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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 20.11.2001
Aktenzeichen: 16 WF 492/01
Rechtsgebiete: UTAG, ZPO, BGB, KindUG, RPflG


Vorschriften:

UTAG § 2
ZPO § 655
ZPO § 655 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3
ZPO § 656
KindUG § 3
BGB § 1612 b Abs. 5
BGB § 1612 b Abs. 1 u 2
BGB § 1610 Abs. 3
RPflG § 5 Abs. 1 Nr. 2
§ 2 des Unterhaltstitelanpassungsgesetzes (Art. 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 02.11.2000) verstößt insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG), als er eine Anpassung von Unterhaltstiteln, die bisher auf nicht mehr als 100 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes lauteten, im Vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO ermöglicht.
16 WF 492/01

Beschluss vom 20.11.2001

hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Amelung, des Richters am OLG Ziemer und des Richters am OLG Kodal

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ausgesetzt. Die Akten sind dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung der Frage vorzulegen, ob § 2 des Unterhaltstitelanpassungsgesetzes (Art. 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 02.11.2000) insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG) verstößt, als er eine Anpassung von Unterhaltstiteln, die bisher auf nicht mehr als 100 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes lauteten, im Vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO ermöglicht.

Gründe:

I.

Der am 14.07.1987 geborene Antragsteller ist das Kind des Antragsgegners. Dieser ist nach einem vor dem 01.01.2001 errichteten Titel, nämlich einem im Vereinfachten Verfahren gemäß Art. 5 § 3 KindUG ergangenen Abänderungsbeschluss des AG - Familiengericht - Tettnang vom 22.03.2000, 7 FH 320/99, verpflichtet, an den Antragsteller 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind zu bezahlen. Der Antragsteller nimmt ihn im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz (im folgenden: UTAG; Art. 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2.11.2000), 655 ZPO auf Abänderung der vollstreckbaren Urkunde ab 1.1.2001 dahin in Anspruch, dass der Kindergeldabzug entfällt, soweit der geschuldete Betrag zuzüglich des hälftigen Kindergeldes 135 % des Regelbetrages nicht übersteigt. Das Familiengericht (Rechtspfleger) hat nach Anhörung des Antragsgegners (die nach Wiederanruf des Verfahrens, dessen Ruhen zwischenzeitlich angeordnet worden war, erfolgt ist) durch den angefochtenen Beschluss antragsgemäß entschieden. Der Antragsgegner hat sich in erster Instanz zum Abänderungsantrag nicht geäußert. Gegen die ihm am 25.08.2001 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt, die am Montag, 10.09.2001 beim Familiengericht einging (Bl. 13 Rs.). Er beruft sich auf fehlende Leistungsfähigkeit für den verlangten Erhöhungsbetrag infolge Arbeitslosigkeit und Umschulung. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Ob sie auch sonst zulässig ist, hängt ebenso wie ihre Begründetheit von der in der Beschlußformel zur Prüfung des Bundesverfassungsgerichts gestellten Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 2 UTAG ab. § 655 Abs. 5 ZPO i.V.m. Abs. 3 der Vorschrift (auf beide verweist § 2 UTAG) sieht vor, dass mit der sofortigen Beschwerde nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, gegen den Zeitpunkt der Abänderung, gegen die Berechnung des Betrags der anzurechnenden Kindergeldleistungen sowie die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden und im Falle eines (nach Meinung des Beschwerdeführers) sofortigen Anerkenntnisses die Kostengrundentscheidung angegriffen werden können. Die nachstehend dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken des Senats stellen auch die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens in Frage. Wenn es zutrifft, dass § 2 UTAG in der vorliegenden Fallkonstellation verfassungswidrig ist, dürfte eine Neufestsetzung entsprechend dieser Vorschrift nicht im vereinfachten Verfahren erfolgen.

