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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.10.2000
Aktenzeichen: 16 UF 302/00
Rechtsgebiete: BarwertVO, BGB, SGB VI, VAHRG, ZPO, GKG


Vorschriften:

BarwertVO § 5 Abs. 2
BarwertVO § 1
BarwertVO § 5 Abs. 2 Satz 1
BarwertVO § 5 Abs. 2 Satz 2
BarwertVO § 5 Abs. 2 Satz 3
BarwertVO § 2 Abs. 3
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 b
BGB § 1587 a Abs. 3 Nr. 2
BGB § 1587 Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 3
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz
BGB § 1587 c Nr. 1
SGB VI § 102
SGB VI § 88 SGB VI
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 93 a
GKG § 17 a
Vorgeschlagene Leitsätze:

§ 5 Abs. 2 BarwertVO ist insoweit verfassungswidrig, als er vorschreibt, eine am Ende der Ehezeit bereits bezogene, befristete Rente mit einer Restlaufzeit von mindestens 10 Jahren gleich zu bewerten wie eine lebenslang zustehende Rente in gleicher Höhe (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG).

Der Barwert einer zeitlich befristeten Rente kann verfassungskonform in der Weise errechnet werden, daß vom Barwert einer zum Ende der Ehezeit bezogenen lebenslangen Rente (ermittelt gemäß § 5 Abs. 1 BarwertVO i.V.m. der Tabelle 7 hierzu) der Barwert einer Versorgungsanwartschaft auf eine lebenslange Rente in gleicher Höhe wegen Alters (ermittelt gemäß § 2 Abs. 3 BarwertVO i.V.m. der Tabelle 2 hierzu) abgezogen wird, die ab dem Zeitpunkt zugesagt ist, zu dem die tatsächlich bezogene, befristete Rente endet.


Oberlandesgericht Stuttgart 16. Zivilsenat - Familiensenat - Beschluß

Geschäftsnummer: 16 UF 302/00 1 F 614/99 AG Ulm

vom 27.10.2000

In der Familiensache

wegen Ehescheidung u.a.

hier: Versorgungsausgleichsbeschwerde

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2000

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht -... vom 25.05.2000 in seiner Ziff. 2 wie folgt abgeändert:

Vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der LVA Württemberg in Stuttgart werden zugunsten der Antragsgegnerin auf deren Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Rentenanwartschaften im Wert von monatlich 147,93 DM, bezogen auf den 31.05.1999, übertragen. Der Ausgleichsbetrag ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Soweit ein Ausgleich zugunsten der Antragsgegnerin angeordnet wurde, wird die weitere Beschwerde zugelassen.

Beschwerdewert: 7.805,52 DM.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Verbundverfahren über Versorgungsausgleich.

Der am 00.12.1942 geborene Antragsteller und die am 00.08.1950 geborene Antragsgegnerin haben am 00.05.1969 die Ehe geschlossen, aus der ein im Jahr 1972 geborener, inzwischen volljähriger und wirtschaftlich selbständiger Sohn hervorgegangen ist. Sie leben bereits seit 1982 getrennt. Seit mehreren Jahren sorgt jeder von ihnen für sich selbst, wechselseitige Unterhaltsansprüche wurden zuletzt nicht geltend gemacht. Auf den am 00.06.1999 zugestellten Scheidungsantrag des Ehemannes hat das Familiengericht durch das (insoweit nicht) angefochtene Urteil die Ehe geschieden.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des Familiengerichts haben die Parteien während der Ehezeit, die gem. § 1587 Abs. 2 BGB vom 01.05.1969 bis 31.05.1999 rechnet, folgende ausgleichspflichtige Anwartschaften erworben:

Der Antragsteller (Ehemann) verfügt über eine Anwartschaft auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich nach den Berechnungsgrundlagen zum Ende der Ehezeit unter Einschluß der vorehelich erworbenen Anwartschaften auf insgesamt 2.481,18 DM beläuft, der Ehezeitanteil hieraus beträgt monatlich 1.896,63 DM. Ferner hat er eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung gegenüber der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes, deren Jahresbetrag zum Ende der Ehezeit insgesamt 1.641,60 DM beträgt. Mittlerweile gehört er der Zusatzversorgungskasse nicht mehr an, weil er seit längerem arbeitslos ist. Die der Versorgungsanwartschaft zugrundeliegende Dienstzeit beträgt 412 Monate, wovon 3/4 (309 Monate) in die Ehezeit fallen. Es handelt sich um eine Anwartschaft auf Alters- und Invalititätsversorgung, die weder im Anwartschafts- noch im Leistungsstadium in vergleichbarer Weise steigt wie die Renten(-anwartschaften) in der gesetzlichen Rentenversicherung oder die Beamtenversorgung.

