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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 25.01.2000
Aktenzeichen: 14 U 78/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 831
BGB § 823
BGB § 847
BGB § 278
BGB § 852 Abs. 1
BGB § 852
BGB § 209
BGB § 284
BGB § 288
BGB § 291
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 425
ZPO § 536
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 2, 2. HS
ZPO § 296a
ZPO § 156
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 100 Abs. 4

Entscheidung wurde am 14.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
1. Die Geburt eines unreifen Kindes war 1985 durch ein CTG lückenlos zu überwachen, insbesondere wenn ein bereits von einer Krankenschwester gefertigtes CTG Auffälligkeiten aufwies. Das Abhören der Herztöne mit einem Sonycaid genügte nicht.

2. Wenn sich die Mutter wegen Frühgeburtsbestrebungen in ärztlicher Behandlung in einer Klinik befindet und Wehen einsetzen, liegt die Organisation der sachgerechten Behandlung in den Händen des Arztes bzw. des Klinikträgers. Die Haftung für ein Verschulden des Pflegpersonals trifft in diesem Fall den Klinikträger und nicht eine Beleghebamme.


Revision nicht angenommen durch Beschluss des BGH vom 24.04.2001 VI ZR 84/00

Geschäftsnummer: 14 U 78/98 7 O 3260/92 LG Heilbronn

Oberlandesgericht Stuttgart - 14. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

In Sachen

Verkündet am: 25. Januar 2000

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

der Vors. Richterin am OLG des Richters am OLG des Richters am OLG

auf die mündliche Verhandlung vom 09.11.1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 09. November 1998 - 7 O 3260/92 - abgeändert:

1. Die Beklagten zu 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 350.000,-- DM zu bezahlen nebst 4 % Zinsen hieraus, der Beklagte zu 1 seit 28. Dezember 1992, die Beklagte zu 2 seit 29. Dezember 1992.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der Behandlung bei seiner Geburt am 05. November 1985 in der Privatklinik H entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten und den aussergerichtlichen Kosten des Klägers im ersten Rechtszug tragen der Kläger 1/3, die Beklagten zu 1 und 2 2/3 als Gesamtschuldner. Die Beklagten zu 1 und 2 tragen ihre aussergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug selbst. Von ihren aussergerichtlichen Kosten im zweiten Rechtszug tragen sie jeweils 3/4 selbst, 1/4 trägt der Kläger. Von den Gerichtskosten und den aussergerichtlichen Kosten des Klägers im zweiten Rechtszug tragen dieser selbst und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner jeweils die Hälfte. Die aussergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3 in beiden Rechtszügen trägt der Kläger.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1 und 2 dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 560.000,- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 3 durch Sicherheitsleistung von 35.000,-- DM abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Er darf die Vollstreckung durch die Beklagten zu 1 und 2 durch Sicherheitsleistung von jeweils 13.000,-- DM abwenden, wenn die Beklagten zu 1 und 3 nicht vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschwer des Klägers und der Beklagten zu 1 und 2: über 60.000,- DM

Streitwert für das Berufungsverfahren: 600.000,- DM.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung bei seiner Geburt.

Die Mutter des Klägers, der zwei ältere Geschwister hat, wurde im Frühjahr 1985 erneut schwanger. Der Beklagte zu 1 behandelte die Mutter des Klägers ambulant als Frauenarzt. Er errechnete den Endbindungstermin auf den 20.12.1985. Vom 11.07.1985 bis 29.07.1985 war die Mutter des Klägers wegen drohender Fehlgeburt in der rechnerisch 20. Schwangerschaftswoche stationär in der Klinik des Beklagten zu 1. Am 17. September 1985 stellte der Beklagte zu 1 bei einer ambulanten Kontrolle fest, dass das erwartete Kind wohl wieder klein sein werde. Wegen Frühgeburtsbestrebungen wurde die Mutter des Klägers am 24. Oktober 1985 erneut stationär in die Klinik des Beklagten zu 1 aufgenommen. Am 05. November 1985 sollte sie wieder entlassen werden. Der Beklagte zu 1 liess am Vormittag ein CTG fertigen; einer seiner Assistenzärzte stellte fest, dass der Muttermund fingerdurchgängig war. Von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr wurde durch eine unbekannte Krankenschwester im Kreißsaal ein CTG gefertigt. Um 15.30 Uhr wurden ärztlich zwei Ampullen des wehenhemmenden Mittels Partusisten und fünf Ampullen Isoptin verordnet. Um 16.45 Uhr untersuchte der Beklagte zu 1 die Mutter des Klägers. Mit einem Sonycaid hörte er die Herztöne ab und befand sie für gut. Der Muttermund war fünfmarkstückgross eröffnet. Der Beklagte zu 1 stellte eine Blutung fest, die er als "Zeichnen" interpretierte. Etwa um 18.00 Uhr wurde die Beklagte zu 3 verständigt, die Beleghebamme an der Klinik des Beklagten zu 1 war und an diesem Tag Rufbereitschaft hatte. Sie kam gegen 18.35 Uhr in der Klinik an. Um 18.40 Uhr erhielt die Mutter des Klägers 5 mg Buscopan, ein Spasmolytikum. Um 19.10 Uhr war der Muttermund vollständig geöffnet, der Beklagte zu 1 sprengte die Fruchtblase. Dabei ging klares Fruchtwasser ab. Um 19.15 Uhr kam es nach einer lateralen Episiotomie zur Spontangeburt des Klägers mit einem Gewicht von 1.890 Gramm in der 34. Schwangerschaftswoche. Die Beklagte zu 3 befundete Apgar-Werte von 9/10/10. Nachdem um 19.35 Uhr eine Schlaffheit des Klägers auffiel, wurde er in die Kinderklinik in H verlegt. Dort wurden bei der Aufnahme eine Akrozyanose, expiratorisches Stöhnen, Nasenflügeln, sternale Einziehungen und ein schlaffer Muskeltonus festgestellt. Der Kläger kam in einen Inkubator und erhielt eine Dauersonde bis 25. November 1985. Am 29. November 1985 wurde er gegen ärztlichen Rat auf Wunsch der Eltern aus der Kinderklinik H entlassen.

Der Kläger leidet an einer bein- und linksbetonten spastischen Tetraparese mit spastischer Diplegie. Er ist fast blind und weist eine psychomotorische Retardierung auf. Als Folge der Tetraparese kam es zu einer Hüftgelenksluxation beidseits. Früher häufiger aufgetretene cerebrale Anfälle sind unter antikonvulsivischer Medikation seltener geworden. Der Kläger braucht ständige Betreuung und Pflege rund um die Uhr. Er kann nicht selbständig essen und trinken und muss nachts im Bett regelmässig gedreht werden. Er ist inkontinent. Er hat einen Wortschatz von 50 - 60 Wörtern und kann damit einfache Zwei-Wort-Sätze bilden. Er ist in der Lage, seine Geschwister zu erkennen und seine Gefühle zu äussern.

Die Beklagte zu 2 ist Gynäkologin. Sie war Belegärztin an der Klinik des Beklagten zu 1 und operierte am Nachmittag des 05. November 1985 eine eigene Patientin.

Der Kläger hat vorgetragen,

seine Mutter habe am 05. November 1985 gegen 12.30 Uhr heftige Wehen gehabt. Ab 13.00 Uhr seien alle zwei Minuten Wehen aufgetreten. Sie habe Blutungen gehabt, die um 13.00 Uhr so stark geworden seien, dass sie bei jedem Schritt Blut verloren habe. Die davon informierte Krankenschwester sei der Auffassung gewesen, dass alles nicht so schlimm sei, und habe ein CTG aufgezeichnet. Weder der Beklagte zu 1 noch die Beklagte zu 3 seien erreichbar gewesen. Gegen 15.00 Uhr habe sich die Krankenschwester auf Bitten seiner Eltern an die Beklagte zu 2 gewandt. Die Beklagte zu 2 habe seine Mutter untersucht und festgestellt, dass der Muttermund 2 cm geöffnet sei. Sie habe einen Partusistentropf verordnet und angelegt.

Der Beklagte zu 1 habe die Mutter des Klägers nicht über die Risiken aufgeklärt, die mit einer Entbindung in seinem Krankenhaus verbunden gewesen seien, das nicht über eine intensivmedizinische Einrichtung verfügt habe. Der Beklagte zu 1 habe schon vor der Geburt seine Verlegung in ein Zentralklinikum mit angeschlossener Neugeborenen-Intensivstation veranlassen müssen. Er habe es auch unterlassen, die Mutter des Klägers über die Alternative einer Entbindung durch Kaiserschnitt aufzuklären. Das von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr gefertigte CTG sei insgesamt eingeengt und weise eine schmalbasige Herzfrequenzerniedrigung auf. Dieses CTG, die vaginale Blutung und die nicht aufhaltbaren Geburtsbestrebungen in der 34. Schwangerschaftswoche hätten zu einer lückenlosen Überwachung unter der Geburt durch ein CTG führen müssen. Hypoxische Phasen hätten wegen des fehlenden CTG bis zur Geburt um 19.15 Uhr nicht erkannt werden können. Dass ein kontinulierliches CTG unterlassen worden sei, sei ein grober Behandlungsfehler und habe zu den schweren cerebralen Schäden des Klägers geführt. Fehlerhaft sei schließlich gewesen, dass zur Geburt kein Pädiater hinzugezogen worden sei.

Die Beklagte zu 2 habe aufgrund des auffälligen CTG's für eine engmaschige weitere CTG-Überwachung sorgen müssen und hafte deshalb ebenfalls.

Die Beklagte zu 3 habe für eine Rufbereitschaft sorgen müssen. Die Betreuung durch sie hätte dazu führen können, dass unter Zuhilfenahme eines CTG's frühzeitig hypoxische Phasen erkannt und der Schaden des Klägers hätte vermieden werden können.

Die Beklagten schuldeten ihm deshalb ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 250.000,-- DM und müssten seinen materiellen Schaden ersetzen. Verjährung sei nicht eingetreten, weil seine Eltern Kenntnis von einer vom medizinischen Standard abweichenden Behandlung bei seiner Geburt erst mit dem Gutachten von Prof. Dr. T vom 09. September 1991 erhalten hätten.