Das Familiengericht hat die Akten zu Recht nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die Durchführung des vereinfachten Verfahrens beim Familiengericht ist dem Rechtspfleger übertragen. Dieser ist, selbst wenn er die anzuwendenden Vorschriften für verfassungswidrig hält, nicht zur Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG befugt (vgl. BVerfGE 61, 75, 77; FamRZ 2000, 731, 732 f.). Die Frage stellt sich erstmals für den erkennenden Senat, der sie in Bezug auf § 2 UTAG bejaht, soweit nach dieser Vorschrift auch Kindesunterhaltstitel einer Anpassung im Vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO unterliegen, die auf keinen höheren Betrag als 100 % des (bei Errichtung des Titels maßgeblichen oder des jeweiligen) Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes lauten.

III.

Die Vorfrage, ob § 1612 b Abs. 5 BGB in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 2.11.2000 gegen das Grundgesetz verstößt (auch dann müßte eine Beschwerde ungeachtet einfach-rechtlicher Beschränkungen der Beschwerdebefugnis als zulässig behandelt werden, weil Verfahrensrecht, das seiner Zwecksetzung nach zur Durchsetzung einer verfassungswidrigen materiellen Rechtslage dient, ebenfalls gegen die Verfassung verstößt und insoweit nicht verbindlich sein kann), hat der Senat im Anschluss an OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1096, bereits verneint (Beschluß vom 19.10.2001, 16 UF 105/01, zur Veröffentlichung bestimmt). Auf die Gründe ist hier nur insoweit einzugehen, als sie zum Verständnis der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 2 UTAG in der vorliegenden Fallkonstellation beitragen:

Das Kindergeld in seiner Doppelfunktion als steuerlicher Ausgleich für die Belastung durch Kindesunterhalt in Höhe des Existenzminimums und als staatlicher Beitrag zur Familienförderung wird den Eltern nicht zur freien Verwendung nach eigenem Gutdünken zur Verfügung gestellt, sondern zur finanziellen Erleichterung ihrer Rechtspflicht, den Unterhaltsbedarf ihrer Kinder zu decken. Können sie diesen aus ihrem sonstigen Einkommen (ohne Einbezug des Kindergeldes) aufbringen, wirkt es sich für sie entlastend aus (§ 1612 b Abs. 1 BGB). Ist dies nicht der Fall, so führt die durch § 1612 b Abs. 5 BGB (alter wie neuer Fassung!) gebotene Einbeziehung des Kindergeldes nur dazu, dass der Unterhaltspflichtige der Verpflichtung, um derentwillen ihm die Vergünstigung gewährt wird, auch tatsächlich nachkommen kann. Eine verfassungswidrige Überforderung könnte damit nur verbunden sein, wenn er durch die Zahlung des Unterhalts selbst in wirtschaftliche Not gerät (vgl. BGH, FamRZ 1990, 849, 850). Um dies zu verhindern, ist es aber weder erforderlich noch ausreichend, das staatliche Kindergeld zu "unterhaltsfestem" Einkommen zu erklären. Diese Funktion kommt in der Gerichtspraxis dem notwendigen Selbstbehalt zu, der jedem Unterhaltspflichtigen zur Selbsterhaltung zu belassen ist, auch soweit Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder in Frage stehen, und der so zu bemessen ist, dass er merklich über dem Sozialhilfebedarf (also dem Existenzminimum) des in Anspruch Genommenen liegt (BGH, a.a.O. m.w.N.). Diese Rechtslage wird durch § 1612 b Abs. 5 BGB nicht berührt. Die Vorschrift verhindert nur, dass dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich zu seinem Selbstbehalt das Kindergeld belassen wird, wenn der Unterhalt, zu dessen Leistung er dann noch im Stande ist, hinter dem Betrag von 135 % des Regelbetrages zurückbleibt, den der Gesetzgeber für die Deckung des Existenzminimums eines Kindes als erforderlich ansieht.

