Anästhesieaufklärungsbogen steht "Notfall" und "Patient bei Vormedikation (Valium 10.00 h, Dipidolor/Neurocil) nicht geschäftsfähig".
Zwischen 15.00 und 16.03 h wurde der Kläger durch Prof. Dr. K im Bandscheibenraum L5/S1 mit einer Fenestrotomie, Nukleotomie und Neurolyse operiert. Nach dem Eingehen zeigte sich die Nervenwurzel sehr angespannt und von narbigem Gewebe umschieden. Sie wurde durch eine Neurolyse freigelegt. Im darunter liegenden Intervertebralraum L5/S1 fand sich eine pralle Vorwölbung. Nach Inzision des hinteren Längsbandes entleerte sich sequestriertes Bandscheibengewebe. Die Abrechnung der stationären Behandlung des Klägers enthält unter anderem die GOÄ-Ziffer 2586, die für eine End-zu-End-Naht eines Nerven im Zusammenhang mit einer frischen Verletzung einschließlich Wundversorgung vorgesehen ist.
Der postoperative Verlauf gestaltete sich zunächst komplikationslos. Am 27.10.1997 war der Kläger gut mobil und hatte keine Schmerzen, hatte aber Anzeichen einer Fußsenkerschwäche. Am 28.10.1997 wurde er zur Anschlussbehandlung nach Bad S verlegt. Am 30.10.1997 traten Schmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein auf, am 05.11.1997 Kribbeln und Reizempfindungen an der linken Ferse. Die Sensibilitätsstörungen im linken Bein blieben. Der Kläger wurde wegen eines Postnukleotomie-Syndroms am 28.12.1997 vom Versorgungsamt Rottweil mit einem Behinderungsrad von 30% anerkannt und mit Wirkung vom 01.07.1999 als Studienrat in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Der Kläger hat vorgetragen,
bei der Operation vom 16. Oktober 1997 sei es zu einer Nervenverletzung gekommen. Diese habe zu den nach der Operation aufgetretenen neuen Beschwerden - Dauerschmerz und Beschwerden beim Gehen, Stehen und Liegen im linken Fuß sowie Trittunsicherheit - geführt. Die Entscheidung der Ärzte der Beklagten zur Operation sei vorschnell gewesen. Konservative Behandlungsmöglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft gewesen. Er sei nicht rechtzeitig und nicht ordnungsgemäß über die Operation aufgeklärt worden. Erst auf dem Weg in den Operationssaal sei ihm ein gelber Aufklärungsbogen vorgehalten worden, den er blanko unterschrieben habe. Ein Gespräch mit dem Arzt über die Operation habe nicht stattgefunden. Die starken postoperativen Schmerzen hätten die vielversprechende Karriere des Klägers im Schuldienst abrupt beendet. Durch die vorzeitige Pensionierung entstehe ihm ein erheblicher Erwerbsschaden. Ihm stehe deshalb ein Schmerzensgeld von 70.000,00 DM zu.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld wegen der Behandlung in der Abteilung Orthopädie am 15./16. Oktober 1997 und der daraus resultierenden andauernden Schmerzen zu bezahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen hat, die sich aus dem Schadensereignis ergeben haben und ergeben werden, soweit die hieraus resultierenden Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
beim Kläger seien bereits bei der Aufnahme alle konservativen Therapiemöglichkeiten erschöpft gewesen. Die endgültige Operationsentscheidung sei erst am 16.Oktober 1997 nach Vorliegen der Ergebnisse der myelographischen Untersuchung getroffen worden, eine Aufklärung deshalb erst an diesem Tag möglich gewesen. Der Kläger sei bei der Aufklärung am Morgen des 16.10.1997 durch Dr. R im Krankenzimmer voll geschäftsfähig gewesen. Die Berechnung der Gebührenziffer GOÄ 2586 beruhe auf einem Versehen der mit der Abrechnung betrauten Mitarbeiterin. Die vom Kläger jetzt beklagten Beschwerden stünden nicht im Zusammenhang mit der Bandscheibenoperation.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und seine mündliche Erläuterung durch Privatdozent Dr. H sowie durch Vernehmung des Zeugen Dr. R und der Zeugin L. Es hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein.