Mit der am 24.12.1992 den Beklagten zu 1 und 3, am 28.12.1992 der Beklagten zu 2 zugestellten Klage haben die Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreter ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu bezahlen nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der Behandlung anlässlich seiner Geburt am 05. November 1985 in der Privatklinik H entstehen, soweit nicht Ersatzansprüche auf Sozialversicherungs-/Sozialhilfeträger und/oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1 hat vorgetragen,

die ärztliche Betreuung der Mutter des Klägers sei am 05.11.1985 sichergestellt gewesen, weil sich den ganzen Tag ununterbrochen mehrere Belegärzte in der Klinik aufgehalten hätten. Die auf dem CTG von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr notierten schwachen Kontraktionen hätten keinen Wehencharakter gehabt. Zu einer Blutung sei es nicht gekommen. Um 15.30 Uhr sei die Mutter des Klägers ärztlich untersucht worden und um 16.00 Uhr bei guten kindlichen Herztönen in den Kreissaal gekommen. Eine kontinuierliche oder engmaschige CTG-Überwachung sei nicht geboten gewesen, weil der Kläger positive Herztöne aufgewiesen habe. Eine Sauerstoffmangelsituation habe beim Kläger nie vorgelegen, wie sich aus der Apgar-Benotung von 9/10/10 und dem Abgang klaren Fruchtwassers ergebe. Selbst bei einer nur kurzfristigen Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung wäre kein klares Fruchtwasser abgegangen. Es fehle an einem Zusammenhang zwischen einer CTG-Aufzeichnung und dem Gesundheitsschaden des Klägers. Der Gesundheitsschaden des Klägers habe seinen Grund in einem hydrocephalus internus aufgrund einer intracraniellen Blutung. Dafür könne eine Sauerstoffmangelsituation vor oder während der Geburt nicht verantwortlich gemacht werden. Für eine Sectio habe keine Indikation bestanden, ausserdem habe die Mutter des Klägers ein erhöhtes Sectiorisiko aufgewiesen, weil sie aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion abgelehnt habe. Für eine Verlegung der Mutter des Klägers vor der Geburt in ein Perinatalzentrum habe es ebensowenig Anlass gegeben wie für die Zuziehung eines Pädiaters. Die Ansprüche des Klägers seien verjährt.

Die Beklagte zu 2 hat vorgetragen,

sie habe die Mutter des Klägers und den Kläger nicht behandelt. Sie habe sich am Nachmittag des 05. November 1985 von 14.30 Uhr bis 15.45 Uhr im Operationssaal aufgehalten und könne die Mutter des Klägers deshalb nicht um 15.00 Uhr im Kreißsaal untersucht haben. Im übrigen habe das zwischen 14.00 Uhr und 14.40 Uhr geschriebene CTG keine pathologischen Werte aufgewiesen und deshalb keine Veranlassung geboten, ein kontinuierliches CTG schreiben zu lassen. Eine vaginale Blutung habe bei der Mutter des Klägers nicht vorgelegen.

Die Beklagte zu 3 hat vorgetragen,

für ihre ständige Präsenz in der Klinik habe keine Notwendigkeit und kein Anhaltspunkt bestanden. Ihre Rufbereitschaft habe deshalb ausgereicht. Als sie gegen 18.00 Uhr verständigt worden sei, sei sie auch sofort zur Klinik gekommen. Danach sei die Geburt ziemlich rasch erfolgt. Für den Ablauf der Geburt sei sie nicht verantwortlich. Vertragliche Beziehungen zur Mutter des Klägers hätten nicht bestanden. Ersatzansprüche seien verjährt, weil die Eltern des Klägers bereits seit Ende 1985 die Schädigung gekannt hätten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. R , Prof. Dr. N und Prof. Dr. L , die mündliche Erläuterung der Gutachten durch diese Sachverständigen und durch Parteivernehmung der Eltern des Klägers.

Es hat mit Urteil vom 09. November 1998 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 500.000,-- DM Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen hieraus seit 28. Dezember 1992 zu bezahlen und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der Behandlung anlässlich seiner Geburt am 05. November 1985 in der Privatklinik H entstehen, soweit nicht Ersatzansprüche auf Sozialversicherungs-/Sozialhilfeträger und/oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden. Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

Der Beklagte zu 1 trägt vor,

schon dass klares Fruchtwasser abgegangen sei, spreche gegen einen Sauerstoffmangel. Zu einer verlässlichen Äusserung, ob das Schädigungsbild des Klägers anlagebedingt sei oder auf eine Sauerstoffmangelsituation zurückzuführen sei, genüge eine ambulante Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. N nicht. Zwischen einer intrapartalen Sauerstoffmangelversorgung und einem kindlichen Hirnschaden seien Brückensymptome unerlässlich. Solche Brückensymptome fehlten. Deshalb sei es ausgeschlossen, dass die Mehrfachbehinderung des Klägers ihren Grund in einer Sauerstoffunterversorgung habe.

Der Beklagte zu 1 beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 09.11.1998 - 7 O 3260/92 abzuändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1 abzuweisen.

Die Beklagte zu 2 trägt vor,

sie könne sich an eine Behandlung der Mutter des Klägers am 05.11.1985 nicht erinnern. Nach dem Operationsbericht über die von ihr vorgenommene Operation an diesem Nachmittag könne sie die Mutter des Klägers um 15.30 Uhr nicht behandelt haben. Die Operation habe bis 15.45 Uhr gedauert, so dass sie frühestens zu diesem Zeitpunkt den Operationssaal habe verlassen können. Wenn ein Arzt aus dem Operationssaal gerufen worden wäre, hätte nicht der Operateur und damit nicht sie, sondern einer der assistierenden Ärzte den Operationssaal verlassen. Zu solchen Massnahmen habe aber keine Veranlassung bestanden, weil der Beklagte zu 1 in ständiger Rufbereitschaft gewesen sei. Da sie sich nach der Operation habe waschen und umziehen müssen, hätte sie frühestens gegen 16.00 Uhr bei der Mutter des Klägers sein können. Im übrigen habe sie davon ausgehen können, dass ab 16.00 Uhr der Beklagte zu 1 wieder in der Klinik anwesend sein und die Behandlung der Mutter des Klägers übernehmen werde. Das Anhängen des Partusistentropfens habe deshalb Interimscharakter zur Überbrückung weniger Minuten bis zur Weiterführung der Behandlung durch den Beklagten zu 1 gehabt. Eine Weiterschreibung des CTG's für diesen kurzen Zeitraum sei nicht veranlasst gewesen. Das Unterlassen der weiteren CTG-Schreibung sei kein Behandlungsfehler. In dem ausserordentlichen kurzen Zeitraum, für den die Beklagte zu 2 allenfalls die Betreuung übernommen haben könnte, hätten sich keine relevanten Ergebnisse ergeben, die ein Eingreifen notwendig gemacht hätten. Entsprechend dem Vortrag des Beklagten zu 1 fehle es an der Kausalität für den eingetretenen Schaden.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 09.11.1998 - 7 O 3260/98 abzuändern und die Klage gegen die Beklagte zu 2 abzuweisen.

Die Beklagte zu 3 trägt vor,

sie habe nicht die Pflicht gehabt, im Krankenhaus zu organisieren, unter welchen Voraussetzungen sie zu rufen sei. Sie habe sich darauf verlassen können, dass die Erstuntersuchung durch einen Arzt durchgeführt werde und dieser ggf. die Hebamme verständige. Rufbereit sei sie gewesen. Für eine Klinikverlegung sei nicht sie, sondern der behandelnde Arzt zuständig gewesen. Die ihr vorgeworfenen Organisationsfehler hätten nicht zum Schaden geführt.

Die Beklagte zu 3 beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 09.11.1998 - 7 O 3260/92 abzuändern und die Klage gegen die Beklagte zu 3 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Zum Vorbringen der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Das Oberlandesgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. N (Bl. 725) und durch mündliche Erläuterung dieses Gutachtens durch Prof. Dr. N sowie des erstinstanzlichen Gutachtens von Prof. Dr. L durch diesen (Bl. 748).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 hat teilweise, die Berufung der Beklagten zu 3 in vollem Umfang Erfolg. Die Beklagten zu 1 und 2 schulden dem Kläger nach §§ 823, 847 BGB ein Schmerzensgeld von 350.000,- DM nebst 4 % Zinsen, der Beklagte zu 1 seit 28. Dezember 1992, die Beklagte zu 2 seit 29. Dezember 1992. Sie haben die Geburt des Klägers am 05.11.1985 unzureichend betreut. Weil ihre Behandlungsversäumnisse als grobe Behandlungsfehler zu bewerten sind, sind die schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers den Beklagten zu 1 und 2 zuzurechnen. Sie haben aus diesem Grund, der Beklagte zu 1 auch wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Behandlungsvertrag, den materiellen Schaden des Klägers zu ersetzen. Ihre Berufungen haben jedoch zur Höhe des Schmerzensgeldes Erfolg, das auf 350.000,-- DM zu bemessen ist.

Die Berufung der Beklagten zu 3 hat insgesamt Erfolg. Sie schuldet dem Kläger weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld. Soweit bei ihr Behandlungsversäumnisse überhaupt festzustellen sind, haben sie sich nicht im Behandlungsverlauf ausgewirkt, so dass die Gesundheitsschädigung des Klägers der Beklagten zu 3 nicht zuzurechnen ist.

1. Der Beklagte zu 1 haftet als behandelnder Arzt und Träger seiner eigenen Klinik für die Behandlungsversäumnisse bei der Geburt des Klägers am 05.11.1985 und die dadurch hervorgerufenen Gesundheitsschäden.

a) Bei der Geburt des Klägers kam es zu Behandlungsversäumnissen.

aa) Als sich die Mutter des Klägers um die Mittagszeit des 05.11.1985 mit Wehen meldete, unterblieb die angezeigte vaginale Untersuchung durch einen Arzt.

