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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 15 UF 23/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1573 Abs. 4
BGB § 1576
ZPO § 323
Wird die Abänderung eines Vergleiches über Unterhalt angestrebt, gehört zum schlüssigen Vortrag eine umfassende Darstellung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und die Darlegung, wie sich diese geändert haben. Dies gilt auch dann, wenn der titulierte Unterhalt auf Billigkeit beruht.
Oberlandesgericht Stuttgart - 15. Zivilsenat - - Familiensenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 15 UF 23/05

In der Familiensache

wegen Unterhalt für den Ehegatten Verkündet am: 15. Juni 2005

hat der 15. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Maurer, des Richters am Oberlandesgericht Dabs und der Richterin am Oberlandesgericht Lingner

auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 24.11.2004 (AZ: 4 F 545/04) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 9.816,84 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.

Der am .1943 geborene Kläger und die am .1943 geborene Beklagte haben am .1968 die Ehe geschlossen, aus der ein zwischenzeitlich volljähriger Sohn hervorgegangen ist.

Der Kläger war während der Ehezeit selbständig tätig. Die Beklagte arbeitete neben ihrer Tätigkeit in der Familie beim Kläger mit. In der Trennungsphase begann sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin, die sie noch im Jahr der Scheidung, welche am 28.10.1992 erfolgte, abschloss.

Anlässlich der Scheidung schlossen die Parteien einen Vergleich zum nachehelichen Unterhalt, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte monatlichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 1.150 DM zu zahlen. Für den Zeitraum ab 1.1.1993 sollten sich etwaige Unterhaltsansprüche nach den gesetzlichen Vorschriften richten.

Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Scheidung noch mindestens 53 000 DM an ehegemeinschaftlichen Schulden zu tilgen, was ihn nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien zur Zahlung von Ehegattenunterhalt leistungsunfähig machte. Die vom Kläger auf diese Schulden bezahlten Raten beliefen sich ausweislich der beigezogenen Akte 1 F 152/00 des AG Nördlingen auf rund 1500 DM monatlich.

Die Beklagte, die eine Arbeitsstelle als Altenpflegerin gefunden hatte, wurde im Jahr 1996 krankheitsbedingt arbeitsunfähig und zum 31.5.1999 arbeitslos. Im März 2000 erhob sie vor dem Amtsgericht Nördlingen eine Stufenklage auf Auskunft und Unterhalt (AZ 1 F 152/00). Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt als Geschäftsführer einer Firma W. berufstätig. Er war Mitgesellschafter dieser Firma und erzielte ein Geschäftsführergehalt von 160 000 DM.

Ohne dass der Kläger Auskunft über seine Einkünfte erteilt und bevor noch die Beklagte ihren Unterhaltsanspruch beziffert hatte, schlossen die Parteien am 20.11.2000 vor dem Familiengericht Nördlingen einen Vergleich.

Das Familiengericht hatte zuvor seine Rechtsauffassung dargelegt, dass die Beklagte wohl nur einen Anspruch aus Billigkeitsgründen habe. Ausweislich des Protokolls verhandelten die Parteien danach streitig mit der bisherigen Rechtsansicht weiter.

Der Vergleich hat folgenden Inhalt:

"Der Beklagte zahlt aus Billigkeitsgründen - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - an die Klägerin ab August 2000 einen Betrag in Höhe von 1.600 DM monatlich."

Als Vergleichsgrundlage ist ein Arbeitslosengeld der damaligen Klägerin, jetzigen Beklagten, in Höhe von 1.500 DM angegeben.

Der Kläger begehrt nunmehr Abänderung des Vergleichs dahingehend, dass er der Beklagten keinen Unterhalt mehr schuldet.