Er trägt vor,
er sei fehlerhaft behandelt worden. Außerdem habe es Behandlungsalternativen wie Chemonukleolyse und therapeutische Lokalanästhesie gegeben. Eine ordnungsgemäße Aufklärung sei nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 25.07.2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Tübingen - 8 O 25/2000 -
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld wegen der Behandlung in Abteilung Orthopädie am 15./16. Oktober 1997 und der daraus resultierenden andauernden Schmerzen zu bezahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen hat, die sich aus dem Schadensereignis ergeben haben und ergeben werden, soweit die hieraus resultierenden Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor,
es habe keine Behandlungsalternativen gegeben. Eine Verschiebung des Eingriffs um einen Tag, um dem Kläger eine angemessene Überlegungsfrist zu geben, habe sich angesichts seines Zustandes verboten. Angesichts der extremen Schmerzen hätte er auch bei früherer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt.
Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben durch die ergänzende Vernehmung des Sachverständigen Privatdozent Dr. H. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2001 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Dem Kläger stehen weder wegen Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags noch nach §§ 823 ff. BGB Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass ihn die Ärzte der Beklagten fehlerhaft behandelt haben und ihm dadurch ein Gesundheitsschaden entstanden ist. Die Aufklärung vor der Operation war zwar verspätet. Die verspätete Aufklärung hat sich in der Entscheidung des Klägers für eine Operation aber nicht ausgewirkt.
I. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass er in der Klinik der Beklagten fehlerhaft behandelt wurde.
1. Die Bandscheibenoperation war indiziert. Wie der Sachverständige Privatdozent Dr. H bereits vor dem Landgericht in seinem schriftlichen Gutachten und bei der mündlichen Erläuterung zu diesem Gutachten ausgeführt hat, war die Operation vom 16. Oktober 1997 medizinisch indiziert. Der Kläger litt an einem Bandscheibenvorfall mit einem Sequester. Seit etwa einer Woche hatte er deshalb kaum erträgliche Schmerzen, die auch mit der Gabe starker Schmerzmittel nicht mehr zu bekämpfen waren. Das ergibt sich auch aus den Krankenunterlagen der Klinik in Bad S, in denen eindrücklich festgehalten ist, dass der Kläger vor Schmerzen nicht liegen konnte und ein wenig Schlaf nur in einer sitzenden oder knienden Haltung finden konnte. Jedenfalls seit 15. Oktober 1997 kamen Parästhesien im linken Bein und damit neurologische Ausfallerscheinungen dazu. Behandlungsalternativen zu einer Operation gab es, wie der Sachverständige vor dem Senat nochmals dargelegt hat, nicht mehr. Eine krankengymnastische Behandlung - beispielsweise mit einem Schlingentisch - schied aus, weil der Kläger schmerzbedingt nicht ruhig liegen konnte. Eine Chemonukleolyse schied aus, da die Bandscheibe sequestriert war. Wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, kommt eine Chemonukleolyse nur dann in Betracht, wenn eine Rückbildung der vorgewölbten oder vorgefallenen Bandscheibe noch möglich ist. Bei einem Sequester ist das nicht mehr der Fall. Eine spontane Rückbildung ist dabei auch nicht mehr zu erwarten. Eine therapeutische Lokalanästhesie schied nach dem Sachverständigen ebenfalls aus. Die einzige Möglichkeit, dem Kläger gegen seine Schmerzen zu helfen, war eine Operation des sequestrierten Bandscheibenvorfalls. Aufgrund der starken, durch Schmerzmittel nicht mehr beherrschbaren Schmerzen des Klägers war die Operation des Klägers sogar dringend indiziert. Hinzu traten neurologische Ausfallerscheinungen, die befürchten ließen, dass der Bandscheibenvorfall auf das Rückenmark drücken würde. Dadurch kann ein irreversibler Nervenschaden eintreten. Dem Sachverständigen war aus eigener Erfahrung kein Patient bekannt, der eine so starke Schmerzsymptomatik im Zusammenhang mit einem Wirbelsäulenproblem hatte. Er sah die Operationsindikation daher sogar als sehr dringlich, nahe an der - üblicherweise dem beginnenden Cauda-Symptom vorbehaltenen - absoluten Indikation.
2. Die Wahl der konventionellen statt einer minimalinvasiven Operationsmethode war kein Fehler. Die konventionelle Bandscheibenoperation ist auch heute noch eine gebräuchliche, keineswegs veraltete Operationsmethode. Das hat der Sachverständige überzeugend dargelegt. Die minimalinvasive Operationsmethode hat zwar bei einem Ren mediolateralen Bandscheibenvorfall Vorteile, wenn man weiter in Richtung der Wurzel muss. Die Komplikations- und Erfolgsrate hängt jedoch im wesentlichen von den Erfahrungen des Operateurs mit der verwendeten Methode ab. Statistisch ist die Komplikationsrate bei der minimalinvasiven Operation nur leicht geringer. Methode der Wahl ist nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen daher die herkömmliche Operationsmethode, wenn der Operateur in ihr geübt ist.
