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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 03.08.2000
Aktenzeichen: 16 UF 180/00
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1629 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1795 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 1671 n.F.
BGB § 1595 n.F.
BGB § 1600 n.F.
BGB § 1600 b Abs. 2
BGB § 1600 d Abs. 1
EGBGB § 1 Abs. 1
EGBGB § 1 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 93 c
ZPO § 704 Abs. 2
Leitsatz:

Sieht das auf die Anfechtung der Vaterschaft anwendbare ausländische Recht für ein ohne Willensmängel abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis keine Anfechtungsmöglichkeit des Anerkennenden vor und stellt es auch nicht sicher, daß der Anerkennende vor Abgabe des Anerkenntnisses eine ausreichende Bedenkzeit wahrnimmt, so liegt ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vor (Art. 6 EGBGB).


Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - - Familiensenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 16 UF 180/00 3 F 1115/98 AG Esslingen

Verkündet am: 03. August 2000

In der Familiensache

wegen Anfechtung der Vaterschaft

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

...

auf die mündliche Verhandlung vom 13.7.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 29.2.2000 wird zurückgewiesen

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 4.000,00 DM

Tatbestand:

Der Kläger ficht mit der vorliegenden Klage seine Vaterschaft zu der Beklagten an. Diese wurde am 0.0.1990 in Jugoslawien von der späteren (inzwischen geschiedenen) Ehefrau des Klägers, Frau O. H. (damals S.), geboren. Mutter und Tochter waren und sind jugoslawische (jetzt: serbische) Staatsangehörige. Die Mutter war bis zur Geburt der Tochter unverheiratet. In der Folgezeit ist die Vaterschaft eines anderen Mannes zur Beklagten nie festgestellt worden.

Im Frühjahr 1997 lernten sich der Kläger und die Mutter der Beklagten in Griechenland kennen. Am 30.11.1997 schlossen sie in L./Serbien die Ehe. Am 2.12.1997 erschienen der Kläger und die Mutter der Beklagten vor dem Standesbeamten in L., wo der Beklagte unter Vermittlung einer vereidigten Gerichtsdolmetscherin für die deutsche Sprache die Erklärung abgab, der natürliche Vater der Beklagten zu sein, und bat, die Vaterschaftsanerkennung in das Geburtsregister einzutragen. Die Mutter der Beklagten erklärte sich mit dieser Erklärung einverstanden. Das hierüber gefertigte Protokoll (Bl. 4 bis 5) wurde von beiden Anwesenden sowie der Standesbeamtin unterzeichnet.

Anlaß für die Abgabe des Anerkenntnisses war unstreitig, daß die Mutter der Beklagten dem Kläger erklärt hatte, sie werde nur mit ihm nach Deutschland kommen, wenn ihre Tochter mitkomme. Dies werde ohne langwierige bürokratische Formalien nur möglich sein, wenn er die vom Standesbeamten vorgeschlagene Erklärung abgebe.

Der Kläger trägt hierzu - erstmals im zweiten Rechtszug - vor, er habe der Verhandlung nicht folgen können und nicht gewußt, was er unterschreibe; die Vaterschaft habe er jedenfalls nicht anerkennen wollen. Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe sehr wohl gewußt, daß er ein Vaterschaftsanerkenntnis abgebe. Er habe ursprünglich geplant, die Beklagte zu adoptieren, doch sei den frisch vermählten Eheleuten dieses Verfahren zu langwierig erschienen. Auf Vorschlag des Standesbeamten habe man deshalb sich für ein - bewußt wahrheitswidriges - Vaterschaftsanerkenntnis entschieden.