Hierzu trägt er vor, die dem Vergleich zugrunde liegenden Verhältnisse hätten sich geändert. Er sei nicht mehr Geschäftsführer oder Gesellschafter der Firma W. GmbH. Die Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft habe er mit Wirkung zum 1.1.2002 für 350.000,-- € verkauft. 175.000,-- € hierfür habe er erhalten und verbraucht, der weitere Teilbetrag, der zum 31.12.2002 fällig gewesen sei, sei nicht bezahlt worden, da über das Vermögen der W. das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Bis einschließlich März 2003 habe der Kläger noch für die Nachfolgefirma der W. gearbeitet, vom 1.4.2003 bis zum 31.3.2004 habe er für eine Firma G. gearbeitet, dieser Vertrag sei nunmehr ausgelaufen, der Kläger verfüge über keinerlei Einkünfte mehr außer über einen geringfügigen Kapitalertrag. Er lebe von finanziellen Unterstützungen durch seine jetzige Ehefrau, die allerdings als gebürtige Thailänderin und gelernte Schneiderin nur geringfügig berufstätig sei. Auskunft über Vermögen, Lebensversicherung etc. müsse er nicht erteilen, da ein Unterhaltstatbestand nicht gegeben sei.

Das Familiengericht hat seinem Klagantrag,

dass der Vergleich des Amtsgerichts Nördlingen, AZ 1 F 152/00 vom 10.11.2000 dahingehend abgeändert wird, dass festgestellt wird, dass der Kläger der Beklagten ab dem 1.5.2004 keinen Unterhalt mehr schuldet, durch Urteil vom 24.11.2004 stattgegeben.

Der Beklagten wurde das Urteil am 23.12.2004 zugestellt. Ihrem am Montag, den 24.1.2005 eingegangenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung mit dem Ziel, die Klage abzuweisen, wurde durch Beschluss des Senats vom 22.2.2005 stattgegeben. Der Beschluss wurde der Beklagen am 24.2.2005 zugestellt, ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist und die mit einer Begründung versehene Berufung ging am 28.2.2005 ein.

Die Beklagte stellt eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse in Abrede. Der Kläger sei nach wie vor als leistungsfähig zu behandeln, da er seine behauptete Leistungsunfähigkeit nicht nachweise. Die Beklagten sei auch bedürftig. Sie erhalte zwischenzeitlich als Frührentnerin eine Rente von weniger als 600 €.

Zur Ergänzung des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseits gewechselten Schriftsätze verwiesen, bezüglich des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakten.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig. Der Beklagten ist die fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen, da sie aufgrund ihrer Bedürftigkeit an der Einhaltung der Fristen unverschuldet gehindert war, § 233 ZPO. 2.

Die Berufung ist auch begründet, die Klage ist abzuweisen.

Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat die Voraussetzungen für eine Abänderung des Vergleichs vom 10.11.2000 nicht dargetan. Seine Auffassung, er sei, da er sich in dem Vergleich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Zahlung verpflichtet habe, berechtigt, jederzeit die Zahlungen zu beenden, ist unzutreffend. Es handelte sich bei dieser Erklärung nicht um einen übereinstimmenden Parteiwillen, da die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt ausweislich des Protokolls nicht aufgegeben hatte.

3.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten, der durch Vergleich vom 20.11.2000 tituliert wurde, beruhte nicht lediglich auf Billigkeit, § 1576 BGB, sondern auch auf § 1573 Abs. 4 BGB.

Zwar liegt zwischen der Scheidung der Parteien und der Geltendmachung des Unterhaltsanspruches ein erheblicher Zeitraum. Der Kläger war jedoch bereits seit dem 1.1.1997 Geschäftsführer der W. GmbH. Im Gesellschaftervertrag vom 1.1.1999 wird sein Gehalt auf 81.806,70 € (160.000 DM) beziffert, daneben hatte er einen Anspruch auf 3,5% des Jahresgewinns der Gesellschaft. Die Beklagte war dagegen bereits seit dem Jahr 1996 krankheitsbedingt arbeitsunfähig; ausweislich des Arbeitslosengeldbescheides vom 26.5.1999 (1 F 152/00 AG Nördlingen Bl. 14) hatte sie zuletzt ein Bruttoeinkommen von rund 2.193 € erzielt. Trotz einer möglicherweise noch andauernden Schuldentilgung durch den Kläger - Vortrag hierzu fehlt - bestand damit ein erhebliches Einkommensgefälle zwischen den Parteien. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten aus § 1573 Abs. 4 BGB bestand daher schon längere Zeit, mindestens seit dem 1.1.1997, damit in hinreichendem zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung, und wurde lediglich nicht geltend gemacht. Der Vergleichsabschluss beruhte damit auch nicht etwa auf einer Großzügigkeit des Klägers, sondern hatte wohl auch den Zweck, eine Auskunftserteilung zu vermeiden; dies kann jedenfalls aus dem Verhalten des Klägers sowohl im Verfahren 1 F 152/00 des AG Nördlingen wie auch im jetzigen Verfahren geschlossen werden.