Die Mutter des Klägers meldete sich um die Mittagszeit mit schmerzhaften Wehen. Das ergibt sich aus den glaubhaften Bekundungen der Eltern des Klägers bei ihrer Parteivernehmung vor dem Landgericht. Beide haben den äusseren Ablauf im wesentlichen übereinstimmend geschildert. Sie haben dabei nicht durchweg den Vortrag des Klägers bestätigt; beispielsweise haben sie nur von leichten Blutungen der Mutter des Klägers berichtet. Ihre Angaben über den Verlauf der Geburt des Klägers am Nachmittag des 05.11.1985 lassen sich mit der spärlichen Dokumentation der Klinik des Beklagten zu 1, abgesehen von den genauen Zeiten, in Übereinstimmung bringen. Danach wurde zwischen 14.00 Uhr und 14.40 Uhr ein CTG geschrieben. Für 15.30 Uhr ist die ärztliche Verordnung von zwei Ampullen des wehenhemmenden Mittels Partusisten vermerkt. Beides schilderte die Mutter des Klägers in dieser zeitlichen Abfolge auch bei ihrer Parteivernehmung; die Verständigung der Ärztin bekundete auch der Vater des Klägers. Der Senat hat dabei nicht übersehen, dass die Mutter des Klägers auch von einem CTG für die Zeit um 13.00 Uhr berichtet hat, das sich schriftlich nicht bei den Krankenakten befindet. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Ableitung der kindlichen Herztöne in der Klinik des Beklagten nicht stets mit dem vorhandenen CTG erfolgte, sondern auch mit einem Sonycaid, mit dem keine schriftliche Fixierung der Herztöne erfolgt. Dass der Vater des Klägers von der Ermittlung kindlicher Herztöne um 13.00 Uhr nichts bekundet, ist nachvollziehbar, nachdem er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht anwesend gewesen sein soll. Dass schliesslich beide Eltern keine verlässlichen Zeitangaben machen konnten, ist nicht nur angesichts der langen, seither verstrichenen Zeit verständlich. Beide Eltern waren mit dem Geburtsverlauf beschäftigt und hatten keinen Anlass, sich bestimmte Uhrzeiten zu merken. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Mutter des Klägers spricht schliesslich, dass sie den Geburtsverlauf bereits bei ihrer polizeilichen Vernehmung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen die Ärzte der Kinderklinik H (StA Heilbronn 18 Js 14683/86) am 13. Dezember 1988 im wesentlichen Ablauf gleich geschildert hat, obwohl er nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war und bei der Vernehmung nur eine Nebenrolle spielte. Auch dort gab sie an, dass sie dabeigewesen sei, ihre Sachen zu packen, als sie erneut Wehen und schliesslich auch Blutungen bekommen habe, und dass sie im Laufe des Tages noch von Frau Dr. S untersucht worden sei. Von der Glaubwürdigkeit der Eltern des Klägers konnte sich der Senat schliesslich im Termin vom 09.11.1999 selbst überzeugen. Dass die Mutter des Klägers um die Mittagszeit des 05.11.1985 Wehen bekam, wird auch durch die Behandlungsunterlagen des Beklagten zu 1 gestützt. Das von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr gefertigte CTG zeigte regelmässige, wenn auch leichte Wehen, wie der Sachverständige Prof. Dr. L überzeugend dargelegt hat (Gutachten, S. 32). Die Anfertigung des CTG ohne ärztliche Anordnung ist nur damit erklärlich, daß eine in der Klinik des Beklagten zu 1 tätige Person eine Kontrolle für erforderlich hielt. Da die Mutter des Klägers aber entlassen werden sollte und ein CTG für die Entlassung bereits am Vormittag geschrieben worden war, muß sich etwas ereignet haben, was ein Abgehen vom geplanten Ablauf, der Entlassung, ratsam erscheinen ließ. Im Hinblick auf die im CTG erkennbaren Wehen kommt entsprechend der Schilderung der Eltern des Klägers dafür am ehesten in Betracht, daß sich seine Mutter mit Wehen bei der Krankenschwester meldete. Auch für die Gabe des wehenhemmenden Mittels Partusisten in Ampullen, wie sie für 15.30 Uhr in den Krankenunterlagen vermerkt ist, gibt es keine andere Erklärung als kräftigere Wehen. Mit einer höheren Dosis dieses wehenhemmenden Mittels als der bis dahin oralen Verabreichung sollte eine drohende Geburt verhindert oder jedenfalls verzögert werden. Aus dem schriftlichen Geburtsbericht, in dem der Geburtsbeginn mit 16.00 Uhr angegeben ist, lässt sich dagegen nicht schliessen, dass die Mutter des Klägers erst um 16.00 Uhr Wehen hatte. Sowohl die Eintragungen über die Aufnahme um 16.00 Uhr als auch über den Geburtsverlauf: "Patientin meldet sich mit Wehen ...." stammen von der Beklagten zu 3, die erst um 18.35 Uhr eintraf. Sie wurden somit erst nachträglich gefertigt. Woher die Beklagte zu 3 ihr Wissen hatte, ist nicht bekannt. Die Zuverlässigkeit dieser Angaben ist daher zweifelhaft. Ein Wehenbeginn erst um 16.00 Uhr und eine Meldung im Kreißsaal erst zu dieser Zeit stehen im Widerspruch zur intravenösen Gabe von Partusisten zuvor und zum im Kreißsaal gefertigten CTG von 14.00 Uhr.

Hinzu kam, dass sich die Mutter des Klägers mit Blutungen meldete. Sowohl sie als auch ihr Ehemann haben dies glaubhaft bekundet, die Mutter des Klägers bereits anlässlich ihrer Vernehmung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren am 13. Dezember 1988. Ihre Angaben werden schliesslich dadurch gestützt, dass der Beklagte zu 1 um 16.45 Uhr ein "Zeichnen" im Geburtsbericht vermerkte. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L angegeben hat, kann es sich bei einer Muttermundöffnung von 3 - 5 cm, wie sie der Beklagte zu 1 dokumentiert hat, kaum mehr um eine Blutung gehandelt haben, wie sie mit "Zeichnen" bezeichnet wird (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Heilbronn vom 17.11.1997, S. 4).

Eine vaginale Untersuchung der Mutter des Klägers war nach dem Auftreten von Wehen bereits deshalb unverzichtbar, weil die Tragezeit gerade erst die 34. Woche überschritten hatte und auch nach der Einschätzung des Beklagten zu 1 eher ein kleines Kind zu erwarten war. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L überzeugend dargelegt hat, bestand schon durch die Unreife des Kindes eine Gefährdung im Falle einer Geburt. Als weiterer Anlass für die vaginale Untersuchung kam die Blutung hinzu. Die Ursache der Blutung war zumindest während des Geburtsverlaufs nicht sicher abklärbar (Gutachten Prof. T S. 18), wenn sie nicht überhaupt nur mit einer teilweisen Plazentalösung erklärbar war (Prof. L , Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Heilbronn vom 17.11.1997, S. 4), und gab deshalb in jedem Fall zusätzlich Anlaß für eine vaginale Untersuchung.

Diese Unterlassung ist als grober Behandlungsfehler zu bewerten. Ein grober Behandlungsfehler ist anzunehmen, wenn ein medizinisches Fehlverhalten vorliegt, das aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Ein solcher Fehler liegt vor, wenn ein ärztliches Verhalten eindeutig gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse und bewährte ärztliche Behandlungsregeln und Erfahrungen verstösst (BGH, Urteil vom 03.11.1998, VI ZR 253/97, VersR 1999, 231). Wie sich aus den Äusserungen des Sachverständigen Prof. Dr. L über das Behandlungsversäumnis ergibt, verstiess es eindeutig gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse und bewährte ärztliche Behandlungsregeln und Erfahrungen. Nach den Angaben des Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat handelt es sich bei der vaginalen Untersuchung um eine selbstverständliche ärztliche Massnahme, die unter keinen Umständen unterlassen werden durfte (Protokoll, S. 4).

bb) Ein weiteres schwerwiegendes Behandlungsversäumnis liegt in der unterlassenen Fortschreibung des CTG ab 14.40 Uhr. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L mehrfach, zuletzt bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat (Protokoll, S. 3) angegeben hat, musste die Geburt des Klägers wegen der Gefährdung durch die Unreife lückenlos beobachtet werden. Das erforderte eine lückenlose CTG-Überwachung. Zudem gab das CTG, das von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr geschrieben wurde, selbst Anlass zur Fortsetzung der Kontrolle. Dieses CTG wies mit einer Herzfrequenz von 170 - 180 Schläge pro Minute, was zum CTG vom Vormittag ein erheblicher Sprung war, eine Tachykardie auf. Die Bandbreite der Schwingungen war von 35 - 40 spm. auf 5 - 15 spm. gefallen. Hinzu kam, dass der Kläger auf Wehen nicht mehr durch Akzelerationen reagierte. Damit lagen über die Tachykardie hinaus Auffälligkeiten vor, die nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Intensivierung der Überwachung erforderten und damit mindestens ein Fortschreiben des CTG. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat es als unverständlich bezeichnet, dass das CTG nicht fortgeschrieben wurde. Der vom Kläger als Privatsachverständiger beauftragte Prof. Dr. T hat in seiner Stellungnahme vom 09.09.1991 (dort S. 17) deutlich gemacht, dass es keinesfalls den geburtlichen Standard von 1985 bei einer Frühgeburt unmittelbar nach der 34. Woche entsprach, den Zustand des Feten nicht kontinuierlich durch ein CTG zu überwachen. Auch der vom Landgericht Heilbronn zunächst beauftragte Sachverständige Prof. Dr. R hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 30.11.1993 (S. 8) die Unterlassung eines CTG als gutachterlicherseits nicht verständlich gekennzeichnet. Bei der mündlichen Erläuterung vor dem Landgericht Heilbronn am 30. Mai 1994 (Protokoll, S. 5) hat er zwar zunächst im Gegensatz dazu keine konkrete Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung gesehen, auf Nachfrage des Gerichts aber daran festgehalten, dass dem Grundsatz nach ein CTG zu schreiben war und ein medizinisch vernünftiger Grund, davon abzusehen, nicht erkennbar war. Die Überwachung der kindlichen Herztöne mit einem Sonycaid genügte der geforderten CTG-Überwachung nicht. Auch darüber sind sich die Sachverständigen einig. Mit dem Sonycaid können die Herztöne abgehört werden. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L überzeugend dargelegt hat, ist dies aber zu unzuverlässig, vor allem liegen mit dem Sonycaid keine Angaben zu Frequenzen vor, aus denen sich ergeben könnte, ob eine Tachykardie des Kindes fortbestand oder nicht. Die Überwachung mit einem Sonycaid und damit blosser Auskultation setzt, um halbwegs zuverlässige Werte zu erhalten, darüber hinaus voraus, dass nach jeder Wehe auskultiert wird und die Frequenzen angegeben werden. Auch nachdem der Beklagte zu 1 ab etwa 16.45 Uhr die weitere Betreuung der Geburt übernommen hatte, wurde mit dem Sonycaid aber nur zweimal, nämlich bei der Übernahme um 16.45 Uhr und um 19.10 Uhr nach dem vorliegenden schriftlichen Geburtsbericht die Herztöne abgehört. Dabei fehlt auch jede Frequenzangabe. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L dargelegt hat, entspricht dies schon von der Häufigkeit her nicht den Anforderungen, aber auch von der Art und Weise der Auskultation. Der Sachverständige Prof. Dr. R gelangte zwar zu dem Ergebnis, daß die Überwachung der kindlichen Herztöne noch ausreichend gewesen sei. Er legte seiner Beurteilung aber fehlerhaft zugrunde, die Hebamme habe laufend die Herztöne abgehört (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 30.05.1994 S. 5). Tatsächlich kam die Beklagte zu 3 aber erst um 18.35 h in den Kreißsaal; eine laufende Überwachung der kindlichen Herztöne ist in den Behandlungsunterlagen des Beklagten zu 1 gerade nicht dokumentiert. Der Sachverständige Prof. Dr. R konnte schließlich auf Nachfrage auch den Widerspruch zu seinem schriftlichen Gutachten, in dem er die Unterlassung einer kardiotokographischen Überwachung gerade moniert hatte (Gutachten S. 8), nicht befriedigend erklären.