Das heißt: Bereits durch die Beachtung des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen ist gewährleistet, dass dieser für den Eigenbedarf mehr als das eigene Existenzminimum zur Verfügung hat. Durch § 1612 b Abs. 1 und 2 BGB ist gewährleistet, dass der Barunterhaltspflichtige, der - ggf. zusammen mit dem anderen Elternteil, sofern dieser ebenfalls barunterhaltspflichtig ist - das Existenzminimum seines Kindes durch Leistungen aus seinem sonstigen Einkommen abdeckt, auch dann in den Genuss des hälftigen Kindergeldes kommt, wenn es nicht an ihn, sondern an den anderen Elternteil ausbezahlt wird. Durch § 1612 b Abs. 5 BGB wiederum ist gewährleistet, dass der Unterhaltspflichtige das Kindergeld nicht zusätzlich zum Selbstbehalt für sich selbst verwenden kann, wenn und soweit seine Leistungen zum Kindesunterhalt hinter dem Existenzminimum des Kindes zurückbleiben, das der Gesetzgeber mit 135 % des Regelbetrags gleichsetzt.

Diese Gleichsetzung ist gerechtfertigt. Ab 1999 betrug das Existenzminimum eines Kindes - ermittelt auf der Grundlage des Sozialhilfebedarfs - jährlich 6.696,00 DM = monatlich 558,00 DM (BT-Drucksache 13/9561, S. 4), wobei, verteilt auf die einzelnen Altersstufen, in der ersten Altersstufe 461,00 DM, in der zweiten 544,00 DM und in der dritten 670,00 DM anzusetzen waren. Nach der Regelbetragsverordnung 1999, die bei Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des § 1612 b Abs. 5 BGB noch gültig war, hätten diese Beträge in der 1. und 3. Altersgruppe zwischen 128 und 135 % und in der 2. Altersgruppe zwischen 121 und 128 % der Regelbeträge gelegen. Wenn der Gesetzgeber in § 1612 b Abs. 5 BGB 135 % des jeweiligen Regelbetrages als maßgebliche Größe für die Bestimmung des Existenzminimums gewählt hat, so hält sich dies ganz offensichtlich im Rahmen zulässiger Pauschalierung. Mit anderen Worten: Dem Kind kommt nach der gesetzlichen Neuregelung nicht mehr zugute, als es zum Leben existenziell benötigt. Dem Unterhaltspflichtigen wird (weil sein notwendiger Selbstbehalt unangetastet bleiben soll) mehr als das für den eigenen Lebensbedarf unabdingbar Notwendige belassen. Weggenommen wird ihm nur eine Vergünstigung, die ihm der Staat gerade deshalb gewährt, weil ihm die Leistung des Existenzminimums des Kindes ermöglicht werden soll. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zwischen dem Barunterhaltspflichtigen und dem Barunterhaltsberechtigten ist hiernach nicht gegeben.

IV.

§ 2 UTAG sieht vor, dass Urteile, Beschlüsse und andere Schuldtitel, in denen Unterhaltsleistungen für ein minderjähriges Kind nach dem bisherigen Recht zuerkannt, festgesetzt oder übernommen sind, auf Antrag im vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO dahin abgeändert werden können, dass die Anrechnung von kindbezogenen Leistungen (insbesondere Kindergeld) nach Maßgabe der Neuregelung des § 1612 b Abs. 5 BGB unterbleibt. § 655 ZPO sieht die Abänderung eines Unterhaltstitels im vereinfachten Verfahren vor, wenn sich ein für die Berechnung kindbezogener Leistungen, die im Unterhaltstitel angerechnet wurden, maßgebender Umstand ändert. In seinem originären Anwendungsbereich kann eine Änderung im Extremfall zwar auch darin bestehen, dass die Anrechnung gänzlich unterbleibt, z.B. wenn der Unterhaltspflichtige seine Kindergeldberechtigung dem Grunde nach (etwa durch Umzug ins Ausland) verliert, im Regelfall wird sich jedoch nur eine geringfügige Änderung der Höhe nach ergeben, wenn das Kindergeld entweder durch Entscheidung des Gesetzgebers für alle Kinder geändert wird oder wenn die Kindergeldberechtigung für ein anderes (erstes) Kind entfällt und für ein (bisher) drittes oder viertes Kind nur noch ein vermindertes Kindergeld bezahlt wird. Die hiernach zu berücksichtigenden Veränderungen bei der Kindergeldanrechnung gehen regelmäßig mit einer Erleichterung der Barunterhaltslast für den Unterhaltspflichtigen einher: Gesetzliche Änderungen der Kindergeldhöhe waren bisher stets solche nach oben, nicht nach unten. Der Wegfall der Kindergeldberechtigung für ein älteres Kind steht meist im Zusammenhang mit dessen wirtschaftlicher Verselbständigung, also dem Wegfall oder der Verminderung der Barunterhaltsbedürftigkeit, wodurch sich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen für den Unterhalt der übrigen Kinder erhöht. Deshalb steht im originären Anwendungsbereich des § 655 ZPO zu erwarten, dass die nach dieser Vorschrift vorzunehmende Abänderung des titulierten Unterhalts die Leistungsfähigkeit des Schuldners für den neuen Zahlbetrag nicht oder kaum beeinträchtigt. Die Änderung der Kindergeldanrechnung gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB n.F. hingegen, die im Verfahren nach §§ 2 UTAG, 655 ZPO durchgesetzt werden soll, bringt für die Unterhaltsschuldner durchweg eine finanzielle Mehrbelastung mit sich, die sich, wie noch näher darzustellen ist, gerade in den untersten Einkommensgruppen gravierend auswirkt.