Die Antragsgegnerin (Ehefrau) verfügt über Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung von insgesamt (unter Einschluß der vorehelich erworbenen) 905,65 DM; der Ehezeitanteil hieraus beträgt 802,72 DM. Die mitgeteilten Zahlen betreffen die fiktive Altersrente; tatsächlich bezieht sie derzeit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die (wegen der Berücksichtigung von Zurechnungszeiten) rund 1.200,-- DM beträgt, jedoch gem. § 102 SGB VI nur auf Zeit geleistet wird; der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt und endet am 31.12.2000 (danach findet eine erneute Prüfung der Voraussetzungen statt). Die Fortzahlung der Rente bis zum Eintritt des Altersrentenfalles erscheint nicht gesichert.

Ferner bezieht sie wegen ihrer Erwerbsunfähigkeit Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung; zum Ende der Ehezeit wurden monatlich 2.581,85 DM bezahlt. Der Rentenbetrag steigt nicht in vergleichbarer Weise wie die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung oder die Beamtenversorgungsanwartschaften. Die Laufzeit ist zeitlich begrenzt bis maximal 30.09.2010 (also ca. 1 Monat nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres).

Zum Abschluß dieser Versicherung kam es wie folgt:

Nach der Wiedervereinigung versuchte sich die Ehefrau zusammen mit einem Partner als Automatenaufstellerin, also selbständige Gewerbetreibende in den neuen Bundesländern. Zum Aufbau des Gewerbebetriebs bestand erheblicher Kreditbedarf. Die kreditierende Sparkasse verlangte von der Ehefrau zur Absicherung ihrer Betriebskredite den Abschluß einer privaten Lebensversicherung mit hieran angeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die Ehefrau kam diesem Verlangen nach und trat ihre Ansprüche aus der Versicherung sicherungshalber an die Kreditgeberin ab. Der Betrieb erwies sich als Mißerfolg, die Kredite wurden notleidend, die Ehefrau infolge eines Bandscheibenleidens erwerbsunfähig. Dies hatte zur Folge, daß die Lebensversicherung beitragsfrei gestellt und die Rente aus der Zusatzversicherung fällig wurde. Sie fließt der Ehefrau jedoch nur in Höhe des Pfändungsfreibetrages zu; ein weit übersteigender Betrag geht an die Kreditgeberin. Nach Angaben der Ehefrau reicht er gerade aus, die laufenden Kreditzinsen zu zahlen. Eine Rückführung des Kredites ist derzeit nicht möglich. Wenn die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung enden, wird die Lebensversicherungssumme fällig; sie ist so bemessen, daß sie gerade ausreicht, die Kredite abzulösen. Die Ehefrau wird sodann (zumindest annähernd) schuldenfrei sein, bekommt aber kein (oder allenfalls geringes) Vermögen in die Hand.

Über sonstiges Aktivvermögen verfügt sie nicht.