Das Unterlassen einer lückenlosen CTG-Überwachung ist als grober Behandlungsfehler zu bewerten, nachdem die Sachverständigen deutlich gemacht haben, dass die unterlassene CTG-Schreibung für sie unverständlich ist. Es handelt sich um einen Verstoss gegen elementare medizinische Behandlungsstandards und medizinische Erkenntnisse. Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. R bei der mündlichen Gutachtenserläuterung vor dem Landgericht Heilbronn seine Bewertung im schriftlichen Gutachten als "nicht verständlich" gemildert. Der Senat folgt insoweit jedoch den ausführlich begründeten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L , die mit den Bewertungen von Prof. Dr. T übereinstimmen. Der Sachverständige Prof. Dr. R konnte schon auf Nachfrage durch das Landgericht Heilbronn den Widerspruch zu seinen schriftlichen Ausführungen nicht überzeugend ausräumen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 30.05.1994 S. 5).

cc) Der Beklagte zu 1 ist für beide Unterlassungen verantwortlich. Soweit er selbst in die Behandlung tatsächlich eingeschaltet war, nämlich ab 16.45 Uhr am 05.11.1985, trifft ihn der Vorwurf der unterlassenen CTG-Schreibung persönlich. Er haftet aber auch für die unterlassene fachärztliche vaginale Untersuchung bereits um die Mittagszeit und das Unterlassen einer Fortschreibung des CTG's nach 14.40 Uhr. Der Beklagte war Träger seiner Klinik und behandelnder Arzt. Er musste deshalb organisatorisch sicherstellen, dass der Mutter des Klägers in jeder Behandlungsphase der geschuldete Facharztstandard zuteil wurde, um eine fehlerfreie Behandlung zu gewährleisten. Dazu gehörte es auch, dass die erforderliche fachärztliche Untersuchung durch einen Arzt erfolgte und nicht eine Pflegekraft, hier eine Krankenschwester, medizinische Tätigkeiten, die dem Arzt obliegen, ausübte. Der Beklagte musste organisatorisch sicherstellen, dass sein Pflegepersonal nicht mit derartigen Aufgaben befasst wurde (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.1996 - VI ZR 190/95, VersR 1996, 976). Er mußte deshalb gewährleisten, daß bei einer drohenden Frühgeburt wie beim Kläger ein Arzt zugezogen wurde zur vaginalen Untersuchung, ein Arzt das gefertigte CTG interpretierte und über den weiteren Geburtsverlauf entschied. Das war nicht der Fall, weil entweder die unbekannte Krankenschwester gar nicht versuchte, den Beklagten zu 1 als zuständigen Arzt zu erreichen oder es ihr nicht gelang. Dieser Verstoss des Beklagten zu 1 gegen die ihm obliegenden Organisationspflichten ist ein grober Fehler, der dem Träger eines Krankenhauses nicht unterlaufen darf und wie bei groben ärztlichen Fehlern das Spektrum der Schadensursache derart verbreitert und verschiebt, dass dem Patienten billigerweise die Beweisführung nicht mehr zugemutet werden kann. Wie bei groben Behandlungsfehlern kommt auch bei groben Organisationsfehlern unter diesen Umständen eine Umkehr der Beweislast für die Kausalität in Betracht (BGH, Urteil vom 16.04.1996 - VI ZR 190/95, VersR 1996, 976). Sowohl die unterlassene vaginale Untersuchung als auch die unterlassene Auswertung durch einen Arzt und das Unterbleiben einer Fortschreibung des CTG sind aus medizinischer Sicht, wie dargelegt, unverständlich. Der Beklagte zu 1 muß die Behandlung seiner Patientin in seiner Klinik so organisieren, daß solche Fehler schlechterdings nicht unterlaufen können. Als Träger seiner Klinik haftet der Beklagte darüber hinaus nach § 831 BGB für die ihm zuzurechnenden Fehler seines Pflegepersonals.

b) Die schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers sind auf diese Behandlungsversäumnisse zurückzuführen. Sie haben ihre Ursache in einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie. Diese wären bei einer ausreichen den Behandlung vermieden worden. Davon hat der Senat auszugehen, weil der Beklagte zu 1 nicht bewiesen hat, dass die Behandlungsversäumnisse folgenlos blieben. Die Beweislast liegt beim Beklagten zu 1, weil die Behandlungsversäumnisse als grob zu bewerten sind.

aa) Die schwere Hirnschädigung, an der der Kläger leidet, beruht auf einem hypoxischem Zustand bei der Geburt. Wie der Sachverständige Prof. Dr. N überzeugend dargelegt hat, kann eine vorgeburtliche Störung ausgeschlossen werden. Diese hätte zu anderen morphologischen Veränderungen im Gehirn führen müssen als diese im CT von 1986 und der neuerlich gefertigten Kernspintomographie nachgewiesen worden sind. Kopfumfang oder sonstige äussere Kennzeichen lassen jedenfalls nicht auf eine vorgeburtliche Ursache schliessen. In der Neugeborenenzeit konnten - so der Sachverständige Prof. Dr. N (Gutachten vom 28.09.1999, S. 8) - andere Ursachen wie Infektion oder Neugeborenensepsis durch entsprechende Untersuchungen ausgeschlossen werden. Die nachbehandelnden Ärzte haben keine ausreichenden Anzeichen für eine Infektion gefunden (Behandlungsunterlagen der Kinderklinik H. , Krankenblatt vom 09.11.1985). Der Pneumothorax war nach dem vorliegenden Röntgenbefund derart gering ausgeprägt, dass er als Ursache für eine zusätzliche Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung des Gehirns des Klägers nicht in Betracht gezogen werden kann (Gutachten vom 28.09.1999, S. 11). Dagegen liegen Brückensymptome vor, die für einen Ursachenzusammenhang zwischen Sauerstoffmangel und Hirnschädigung sprechen. Diese sind die bei der Aufnahme in der Kinderklinik beobachteten Auffälligkeiten wie Atemstörungen, Tonusveränderungen und Verhaltensabweichungen. Auch die im weiteren Verlauf dokumentierten Beobachtungen mit Ernährungsschwierigkeiten, vermehrter Unruhe und Zuckungen sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Hinzu kommt, dass, wie der Sachverständige Prof. Dr. N, ausgeführt hat, auch ohne Vorliegen von Brückensymptomen ein Zusammenhang zwischen Sauerstoffmangel unter der Geburt und einer Hirnschädigung aufgrund des derzeitigen Wissenstandes nicht auszuschliessen ist. Wie der Sachverständige dargelegt hat, ist auch ein neurologisches Durchgangssyndrom mit den Tonusveränderungen und den Verhaltensauffälligkeiten festzustellen.

Dass das Fruchtwasser, das bei der Sprengung der Fruchtblase abging, kein Mekonium enthielt, spricht nicht gegen einen Sauerstoffmangel während der Zeit der Geburt, weil es bei Frühgeborenen in dieser Hinsicht kein verlässliches Kriterium ist, ob Mekonium in das Fruchtwasser abgegeben wird oder nicht. Im Vergleich zu reifen Kindern treten bei ihnen seltener Ereignisse ein, die zum Abgang von Mekonium führen. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat es deshalb eher als die Ausnahme denn als die Regel bezeichnet, wenn man bei einem Frühgeborenen wie beim Kläger durch Mekonium verfärbtes Fruchtwasser findet (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, S. 6). Auch Prof. Dr. T hat eine hypoxische Schädigung vor der letzten Phase der Geburt für möglich erachtet, obwohl klares Fruchtwasser abging (Gutachten S. 19). Nur Prof. Dr. R hat bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht (Protokoll S. 6) aus dem klaren Fruchtwasser unter anderem geschlossen, daß keine Sauerstoffmangelsituation vorgelegen habe.

Aus dem eine Stunde nach der Geburt des Klägers um 20.15 Uhr in der Kinderklinik in H gemessenene pH-Wert von 7,21 läßt sich nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. N (ebenso Prof. Dr. T Gutachten S. 19) nicht der Rückschluss darauf ziehen, dass eine Sauerstoffmangelsituation während der Geburt auszuschliessen ist. Die Werterhebung erfolgte erst lange nach der Geburt; der Kläger hatte zwischenzeitlich im Inkubator Sauerstoff erhalten. Der Sachverständige Prof. Dr. L wies darauf hin, dass dieser Wert immer noch ziemlich niedrig, nämlich an der unteren Normgrenze liegt, obwohl der Kläger während des Transports in die Kinderklinik Sauerstoff erhielt. Soweit Prof. Dr. R deshalb aus dem Fehlen einer Nabelschnurazidose geschlossen hat, daß keine Sauerstoffmangelsituation während der Geburt vorgelegen habe (Gutachten S. 16), ist dies nicht ausreichend berücksichtigt.

Auch aus der Apgarbewertung von 9/10/10 eine, fünf und zehn Minuten nach der Geburt durch die Beklagte zu 3 lässt sich nicht der Rückschluss ziehen, dass während der Geburt keine Sauerstoffmangelsituation vorlag. Wie der Sachverständige Prof. Dr. N bereits bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht (Protokoll vom 25.09.1995, S. 5) dargelegt hat, ist eine mittelschwere hypoxische Schädigung während der Geburt mit den befundeten Apgarwerten grundsätzlich noch vereinbar. Für die Schädigung ist nach ihm von einer Kaskade von mehreren ungünstigen Ereignissen auszugehen, der Frühgeburtlichkeit, den vorzeitigen Wehen, einem Sauerstoffmangel unter der Geburt und schliesslich einer Behinderung der Atemtätigkeit durch einen Pneumothorax. Aus diesem Grund erachtet er es als durchaus möglich, dass zunächst noch keine grösseren Auffälligkeiten festzustellen waren, sondern die schwere Störung erst nach einiger Zeit deutlich sichtbar wurde. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat im übrigen bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.02.1997 (S. 22 und 26) darauf hingewiesen, dass der Zustand des Kindes bei der Einlieferung in die Kinderklinik einem Apgar-Score von allenfalls 5 entsprach und schon deshalb die Apgar-Angaben im Geburtsbericht unglaubwürdig sind. Im Verlegungsbericht des Beklagten zu 1 an die Kinderklinik ist bereits Schlaffheit des Klägers angeführt, ebenso im Aufnahmebefund der Kinderklinik. Das führte beim Muskeltonus aber richtigerweise zu einer Bewertung mit Null statt Zwei, so dass ein Apgar von 10 nicht erreicht werden konnte, vielmehr für die Aufnahme in die Kinderklinik von einem Apgar-Wert von nicht mehr als 6-7 auszugehen ist. Das beschriebene exspiratorische Stöhnen mit leichtem Nasenflügeln rechtfertigt für die Atmung richtigerweise nur eine Bewertung mit 1, das Grimassieren bei den Reflexen ebenfalls mit 1. Insgesamt ergibt sich damit für die Aufnahme in der Kinderklinik ein korrekter Apgar von nur 5 (Gutachten Prof. Dr. L S. 21). Der Sachverständige Prof. Dr. L hat darauf hingewiesen, dass es retrospektiv unwahrscheinlich erscheint, dass der Kläger 10 Minuten nach der Geburt einen guten Muskeltonus gehabt haben soll, weitere 10 Minuten später dagegen schlaff gewesen sein soll. Weil die Apgar-Bewertung damit auch im konkreten Fall unzuverlässig erscheint, lassen sich damit, wie der Sachverständige Prof. Dr. L überzeugend dargelegt hat (Gutachten S. 19), keine zuverlässigen Rückschlüsse auf den Zustand des Kindes ziehen. Auch insoweit geht Prof. Dr. R deshalb nach Überzeugung des Senats von ungesicherten bzw. unzutreffenden Anknüpfungstatsachen für seinen Schluß aus, es liege keine hypoxische Schädigung vor (Gutachten S. 16). Auch Prof. Dr. T bewertete die Zustandsbewertung durch die Apgarbenotung nur zurückhaltend als Anhaltspunkt (Gutachten S. 21).