Die Beklagte und ihre Mutter zogen in der Folgezeit nach Deutschland zum Kläger. Im Lauf des Jahres 1998 trennten sich die Eheleute H. Am Donnerstag, 3.12.1998, reichte der Kläger die vorliegende Anfechtungsklage beim örtlich zuständigen Amtsgericht - Familiengericht - Esslingen ein, gerichtet gegen die Beklagte, vertreten durch die Mutter. Nach Hinweis des Familiengerichts, daß die Beklagte durch die Mutter im vorliegenden Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten sei, solange die elterliche Sorge nicht geregelt sei, strengte der Kläger ein isoliertes Sorgerechtsverfahren vor dem Amtsgericht Esslingen an. Durch Beschluß des Amtsgerichts Esslingen vom 28.4.1999, der den Verfahrensbevollmächtigten beider Eltern am 30.4.1999 zugestellt wurde, wurde die elterliche Sorge für die Beklagte auf die Kindesmutter übertragen. Hierauf bewirkte das Familiengericht die Zustellung der vorliegenden Klage, die am 3.5.1999 an die Mutter der Beklagten erfolgt ist (Bl. 19). Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.2.2000 vernahm das Familiengericht den Kläger sowie die Mutter der Beklagten jeweils als Partei. Auf diese mündliche Verhandlung erging das am 29.2.2000 verkündete Urteil, welches antragsgemäß feststellt, daß der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist. Die Kosten des Verfahrens wurden im Urteil gegeneinander aufgehoben. Die Beklagte, vertreten durch ihre Mutter, hat gegen das Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt und sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Sie hält die Durchführung des Anfechtungsverfahrens durch den Kläger für treuwidrig. Nachdem dieser eigentlich beabsichtigt habe, die Beklagte zu adoptieren, und die Beteiligten lediglich aus Zeitgründen hiervon Abstand genommen hätten, könne der Kläger sich von seiner Vaterschaft zur Beklagten ebensowenig lossagen wie im Falle einer erfolgten Adoption.

Der Kläger verteidigt das Urteil.

In der Zwischenzeit ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 22.2.2000,..., die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten geschieden worden. Das Scheidungsurteil wurde vor der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren in der vorliegenden Sache rechtskräftig; der genaue Zeitpunkt war in der Verhandlung nicht feststellbar, weil die angeforderten Scheidungsakten nicht eingegangen sind.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung hat der Senat auf Bedenken gegen die ordnungsgemäße Vertretung der Beklagten durch die Mutter während bestehender Ehe mit dem Kläger hingewiesen. Im Anschluß hieran haben die Parteien, ohne Verfahrensrügen zu erheben, zur Sache verhandelt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 29.2.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Form und Frist der Berufungseinlegung und -begründung sind gewahrt. Etwaige Bedenken gegen die Wirksamkeit der Berufungseinlegung richten sich in gleicher Weise gegen die Zulässigkeit der Klage insgesamt. Sie leiten sich daraus her, daß die Beklagte bis zum Erlaß des erstinstanzlichen Urteils nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten war. Wer zu ihrer gesetzlichen Vertretung befugt ist, richtet sich gemäß Art. 21 EGBGB n.F. seit 1.7.1998 nach dem Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts, also, nachdem sie dauerhaft nach Deutschland übergesiedelt ist, nach deutschem Recht. Nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB konnte die Kindesmutter das (zweifelsfrei prozeßunfähige) Kind im Rechtsstreit gegen den Ehemann während bestehender Ehe nicht wirksam vertreten, gleichgültig, ob und wie die elterliche Sorge geregelt war.

Der Mangel hat indes nicht zur Folge, daß die Einlegung der Berufung nicht wirksam erfolgt ist; da er bereits bei Erlaß der erstinstanzlichen (Sach-) entscheidung vorlag und unentdeckt blieb, ist die Berufung vielmehr als zulässig zu behandeln (Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 56 Rz. 14 m.w.N.).

II.

Die Klage selbst, die ursprünglich aus den dargelegten Gründen unzulässig war (Zöller/Vollkommer, a.a.O. § 52 Rz. 12 f.), ist mittlerweile als zulässig zu behandeln. Der Mangel der fehlenden gesetzlichen Vertretung der Beklagten ist dadurch rückwirkend geheilt worden, daß, nachdem die Ehe des Klägers mit der Mutter der Beklagten inzwischen rechtskräftig geschieden ist, das Vertretungshindernis weggefallen ist und die Mutter, der durch den im Tatbestand erwähnten Beschluß des Familiengerichts vom 28.4.1999 die elterliche Sorge für die Beklagte übertragen wurde (der Beschluß ist nach dem 1.7.1998, also gemäß § 1671 BGB n.F. ergangen und wirkt deshalb über die Rechtskraft der Scheidung hinaus), durch rügelose Fortführung des Rechtsstreits vor dem Berufungsgericht - nach entsprechendem Hinweis des Senats - die bisherige Prozeßführung genehmigt hat (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. § 52 RZ 14 m.w.N.).

III.

