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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 08.03.2005
Aktenzeichen: 16 UF 3/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 119
ZPO § 138
§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO (keine Erfolgsprüfung bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung im Rechtsmittelverfahren) ist nicht anzuwenden, wenn der in der Vorinstanz erfolgreiche Prozesskostenhilfe-Antragsteller vorwerfbar (unter Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO) ein unrichtiges Urteil herbeigeführt hat.
Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - Familiensenat - Beschluss

vom 8. März 2005

Geschäftsnummer: 16 UF 3/05

in der Familiensache

wegen Trennungsunterhalts und Kindesunterhalts

hier: Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am OLG Amelung, des Richters am OLG Kodal und des Richters am AG Malinka

beschlossen:

Tenor:

1. Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug ohne Zahlungsbestimmung bewilligt und Rechtsanwältin Dr. zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

2. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug

verweigert.

Gründe:

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen die Berufung des Beklagten bietet beim Ehegattenunterhalt ab Juni 2004 (Wechsel der Steuerklassen) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dieser hat belegt, dass sein Erwerbseinkommen im Jahr 2004 gegenüber 2003 zurückgegangen ist. Unter Berücksichtigung der Steuerklasse 2 ab Juni kann von einem Nettoeinkommen von rund 1.750 € monatlich ausgegangen werden.

Dass eine im Jahr 2003 - während des Zusammenlebens der Ehegatten - geflossene Steuerrückerstattung die ehelichen Lebensverhältnisse nach der Trennung nicht prägen kann, sollte einleuchten. Sie hat allenfalls Bedeutung für die Zukunftsprognose, was im laufenden Unterhaltszeitraum zu erwarten ist. Da die Parteien vom Einkommensteuerbescheid für 2002 nur die erste Seite vorgelegt haben, kann nicht festgestellt werden, worauf die Erstattung beruht hat und ob die Verhältnisse aus steuerlicher Sicht nach der Trennung gleich geblieben sind. Nur eins lässt sich ziemlich sicher prognostizieren: Wenn die Parteien zusammen für 2002 vom Finanzamt 1.413 € herausbekommen haben, werden es für 2003 kaum über 4.000 € sein. Nachdem die Klägerin infolge ihrer eigenmächtigen Wahl der getrennten Veranlagung bereits 3.917 € zurückbekommen hat, wird für den Beklagten nicht viel bleiben; vermutlich kommt eine Nachzahlung auf ihn zu. Einstweilen bewertet der Senat diese Position beim Beklagten mit 0.

Nachdem das Trennungsjahr gerade erst abgelaufen ist und die Miteigentumsverhältnisse an der Eigentumswohnung kompliziert sind, ist dem Beklagten derzeit eine wirtschaftlichere Verwertung als die Eigennutzung weder möglich noch zumutbar. Daher kommt nicht der objektive Wohnwert in Ansatz, wie hoch er immer sein mag, sondern der angemessene, der entsprechend der Vorstellung des Beklagten bei Nutzung durch einen Alleinstehenden mit Kind mit 500 € bemessen werden kann. Ein höherer Ansatz kommt nicht in Betracht, weil sonst keine vernünftige Relation zum Gesamtbedarf mehr gegeben wäre.

Ob der Pkw-Kredit voll oder nur teilweise in Ansatz kommen kann, ist eine Wertungsfrage, deren Beantwortung nicht im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vorweg genommen werden soll. Auch wenn man letzteres befürwortet, ist dem Vater des Beklagten als Kreditgeber eine Tilgungsstreckung allenfalls auf eine Gesamtlaufzeit von 8 Jahren zumutbar. Sollte er sich tatsächlich großzügiger zeigen, soll dieses Entgegenkommen im Zweifel den Sohn entlasten, aber nicht der Schwiegertochter zu höherem Unterhalt verhelfen. Bei Beginn des Unterhaltszeitraums war das erste Jahr gerade verstrichen. Wenn monatlich 242 € bezahlt wurden, betrug der Restschuldenstand einschließlich aufgelaufener Zinsen (5 % p.a.) zu diesem Zeitpunkt rund 10.680 €. Um diese Schuld bei laufender weiterer Verzinsung in 7 Jahren abzutragen, bedarf es monatlicher Raten von 150 €.