Der Beklagte zu 1 hat den ihm obliegenden Beweis, dass die unterlassene vaginale Untersuchung und die unterlassene CTG-Schreibung nicht zum schweren Hirnschaden geführt hat, weil keine hypoxische Schädigung vorläge, nicht geführt. Dass andere Ursachen zum Sauerstoffmangel hinzutreten und zur Hirnschädigung mitgewirkt haben, schliesst die Beweislastumkehr aufgrund des groben Behandlungsfehlers nicht aus. Die Beweiserleichterung ist erst ausgeschlossen, wenn - anders als vorliegend - jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äussert unwahrscheinlich ist. Anders ist es nur, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt hat (BGH, Urteil vom 01.10.1996, VI ZR 10/96, VersR 1997, 362). Eine solche Abgrenzung, nämlich dass der Kläger auch bei einwandfreier Geburtshilfe mit qualitativ näher bestimmbaren Schäden geboren worden wäre, ist nicht möglich. Der Sachverständige Prof. Dr. N ging zwar davon aus, dass die Unreife des Klägers zusammen mit den frühen Geburtsbestrebungen zu der schweren Hirnschädigung des Klägers geführt hat, möglicherweise auch noch der Pneumothorax unmittelbar nach der Geburt neben der Sauerstoffmangelsituation während der Geburt mitursächlich war; einzelne Teile der schweren Hirnschädigung sind diesen Mitursachen aber nicht zuordenbar.

bb) Der Beklagte zu 1 hat nicht bewiesen, dass die festgestellten Behandlungsfehler den Schaden nicht verursachten. Der Beklagte zu 1 hat dafür die Beweislast, weil die Fehler des Beklagten zu 1 als grobe Behandlungsfehler zu werten sind. Bei einem groben Behandlungsfehler wird als Folge der Umkehr der Beweislast zu Lasten der Behandlungsseite ein Kausalzusammenhang zwischen grobem Behandlungsfehler und Primärschädigung vermutet, wenn der Behandlungsfehler generell geeignet ist, den eingetretenen Primärschaden zu verursachen und aufgrund konkreter Umstände der Eintritt des Primärschadens als Folge des Behandlungsfehlers nicht äusserst unwahrscheinlich ist. Die unterlassene vaginale Untersuchung und die unterlassene CTG-Fortschreibung waren generell geeignet, im weiteren Verlauf eine hypoxische Schädigung des Klägers zu verursachen. Bei der frühen vaginalen Untersuchung wäre die Blutung festgestellt worden, so dass eine intensivere Geburtsüberwachung bei richtigem Vorgehen erfolgt wäre. Dies hätte zu einer früheren CTG-Schreibung führen müssen. Mit der Fortschreibung des CTG hätte sich der Beklagte zu 1 ein Bild über den weiteren Verlauf verschaffen können und dadurch eine Verschlechterung der Situation erkennen können. Er hätte auch erkennen können, wenn die Frequenz wie im CTG von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr bei 170 - 180 tachykard geblieben wäre und die Bandbreite der Schwingungen mit 5 - 15 spm. gleichgeblieben wäre oder sich weiter verschlechtert hätte. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat dargelegt hat (Protokoll, S. 7) ist nach der Erfahrung sogar davon auszugehen, dass es im weiteren Verlauf nicht zu einer wirksamen Verbesserung der Situation gekommen ist, sondern sich die im CTG dargestellte hypxische fetale Belastung fortsetzte. Diese Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L haben den Senat überzeugt. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. R es umgekehrt für wahrscheinlich hält, daß ein CTG weitgehend normal verlaufen wäre (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 30.05.1994 S. 6), kann ihm nicht gefolgt werden. Der Sachverständige Prof. Dr. R geht dabei von Anknüfungstatsachen aus, die so nicht zutreffen. Bei seiner Annahme einer raschen Entbindung legt er offensichtlich die Daten des Geburtsberichts mit einem Wehenbeginn um 16.00 h zugrunde (vgl. S. 3 seines schriftlichen Gutachtens). Für den Zustand des Kindes legt er die Apgar-Bewertung der Beklagten zu 3 zugrunde, die aber zweifelhaft ist. Er schließt das auch aus dem Abgang klaren Fruchtwassers, obwohl bei Frühgeburten eine Sauerstoffmangelsituation während des Geburtsverlaufs nicht notwendig zu Mekoniumabgang führen muß. Bei einer Fortsetzung des im CTG um 14.40 Uhr gefundenen Zustandes - hohe Herzfrequenz und eingeengte Bandbreite - hätte, unabhängig davon, ob damit eine Sauerstoffmangelsituation gesichert wäre, eine Schnittentbindung erfolgen müssen (Protokoll, S. 7). Nach dem Sachverständigen Prof. Dr. L ist es sogar wahrscheinlich, dass sich eine frühere Entbindung positiv auf die Schädigung des Klägers ausgewirkt hätte (Protokoll, S. 7). Da es damit insgesamt sogar wahrscheinlich ist, dass sich die CTG-Fortschreibung positiv auf den Geburtsverlauf ausgewirkt hätte, war der Behandlungsfehler nicht nur generell geeignet, den eingetretenen Primärschaden zu verursachen, sondern der Eintritt des Primärschadens war auch nicht äusserst unwahrscheinlich.

Beweiserleichterungen kämen dem Kläger darüber hinaus sogar zugute, wenn das Unterlassen der CTG-Fortschreibung nicht als grober Behandlungsfehler zu werten wäre. Der Beklagte zu 1 hat damit auch die Erhebung von medizinisch gebotenen Befunden schuldhaft unterlassen. Eine Beweiserleichterung für die Kausalität kommt dem Patienten dann zugute, wenn der nicht erhobene Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein medizinisch positives und deshalb aus medizinischer Sicht reaktionspflichtiges Ergebnis gehabt hätte und das Unterlassen der Reaktion bei einem solchen Befund nicht anders als durch einen groben Behandlungsfehler zu erklären wäre (BGH, Urteil vom 03.11.1998, VI ZR 253/97, VersR 1999, 231). Wie der Sachverständige Prof. Dr. L dargelegt hat, war es geboten, das CTG fortzuschreiben. Nach der medizinischen Erfahrung ist mit ihm davon auszugehen, dass es zu keiner wirksamen Verbesserung der Situation im Verlauf kam (Protokoll, S. 7), so dass sich auch die auffälligen Befunde im CTG fortgesetzt hätten (Protokoll., S. 9). Bei diesem damit wahrscheinlichen Ergebnis wäre aus medizinischer Sicht mit einer Geburtsbeendigung durch Kaiserschnitt zu reagieren gewesen. Das Unterlassen dieser Reaktion wäre als grober Behandlungsfehler zu werten. Wie der Sachverständige Prof. Dr. L dargelegt hat, lag mit der Tachykardie und der eingeschränkten Schwingungsbreite ein CTG vor, das beim Frühgeborenen Zeichen für eine beginnende hypoxische Krise war. Hinzu kamen mit der Frühgeburtlichkeit und der vaginalen Blutung sowie den schmerzhaften Wehen weitere Risikofaktoren für eine Schädigung des Kindes. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat deshalb deutlich gemacht, dass bei unverändertem Zustand die Schnittentbindung zwingend war. Ihr Unterlassen wäre ein Verstoss gegen eindeutige, gesicherte medizinische Erkenntnisse und damit als grober Behandlungsfehler zu werten. Der in der unterlassenen Schnittentbindung liegende grobe Behandlungsfehler war geeignet, die schwere Hirnschädigung des Klägers zu verhindern. Es ist auch nicht äussert unwahrscheinlich, dass der Primärschaden auch ohne den Behandlungsfehler eingetreten wäre. Der Sachverständige hat dies im Gegenteil für wahrscheinlich erachtet (Protokoll S. 7).

Den ihm obliegenden Beweis, dass sein Unterlassen für die Schädigung des Klägers nicht ursächlich war, hat der Beklagte zu 1 nicht geführt. Sowohl der Sachverständige Prof. Dr. L als auch der Sachverständige Prof. Dr. N hielten es für möglich, dass die schwere Hirnschädigung des Klägers bei CTG-Schreibung und früherer Schnittentbindung verhindert worden wäre.

2. Die Beklagte zu 2 schuldet dem Kläger nach § 823 BGB Ersatz seines Schadens und ebenfalls nach § 847 BGB Schmerzensgeld.

a) Die Beklagte zu 2 hat es unterlassen, zwischen 15.30 Uhr und 16.00 Uhr die Fortschreibung des CTGs anzuordnen und für eine lückenlose weitere Überwachung der Geburt zu sorgen.

aa) Die Beklagte zu 2 war die Ärztin, die zwischen 15.30 Uhr und 16.00 Uhr die Mutter des Klägers untersuchte und zwei Ampullen des wehenhemmenden Mittels Partusisten verordnete. Der Kläger hat dies mit der Parteivernehmung seiner Eltern bewiesen. Ihre Angaben sind glaubwürdig und insgesamt glaubhaft, auch was die Beteiligung der Beklagten zu 2 betrifft. Ihre Angaben, dass eine ärztliche Untersuchung stattgefunden habe und zwei Ampullen Partusisten von einer Ärztin verordnet worden seien, werden dadurch gestützt, dass nach den Angaben des Beklagten zu 1 Partusisten nur auf ärztliche Anordnung verabreicht werden durfte. Die Eintragung um 15.30 Uhr über die Verordnung von Partusisten konnte zwar auch von einer Schwester vorgenommen werden. Es gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Gegensatz zu den Angaben der Eltern des Klägers die Krankenschwester ohne ärztliche Anordnung gehandelt hätte. Beide Eltern haben bekundet, dass es sich um eine Ärztin und nicht einen Arzt gehandelt habe. Die Beklagte zu 2 war aber die einzige an der Klinik des Beklagten zu 1 tätige Ärztin. Beide Eltern kannten die Beklagten zu 2 von früheren Behandlungen in der Klinik des Beklagten zu 1, so dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Schließlich spricht für die Angaben der Eltern des Klägers vor allem, dass seine Mutter bereits bei der Vernehmung im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, als noch keine Vorwürfe gegen die Beklagten zu 1 und 2 erhoben wurden, bekundete, dass am Nachmittag im Verlauf der Geburt die Beklagte zu 2 gekommen sei. Dabei handelt es sich um Angaben, die keinen unmittelbaren Bezug zum Gegenstand des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens hatten. Damit spricht auch nichts dafür, dass die Eltern des Klägers die Beklagte zu 2 als die handelnde Ärztin angaben, um sie zu belasten und einen zusätzlichen Haftungsschuldner für ihr Kind zu haben. Die Beklagte zu 2 hat selbst für möglich gehalten, dass sie die Ärztin war, die die Mutter des Klägers untersucht und die Partusisteninfusion angeordnet hat. Dass die Beklagte zu 2 an einer Operation, die von 14.35 Uhr bis 15.45 Uhr dauerte, beteiligt war - so der von der Beklagten zu 2 vorgelegte Operationsbericht (Bl. 171) -, spricht nicht zwingend dagegen. Es ist möglich, dass die Beklagte zu 2 auf die dringenden Bitten der Krankenschwester, die keinen Arzt erreichte, nach dem Ende der Operation nach der Mutter des Klägers sah. Das läßt sich mit den Aussagen der Eltern des Klägers in Übereinstimmung bringen. Nach den Angaben des Vaters des Klägers sprach die Beklagte zu 2 von einer Operation, von der sie komme, nach den Angaben der Mutter des Klägers davon, sie habe nicht früher kommen können, sie habe eine OP-Patientin und müsse gleich wieder nach oben. Auch nach dieser Aussage der Mutter des Klägers ist es möglich, daß die Beklagte zu 2 nach der Operation kam. Beide Eltern bekundeten, daß es nach 15.00 Uhr gewesen sei, ohne daß sie verständlicherweise die Zeit der Untersuchung genauer angeben konnten. Gegen eine Untersuchung durch die Beklagte zu 2 spricht der Eintrag von "15.30" für die Partusistengabe, also für einen Zeitpunkt, zu dem sich die Beklagte zu 2 nach dem Operationsbericht noch im Operationssaal befand. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sowohl die Zeitangabe 15.30 Uhr für die Verordnung von Partusisten als auch die Zeitangabe 15.45 Uhr für das Operationsende offenkundig gerundete und keine minutengenauen Angaben sind, so dass die zeitliche Differenz zwischen der Partusistenverordnung und dem Operationsende auch geringer als 15 Minuten sein kann. Vor allem ist die Zuverlässigkeit der Eintragung "15.30" für die Partusistengabe nicht bekannt, zumal unbekannt ist, von wem diese Angabe stammt. Die Zeitangaben in der spärlichen Dokumentation sind nicht immer korrekt. Auch die nachträgliche Angabe des Geburtsbeginns auf 16.00 h im Geburtsbeginn ist, wie bereits dargelegt, nicht richtig. Dass die Beklagte zu 2 das Ergebnis einer vaginalen Untersuchung, die sie nach den Angaben der Eltern des Klägers gemacht hat und nach ihren eigenen Angaben gemacht hätte, entgegen der von ihr behaupteten Übung nicht schriftlich vermerkt hat, ist erklärbar aus den konkreten Umständen und spricht nicht zwingend gegen eine Untersuchung durch sie. Die Beklagte zu 2 wurde von der Krankenschwester zu Hilfe geholt, ohne selbst behandelnde Ärztin zu sein, stellte fest, dass die Geburt nicht unmittelbar bevorstand und ging nach ihren eigenen Angaben selbst davon aus, dass binnen kurzer Zeit, nämlich um 16.00 Uhr, der Beklagte zu 1 kommen und die weitere Geburtsleitung damit übernehmen werde. Wenn die Beklagte zu 2 unter diesem Aspekt von der Krankenschwester geholt worden war, dann aber feststellte, dass der Geburtsfortschritt keine unmittelbar bevorstehende Geburt erwarten ließ und zusätzlich mit dem baldigen Erscheinen des behandelnden Arztes gerechnet werden konnte, erscheint es nachvollziehbar, dass auch bei entgegenstehender Übung ausnahmsweise auf eine Dokumentation verzichtet wird, zumal wenn ein Geburtsberichtsblatt noch nicht begonnen wurde.