Das Familiengericht hat die ehezeitbezogene Anwartschaft des Ehemannes gegenüber der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes, rechnerisch zutreffend und von den Beteiligten unbeanstandet, gem. §§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3b BGB, 1, 2 Abs. 2 Barwertverordnung i.V.m. der Tabelle 1 hierzu in eine dynamisierte Anwartschaft von monatlich 30,61 DM umgerechnet und infolge dessen auf Seiten des Ehemannes ausgleichspflichtige Anwartschaften von insgesamt 1.927,24 DM ermittelt. Die Rente der Ehefrau aus der privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die ausschließlich in der Ehezeit erworben wurde, weil der letzte Beitrag, der zur Aufrechterhaltung des Anspruchs erforderlich war, in der Ehezeit bezahlt worden ist, hat es gem. §§ 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB, 5 Abs. 2 Satz 1 Barwertverordnung i.V.m. der Tabelle 7 hierzu in ein dynamisiertes Anrecht von monatlich 1.483,29 DM umgerechnet. Eine Kürzung gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 oder 3 Barwertverordnung ergab sich nicht, weil die voraussichtliche Restlaufzeit ab dem Ende der Ehezeit mehr als 10 Jahre beträgt und die insgesamt zu erwartenden Rentenleistungen höher sind als der vom Familiengericht errechnete Barwert. Auf Seiten der Ehefrau hat es infolge dessen ausgleichspflichtige Anwartschaften von 2.286,01 DM ermittelt und sie in Höhe von (2.286,01 - 1.927,24) : 2 = 179,39 DM für ausgleichspflichtig gehalten. Es hat den Versorgungsausgleich durch analoges Splitting gem. § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG zugunsten des Ehemannes in Höhe des Höchstbetrages von 88,20 DM angeordnet und die Parteien im übrigen auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.

Gegen das ihr am 02.06.2000 zugestellte Urteil hat die Ehefrau Beschwerde eingelegt, die am Montag, 03.07.2000, einging, und sie, eingehend am 03.08. 2000, begründet. Sie möchte erreichen, daß die Rente aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Versorgungsausgleich unberücksichtigt bleibt, und erstrebt eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß der Ausgleich zu ihren Gunsten durch Splitting in Höhe von monatlich 562,26 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit, durchgeführt wird.

Der Ehemann tritt der Beschwerde nicht entgegen, soweit sie einen Wegfall des Ausgleichs zu Lasten der Ehefrau erstrebt, und beantragt im übrigen (also soweit ein Ausgleich zu seinen Lasten angeordnet werden soll) deren Zurückweisung. Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat am 14.09.2000 mit den Parteien mündlich verhandelt und sie zur Sache angehört. Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme.

II.

Die gem. § 621 e Abs. 1 und 3 ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1.

Nicht gefolgt werden kann ihr, soweit die Ehefrau erreichen will, daß die Rente aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der Ausgleichsberechnung gänzlich unberücksichtigt bleibt, denn es handelt sich um ein mit Hilfe des Vermögens erworbenes Anrecht mit dem typischen Charakter einer Versorgung für den Fall der Invalidität, also nicht mit Entschädigungscharakter oder zur Daseinsvorsorge, das infolge dessen gem. § 1587 Abs. 1 BGB im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen ist (BGH, FamRZ 1993, 299, 302; OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1554; Borth, Versorgungsausgleich, Rz. 54 u. 395). Wie sie richtigerweise zu bewerten ist, ist eine andere Frage (dazu unten 3.).

Der Charakter als Invaliditätsversorgung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Versicherung, auf der sie beruht, zur Absicherung eines Betriebskredits abgeschlossen wurde. Der Eintritt des Sicherungsfalles war bei Abschluß der Versicherung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar. Hätten sich die Erwartungen der Ehefrau auf einen Erfolg ihrer gewerblichen Tätigkeit erfüllt, so hätten die Erträge aus dem Gewerbe ausgereicht, den Kreditverbindlichkeiten nachzukommen; der Eintritt der Berufsunfähigkeit in dieser Situation hätte zur Folge gehabt, daß die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Ehefrau alleine für ihren persönlichen Bedarf zur Verfügung gestanden hätten. Auch in der gegebenen Situation mindern die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung die Folgen ihrer Invalidität, weil sie ihr jedenfalls in Höhe des pfändungsfreien Betrages zufließen.

2.