In diesem Verfahren kann der Antragsgegner nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Verfahrens als solchen, gegen den Zeitpunkt der Abänderung oder gegen die Berechnung des Betrags der anzurechnenden Leistungen geltend machen. Die Einwendung, er sei zur Leistung des geänderten Unterhaltsbetrages nicht im Stande, ist ihm verschlossen. Er wird damit auch nicht im Beschwerdeverfahren gehört (§ 655 Abs. 5 ZPO). Das Gesetz eröffnet ihm allerdings in § 656 ZPO die Möglichkeit, im Wege der Klage eine entsprechende Abänderung des nach § 655 ZPO ergangenen Beschlusses zu verlangen. Über diese Möglichkeit ist er im Abänderungsbeschluss zu belehren (§§ 655 Abs. 6, 649 Abs. 3 ZPO). Eine solche Klage auf "Abänderung der Abänderung" ist jedoch nur zulässig, wenn sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses erhoben wird.

Das Gesetz mutet dem Unterhaltsschuldner, der mit einem Verfahren gemäß § 655 ZPO (ggf. i.V.m. § 2 UTAG) überzogen wird, also zu, auch dann einen (sogleich vollstreckbaren) Unterhaltstitel im vereinfachten Verfahren gegen sich ergehen zu lassen, wenn er sich für den neu festzusetzenden Unterhalt nicht für leistungsfähig hält, und diesen Einwand sodann in einem Nachverfahren geltend zu machen, wobei er, wenn er die Frist versäumt, mit diesem Einwand jedenfalls so lange ausgeschlossen bleibt, bis sich in den für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umständen eine Änderung ergibt. Dahinter steht die gesetzgeberische Erwägung, dass die Neufassung des § 1612 b Abs. 5 BGB in einer Vielzahl von Fällen zu einer Neufestsetzung des Unterhalts führen muss und dass hierfür ein leicht zu handhabendes Massenverfahren zur Verfügung gestellt werden muss. Hierdurch wird im Interesse einer generellen Verfahrensbeschleunigung und -erleichterung die Effektivität des Rechtsschutzes für den Unterhaltsschuldner im Einzelfall in Frage gestellt.

1.

Die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG) abzuleitende Rechtsschutzgarantie gewährleistet in zivilrechtlichen Streitigkeiten - ebenso wie Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG für den Bereich des öffentlichen Rechts - nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offensteht. Sie garantiert vielmehr auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Die Rechtsschutzgewährung durch die Gerichte bedarf allerdings einer normativen Ausgestaltung durch eine Verfahrensordnung. Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den einzelnen Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. Darin findet die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zugleich ihre Grenze. Der Rechtsweg darf danach nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 88, 118, 123 f.).