bb) Die Beklagte zu 2 hätte veranlassen müssen, dass das bis 14.40 Uhr geschriebene CTG fortgeschrieben wird, um den Zustand des Klägers zu erheben. Das ergibt sich aus den überzeugenden Bekundungen des Sachverständigen Prof. Dr. L, (oben 1 a) aa)), der sich insoweit in Übereinstimmung mit dem Privatsachverständigen Prof. Dr. T und Prof. Dr. R befindet.

cc) Die Beklagte zu 2 haftet damit nach § 823 BGB. Sie hatte zwar keinen eigenen Behandlungsvertrag mit der Mutter des Klägers geschlossen und war als Belegärztin, die in die Behandlung der Mutter des Klägers nicht unmittelbar involviert war, für die Organisation der Klinik des Beklagten zu 1 nicht verantwortlich. Sie hat aber, nachdem der Beklagte zu 1 nicht anwesend war, mit der Untersuchung der Mutter des Klägers deren Behandlung tatsächlich übernommen. Auch wenn sie dies nur in Vertretung des Beklagten zu 1 tat, war sie selbst an der Behandlungsaufgabe beteiligt und haftet deshalb für eigenes Behandlungsverschulden nach § 823 BGB persönlich.

Die unterlassene Anordnung einer CTG-Schreibung ist als grober Behandlungsfehler der Beklagten zu 2 zu werten. Es verstößt gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse und bewährte ärztliche Behandlungsregeln. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat das Fehlen einer CTG-Schreibung als unverständlich bezeichnet. Auch der Privatsachverständige Prof. Dr. T und Prof. Dr. R haben deutlich ihr Unverständnis darüber erkennen lassen. Auch unter Würdigung der besonderen Umstände des Falles liegt ein grober Behandlungsfehler vor. Neben dem eindeutigen Verstoß gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse und bewährte ärztliche Behandlungsregeln sind zwar auch die konkreten Behandlungsbedingungen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 08.03.1988 - VI ZR 201/87, VersR 1988, 495). So ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 2 nicht behandelnde Ärztin war und nur deshalb gerufen wurde, weil kein anderer Arzt erreicht wurde. Die Behandlungsaufgabe der Beklagten zu 2 beschränkte sich damit aber nicht darauf, die Mutter des Klägers zu untersuchen und, wenn keine dringenden Maßnahmen erforderlich waren, das Kommen des behandelnden Arztes abzuwarten. Sie war mit der Untersuchung der Mutter des Klägers verpflichtet, alle zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf den weiteren Geburtsablauf nach dem fachärztlichen Behandlungsstandard erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das hat sie auch tatsächlich getan, indem sie durch Verordnung eines wehenhemmenden Mittels den weiteren Geburtsablauf aufzuhalten bzw. zu verlangsamen suchte. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte zu 2 von der Krankenschwester hinzugerufen wurde, um die Dringlichkeit der Situation zu beurteilen, ist es unverständlich, warum sie die Anordnung einer CTG-Schreibung unterließ. Auch bei Eile wegen sonstiger Verpflichtungen, etwa bei der Operation, war die Anordnung ohne großen Aufwand möglich. Die Beklagte zu 2 konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass der Beklagte zu 1 alsbald in der Klinik erscheinen werde. Schon dass sie im Zusammenhang mit einer anderen Operation gerufen werden musste, musste ihr deutlich machen, dass die Gefahr bestand, dass der Beklagte zu 1 nicht erreichbar war und nicht alsbald käme. Aber selbst wenn die Beklagte zu 2 mit dem Kommen des Beklagten zu 1 um 16.00 Uhr hätte rechnen dürfen, ist es unverständlich, dass sie die Anordnung eines CTGs unterließ. Dieses wäre dann beim Eintreffen des Beklagten zu 1 bereits einige Zeit gelaufen und hätte ihm damit ohne zeitlichen Verzug eine Entscheidung über die weitere Geburtsleitung ermöglicht. Im weiteren Geburtsverlauf wiegt dieses Unterlassen schwer, weil die weitere Geburtsleitung gerade wegen des Fehlens einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage über den Zustand des Klägers unter der verfrühten Geburt der bei einem ausgereiften Kind entsprach.

bb) Die dafür beweispflichtige Beklagte zu 2 hat nicht bewiesen, dass die Unterlassung für die schwere Gehirnschädigung nicht ursächlich wurde. Das Unterlassen eines CTGs war generell geeignet, die schwere Hirnschädigung des Klägers zu verursachen; wie bereits ausgeführt, wäre durch ein CTG sogar wahrscheinlich erkannt worden, dass auch weiterhin eine Tachykardie bei eingeschränkter Schwingungsbreite vorlag und der Kläger damit gefährdet war, eine Sauerstoffmangelschädigung zu erleiden. Das hätte zu einer früheren Schnittentbindung geführt, durch die die schwere Hirnschädigung u. U. vermieden worden wäre. Dass diese dadurch vermieden worden wäre, ist nicht äußerst unwahrscheinlich. Als Folge der Umkehr der Beweislast ist damit der Kausalzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler der Beklagten zu 2 und der schweren Hirnschädigung des Klägers zu vermuten. Den ihr damit obliegenden Beweis, dass dieser Zusammenhang nicht besteht und auch bei Anordnung eines CTGs durch die Beklagte zu 2 der Kläger eine schwere Hirnschädigung erlitten hätte, hat die Beklagte zu 2 nicht geführt. Bei einer früheren Schnittentbindung wäre die Schädigung möglicherweise vermieden worden, wie der Sachverständige Prof. Dr. L überzeugend dargelegt hat.

3. Die Beklagte zu 3 schuldet dem Kläger weder ein Schmerzensgeld noch Ersatz seines materiellen Schadens. Sie haftet nicht. Soweit sie ihre Pflichten verletzt hat, hat dies nicht zur Schädigung des Klägers geführt.

a) Die Beklagte zu 3 hatte als Beleghebamme nicht die Pflicht, organisatorisch sicherzustellen, dass sie nach dem Auftreten der Wehen um die Mittagszeit des 05.11.1985 von der Klinik des Beklagten zu 1 gerufen wurde. Als freiberufliche Hebamme hatte sie nach § 4 Abs. 1 der Baden-Württembergischen Dienstordnung für Hebammen (GBl. 1961, 315) die Pflicht, Schwangeren, für die ihr Beistand gefordert wird, ungesäumt Beistand zu leisten. Soweit sie einem Ruf nicht nachkommen konnte, sollte sie bei der Zuziehung einer anderen Hebamme, wenn irgend möglich, behilflich sein, § 4 Abs. 2 der Dienstordnung für Hebammen. Die Beklagte zu 1 hatte deshalb die Pflicht, sicherzustellen, dass sie zu einer Geburt gerufen werden konnte, oder für die Vermittlung einer anderen Hebamme zu sorgen. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Beklagte zu 3 diese Pflicht verletzt hat. Die Beklagte zu 3 hat sich nach ihrem Vortrag ab 12.00 Uhr am 05.11.1985 rufbereit gehalten. Für ihre Behauptung, sie habe sich nicht rufbereit gehalten und sei auf Ruf durch die Krankenschwester nicht erreicht worden, hatte der Kläger keinen Beweis angetreten. Dass die unbekannte Krankenschwester vergeblich versucht habe, die Beklagte zu 3 zu erreichen, ergibt sich auch nicht aus der Parteivernehmung der Eltern des Klägers. Diese haben nur davon berichtet, dass die Krankenschwester von der Nichterreichbarkeit eines Arztes außer der Beklagten zu 2 gesprochen habe.

Die Beklagte zu 3 traf keine Pflicht, die Behandlung in der Klinik des Beklagten zu 1 dahin zu organisieren, dass sie nach dem Auftreten von Wehen gerufen wurde. Die Mutter des Klägers befand sich in der ärztlichen Behandlung des Beklagten zu 1, so dass die Beklagte zu 3 als Beleghebamme nur Gehilfin des Arztes war. Zwar gehört es grundsätzlich zu den Aufgaben einer Hebamme, eine Geburt ohne besondere Komplikationen selbständig zu betreuen. Das gilt indessen nur so lange, bis ein Arzt die Behandlung übernommen hat; von diesem Zeitpunkt an ist die Hebamme seine Gehilfin (BGH, Urteil vom 14.02.1995, VI ZR 272/93, VersR 1995, 706). Die Organisation der sachgerechten Behandlung liegt dann in den Händen des Arztes bzw. bei der Aufnahme in eine Klinik beim Klinikträger. Der Klinikträger ist auch dafür verantwortlich, dass das Pflegepersonal eindeutige Anweisungen zur Verständigung von Arzt oder Hebamme erhält (BGH, Urteil vom 16.04.1996, VI ZR 190/95, VersR 1996, 976). Klinikträger war aber der Beklagte zu 1, in dessen ärztlicher Behandlung sich die Mutter des Klägers auch noch befand. Zwar war die Abschlussuntersuchung am Vormittag des 05.11.1985 erfolgt, die Mutter des Klägers war aber noch nicht entlassen worden. Die Organisation der sachgerechten Behandlung, auch der Verständigung der Beklagten zu 3 als Hebamme, lag deshalb in den Händen des Beklagten zu 1 als Klinikträger und behandelndem Arzt, aber nicht im Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Beklagten zu 3. Die Beklagte zu 3 muss sich ein Verschulden des Pflegepersonals auch nicht nach § 278 oder § 831 BGB zurechnen lassen. Die Haftung insoweit trifft ebenfalls den Klinikträger (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 41).

b) Die Beklagte zu 3 haftet nicht für ein eigenes Verschulden nach ihrer Verständigung.