Die Leistungen sind allerdings zeitlich begrenzt und werden ihr zwar bei Fortdauer ihrer Invalidität bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, nicht aber darüber hinaus, insbesondere also nicht für den Fall des Alters zur Verfügung stehen. Wenn im Oktober 2010 die Rente aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung entfällt, verfügt die Ehefrau - unterstellt, ihre Erwerbsunfähigkeit dauert an - nur noch über die Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die unter Einschluß der bisher berücksichtigten Zurechnungszeit (§ 59 SGB VI) nach den derzeitigen Berechnungsgrundlagen rund 1.200,-- DM monatlich beträgt. Bezieht sie späterhin Rente wegen Alters, bleiben die Zurechnungszeiten als solche, die jetzt noch zu einer Rentenerhöhung um monatlich rund 334,-- DM führen, bei der Berechnung der Rentenhöhe außer Betracht (allerdings werden die Zeiten des Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente als Anrechnungszeiten gem. § 58 Abs. 2 Nr. 5 SGB VI berücksichtigt). Ob die Besitzschutzregelung gem. § 88 SGB VI eingreift, die dazu führt, daß (mindestens) die für die bisherige Rente berücksichtigten persönlichen Entgeltpunkte auch der Anschlußrente zugrundegelegt werden, hängt davon ab, ob die Zeiten des Bezugs der bisherigen Rente (wegen Erwerbsunfähigkeit) und der Anschlußrente (wegen Alters) für nicht mehr als 24 Monate unterbrochen sind, und läßt sich derzeit nicht beurteilen, zumal die derzeit bezogene Rente zeitlich begrenzt gewährt wird. Die Gefahr liegt nicht fern, daß die künftige Altersrente nur in wesentlich geringerer Höhe als die jetzt bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wird. Falls die Ehefrau in naher Zukunft den Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verliert, weil sie die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, wird sie, die jetzt 50 Jahre alt ist, wenig Gelegenheit zum nachhaltigen Ausbau ihrer Altersversorgung haben.

Demgegenüber verfügt der Ehemann bereits zum Ende der Ehezeit über eine dynamische Anwartschaft auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von fast 2.500,-- DM und erwirbt auch während der bestehenden Arbeitslosigkeit laufend weitere Anwartschaften hinzu. Hinzu kommt die Rente aus der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes mit (nach den derzeitigen Berechnungsgrundlagen) monatlich rund 137,-- DM abzüglich Krankenversicherungsbeitrag, deren weitere Entwicklung allerdings wohl mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht Schritt hält. Trotzdem erscheint er für den Altersfall hinreichend gesichert, während die Ehefrau selbst im günstigsten Fall über Renteneinkünfte verfügt, die nicht einmal den notwendigen Bedarf von 1.300,-- DM decken.

Der Versorgungsausgleich ist Ausdruck ehelicher Solidarität zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren. Unter den gegebenen Umständen wäre ein Ausgleich zugunsten des Ehemannes, der zu einer Erhöhung seiner bereits weit übersteigenden Altersversorgung und zur Verminderung der ohnehin unzulänglichen Altersversorgung der Ehefrau führen würde, grob unbillig (§ 1587 c Nr. 1 BGB). Ein Ausgleich zugunsten des Ehemannes scheidet hiernach aus.

3.

Weitergehend ist der Senat jedoch der Auffassung, daß die Ehefrau auch unter Einbezug ihrer (verfassungskonform bewerteten) Versorgung aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ausgleichsberechtigt ist, wenn auch nicht in der von ihr angestrebten Höhe.