Die Klage ist auch begründet, die Berufung der Beklagten gegen das dem Klagantrag entsprechende Urteil des Familiengerichts deshalb unbegründet.

1.

Die Vorfrage, ob zwischen den Parteien überhaupt, statusrechtlich gesehen, ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, ob also der Kläger die Vaterschaft zur Beklagten wirksam anerkannt hat, ist zu bejahen. Die Beklagte ist vor dem 1.7.1998 geboren worden (auch die Anerkennung der Vaterschaft ist vor diesem Stichtag erfolgt), weshalb sich gemäß Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB die Vaterschaft nach den bis 30.6.1998 gültigen Vorschriften richtet (im folgenden mit Zusatz a.F. bezeichnet), also nach den Artt. 19-21 EGBGB a.F., die für die eheliche Kindschaft, die nichteheliche Kindschaft und die Legitimation durch nachfolgende Ehe unterschiedliche Regelungen treffen. Da das Kind außerhalb einer bestehenden Ehe geboren wurde, streitet keine Vermutung für die Vaterschaft des Klägers, das Statusverhältnis kann vielmehr nur durch die Anerkennung seitens des Klägers entstanden sein. Damit scheidet Art. 19 EGBGB a.F. für die Anknüpfung des auf die Vaterschaft anzuwendenden Rechts aus, die Voraussetzungen der Vaterschaft richten sich vielmehr nach Art. 20 Abs. 1 EGBGB a.F.. Daß das Kind zusätzlich infolge Eheschließung des Anerkennenden mit der Mutter den Status eines ehelichen Kindes erlangt hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits belanglos (anders wäre dies, wenn es gerade auf die Rechtsstellung als ehelich ankäme, zum Beispiel in Sorgerechtsfragen), weshalb Art. 21 EGBGB als Anknüpfungsnorm ebenfalls ausscheidet. Die Frage nach dem anzuwendenden Recht für die Feststellung der Abstammung eines außerhalb einer Ehe geborenen Kindes beantwortet sich vielmehr nach Art. 20 Abs. 1 EGBGB a.F..

a)

Die Vorschrift enthält drei alternativ anwendbare Anknüfungsmöglichkeiten, nämlich an das Heimatrecht der Mutter bei Geburt des Kindes, das Heimatrecht des Vaters bei der Geburt des Kindes und das (aktuelle) Aufenthaltsrecht. Die (bis zu) drei Alternativen sind auch gegeben, wenn sich die Abstammung nicht aus einer gerichtlichen Feststellung, sondern aus einem Anerkenntnis ergeben soll (soweit Absatz 1 Satz 2 der Bestimmung von "Feststellung der Vaterschaft" spricht, ist nach allgemeiner Meinung auch die Prüfung der Vaterschaft aufgrund eines Anerkenntnisses Gemeint).

Das Heimatrecht der Mutter bei der Geburt der Beklagten war jugoslawisches (serbisches), ebenso das Aufenthaltsrecht des Kindes bei Abgabe des Anerkenntnisses und das Heimatrecht des Kindes (daß es durch die Anerkennung möglicherweise zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, bleibt insoweit außer Betracht, weil es gerade um die Wirksamkeit des Anerkenntnisses geht). Das Heimatrecht des Vaters ist deutsches Recht. Vorliegend kommt deshalb alternativ die Anwendung entweder deutschen oder serbischen Rechts in Betracht. Daß das serbische Kollisionsrecht möglicherweise auf deutsches Recht als Heimatrecht des Anerkennenden zurückverweist (so wiedergegeben in der kurzen Darstellung von Gec-Korosec bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Jugoslawien, Seite 19 unter Hinweis auf Art. 41 des Gesetzes über die Regelung der Kollision von Gesetzen mit den Vorschriften anderer Staaten von 1982), engt die Anknüpfungsmöglichkeiten nicht ein. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist, wenn das EGBGB auf ein fremdes Recht verweist, dessen Kollisionsrecht nur dann anzuwenden, wenn dies (wovon das Gesetz allerdings als Regelfall ausgeht) dem Sinn der Verweisung nicht widerspricht. Die alternativen Anknüpfungen in Art. 20 Abs. 1 EGBGB a.F. hat der Gesetzgeber indes deshalb zur Verfügung gestellt, um eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit zu gewährleisten, daß ein bestehendes Abstammungsverhältnis auch tatsächlich festgestellt werden kann. Dem Sinn dieser Regelung widerspräche es, wenn bei Beachtung der Rückverweisung sich die Zahl der alternativ anwendbaren Rechtsordnungen und damit auch die Möglichkeit einer Vaterschaftsfeststellung verringern würde (Palandt/Heldrich, BGB, 59. Aufl., EGBGB Art. 4 RZ 7).