3. Der Kläger hat auch keine Fehler bei der Durchführung der Operation selbst bewiesen. Der einzige Anhaltspunkt für eine intraoperative Nervschädigung ist die Abrechnung einer Nervennaht. Die Zeugin L, die die Abrechnung aus den Angaben in den Krankenunterlagen fertigte, hat aber dargelegt, dass es sich insoweit um einen Fehler von ihr gehandelt habe. Die Krankenunterlagen ergeben keinen Anhaltspunkt für eine Nervennaht oder gar eine vorangegangene Nervenverletzung. Der Sachverständige hat (Gutachten S. 33 f.) überzeugend dargelegt, dass bei einer Durchtrennung der S1-Wurzel, die dann anzunehmen wäre, eine starke Minderung des Versorgungsgebiets einschließlich motorischer wie auch sensibler Funktionen der linken unteren Extremität zu erwarten wären. Selbst bei optimaler End-zu-End-Anastomose ist eine Wiederherstellung der Funktion nur bis maximal 65% zu erwarten, und zwar erst nach Jahren. Zu Beginn wäre mit einer kompletten Lähmung des Versorgungsgebietes von S1 zu rechnen. Eine solche Lähmung hat eindeutig nicht bestanden. Die beim Kläger eingetretenen Beschwerden entsprechen vielmehr dem Bild eines Postdiskotomiesyndroms, das durch eine über einen längeren Zeitraum bestehende starke Kompression der Nervenwurzel sowie durch narbige Veränderungen nach der Operation entsteht und eine bekannte, in der Regel nicht vermeidbare Komplikation nach einer Bandscheibenoperation ist.
II. Das beklagte Klinikum schuldet dem Kläger auch nicht wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht Schadensersatz. Die Aufklärung war allerdings nicht fehlerfrei. Sie war verspätet. Der Kläger hat aber einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel gemacht. Der Senat ist sogar davon überzeugt, dass sich der Kläger wie geschehen auch dann am 16. Oktober 1997 hätte operieren lassen, wenn er rechtzeitig aufgeklärt worden wäre.
1. Die Operationsaufklärung durch Dr. R im Krankenzimmer war inhaltlich ausreichend.
a) Die Risikoaufklärung umfasste die bekannten Risiken der Operation. Dr. R hatte an die Aufklärung des Klägers keine Erinnerung mehr und konnte nur noch sein übliches Vorgehen schildern. Die Aufklärung des Klägers wich davon zwar insoweit ab, als die Aufklärung erst am Tag der Operation stattfand. Inhaltlich sah der Zeuge aber keine Abweichungen von der üblichen Aufklärung, wie er sie auch auf dem Aufklärungsbogen dokumentiert hat. Dort sind alle üblichen Risiken der Operation erwähnt, wie der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten für das Landgericht dargelegt hat. Der Senat geht wie das Landgericht aufgrund der Angaben des Zeugen Dr. R über seine übliche Vorgehensweise bei Aufklärungsgesprächen und den vorgelegten schriftlichen, vom Kläger unterzeichneten Aufklärungsbogen davon aus, dass auch der Kläger in entsprechender, üblicher Weise von Dr. R aufgeklärt wurde. Die Angaben des Klägers, ihm sei auf dem Weg in den Operationssaal ohne Gespräch nur der Bogen zur Unterschrift vorgelegt worden, sind nicht nur im Hinblick auf die bei ihm inzwischen eingetretenen Störungen bei Konzentration und Gedächtnis sowie seine Schmerzmedikation an diesem Tag zweifelhaft. Sie sind auch inhaltlich nicht richtig. So erinnert er das Formular als gelb, obwohl es weiß ist. Zwar war es in der Klinik der Beklagten zumindest bei der Anästhesieaufklärung auch üblich, Vermerke über das Gespräch vor dem Gespräch mit dem Patienten anzubringen, so dass allein aus Zeichnung und handschriftlichen Eintragungen nicht auf ein Gespräch geschlossen werden kann. Zusammen mit den Angaben des Zeugen Dr. R ist aber davon auszugehen, dass die dort aufgeführten Risiken, darunter auch das beim Kläger eingetretene Postdiskotomiesyndrom, geschildert wurden.
b) Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen war nicht erforderlich. Der Patient muss über verschiedene Behandlungsmethoden aufgeklärt werden, wenn es mehrere medizinisch indizierte und übliche Behandlungsmethoden gibt, die unterschiedliche Risiken oder Erfolgschancen haben. Dies gilt auch, wenn eine Operation durch eine konservative Behandlung vermieden werden kann oder erst nach deren erfolgloser Vorschaltung indiziert ist (BGH VersR 2000, 766). Es gab keine solchen echten Behandlungsalternativen zur Operation. Nach den Angaben des Sachverständigen war die Operation im Hinblick auf die therapieresistenten starken Schmerzen und die am 15.10. aufgetretenen Parästhesien im linken Bein die Therapiemethode der Wahl. Konservative Methoden oder eine Chemonukleolyse schieden angesichts der Schmerzen bzw. wegen des Sequesters aus (oben I. 1.). Als einzige Möglichkeit wäre verblieben, nichts zu tun. Mit einer spontanen Besserung war nicht zu rechnen. Die Schmerzen des Klägers hatten, wie die Pflegeberichte der Klinik in Bad S zeigen, ein Ausmaß angenommen, das ungewöhnlich war und das dem Sachverständigen in seiner Praxis noch nicht begegnet war. Sie ließen sich auch mit starken Schmerzmitteln nicht mehr beherrschen. Die starke Schmerzmedikation konnte nicht dauerhaft weitergeführt werden.
2. Die Aufklärung war verspätet. Von Notfällen und Sonderlagen abgesehen ist grundsätzlich am Vortag des Eingriffs aufzuklären. Der Patient muss vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann. Dabei kann je nach den Vorkenntnissen des Patienten von dem bevorstehenden Eingriff eine Aufklärung auch erst nach der Operationskonferenz im Verlaufe des Vortages genügen, wenn sie zu einer Zeit erfolgt, zu der sie dem Patienten die Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts erlaubt (BGH VersR 1998, 766). Als Grundsatz muss gelten, dass die Aufklärung so frühzeitig wie möglich (BGH VersR 1992, 960) zu erfolgen hat, um den erforderlichen Rechtsgutsschutz zu erreichen.
Um eine Notoperation oder eine Sonderlage, die eine Operation ohne Aufklärung oder nach einer Aufklärung kurz vor der Operation erlaubten, handelte es sich nicht. Im Hinblick auf den Zweck einer frühzeitigen Aufklärung, dem Patienten eine der Bedeutung des Eingriffs angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, können Notoperationen und Sonderlagen in diesem Sinne nur vorliegen, wenn aus medizinischen Gründen zwischen Planung der Operation und ihrer Durchführung kein langer Zeitraum liegen kann. Organisatorische Schwierigkeiten des Klinikbetriebs rechtfertigen ein Aufschieben der Aufklärung nicht. Verschuldete Verzögerungen der erforderlichen Untersuchungen und Entscheidungen können nicht zu Lasten des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gehen. Die Aufklärung darf daher nicht allein deshalb verzögert werden, weil sich der Chefarzt die Entscheidung über die Operation vorbehalten hat und einen Patienten erst am Tag der Operation bei der Chefarztvisite sieht. Entscheidend ist, wann aus objektiven medizinischen Gründen die Operationsentscheidung zu treffen war. Das ist dann der Fall, wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen, das ein Eingriff erforderlich sein kann (BGH VersR 1993, 703). Dagegen kann ein Notfall bzw. ein Sonderfall vorliegen, wenn eine akute, nicht absehbare Verschlechterung zu einer früheren Operation zwingt oder erst noch eine Voruntersuchung für eine dringend indizierte Operation erforderlich ist.
