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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 13.05.2008
Aktenzeichen: 15 UF 74/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587
BGB § 1587 c
Der Versorgungsausgleich kann nach § 1587 c Nr. 1 BGB auch dann ausgeschlossen werden, wenn dem Ausgleichsberechtigten eine schwere Straftat, die er im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hat, zur Last fällt.
Oberlandesgericht Stuttgart

- 15. Zivilsenat -

- Familiensenat -

Beschluss

vom 13.05.2008

Geschäftsnummer: 15 UF 74/08

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen

hier: Versorgungsausgleich

hat der 15. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Maurer der Richterin am Oberlandesgericht Pfitzenmaier-Krempel und des Richters am Oberlandesgericht Maier

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen Nr. 2 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 14.02.2008 - 5 F 419/07 wird

zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.000,00 €

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat in dem insoweit nicht angefochtenen Scheidungsverbundurteil vom 14.02.2008 die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen. Die Voraussetzungen hierfür hat es im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Söhne M., und I., getötet hat, als gegeben angesehen. Wegen dieser Tat wurde sie am 26.10.2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Jahren wegen Totschlags in zwei Fällen verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Wegen der Einzelheiten des festgestellten Tathergangs und den für die Strafzumessung maßgeblichen Umstände wird auf das Strafurteil (Bl. 81/85 ) Bezug genommen.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin die Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Während der nach § 1587 Abs. 2 BGB maßgeblichen Ehezeit vom 01.11.1993 bis 31.05.2007 - Eheschließung am 26.11.1993, Zustellung des Scheidungsantrags am 18.06.2007 - haben die Parteien jeweils bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg Anwartschaften auf Altersversorgung, der Antragsteller in Höhe von 331,56 €, die Antragsgegnerin in Höhe von 190,09 € erworben.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Übertragung der Versorgungsanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds von 70,73 € weiter.

Sie verweist darauf, dass angesichts des Umstandes, dass ihre Schuldfähigkeit bei der Tatbegehung erheblich vermindert gewesen sei, die Voraussetzungen für den der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nicht vorlägen.

Der Antragsteller erstrebt die Zurückweisung der Beschwerde und verweist auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Stuttgart, 1 KS 115 Js 17380/07 Al 11/07 wurden zu Beweiszwecken beigezogen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich zu Recht gemäß § 1587 c BGB ausgeschlossen, weil dessen - auch nur teilweise - Durchführung unter Berücksichtigung aller Umstände grob unbillig wäre.

Die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 1587 c Nr. 1 BGB sind dann gegeben, wenn seine Durchführung dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, der Ausdruck der aus der Ehe heraus geschuldeten Solidarität in Bezug auf die gemeinsam während der Ehe erwirtschafteten Versorgungsanrechte ist, in unerträglicher Weise widerspräche. Hierbei kann auch ein eheliches Fehlverhalten ohne wirtschaftliche Relevanz den Ausschluss rechtfertigen, wenn es wegen seinen Auswirkungen auf den ausgleichspflichtigen Ehepartner ganz besonders ins Gewicht fällt (vgl. BGH, FamRZ 1983, 32, 33; FamRZ 1987, 362, 363; KG, FamRZ 2004, 643, 644). Eine Eheverfehlung, die in einer einzigen Handlung besteht, vermag eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1587 c BGB indessen nicht zu begründen, wenn die Handlung nicht schuldhaft begangen wurde (vgl. BGH, FamRZ 1990, 985, 987 [15, 16]).

Ein solches, nach § 1587 c Nr. 1 BGB beachtliches Fehlverhalten liegt hier vor. Durch die vorsätzliche Tötung der aus der Ehe der Parteien hervorgegangenen beiden Kinder M. und I. hat die Antragsgegnerin in besonders hohem Maße gegen die eheliche Solidarität verstoßen.