Der Prüfung, ob die Beachtung der ausländischen Kollisionsnorm Sinn und Zweck der innerstaatlichen Verweisung widerspricht, ist man nicht deshalb enthoben, weil eine Rückverweisung auf deutsches Recht erfolgt und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für diesen Fall die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts vorschreibt. Diese Bestimmung ist nicht dahin zu verstehen, daß eine Rückverweisung auf deutsches Recht stets beachtlich ist unabhängig davon, ob sie Sinn und Zweck der deutschen Kollisionsnorm entspricht oder nicht, sondern dahin, daß dann, wenn die Prüfung nach Satz 1 ergeben hat, daß die Rück- oder Weiterverweisung beachtlich ist und diese wiederum zur Anwendbarkeit deutschen Rechts zurückführt, das deutsche Sachrecht anwendbar und nicht erneut die deutsche Kollisionsnorm zu prüfen ist (mit dem Ergebnis einer im Prinzip unendlichen Hin- und Herverweisung).

b)

Nach deutschem Recht wäre das Anerkenntnis des Klägers unwirksam, obwohl es, wie noch auszuführen ist, der Ortsform genügt hat, weil es an der zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses erforderlichen Zustimmung des Kindes fehlt (vgl. § 1600 c BGB a.F. und zur Rechtsfolge fehlender Zustimmung BGH, FamRZ 1975,273).

c)

Nach dem Recht der Republik Serbien ist das Vaterschaftsanerkenntnis allerdings wirksam. Gemäß Artt. 90, 93 des Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 22.4.1980 in der Fassung vom 30.5.1994 (Bergmann/Ferid a.a.O. Seite 41 ff. - im folgenden EheG) kann ein mindestens 16jähriger, verstandesreifer Mann die Vaterschaft zu einem Kind rechtswirksam zu Protokoll des Standesbeamten anerkennen. Die Anerkennung bedarf zu ihrer Wirksamkeit gemäß Art. 94 EheG der Zustimmung der Kindesmutter (des Kindes selbst nur dann, wenn es über 16 Jahre alt ist, Art. 95 EheG, was bei der Beklagten am 2.12.1997 nicht der Fall war), die in gleicher Form zu erteilen ist. Die erforderliche Form für beide Erklärungen ist vorliegend gewahrt. Bestimmungen dahingehend, daß ein bewußt wahrheitswidrig abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis unwirksam wäre, enthält das serbische Recht ebensowenig wie das deutsche Recht. Das Ergebnis - Wirksamkeit des bewußt unrichtigen Vaterschaftsanerkenntnisses - würde bei Anwendung deutschen Rechts nicht anders ausfallen, verstößt also nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts (ordre public; Art. 6 EGBGB). Soweit der BGH a.a.O. in der nach ausländischem Recht vorgesehenen Wirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses trotz fehlender Zustimmung des Kindes einen Verstoß gegen den ordre public gesehen hat, ist die Rechtslage heute anders zu beurteilen, denn die Rechtsanschauung hat sich gewandelt (vgl. hierzu BGHZ 51, 290).

Gemäß § 1595 BGB n.F. ist seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 auch nach deutschem Recht die Zustimmung des Kindes zu einem Vaterschaftsanerkenntnis nur ausnahmsweise erforderlich; wenn es unter elterlicher Sorge der Mutter steht, was vorliegend bei der Beklagten bei Abgabe des Anerkenntnisses durch den Kläger der Fall war, genügt die Zustimmung der Mutter für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses.

2.