Dass die Beklagte zu 3 nach ihrer Verständigung kurz nach 18.00 Uhr nicht unverzüglich in die Klinik kam, ist nicht bewiesen. Die Dauer zwischen Alarmierung kurz nach 18.00 Uhr und Eintreffen in der Klinik um 18.35 Uhr von etwa einer halben Stunde ist noch vertretbar. Im übrigen war der Beklagte zu 1 bereits seit 16.45 Uhr in der Klinik und betreute die Mutter des Klägers. Ein unterstelltes verspätetes Erscheinen der Beklagten zu 3 hatte auf den Geburtsverlauf deshalb keinerlei Auswirkungen.

Die Beklagte zu 3 haftet auch nicht deshalb, weil auch nach ihrer Ankunft kein CTG geschrieben wurde. Sie musste, auch wenn die Geburtsleitung in den Händen des Beklagten zu 1 lag und sie als Hebamme nur seine Gehilfin war, den Beklagten zu 1 auf offensichtliche Fehler hinweisen und Bedenken äußern (OLG Frankfurt, VersR 1991, 929; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Rn. A 59). Dass sie den Beklagten zu 1 nicht auf die Notwendigkeit eines CTGs hingewiesen hat, hat sich auf die Schädigung des Klägers aber nicht ausgewirkt. Ein CTG muss, um aussagekräftig zu sein, nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. L, einige Zeit, mindestens etwa eine halbe Stunde, geschrieben werden. Der Beklagten zu 3 ist nach ihrer Ankunft einige Zeit zuzubilligen, in der sie sich zunächst über den bisherigen Verlauf informieren und orientieren muss. Selbst wenn sie deshalb bereits um 18.40 Uhr, also nur fünf Minuten nach ihrer Ankunft auf einem CTG bestanden hätte, und dieses geschrieben worden wäre, wären frühestens um 19.10 Uhr daraus Erkenntnisse für Geburtsbeendigung gewonnen worden. Die Geburt erfolgte aber bereits um 19.15 Uhr. Der Kläger wäre damit auch bei Anlegen eines CTGs ab 18.40 Uhr nicht früher geboren worden und eine hypoxische Schädigung unter der Geburt deshalb nicht vermieden worden.

Dass die Beklagte zu 3 den Beklagten zu 1 nicht aufgefordert hat, zu der Geburt noch einen Pädiater hinzuzuziehen, ist kein Behandlungsfehler. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat zwar in seinem schriftlichen Gutachten für das Landgericht die Anwesenheit eines Pädiaters gefordert, in der mündlichen Erläuterung (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 17.11.1997, S. 11) aber ergänzt, dass dies nicht dem medizinischen Behandlungsstandard für 1985 entsprach. Auch der Sachverständige Prof. Dr. N hat bei der mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens vor dem Landgericht (Protokoll vom 25. September 1995, S. 6) ausgeführt, dass nach dem Standard von 1985 kein Kinderarzt zur Geburt zuzuziehen war.

Die unterlassene Zuziehung eines Kinderarztes war auch für die Schädigung des Klägers nicht ursächlich. Wie der Sachverständige Prof. Dr. N dargelegt hat, hätte auch die Zuziehung eines Kinderarztes im Kausalverlauf nichts geändert. Eine Sauerstoffmangelsituation des Klägers zwischen seiner Geburt und der Ankunft in der Kinderklinik ist vielmehr äußerst unwahrscheinlich (Protokoll der Sitzung des Landgerichts vom 25. September 1995, S. 7).

Nichts anderes gilt für eine frühere Alarmierung des Neugeborenenabholdienstes. Schon ein Behandlungsfehler ist nicht bewiesen. Der Neugeborenenabholdienst ist nach dem Sachverständigen Prof. Dr. L zwar "rechtzeitig" zu alarmieren. Der Sachverständige Prof. Dr. N sah dagegen keine Zeitversäumnis bei der Verlegung des Klägers in die Kinderklinik (schriftliches Gutachten S. 13, Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 25. September 1995, S. 7). Auch hier scheitert eine Haftung der Beklagten zu 3 spätestens an der fehlenden Ursächlichkeit einer zu späten Alarmierung für die Sauerstoffmangelsituation beim Kläger, nachdem eine solche in der Phase nach der Geburt sehr unwahrscheinlich ist.

Kein Behandlungsfehler der Beklagten zu 3 liegt in einem unterlassenen Hinweis auf das Erfordernis einer Blutgasanalyse unmittelbar nach der Geburt.

Nach den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. L war eine Blutgasanalyse bei einem nicht auffälligen Apgar 1985 nicht Standard. Für den weiteren Behandlungsverlauf hatte der fehlende Blutgaswert im Hinblick auf die bereits eingetretenen hypoxischen Schädigungen auch keine Konsequenzen.

Die Beklagte zu 3 haftet schließlich auch nicht für die unzutreffende Apgar-Bewertung. Dieser Diagnosefehler hatte ebenfalls keine Auswirkungen auf die schwere Hirnschädigung des Klägers. Insbesondere wurden die nachbehandelnden Ärzte dadurch nicht zu einer verfehlten Behandlung veranlasst. Wie der Sachverständige Prof. Dr. N bereits in seinem schriftlichen Gutachten für das Landgericht dargelegt hat, war die Behandlung in der Kinderklinik in H sachgerecht und richtig.

4. Die deliktischen Ersatzansprüche nach §§ 823, 847 BGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 sind nicht verjährt. Nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt der Anspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Bei Minderjährigen, wie dem Kläger, kommt es auf die Kenntnis seiner gesetzlichen Vertreter, also der Eltern an (BGH, Urteil vom 29.11.1994, VI ZR 198/93, VersR 1995, 659). Zur Kenntnis gehört das Wissen von den wesentlichen Umständen des Behandlungsverlaufs, wozu ein Abweichen von der Standardbehandlung, der Eintritt einer Komplikation und der zur ihrer Beherrschung ergriffenen Maßnahmen gehört (BGH, Urteil vom 24.06.1999, IX ZR 30/97, VersR 1999, 1149; Urteil vom 29.11.1994, VI ZR 189/93, VersR 1995, 659). Kenntnis eines vom medizinischen Standard abweichenden ärztlichen Vorgehens hatten die Eltern des Klägers frühestens im Juni 1990. Im Anspruchsschreiben des Klägervertreters an die W -Versicherung vom 26.06.1990 (Bl. 140) wurde erstmals das Fehlen eines CTG bemängelt. Eine frühere Kenntnis der Eltern des Klägers ist nicht bewiesen. Im Schreiben des Klägervertreters vom 13.11.1989 (Bl. 138), mit dem er um die Übersendung der Krankenakten bat, ist ausdrücklich noch davon die Rede, dass die Ursachen abgeklärt werden sollten. Eine Kenntnis des Behandlungsverlaufs lag im November 1989 damit noch nicht vor, schon gar nicht Kenntnis eines Abweichens vom ärztlichen Standard. Damit begann die dreijährige Verjährungsfrist nach § 852 BGB frühestens im Juni 1990 zu laufen. Die am 24. bzw. 28.12.1992 zugestellte Klage unterbrach nach § 209 BGB damit die Frist noch vor dem Eintritt der Verjährung im Juni 1993.

5. Die Beklagten zu 1 und 2 schulden dem Kläger damit ein Schmerzensgeld von 350.000,00 DM. In Gesamtwürdigung der für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgebenden Umstände und mit Blick auf die Rechtsprechung des Senats und anderer Oberlandesgerichte zu vergleichbaren Fällen ist das erstinstanzliche ausgeurteilte Schmerzensgeld von 500.000,00 DM überhöht. Angemessen ist ein Schmerzensgeld von nicht mehr als 350.000,00 DM.

a) Bei der Bemessung des immateriellen Schadens nach § 847 BGB stehen die durch das haftungsbegründende Ereignis verursachte Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen des Geschädigten im Vordergrund. Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten in erster Linie einen Ausgleich für seine immateriellen Beeinträchtigungen bieten, daneben aber auch eine Genugtuung gegenüber dem Schädiger verschaffen. Dabei ist auch bei einer Einschränkung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Verletzten die damit einhergehende Persönlichkeitszerstörung als solche nach § 847 BGB auszugleichen (BGH, Urteil vom 13.10.1992, VI ZR 201/91, VersR 1993, 723). Je nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung und dem Grad der dem Verletzten verbliebenen Erlebnis und Empfindungsfähigkeit sind Abstufungen vorzunehmen.

b) Der Bemessung des Schmerzengeldes im vorliegenden Fall liegen danach folgende Erwägungen zugrunde:

aa) Der Kläger erlitt eine schwere Hirnschädigung. Er leidet an einer spastischen Tetraparese, einer zentralen Sehstörung, einer geistigen Behinderung und mit abnehmender Häufigkeit - cerebralen Anfällen. In der Folge der Tetraparese kam es zu einer bein- und linksbetonten Hüftluxation beidseits. Im Oktober 1997 musste er sich deshalb einer Sehnenverlängerung im Bereich der Kniekehlen und Hüften unterziehen.

Der Kläger leidet damit an schweren Dauerschäden. In motorischer Hinsicht ist er schwer beeinträchtigt. Er bedarf auch deshalb der Betreuung rund um die Uhr und muss ständig an Krankengymnastik teilnehmen. Er kann nur in fixierter Haltung sitzen und sich nicht selbständig drehen. Er benötigt nächtliche Betreuung, um Schädigungen durch das Liegen zu vermeiden. Der Kläger ist auch nicht in der Lage, für die tägliche Lebensführung erforderliche Bewegungen selbständig auszuführen, er kann beispielsweise nicht selbständig essen oder trinken. Er ist inkontinent und braucht auch insoweit Versorgung. Zur Fortbewegung ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Aufgrund der zentralen Sehstörung ist der Kläger in seinem Sehvermögen erheblich behindert. Er kann, wie die Eltern glaubhaft bekundet haben, allenfalls Licht und Schatten unterscheiden und ist darauf angewiesen, seine Umwelt im wesentlichen über Geräusche wahrzunehmen.

Auch in seinen geistigen Funktionen ist der Kläger erheblich beeinträchtigt. Er hat sich einen Wortschatz von 50 - 60 Wörtern erworben, mit denen er einfache 2-Wort-Sätze bilden kann. Er ist in der Lage, seine Geschwister zu erkennen und Betreuer zu benennen, kann seine Wünsche durch Laute ausdrücken und auf einfache Anweisungen reagieren. Der Kläger ist jedoch nicht in der Lage, eine Schule zu besuchen und wird nie ein selbständiges Leben führen können. Vielmehr benötigt er auch in der Zukunft Betreuung rund um die Uhr.

Dagegen gelang es die früher aufgetretenen cerebralen Anfälle durch eine antikonvulsivische Therapie zu kontrollieren. Der Kläger ist insoweit jedoch auf eine Dauermedikation angewiesen.