Das Familiengericht hat sich bei der Bewertung der laufenden Rente der Ehefrau aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an § 5 Abs. 2 Satz 1 - 3 Barwertverordnung gehalten, die in der Zusammenschau bewirken, daß eine zeitlich befristete Rente, deren voraussichtliche Restlaufzeit (gerechnet ab dem Ende der Ehezeit) 10 Jahre oder mehr beträgt, im Versorgungsausgleich gleich bewertet wird wie eine lebenslang laufende Rente in gleicher Höhe. Diese Regelung ist verfassungswidrig. Der Verordnungsgeber verstößt damit gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), der eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte verbietet, wenn sie zur sachlich nicht gebotenen Benachteiligung einzelner Personengruppen gegenüber anderen führt. Dies ist hier der Fall. Wer eine Rente aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bezieht, die bis zum Erreichen eines bestimmten Endalters zeitlich befristet ist, ist nur für die Dauer der Berufsunfähigkeit, aber nicht für den Altersfall versorgt. Derjenige, dem ein Anspruch auf eine bereits laufende, lebenslange Rente in gleicher Höhe zusteht, hat insoweit ausgesorgt. Wird im Versorgungsausgleich der Anspruch des letzteren einem gegenläufigen Anspruch (des anderen Ehegatten) gegenübergestellt, dem seinerseits Anwartschaften auf Alters- und Invaliditätsversorgung zustehen, so wird wesentlich Gleiches miteinander verglichen; einer Umwertung bedarf es nur noch im Hinblick auf die unterschiedliche Dynamik der einzelnen Anrechte. Wird hingegen der Anspruch des ersteren einem solchen Anrecht gegenüber gestellt, so vergleicht man wesentlich Ungleiches, was zwingend dazu führen muß, daß bei der Umrechnung nicht nur der unterschiedlichen Dynamik der miteinander verglichenen Anrechte, sondern auch dem qualitativen Unterschied des Versorgungswertes (zeitliche Befristung einerseits, Anwartschaften auf zeitlich unbefristete Rente andererseits) Rechnung zu tragen ist. Die Bewertungsvorschriften des § 5 Abs. 2 Barwertverordnung führen zu einer Ungleichbehandlung des Beziehers einer zeitlich befristeten Rente mit reinem Invaliditätsversorgungscharakter nicht nur gegenüber demjenigen, der eine zeitliche unbefristete Rente (die folglich auch Altersversorgungscharakter hat) in gleicher Höhe bereits bezieht, sondern auch gegenüber demjenigen, mit dessen Anrechten (Alters- und Invaliditätsversorgung) die Rente verglichen werden soll.

Gesichtspunkte der Praktikabilität können die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte nur rechtfertigen, wenn die Vorteile der Typisierung in einem rechten Verhältnis zu der damit verbundenen Ungleichheit stehen und nicht ganze Gruppen von Betroffenen erheblich benachteiligt werden (BGH, FamRZ 1983, 40, 43 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier zu verneinen. Daß die Gleichstellung einer zeitlich befristeten mit einer unbefristeten Rente in der Bewertung voraussetzt, daß die befristete Rente eine Restlaufzeit von mindestens 10 Jahren aufweist, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Zeitlich begrenzte Versorgungen, insbesondere der vorliegenden Art, sind regelmäßig bis zu dem Zeitpunkt begrenzt, ab dem damit zu rechnen ist, daß eine Altersversorgung Platz greift, also bis zur Vollendung des 60., des 65. oder eines dazwischen liegenden Lebensjahres. Die Gleichstellung wirkt sich also bei versorgungsberechtigten Ehegatten aus, die zum Zeitpunkt der Scheidung weniger als 50 bis 55 Jahre alt sind. Ein 50-jähriger Mann hat heute eine Lebenserwartung von noch rund 27 Jahren, eine gleichaltrige Frau von noch 32 Jahren (Pressemittelung des Statistischen Bundesamtes 316/00 vom 05.09. 2000; vgl. FamRZ 2000, 1275). Das heißt: Die Versorgung eines 50-Jährigen, die ihm noch für weitere 10 Jahre zusteht, wird gleich bewertet wie eine lebenslange Versorgung, die nach statistischer Erwartung noch für weitere 30 Jahre gewährt wird. Eine Gleichbehandlung beider Sachverhalte ist verfassungsrechtlich untragbar.

Wenn eine Bewertung der Versorgung der Ehefrau gem. § 5 Abs. 2 Barwertverordnung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt, stellt sich die Frage, wie sie statt dessen unter Berücksichtigung der zeitlichen Begrenztheit einerseits verfassungskonform und andererseits innerhalb des im Versorgungsausgleich vorgeschriebenen Bewertungssystems stimmig bewertet werden kann. Der Senat hat erwogen, anstelle des Barwertes, der sich nach der Tabelle 7 zur Barwertverordnung errechnen würde, das Deckungskapital zum Ende der Ehezeit zugrundezulegen, sieht sich hieran jedoch dadurch gehindert, daß § 1587 a Abs. 3 BGB eine solche Berechnungsweise nur vorsieht für Versorgungen, bei denen bereits in der Ansparphase ein individuelles Deckungskapital für den Versorgungsberechtigten gebildet wird. Dies ist bei reinen Risikoversicherungen der vorliegenden Art nicht der Fall; ein Deckungskapital wird erst mit Eintritt des Versorgungsfalles gebildet. Hiernach ist grundsätzlich die Umwertung nach der Barwertverordnung vorgeschrieben.