Die Anfechtung der Vaterschaft richtet sich gemäß Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB nach den zum 1.7.1998 in Kraft getretenen Vorschriften, also nach Art. 20 EGBGB n.F. Hiernach kann die Vaterschaft nach jedem Recht angefochten werden, aus dem sich ihre Voraussetzungen ergeben, vorliegend also (nur) nach serbischem Recht. Zwar war die Abstammungsfrage auch nach deutschem Recht (alternativ) zu prüfen, doch war das Ergebnis negativ; aus deutschem Recht ergeben sich die Voraussetzungen der Abstammung gerade nicht.

a)

Nach serbischem Recht besteht keine Anfechtungsmöglichkeit für den Mann, der die Vaterschaft zu einem Kind wider besseres Wissen freiwillig rechtswirksam anerkannt hat. Art. 97 EheG bestimmt, daß die Anerkennung der Vaterschaft "unwiderruflich" ist, außer wenn sie unter Zwang erfolgt oder durch Täuschung oder Irrtum beeinflußt ist. In Artt. 102 ff. EheG, die die Anfechtung der Vaterschaft regeln, ist für den Mann, der die Vaterschaft zu einem Kind anerkannt hat, kein Anfechtungsrecht vorgesehen. Wer frei von Willensmängeln, also unbeeinflußt von Drohung, Täuschung oder Irrtum, ein Anerkenntnis abgegeben hat, bleibt hieran dauerhaft gebunden.

Der Kläger behauptet zwar, er sei über die Tragweite seiner Erklärung im Irrtum gewesen, doch ist diese Behauptung prozessual unbeachtlich, weil völlig unsubstantiiert, weil er nicht vorträgt, welchen sonstigen Inhalt die abgegebene Erklärung, die immerhin - im Beisein eines vereidigten Gerichtsdolometschers für die deutsche Sprache - in einem förmlichen Anhörungsverfahren vor dem Standesamt, einer mit Statusfragen befaßten Behörde, zustande kam, seiner Vorstellung nach gehabt haben soll. Unstreitig sollte sie dazu dienen, eine Beziehung zu dem Kind zu begründen, die Voraussetzung für die Mitnahme des Kindes nach Deutschland sein sollte; es ist schwer vorstellbar, welchen Erklärungswert, wenn nicht den verlautbarten, der Kläger seiner Erklärung beigemessen haben könnte.

Soweit der Kläger sich über die Erforderlichkeit der Abgabe des Anerkenntnisses für die angestrebte Mitnahme des Kindes nach Deutschland geirrt haben sollte, läge ein bloßer Motivirrtum vor, der wohl auch nach serbischem Recht unbeachtlich wäre; der in Art. 97 Abs. 2 EheG erwähnte Irrtum kann sich nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur auf die biologische Abstammung beziehen, nicht auf mögliche Motive eines bewußt wahrheitswidrigen Anerkenntnisses. Hiernach könnte die Anfechtungsklage bei Anwendung serbischen Rechts keinen Erfolg haben.

b)

Das Ergebnis ist jedoch mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar. Die Entscheidung für die Begründung, Aufrechterhaltung und Pflege einer Eltern-Kind-Beziehung gehört zum unverzichtbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Infolgedessen kann auf ein gesetzlich vorgesehenes Recht, die Vaterschaft anzufechten, nicht durch rechtsgeschäftliche Erklärung verzichtet werden (BGH FamRZ 1995, 1272), es erlischt vielmehr nur durch Nichtausübung und Zeitablauf. Kein Verstoß gegen den ordre public liegt freilich vor, wenn das Anfechtungsrecht nach ausländischem Recht binnen kürzerer Frist als nach deutschem Recht ausgeübt werden muß, sofern jenes nur überhaupt eine Überlegungsfrist einräumt, die noch als angemessen angesehen werden kann (BGHZ 75, 32, 43 ff.: Frist von 6 Monaten ab Kenntnis von der Geburt für die Anfechtung der Ehelichkeit). Im vorliegenden Fall schließen die serbischen Rechtsvorschriften indes für den Anerkennenden jede Anfechtungsmöglichkeit aus, ohne andererseits zu gewährleisten, daß dieser vor dem Wirksamwerden des Anerkenntnisses eine ausreichende Frist zum Überdenken seiner Entscheidung gehabt und auch wahrgenommen hat (wie dies etwa die deutschen Vorschriften über die Adoption vorsehen, die regelmäßig nur zustandekommt, wenn sich das Gericht - nach Prüfung von Amts wegen - davon überzeugt hat, daß die Adoption mit dem Kindeswohl und mit den Interessen weiterer Kinder des Annehmenden in Einklang steht und die Prognose eines demnächst entstehenden Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen dem Annehmenden und dem Kind gerechtfertigt ist, vgl. §§ 1741, 1744, 1745 BGB). Das serbische Recht gewährt dem Anerkennenden somit zwar Schutz vor den Folgen von Willensmängeln bei Abgabe des Anerkenntnisses, aber keinerlei Schutz vor Übereilung.