Solche Gründe lagen nicht vor. Eine dramatische Verschlechterung gegenüber dem 15. Oktober 1997 ist am 16. Oktober 1997 nicht eingetreten, wie der Sachverständige bereits vor dem Landgericht ausgeführt hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht S. 16). Zwar waren am 15.10.1997 erstmals Parästhesien aufgetreten, Lähmungszeichen bestanden aber nicht. Ob mit ihnen in der weiteren Entwicklung zu rechnen war, ist offen und kann nach den Angaben des Sachverständigen nicht sicher vorhergesagt werden. Alle für eine Operation sprechenden Voruntersuchungen waren bereits im Lauf des 15. Oktober 1997 erfolgt. Die erst am 16.10.1997 durchgeführte lumbale Radiographie war für die Entscheidung, ob operiert wird, nicht mehr entscheidend, wie der Sachverständige vor dem Senat dargelegt hat. Sie war nur noch wegweisend, in welcher Etage operiert werden musste. Dafür kam im konkreten Fall nur L5/S1 oder L4/L5 in Betracht. Je nach dem Ergebnis der lumbalen Radiographie waren zwar die Risiken etwas andere. Durch eine Operation bei L5/S1 konnte es zu einer Fußsenkerschwäche, durch eine Operation bei L4/L5 zu einer Fußheberschwäche kommen. Durch diese nicht sehr erheblichen Unterschiede war eine sachgerechte Aufklärung am Vortag der Operation nicht ausgeschlossen oder erschwert. Bei der Aufklärung konnten die beiden Risiken alternativ benannt und darauf hingewiesen werden, dass die Beeinträchtigung in beiden Fällen in einer Schwächung des Beines bestand. Eine Aufklärung war, wie der Sachverständige dargelegt hat, bereits am 15. Oktober möglich. Er würde sie von seinen Assistenzärzten auch erwarten. Tatsächlich gingen auch die behandelnden Ärzte der Beklagten bereits am 15. Oktober 1997 davon aus, dass der Kläger am 16. Oktober 1997 operiert werde. Im handschriftlichen neurologischen Konsil vom 15. Oktober 1997 ist vermerkt, dass von den Ärzten der Orthopädischen Klinik "die Operation bereits für morgen", also den 16. Oktober 1997, vorgesehen sei.
Dass Dr. R als Stationsarzt vor einer Operationsentscheidung zu einer verbindlichen Aufklärung nicht befugt war, erlaubte es nicht, mit einer Aufklärung bis zum Folgetag nach der Chefarztvisite zu warten. Die Beklagte hat organisatorisch sicherzustellen, dass eine Aufklärung so früh wie möglich erfolgt. Organisatorische Schwierigkeiten berechtigen nicht dazu, die Aufklärung aufzuschieben.
3. Die Verspätung der Aufklärung hat sich in der Operationsentscheidung des Klägers aber nicht ausgewirkt. Der Kläger hätte auch bei rechtzeitiger Aufklärung am 15. Oktober 1997 in die Operation am Folgetag eingewilligt.
a) Der Kläger hat schon nicht plausibel einen Entscheidungskonflikt dargelegt. Nach der Lebenserfahrung legt die Verzögerung der Aufklärung in vielen Fällen eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nahe (BGH VersR 1994, 1235). Im vorliegenden Fall legt jedoch nicht schon die Lebenserfahrung eine Beeinträchtigung nahe. Beim Kläger liegen Besonderheiten vor. Der Kläger wusste, dass er zur Abklärung einer Operation nach T verlegt wurde. Er litt im Zeitpunkt der Verlegung bereits fast eine Woche unter medikamentös nicht beherrschbaren Schmerzen, die kaum Schlaf ermöglicht hatten und von denen er erlöst werden wollte. Der Kläger kam von Bad S in die Klinik der Beklagten zur Erörterung der Operation aus Schmerzgründen. Das war ihm entgegen seiner Einlassung vor dem Senat auch bekannt. Er selbst hat sich in Bad S, wie die Eintragung im Pflegebericht vom 13. Oktober 1997 ergibt, in einer besonders schmerzreichen Nacht dahin geäußert, dass er sich für eine dass er sich für eine umgehende Operation entschieden habe. Daraus ist zu entnehmen, dass sich der Kläger damit beschäftigt hat, ob sein Bandscheibenleiden operativ behandelt werden sollte. Auch aus dem Arztbrief von Prof. Dr. K an Prof. Dr. K vom 24. November 1997 ergibt sich, dass sich der Kläger an Dr. B wandte, um einen Arzt aufzusuchen, der nicht operierte, weil er Angst vor Operationen hatte. Dies hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat bestätigt. Wenn sich ein solcher Patient aufgrund der Heftigkeit der Schmerzen für eine Operation entscheidet und danach bei einer weiteren Verschlechterung der Symptomatik in eine entsprechende Klinik verlegt wird, lässt sich eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit durch den späten Aufklärungszeitpunkt nicht schon aus der Lebenserfahrung entnehmen.