Aber auch innerhalb des Systems der Barwertverordnung erscheint eine sachgerechte Bewertung möglich. Eine ab dem Ende der Ehezeit lebenslang laufende Versorgung, die (nur) bis zu einem bestimmten Endalter (hier: 60 Jahre) fortdauernde Berufsunfähigkeit voraussetzt, läßt sich als aus zwei Teilstücken zusammengesetzt denken: Das erste Teilstück sichert den Versorgungsberechtigten bis zum genannten Endalter und hat reinen Invaliditätsversorgungscharakter, das zweite Teilstück sichert ihn ab dem genannten Alter und hat reinen Altersversorgungscharakter. Der Wert beider Teilstücke zusammen kann - verfassungsrechtlich unbedenklich - durch Anwendung der Tabelle 7 bestimmt werden. Für den Wert des zweiten Teilstücks (von der Vollendung des 60. Lebensjahrs bis zum Tod) ergibt sich die zutreffende Bewertung aus § 2 Abs. 3 Barwertverordnung i.V.m. der Tabelle 2. Um den Wert des ersten Teilstücks (Versorgung ab sofort bis zum Endalter 60) zu ermitteln, braucht man nur die beiden Werte zu saldieren. Hiernach ergibt sich folgende Berechnung:

Barwert einer vom Ende der Ehezeit ab lebenslang laufenden Versorgung (vgl. Urteil des Familiengerichts)|322.214,88 DM|Barwert des zweiten Teilstücks: 2.581,85 DM x 12 x 2,7 (Faktor aus Tabelle 2/ Alter 48 Jahre) x 170 % (weil um 5 Jahre vor gezogener Rentenbeginn) =|142.208,30 DM|Differenz = Barwert der zeitlich befristeten Rente bis zum Endalter 60:|180.006,58 DM|x Umrechnungsfaktor 0,0000966091 = Entgeltpunkte|17,3903|x 47,65 DM aktueller Rentenwert =|828,65 DM|zzgl. Rente der Ehefrau aus der gesetzlichen Rentenversicherung|802,72 DM|Versorgungsanwartschaft der Ehefrau insgesamt in der Ehezeit|1.631,37 DM |Der Ehemann hat Versorgungsanwartschaften von insgesamt|1.927,24 DM|Differenz zu Lasten der Ehefrau|295,87 DM|: 2 = Ausgleichsanspruch der Ehefrau|147,93 DM

In diesem Umfang ist der Ehemann der Ehefrau gegenüber ausgleichspflichtig. Gemäß § 1587 b Abs. 1, Abs. 3 Satz 3, 2. Halbsatz BGB erfolgt der Ausgleich insgesamt durch Splitting.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 17 a GKG, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Ehefrau anstelle des zu ihren Lasten angeordneten Ausgleichs von 88,20 DM einen Ausgleich zu ihren Gunsten von 562,26 DM erstrebt.

Die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Gleichbewertung von zeitlich befristeten Renten mit einer Restlaufzeit von mehr als 10 Jahren mit zeitlich unbefristeten Renten und gegebenenfalls nach alternativen Berechnungsmöglichkeiten ist von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich bisher ungeklärt (die zitierte Entscheidung des BGH, FamRZ 1993, 299 ff. betraf zwar ebenfalls eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, doch hat sich im seinerzeit entschiedenen Fall die Kürzungsbestimmung des § 5 Abs. 2 S. 2 Barwertverordnung ausgewirkt). Dies gebietet die Zulassung der weiteren Beschwerde, soweit ein Ausgleich zugunsten der Ehefrau angeordnet wurde. Der Ausschluß eines möglichen Ausgleichs zugunsten des Ehemannes wegen grober Unbilligkeit gem. § 1587 c Nr. 1 BGB entspricht hingegen gesicherter obergerichtlicher Rechtsprechung; insoweit liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde nicht vor.

Ende der Entscheidung

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