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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 12.09.2001
Aktenzeichen: 16 UF 279/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 269
ZPO § 626
BGB § 1565
BGB § 1566
BGB § 1587 Abs. 2
Die vom anwaltlichen Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung, dass der Antragsgegner dem Scheidungsantrag nicht entgegentritt, stellt eine sachliche Stellungnahme zum Scheidungsantrag und damit ein mündliches Verhandeln im Sinne des § 269 ZPO mit der Folge dar, daß die Rücknahme des Scheidungsantrags der Zustimmung des Antragsgegners bedarf.
Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - - Familiensenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 16 UF 279/01

vom 12. September 2001

In der Familiensache

wegen Ehescheidung hier: Versorgungsausgleich

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Amelung, des Richters am OLG Kodal und des Richters am AG Schiele

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Ziff. 2 des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht -Tettnang vom 16.5.2001 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

3. Beschwerdewert: 1.000,00 DM

Gründe:

I.

Die am 25.3.1957 geborene Antragstellerin und der am 20.2.1946 geborene Antragsgegner haben am 29.9.1977 geheiratet. Ab Juli 1991 lebten sie voneinander getrennt. Mit Schriftsatz vom 26.5.1992, dem Antragsgegner zugestellt am 3.6.1992, hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe beantragt. In der mündlichen Verhandlung vom 5.8.1992 (vgl. insoweit das Protokoll Bl. 12/13 d.A.) haben der Antragsgegner und sein Prozeßbevollmächtigter erklärt, daß sie dem Scheidungsantrag "nicht entgegentreten". Im nächsten Verhandlungstermin vom 26.5.1993 hat das Familiengericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet, nachdem niemand zum Termin erschienen ist. Mit Schriftsatz vom 1.8.1996, dem Prozeßbevollmächtigten des Antragsgegners zugestellt am 7.8.96, hat die Antragstellerin die Rücknahme ihres Scheidungsantrags erklärt, mit Schriftsatz vom 28.8.1996, der Antragstellerin am 4.9.96 über ihre Prozeßbevollmächtigten zugestellt, hat der Antragsgegner selbst die Scheidung der Ehe beantragt und mitgeteilt, daß er der Rücknahme des Scheidungsantrags der Antragstellerin nicht zustimmt.

Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien durch das (insoweit nicht) angefochtene Scheidungsverbundurteil vom 16.5.2001 auf den am 3.6.1992 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin geschieden. In Ziff. 2 des Urteils hat das Familiengericht den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, daß auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 640,02 DM monatlich - bezogen auf den 31.5.1992 - zu Lasten der Beamtenversorgung des Antragsgegners bei dem Kommunalen Versorgungsverband Baden-Württemberg begründet wurden. Als Ehezeit gemäß § 1587 Abs. 2 BGB hat das Familiengericht die Zeit vom 1.9.1977 bis 31.5.1992 angenommen. In diesem Zeitraum hat die Antragstellerin nach Auskunft der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg vom 24.3.1993 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 93,24 DM monatlich erworben, der Antragsgegner nach Auskunft des Kommunalen Versorgungsverbands Baden-Württemberg vom 1.2.1993 ein Anrecht auf Beamtenversorgung im Wert von monatlich 1.373,27 DM.

Die Antragstellerin hat gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 28.5.2001 zugestellte Verbundurteil am 28.6.2001 befristete Beschwerde eingelegt und diese am 26.7.2001 begründet.

Die Antragstellerin ist der Ansicht,

das Familiengericht habe richtigerweise vom 31.8.1996 als Ende der Ehezeit ausgehen müssen, da die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 1.8.1996 ihren Scheidungsantrag wirksam zurückgenommen habe und deshalb der ihr am 4.9.1996 zugestellte (neue) Scheidungsantrag des Antragsgegners maßgeblich für die Berechnung des Ehezeitendes geworden sei. Die Rücknahme ihres Scheidungsantrags sei trotz mangelnder Zustimmung des Antragsgegners wirksam gewesen, da dieser vorher nicht mündlich verhandelt habe.. Selbst wenn man jedoch, wie das Familiengericht, davon ausgehe, daß der am 3.6.1992 zugestellte Scheidungsantrag der Antragstellerin vom 26.5.1992 nicht wirksam zurückgenommen worden sei, müsse man nach den Grundsätzen von Treu- und Glauben für die Ermittlung der für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Ehezeit auf die Zustellung des Ehescheidungsantrags des Antragsgegners abstellen, nachdem das Scheidungsverfahren einverständlich seit 26.5.1993 geruht habe und offensichtlich zunächst in Vergessenheit geraten sei. Da auch bei entsprechender Verlängerung der Ehezeit eine ungerechtfertigte Doppelversorgung der Antragstellerin nicht gegeben sei (der Antragsgegner hat während der Zeit des Getrenntlebens unstreitig keinen Unterhalt an die Antragstellerin bezahlt), dürfe aus Billigkeitsgründen nicht an der Vorschrift des § 1587 Abs. 2 BGB festgehalten werden. Eine andere Handhabung sei vor dem Hintergrund, daß die Parteien das Scheidungsverfahren über 3 Jahre nicht weiterbetrieben hätten, für die Antragstellerin unzumutbar.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung von Ziff. 2 des am 16.5.2001 verkündeten Urteils den Versorgungsausgleich entsprechend den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 8.8.2001 (vgl. Bl. 119-121 d.A.) darauf hingewiesen, daß seines Erachtens die Beschwerde keine Erfolgsaussicht habe und der Senat deshalb beabsichtige, die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Der Antragsgegner hat sich der in dieser Verfügung geäußerten Ansicht des Senats angeschlossen, die Antragstellerin blieb bei ihrem Rechtsstandpunkt. Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die gemäß § 629 a Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 621 e Abs. 1 und 3 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der vom Familiengericht vorgenommene Versorgungsausgleich entspricht den gesetzlichen Regelungen und läßt Fehler zu Lasten der Beschwerdeführerin nicht erkennen.