Einen Entscheidungskonflikt konnte der Kläger nicht plausibel machen. Er hat unter Hinweis, dass zur Schmerzlinderung nur eine Operation in Betracht komme und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung standen, angegeben, er hätte sich wegen seiner Operationsangst nicht operieren lassen und darauf vertraut, dass die Schmerzen allein zurückgingen. Auf die Frage, was der Zeitpunkt der Aufklärung daran ändere, konnte er keine Angaben machen. Mit diesen Angaben ist ein Einfluss der verspäteten Aufklärung auf die Entscheidungsfreiheit des Klägers nicht plausibel gemacht. Die Operationsangst des Klägers ist zwar auch durch den Arztbrief von Prof. Dr. K vom 24. November 1997 belegt. Prof. Dr. K hatte dem Kläger auch schon lange vor der Einweisung in die Klinik nach Bad S zur operativen Behandlung geraten. Trotz des offenkundigen Vertrauens des Klägers zu Prof. Dr. K ist er dessen Rat nicht nachgekommen, sondern hat mit Dr. B einen Arzt aufgesucht, der nicht operationsfreudig war. Auch Dr. B hat den Kläger schließlich als Notfall in die Klinik eingewiesen, wobei sogar gleich die Klinik der Beklagten beabsichtigt war und nur aus Bettenmangel keine Aufnahme erfolgte. In den folgenden 6 Tagen war es nicht gelungen, den Kläger auch nur in eine Lage zu bringen, in der er länger schmerzfrei schlafen konnte. Er hat selbst in einer schmerzhaften Nacht erklärt, er habe sich jetzt zur Operation entschlossen. Nach der Aufnahme des Klägers in die Klinik der Beklagten war das Schmerzsyndrom nicht besser geworden. Die Einlassung des Klägers, er habe bei rechtzeitiger Aufklärung sich sicher nicht operieren lassen, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr glaubhaft und einsichtig.
Der Kläger hat seinen schriftsätzlichen Vortrag, er hätte bei rechtzeitiger Aufklärung darauf bestanden, anderweitigen fachärztlichen Rat bei einem Neurochirurgen einzuholen, vor dem Senat trotz eines Vorhaltes so nicht wiederholt.
b) Der Senat ist im übrigen davon überzeugt, dass der Kläger auch bei einer rechtzeitigen Aufklärung am 15. Oktober 1997 in die Operation am Folgetag eingewilligt hätte. Dem Kläger war von Prof. Dr. K bereits einige Zeit vor der Aufnahme in Bad S zur Operation geraten worden. Der Kläger hatte aus Angst vor einer Operation am 17. September 1997 mit Dr. B einen Orthopäden aufgesucht, der ihm weniger operationsfreudig erschien als die ihm empfohlenen Neurochirurgen in R. Die weitere konservative Behandlung blieb aber ohne Erfolg, am O6.Oktober 1997 kam es zu einer massiven schmerzhaften Verschlechterung, so dass ihn Dr. B in eine Klinik einwies. Dort blieb die Schmerzbehandlung mit starken Schmerzmitteln wiederum ohne Erfolg. Schließlich entschied sich der Kläger am 13.10.1997 trotz seiner Operationsfurcht aufgrund der starken Schmerzen von selbst für eine Operation. In den folgenden Tagen wurden die Schmerzen nicht geringer, der Kläger fand nur für kurze Zeit eine Haltung, in der Schlaf möglich war. Am 15. Oktober 1997 kamen Parästhesien hinzu. Die Untersuchungen in der Klinik der Beklagten konnten an diesem Tag trotz erheblicher Schmerzmittelgabe teilweise nur unter schmerzbedingten Schwierigkeiten erfolgen. Eine konservative Behandlung war nicht mehr möglich, eine Besserung des Schmerzzustandes nicht zu erwarten und die Schmerzmedikation nicht mehr beliebig zu steigern. Der Kläger hatte seinen Bedenken gegen eine operative Behandlung bereits nachgegeben, in der Folgezeit war es zu einer massiven Zunahme der Schmerzen gekommen. Der Kläger, der einer Operation sicher sehr skeptisch gegenüber stand, hätte in dieser Lage, in der keine Behandlungsalternative mehr bestand und die Operation die einzige Aussicht bot, von den kaum mehr erträglichen Schmerzen befreit zu werden, bei einer rechtzeitigen Aufklärung nicht anders als nach der verspäteten Aufklärung vom Folgetag in die Operation eingewilligt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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