Zwar geht der Senat auf Grund des im Strafverfahren erstatteten Gutachtens des Sachverständigen, dem sich die Strafkammer nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung angeschlossen hat, davon aus, dass sich die Tötung der Kinder als Teil eines gescheiterten erweiterten Suizids der Antragsgegnerin darstellt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Tat einer akuten emotionalen Belastungssituation entsprungen ist. Wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin im Laufe der Ehe mit dem Antragsteller eine abhängige Persönlichkeitsstörung entwickelt. Aus Furcht vor dessen Drohungen, ihr die Kinder wegzunehmen und sie aus der Wohnung weisen zu lassen, verbunden mit ihrer extremen Konfliktscheu, hat sie sich dessen Wünschen - auch hinsichtlich der finanziellen Forderungen - untergeordnet. Dies kulminierte am Tattag schließlich darin, dass sie, nachdem sie den vom Antragsteller für eine Autoreparatur benötigten Geldbetrag von 700 € angesichts der bereits laufenden Kreditverbindlichkeiten nicht zu beschaffen vermochte, keine andere Möglichkeit mehr gesehen hat, sich dem befürchteten cholerischen Ausbruch des Antragstellers anders als durch einen Suizid zu entziehen. Geleitet von der irrigen Überzeugung, dass es den beiden Söhne im Falle ihres Todes beim Vater schlecht ergehen werde, tötete sie diese, um ihnen ein Zusammenleben mit dem Antragsteller zu ersparen. Auf Grund dieser psychopathologisch verengten Sichtweise der Antragsgegnerin hat der Sachverständige, dem die Strafkammer gefolgt ist und deren Einschätzung sich auch der Senat anschließt, ihre Schuldfähigkeit als erheblich vermindert angesehen.

Demgegenüber hat der Sachverständige festgestellt, dass trotz der bei der Antragsgegnerin am Tattag vorgelegenen akuten psychischen Dekompensation mit primärer eigener suizidaler Einengung kein vollständiger Verlust der tatbezogenen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit vorgelegen hat. Dieser Einschätzung folgt der Senat, insbesondere auch wegen des vom Sachverständigen dargelegten planmäßigen Vorgehens bei der Tötung der Kinder. Weiter zeigt ihr Verhalten nach der Tat, nach der die Antragsgegnerin zunächst ihre verschmutzte Kleidung gewechselt hat, sodann die Wohnung fluchtartig verlassen hat, um ein Zusammentreffen mit dem Antragsteller zu vermeiden und diesem schließlich von unterwegs über Mobiltelefon eine Kurzmitteilung geschickt hat, in der sie wahrheitswidrig mitgeteilt hat, dass sie den geforderten Geldbetrag beschafft habe, zeigt, dass sie weiterhin zu einem koordinierten und planmäßigen Handeln in der Lage war.

Trotz der bei Tatbegehung erheblich verminderten Schuldfähigkeit wiegt das Fehlverhalten der Antragsgegnerin gleichwohl so schwer, dass ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs gerechtfertigt ist. Nicht nur durch den Tod der Kinder, sondern auch durch die Konfrontation mit ihren Leichen, die er in der Ehewohnung aufgefunden hat, wird der Antragsteller zeitlebens belastet sein.

Soweit die Beschwerde darauf verweist, dass der Antragsteller sich bereits Jahre vor der Tat aus der Ehe gelöst hat, indem er eine Lebensgemeinschaft mit einer neuen Partnerin eingegangen sei, aus der bereits ein Kind hervorgegangen ist, und die Ehe lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen aufrechterhalten habe, während die Antragsgegnerin ihm rund 14.000 € aus einer Erbschaft für seine Fahrzeuge zur Verfügung gestellt habe, vermag dies das Tatgeschehen nicht in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.

Auch unter Berücksichtigung des illoyalen Verhaltens des Antragstellers, der eine neue Partnerschaft eingegangen war, gleichwohl weiterhin auch zur Antragsgegnerin sexuelle Kontakte unterhalten hat, erscheint angesichts der Schwere des Fehlverhaltens der Antragsgegnerin die Durchführung des Versorgungsausgleichs als grob unbillig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf von § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Klärung der bislang höchstrichterlich nicht entschiedenen Frage, ob eine Eheverfehlung, die in einer einzigen Handlung des ausgleichsberechtigten Ehegatten besteht, die für die Annahme einer groben Unbilligkeit des Ausgleichs erforderliche Schwere fehlt, wenn sie im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen wurde, zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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