Das Amtsgericht hat für das Ende der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB zu Recht auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags der Antragstellerin abgestellt, da dieser den zur Scheidung führenden Rechtsstreit ausgelöst hat (BGH FamRZ 83, 38 ff.; NJW 86, 1040 ff. und NJW 91, 2490 f.). Die mit Schriftsatz vom 1.8.96 erklärte Rücknahme dieses Scheidungsantrags war mangels Zustimmung des Antragsgegners nicht wirksam, nachdem dieser im Termin vom 5.8.1992 mündlich verhandelt hat. Nach Ansicht des Senats genügt es für ein Verhandeln, wenn der Antragsgegner anwaltlich vertreten sachlich zum Scheidungsantrag Stellung nimmt. Das Stellen eines förmlichen Antrags (z.B. Klagabweisung) oder eine förmliche Zustimmungserklärung sind für ein Verhandeln nicht erforderlich (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 82, 809 f.; Johannsen/Henrich/Jaeger, 3. Aufl., § 1564 BGB RN 35). Die Erklärung des Antragsgegnervertreters, daß der Antragsgegner dem Scheidungsantrag nicht entgegentrete, stellt nach Ansicht des Senats eine sachliche Stellungnahme zum Scheidungsantrag dar. Aus dem vor der mündlichen Verhandlung vom 5.8.1992 eingereichten Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 29.7.1992 ließ sich - auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung - entnehmen, was der Antragsgegner in der Sache mit dieser Erklärung zum Ausdruck bringen wollte, nämlich daß er wegen des nachdrücklichen Festhaltens der Antragstellerin an ihrem Scheidungswunsch nunmehr selbst keine Chance mehr für eine Überwindung der Ehekrise sah und deshalb der Scheidung im Ergebnis zustimmt. So ergibt nämlich sein Vortrag, daß "der Antragsgegner dem Scheidungsantrag nicht mehr entgegentritt" und es "angesichts dessen, daß Scheidung aufgrund einjähriger Trennung begehrt wird, auf die Darlegung weiterer Gründe nicht ankommt", in Anbetracht der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 1565 Abs. 1 und 2, 1566 Abs. 1 BGB) einen Sinn.

Gründe, welche es gemäß § 242 BGB ausnahmsweise rechtfertigen würden, im vorliegenden Fall nicht vom vorgenannten "formalen" Ende der Ehezeit auszugehen, sondern ein späteres Ende der Ehezeit anzunehmen, hat das Familiengericht zu Recht verneint. Der Bundesgerichtshof hat in den oben zitierten Entscheidungen das Vorliegen solcher Gründe bejaht bzw. für möglich erachtet, wenn zwischen der Zustellung des maßgeblichen Scheidungsantrags und einem späteren Zeitpunkt eine Versöhnung der Parteien stattgefunden hat und die Lebensgemeinschaft (über einen längeren Zeitraum) wieder aufgenommen wurde, oder wenn sich trotz fortdauernder Trennung der Ehegatte, der das frühere Ehezeitende für sich beansprucht, ursprünglich gegen den Scheidungsantrag gestellt hat. Beide Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Allein der Umstand, daß im vorliegenden Fall bei Annahme eines späteren Ehezeitendes keine Doppelversorgung der Berechtigten stattfinden würde, weil Altersvorsorgeunterhalt in der Zwischenzeit nicht geleistet wurde, reicht nach Ansicht des Senats für eine Ausnahme gemäß § 242 BGB jedenfalls nicht aus.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 17 a GKG, wobei der Senat vom Mindestwert ausgegangen ist, nachdem mangels entsprechender Auskünfte der Versorgungsträger vollkommen offen erscheint, inwieweit sich die Versorgungsausgleichsentscheidung bei der von der Antragstellerin gewünschten Verlängerung der Ehezeit ändern würde.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen, nachdem die Entscheidung maßgeblich von der Frage abhängig ist, ob die von einem Rechtsanwalt in einer Scheidungsverhandlung abgegebenen Erklärung, daß "der Antragsgegner dem Scheidungsantrag nicht entgegentritt", ein Verhandeln zur Hauptsache im Sinne des § 269 Abs. 1 ZPO darstellt und diese Frage, soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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