Der Senat geht nach der Schilderung der Eltern des Klägers davon aus, dass der Kläger durchaus seine Behinderung im Vergleich zu anderen, gesunden Personen, wahrnehmen kann, wenn er sie aufgrund seiner geistigen Behinderung auch kaum verstandesmässig voll erfasst. Auch ist davon auszugehen, dass er die Diskrepanz zwischen Wollen und Können bemerkt, wenn es sich insoweit auch eher um unterschwellige Gefühle als um ein klares Bewusstsein handeln mag. Dies ist jedoch gerade Ausdruck der teilweisen Persönlichkeitszerstörung, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen ist. In Anbetracht aller sonstigen Umstände des vorliegenden Falles ist damit ein Schmerzensgeld von 350.000,- DM angemessen, aber auch ausreichend.

c) Ein höheres Schmerzensgeld als 350.000,- DM erscheint dem Senat auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man hier von einem nicht geringen Verschulden der Beklagten zu 1 und 2 ausgeht und berücksichtigt, dass hinter den Beklagten ein Haftpflichtversicherer steht, der bisher noch nichts gezahlt hat.

Der Senat sieht sich bei seiner Bewertung in Einklang mit den Bemessungskategorien der weit überwiegenden Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen:

- BGH, Urteil vom 16.02.1993, NJW 1993, 1531: 100.000,- DM bei schwerstem Hirnschaden mit Tetraspastik, fehlender Sprach- und Fortbewegungsfähigkeit; lebenslanger Pflegefall, jedoch kaum noch vorhandener Empfindungsfähigkeit.

- OLG Schleswig, VersR 1994, 310: 340.000,- DM bei schwerer Hirnschädigung und Krampfleiden.

- OLG Hamm, VersR 1994, 730: 240.000,-- DM bei Tetraparese, Spastik und schwerster Behinderung.

- OLG Oldenburg, VersR 1997, 1236: 350.000,-- DM bei Hirnschädigung, Tetraplegie, Krampfleiden, Kommunikationsfähigkeit nur durch Mimik und Gestik.

- OLG Odenburg, VersR 1993, 753: 200.000,-- DM für schwersten Geburtsschaden mit cerebralen Bewegungsstörungen und Krampfanfällen, Defekt der oberen Luftwege, Beaufsichtigung und Pflege rund um die Uhr und eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit.

- OLG Brandenburg, VersR 1998, 593: 400.000,-- DM für Geburtsschaden mit Hirnschädigung und linksseitiger Tetraparese, wobei eine Entstellung im Gesicht und eine Störung der Mundmotorik mit erschwerter Nahrungsaufnahme hinzukommen.

Dagegen liegt das in der Entscheidung OLG Hamm, VersR 1999, 488 zuerkannte Schmerzensgeld von 500.000,-- DM, an dem sich das Landgericht orientiert hat, eher außerhalb dieses Rahmens. Zwar kamen in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall zum Geburtsschaden mit Tetraspastik und geistiger Behinderung eine ausgeprägter Athetose und eine Oligoepilepsie als Beeinträchtigungen hinzu, der Kläger war ohne Sprache und Lautbildung und bei schwerer Obstipation bestand die Notwendigkeit, jeden zweiten Tag digital auszuräumen. Auch wenn gegenüber einigen älteren genannten Entscheidungen die Geldentwertung berücksichtigt wird, liegen die zuerkannten Schmerzensgelder für vergleichbare Fälle aber eher zwischen 300.000,- DM und 400.000,- DM.

c) Das Schmerzensgeld ist nach §§ 284, 288, 291 BGB durch den Beklagten zu 1 ab 28.12.1992, durch die Beklagte zu 2 ab 29.12.1992 zu verzinsen. Der Tag des Zinsbeginnes ist bei Verzug und Rechtshängigkeit entsprechend § 187 Abs. 1 BGB der Tag nach der Zustellung der Klage (BGH NJW-RR 1990, 519). Die Wirkungen der Rechtshängigkeit und des Verzuges treten für beide Gesamtschuldner getrennt ein, § 425 BGB. Die Beklagte zu 2 hat deshalb nach Klagzustellung am 28.12.1992 ab 29.12.1992 zu verzinsen. Beim Beklagten zu 1, dem die Klage am 24.12.1992 zugestellt wurde, hatte es beim Beginn der Verzinsung am 28.12.1992, wie vom Landgericht zuerkannt, zu verbleiben, § 536 ZPO.

6. Ausserdem war festzustellen, dass die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger seinen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergeht. Der Feststellungsantrag ist zulässig nach § 256 Abs. 1 ZPO. Zwar fehlt regelmässig ein Interesse an der Feststellung eines Rechtsverhältnisses, wenn der Kläger die Möglichkeit hat, Leistungsklage zu erheben. Die Feststellungsklage ist aber zulässig, wenn ein Schaden, um dessen Ersatzpflicht die Parteien streiten, bei Klageerhebung noch nicht vollständig beziffert werden kann, insbesondere weil er noch in der Entwicklung begriffen ist. Steht von einem Schaden erst ein Teil der Höhe nach fest, kann der Kläger insgesamt auf Feststellung klagen und ist nicht verpflichtet, seine Klage in eine Feststellungs- und einen Leistungsantrag aufzuspalten (BGH VersR 1991, 788; NJW-RR 1988, 445). Die Entwicklung des materiellen Schadens des Klägers ist noch nicht abgeschlossen, so dass eine Bezifferung nur für den in der Vergangenheit liegenden Schaden möglich wäre. Zu einer Aufspaltung in einen bezifferten Leistungsantrag für die Vergangenheit und einen Feststellungsantrag für die Zukunft ist der Kläger damit nicht verpflichtet. Ein Feststellungsinteresse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht besteht, nachdem weitere materielle Schäden zu erwarten sind.

Der Antrag ist auch begründet, weil die Beklagten Ziff. 1 und 2 als Gesamtschuldner dem Kläger haften.

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO, die Entscheidung über die Kosten auf §§ 92 Abs. 1 und Abs. 2, 100 Abs. 4 ZPO. Für das Berufungsverfahren war im Gegensatz zur Kostenentscheidung für die erste Instanz nicht nach § 92 Abs. 2, 2. HS ZPO davon abzusehen, dem Kläger hinsichtlich des Schmerzensgeldantrags gegen die Beklagten zu 1 und 2 Kosten aufzuerlegen. Einer Partei können die gesamten Prozesskosten auferlegt werden, wenn der Betrag der Forderung wie beim Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds von der Festsetzung durch richterliches Ermessen abhängig war. Der Kläger hat jedoch mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung sein Klagebegehren nicht mehr wie in erster Instanz auf ein angemessenes, vom Ermessen des Gerichts abhängiges Schmerzensgeld gerichtet, sondern auf die konkreten Schmerzensgeldkapitalbeträge gerichtet, die im landgerichtlichen Urteil zugesprochen worden waren (BGH, Urteil vom 21.07.1998, VI ZR 276/97, VersR 1998, 1565).

8. Der nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Schriftsatz des Beklagten zu 1 vom 29.12.1999 gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren, neonatologischen Sachverständigengutachtens ist grundsätzlich nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Er gibt keinen Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. Eine erneute mündliche Erläuterung ihrer Gutachten durch die Sachverständigen oder ein weiteres Sachverständigengutachten sind nicht geboten. Beide Sachverständigen sind bei der mündlichen Erläuterung ihrer in erster bzw. zweiter Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten nicht von ihrem Inhalt abgewichen und haben den Sachverhalt nicht neu beurteilt. Insbesondere hat der Sachverständige Prof. Dr. L im Termin vor dem Senat seine Ausführungen im schriftlichen Gutachten und der mündlichen Erläuterung vor dem Landgericht nur nochmals zusammengefaßt und präzisiert, ohne daß die Beurteilung von der früheren abweicht. Mit den Privatgutachten von Prof. Dr. W und Prof. Dr. H liegen auch keine neuen sachlichen Einwendungen vor, die einer weiteren sachverständigen Stellungnahme bedürfen. Der Senat hat nicht aus dem CTG auf eine hypoxische Schädigung geschlossen (oben 1 b); daß ein CTG auf eine hypoxische Schädigung hinweisen kann, stellt auch die Stellungnahme von Prof. Dr. W nicht in Frage. Die Kausalität bezeichnet er selbst als offen. Auch Prof. Dr. H hält eine hypoxische Schädigung und die Abbildung einer Sauerstoffmangelsituation im CTG vom 05.11.1985 für möglich, wenn auch nicht für wahrscheinlich. Dabei schließt er auf eine fehlende Hypoxie aus dem pH-Wert von 7,21 um 20.15 Uhr, wobei aber weder berücksichtigt wird, daß dem Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits einige Zeit im Inkubator Sauerstoff insuffliert worden war (Angaben der Beklagten zu 2 und 3 im Termin vom 30. Mai 1994 vor dem Landgericht), noch ob der pH-Wert seit der Geburt angestiegen war. Daß an dem befundeten Apgar-Score von 9/10/10 unabhängig vom pH-Wert schon aufgrund der Befunderhebung in der Kinderklinik H Zweifel bestehen, wird in seinem Privatgutachten nicht gewürdigt. Die damit aufgeworfenen Fragen wurden eingehend in den schriftlichen Gutachten und ihrer Erläuterung vor dem Landgericht und Oberlandesgericht erörtert. Die Sachverständigen Prof. Dr. L und Prof. Dr. N gingen im Gegensatz zur Annahme von Prof. Dr. H auch nicht von einer schweren Asphyxie aus, sondern einer Kaskade schädigender Ereignisse, die zur hypoxischen Schädigung des Klägers führte. Auch mit der Bedeutung des Pneumothorax und der Möglichkeit einer Infektion und Neugeborenensepsis hat sich der Sachverständige Prof. Dr. N , zuletzt im schriftlichen Gutachten vom 28.09.1999, auseinandergesetzt. Weder Prof. Dr. W noch Prof. Dr. H legen schließlich dar, daß aus gynäkologischer Sicht angesichts des CTG von 14.00 Uhr bis 14.40 Uhr etwas anderes zu veranlassen war als eine Fortschreibung des CTG und, bei unverändertem Befund, die Geburt frühzeitig beendigt werden mußte.

9. Auch die nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Schriftsatz der Beklagten zu 2 vom 04.01.2000 gestellten Beweisanträge sind grundsätzlich nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen und gebieten nicht nach § 156 ZPO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Soweit die Beklagte zu 2 ebenfalls eine weitere Begutachtung beantragt, gilt das zu 8. Ausgeführte entsprechend. Die Vernehmung der Zeugen Dr. R und Dr. T ist nicht erforderlich, weil der Senat davon ausgegangen ist, daß die Beklagte zu 2 erst nach der Operation die Mutter des Klägers untersucht hat. Die Parteivernehmung der Eltern des Klägers war zulässig, nachdem einiges für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, die Beklagte zu 2 habe seine Mutter untersucht, sprach. Sie wurde nicht nur von seinen Eltern bereits in der staatsanwaltschaftlichen Vernehmung genannt, sondern war am Nachmittag des 05.11.1985 die einzige Ärztin an der Klinik des Beklagten zu 1), nach dessen Angaben die intravenöse Gabe von Partusisten auch nur auf ärztliche Anordnung erfolgte.

Ende der Entscheidung

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