Beide Parteien stellen sich jedenfalls de facto wechselseitig vom Kindesunterhalt für das jeweils bei ihnen lebende Kind frei. Beide Kinder sind in derselben Altersstufe und vermutlich gleich hungrig. Daher ist für beide derselbe Bedarf anzusetzen. Die Höhe des Betrages ist dann gleichgültig für die Höhe des Ehegattenunterhalts.

Auf Seiten der Klägerin beruht das Erwerbseinkommen aus der Haupttätigkeit nach unangegriffener Feststellung des Familiengerichts zu 1/4 auf überobligatorischem Einsatz und bleibt insoweit bei der Bedarfsbemessung außer Betracht. Um dem Steuerklassenwechsel ab Juni Rechnung zu tragen, geht der Senat allerdings so vor, dass das Bruttoeinkommen zu einem Viertel unberücksichtigt bleibt, und hat deshalb das Differenzeinkommen fiktiv um steuerliche Abzüge zunächst nach Steuerklasse 5, sodann nach Steuerklasse 2 bereinigt. Das Mehreinkommen fließt nur mit einem Anteil von 30 % bei der Bedürftigkeitsprüfung in die Berechnung ein. Die Berufsaufwendungen (Fahrtkosten) kommen ebenfalls jeweils anteilig in Abzug (auch das Familiengericht hat so gerechnet).

Wie die Klägerin nunmehr erst nach entsprechender Aufforderung mitgeteilt und belegt hat, kommt bei ihr zusätzlich die namhafte Steuerrückerstattung von 3.917 €, auf 12 Monate umgelegt, in Ansatz, und zwar als Erwerbseinkommen (die Steuern wurden aus Erwerbseinkommen bezahlt). Auch insoweit werden nur 3/4 als prägendes und 1/4 als überobligatorisch erzieltes Einkommen behandelt. Ab 2005 ist mit einer niedrigeren Erstattung (geschätzt: 1.800 €) zu rechnen, weil die Klägerin 2004 nur 5 Monate in Steuerklasse 5 veranlagt und danach "reell" besteuert wurde.

Wie aus dem anliegenden Berechnungsblatt ersichtlich, ergibt sich ab Juni 2004 kein Unterhaltsanspruch der Klägerin mehr.

Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO steht der Verweigerung der Prozesskostenhilfe für die Klägerin / Berufungsbeklagte nicht entgegen. Zu den anerkannten Ausnahmen, die ihre Nichtanwendung rechtfertigen, gehört der Fall, dass der Antragsteller vorwerfbar ein unrichtiges Urteil herbeigeführt hat (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rdnr. 56 m.w.N.). So liegt es hier: der Einkommensteuerbescheid datiert vom 1.9.2004, die mündliche Verhandlung, in der die Klägerin die Steuerrückerstattung verschwiegen hat und auf die das Urteil erging, fand am 18.11.2004 statt. Dass die erhaltene Steuerrückerstattung gemäß § 138 Abs. 1 ZPO offenbarungspflichtig war, weil sie die Unterhaltsberechnung nachhaltig beeinflussen konnte, drängt sich auch dem juristischen Laien auf, zumal die Parteien über die Anrechnung der im Vorjahr geflossenen Steuerrückerstattung trefflich stritten.

Soweit die Rechtsverteidigung danach Erfolg versprechend erscheint (Ehegattenunterhalt für April/Mai 2004, Kindesunterhalt), steht der Bewilligung von Prozesskostenhilfe § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO entgegen; die Klägerin hat ihr Einkommen 2004 trotz Aufforderung unter Fristsetzung nicht belegt.



Ende der Entscheidung

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