Ist aber das Anfechtungsrecht nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen zwar zeitlich beschränkbar, aber im Kern unverzichtbar, so kann dieser Schutz auch nicht dadurch preisgegeben werden, daß der Anerkennende sich bereits bei Abgabe eines Anerkenntnisses einer fremden Rechtsordnung unterwirft, die ihm ein Anfechtungsrecht von vornherein nicht zugesteht, ohne andererseits eine ausreichende Überlegungsfrist vor Abgabe bzw. Wirksamwerden des Anerkenntnisses institutionell zu gewährleisten. Die Folge - dauerhafte Bindung an ein vielleicht unbedacht abgegebenes, mit der biologischen Abstammung nicht in Einklang stehendes Vaterschaftsanerkenntnis - ist mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar. Art. 97 EheG ist deshalb nicht anzuwenden; ersatzweise ist deutsches Recht heranzuziehen, und zwar gemäß Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB in der seit 1.7.1998 gültigen Fassung.

c)

Der Kläger ist anfechtungsberechtigt gemäß § 1600 BGB n.F. Die Anfechtung verstößt nicht, wie die Beklagte meint, gegen Treu und Glauben. Daß der Kläger im Falle einer - angeblich zunächst geplanten - Adoption der Beklagten sich hiervon nicht durch Anfechtung hätte "lossagen" können, ist richtig, aber unbeachtlich. Wie oben unter b) ausgeführt, gewährleistet das Adoptionsrecht dem Annehmenden einen ausreichenden Schutz vor Übereilung bereits dadurch, daß vor dem Ausspruch der Annahme eine gerichtliche Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen stattfindet; der hierdurch bewirkte Schutz vor unbedachten Entschlüssen erübrigt ein nachträgliches Anfechtungsrecht. Wenn die Beteiligten vorliegend von einer Adoption gerade deshalb Abstand genommen haben, weil sie die relative Schwerfälligkeit des Verfahrens (die andererseits gerade vor übereilten Entscheidungen schützt) gescheut haben, ist es nicht treuwidrig, wenn der Kläger im nachhinein die "Reuefrist" ausnützt.

Nach § 1600 b Abs. 2 BGB n.F. beträgt die Anfechtungsfrist 2 Jahre ab Wirksamwerden des Anerkenntnisses und ist durch die am 3.12.1998 eingereichte und am 3.5.1999 zugestellte Klage gewahrt worden. Daß die Beklagte bei Rechtshängigkeit nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten war, hindert den Eintritt der Rechtshängigkeit als solcher nicht (arg. § 56 ZPO); die Klage war zwar hierwegen ursprünglich unzulässig, aber "in der Welt".

Die Klage ist auch begründet. Einziges Erfordernis der Begründetheit ist, daß das Kind, dessen Abstammung angefochten wird, nicht vom Anerkennenden abstammt. Dies steht auf Grund der glaubhaften Angaben der Kindesmutter und des Klägers bei ihrer Parteivernehmung vor dem Familiengericht auch zur Überzeugung des Senats fest. Wenn diese sich erst im Jahr 1997 erstmals kennengelernt haben, ist es den Umständen nach offenbar unmöglich, daß der Kläger die im Jahr 1990 geborene Beklagte erzeugt hat; die Vaterschaftsvermutung des § 1600 d Abs. 1 BGB n.F. ist widerlegt, ohne daß es einer weiteren Beweisaufnahme bedürfte.

Die Entscheidung des Familiengerichts ist deshalb im Ergebnis richtig; die Berufung bleibt ohne Erfolg.

IV.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; über die Kosten der ersten Instanz hat das Familiengericht zutreffend gemäß § 93 c ZPO entschieden. Gemäß § 704 Abs. 2 ZPO kann das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Die Frage, ob der im an sich anwendbaren ausländischen Recht vorgesehene Ausschluß jeglicher Anfechtungsmöglichkeit im Falle eines freiwillig bewußt wahrheitswidrig abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses gemäß Art. 6 EGBGB unbeachtlich ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bisher, soweit ersichtlich, nicht höchstrichterlich geklärt. Dies gebietet die Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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