Um eine Abänderung des auf § 1573 Abs. 4 BGB beruhenden Vergleichs schlüssig zu begründen, hätte der Kläger Ausführungen dazu machen müssen, welche wesentliche Änderung seit dem Vergleichsabschluss eingetreten ist. Er hätte demzufolge vortragen müssen, wie die beiderseitige finanzielle Situation bei Abschluss des Vergleichs war, wie sie jetzt ist, und warum die Beklagte sich eine etwaige Einkommensreduzierung des Klägers entgegenhalten lassen muss. Hierzu wäre der Vortrag erforderlich gewesen, warum er vor dem Erreichen der üblichen Altersgrenze seine Geschäftsanteile an der W. verkauft hat, was mit dem Erlös geschehen ist, was er alles unternommen hat, um nach dem Ende seiner Tätigkeit für die Firma G. eine neue Stelle zu finden, und von welchen Einkünften er derzeit lebt. Sein hierzu gehaltener Vortrag ist unzureichend und auch stellenweise nicht glaubwürdig. Nicht glaubwürdig ist insbesondere der Vortrag des Klägers, er lebe derzeit von der Unterstützung seiner thailändischen Ehefrau, einer gelernten Schneiderin, und deren Eltern, da sich aus den vorgelegten Steuerbescheiden ergibt, dass die Ehefrau des Klägers jedenfalls bis zum Jahr 2004 kein steuerpflichtiges Einkommen erzielte. Nicht nachvollziehbar ist auch sein Vortrag, warum er die zweite Rate nach dem Verkauf seines Geschäftsanteils nicht erhalten habe. Zunächst hat er als Grund angegeben, die W. habe Insolvenz anmelden müssen. Auf den Hinweis, dass dies als Erklärung nicht ausreiche, da der Erwerb von Gesellschaftsanteilen nicht aus der Gesellschaft zu finanzieren sei, hat seine Prozessbevollmächtigte vorgetragen, der Käufer habe wohl ebenfalls Insolvenz anmelden müssen. Angaben zu seinem Vermögen und einem hieraus erzielten Ertrag hat der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises verweigert, da er der Auffassung ist, hierzu nicht verpflichtet zu sein. Damit erweist sich sein Abänderungsverlangen als unbegründet.

4.

Auch wenn der Vergleich vom 10.11.2000 einen Unterhaltsanspruch der Beklagten aus Billigkeitsgründen tituliert hätte, wäre die Klage unbegründet, da auch insoweit der Kläger keinen hinreichenden Vortrag gehalten hat, der es ermöglichen würde, zu überprüfen, ob eine Herabsetzung oder Aufhebung dieser Verpflichtung der Billigkeit entspricht.

Unstreitig ist die Beklagte noch bedürftiger als zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, da sich ihr Einkommen seit damals reduziert hat. Für eine Abwägung, ob die Unterhaltszahlung angesichts der Einkommensverhältnisse des Klägers nach wie vor der Billigkeit entspricht, sind Angaben zu den damaligen und derzeitigen Einkommensverhältnissen des Klägers unabdingbar. Der Kläger hat auch nicht schlüssig und nachprüfbar vorgetragen, dass er den titulierten Unterhalt nicht mehr aufbringen kann. Auch insoweit erweist sich sein Abänderungsverlangen als unbegründet.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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