In § 2 UTAG i.V.m. § 655 ZPO beschneidet der Gesetzgeber die Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners im Interesse einer Verfahrensvereinfachung bei der Anpassung bereits bestehender Unterhaltstitel (in denen die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners regelmäßig schon überprüft wurde) an die neue Rechtslage gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB. Er nimmt in Kauf, dass im vereinfachten Verfahren Unterhaltstitel errichtet werden, die der materiellen Rechtslage nicht entsprechen, weil der neu festzusetzende Unterhalt die Leistungsfähigkeit des Schuldners überfordert, und verweist ihn in diesen Fällen auf die Wahrnehmung seiner Rechte in einem von ihm selbst zeitnah anzustrengenden Nachverfahren, in dem erstmals eine richterliche Kontrolle stattfindet (das vereinfachte Verfahren ist dem Rechtspfleger übertragen). Diese Hintansetzung der Interessen des Schuldners ist nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit der Gesetzgeber davon ausgehen konnte, dass die Neufestsetzung in der Regel zu einem auch materiell richtigen Unterhaltsbetrag führt. Wäre dies nicht der Fall, kann der Gesichtspunkt der Verfahrensvereinfachung nicht so schwer wiegen, dass in Bezug auf die Auswirkung der Regelung auf den einzelnen Rechtsuchenden (Unterhaltsschuldner) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet ist (vgl. hierzu BVerfG a.a.O.). Käme es nämlich bei einer Neufestsetzung ohne Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in der Mehrzahl der Fälle zu einem materiell unrichtigen Zahlbetrag, der nur im Wege der Anpassungskorrekturklage nach § 656 ZPO berichtigt werden könnte, so hätte die gesetzliche Regelung zur Folge, dass das gerechte Ergebnis (welches Ziel jeder rechtsstaatlichen Verfahrensordnung sein muss) überwiegend nur auf einem Umweg erreicht wird; das vom Gesetzgeber vorgesehene Verfahren führte nicht zu einer Vereinfachung, sondern zu einer Komplizierung der Durchsetzung des materiellen Rechts. Hinzu kommt, dass eine Anpassung des im Vereinfachten Verfahrens festgesetzten Zahlbetrages nur auf Initiative des Unterhaltspflichtigen erfolgt, die er zusätzlich zu seinen Anstrengungen zur Rechtsverteidigung im Vereinfachten Verfahren selbst entfalten muss, und zwar innerhalb einer Ausschlussfrist, deren Versäumung unwiederbringliche Rechtsnachteile nach sich zieht. Eine solche Verfahrensgestaltung wäre mit dem Gebot eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht vereinbar. Dies muss auch gelten, wenn die Ausgestaltung des Vereinfachten Verfahrens nicht alle hiervon betroffenen Unterhaltsschuldner, aber doch einzelne (nicht nur kleine) Gruppen von ihnen in der beschriebenen Weise benachteiligt, sofern diese sich tatbestandlich von den übrigen abgrenzen lassen; der Vorteil der Typisierung kann eine teilweise benachteiligende Regelung nur rechtfertigen, wenn von der Benachteiligung nicht ganze Personengruppen betroffen sind (BGH, FamRZ 1983, 40, 43 m.w.N.), und mindert sich auf 0, wenn die nachteilig Betroffenen ihrerseits von einer typisierenden Regelung erfasst (d.h.: von der generellen Regelung ausgenommen) werden könnten.

2.

Ob die Anpassung bestehender Unterhaltstitel in der Mehrzahl der Fälle zu einem materiell richtigen Ergebnis führt, lässt sich nicht ohne einen Blick auf die Praxis der Unterhaltsbemessung in der Vergangenheit beantworten. Die Überprüfung ergibt, dass die Anpassung im vereinfachten Verfahren dann regelmäßig nicht zu einer Überforderung der Unterhaltsschuldner führt, wenn der zuvor festgesetzte Unterhalt mehr als eine Einkommensgruppe über dem Regelbetrag gelegen hat, jedoch überwiegend zu einer Überforderung der Leistungsfähigkeit derjenigen, die bisher Kindesunterhalt in Höhe eines Betrages geschuldet haben, der den Regelbetrag abzüglich des hälftigen Kindergeldes nicht überstieg.

a) Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung hat die große Mehrzahl der Familiengerichte in Deutschland die Bemessung von Unterhalt für minderjährige Kinder nach der Düsseldorfer Tabelle vorgenommen. Diese orientierte die Höhe des Kindesbedarfs in den jeweiligen Altersgruppen (die denjenigen der Regelbetragsverordnung entsprechen) am Einkommen des Unterhaltspflichtigen und an der Zahl der Unterhaltsberechtigten, denen er Unterhalt schuldete. Die Beratungspraxis der Notare und der Jugendämter, bei denen ein Unterhaltspflichtiger ebenfalls Unterhaltstitel (in Form vollstreckbarer Urkunden) errichten lassen konnte, hat sich an derselben Rechtsprechung orientiert. Von der gesetzlichen Neuregelung potentiell betroffen sind Unterhaltspflichtige, die bisher Unterhalt nach Gruppe 1 bis 5 der Düsseldorfer Tabelle (100 bis 128 % des Regelbetrages) leisten mussten.

Ein höherer Bedarf als der Mindestbedarf (der regelmäßig mit 100 % des Regelbetrages angesetzt wurde) wurde dem Kind dabei regelmäßig nur zuerkannt, wenn dem Unterhaltspflichtigen nach Leistung des Barunterhaltes zumindest der Bedarfskontrollbetrag nach Gruppe 2 oder der entsprechend höheren Gruppe der Düsseldorfer Tabelle verblieb. Nur wenige Oberlandesgerichte (Frankfurt, Rostock und Thüringen) sehen in ihren unterhaltsrechtlichen Leitlinien keine Beachtung des Bedarfskontrollbetrages vor (der eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen Unterhaltsberechtigtem und -verpflichtetem gewährleisten soll).

Bis 1995 (vor Erhöhung des gesetzlichen Kindergeldes) entsprach es herrschender Meinung, dass zur Bedarfskontrolle der Kindesunterhalt mit den Bedarfsbeträgen (also nicht mit den um das hälftige Kindergeld verminderten Zahlbeträgen) vom Einkommen des Verpflichteten abzusetzen war (vgl. das Berechnungsbeispiel von Scholz, FamRZ 1993, 125, 133). Nachdem das Kindergeld ab 1996 deutlich erhöht worden ist und nunmehr auch die Funktion eines Steuerentlastungsbetrages übernommen hat (der bisher ein selbstverständlicher Einkommensbestandteil war), wird dies nicht mehr einheitlich gehandhabt. Eine Vielzahl von Gerichten setzt zur Bedarfskontrolle nur noch die Zahlbeträge vom Einkommen ab. Mit welcher statistischen Häufigkeit das eine oder andere praktiziert wird, lässt sich aus Sicht des Senats nicht zuverlässig beurteilen; relativ sicher ist nur, dass beide Berechnungsmethoden angewendet werden, ohne dass zwischen ihnen von einem eindeutigen Regel-Ausnahme-Verhältnis gesprochen werden könnte. Dies ist dem Senat sowohl aus Gesprächen mit Kollegen wie aus Erörterungen mit Anwälten bekannt, die mit der Bemessungspraxis bei anderen (erst- und zweitinstanzlichen) Familiengerichten vertraut sind. Wurde bei der Erstfestsetzung von Unterhalt die zweite Methode praktiziert, musste z.B. ein Unterhaltspflichtiger mit einem Nettoeinkommen zwischen 2.700,00 und 3.100,00 DM (wenn die Unterhaltsfestsetzung nach dem 1.7.1999 erfolgt ist), der (nur) für drei minderjährige Kinder Unterhalt schuldet, Unterhalt nach Gruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle (also von 114 % des Regelbetrages) leisten, wenn ihm von seinem anrechenbaren Einkommen nach Abzug der Zahlbeträge noch 1.700,00 DM oder mehr verblieben. Hält sich das verbleibende Einkommen im Bereich dieser Untergrenze, so kann die gesetzliche Neuregelung je nach Alter der Kinder dazu führen, dass im vereinfachten Verfahren ein Unterhalt festgesetzt wird, wonach ihm nur noch ein Einkommen zwischen 1.379,00 und 1.475,00 DM verbleibt: Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kindesbedarf nach Gruppe 3, 3. Altersstufe, der seinerzeit maßgeblichen Düsseldorfer Tabelle und 135% des Regelbetrags in derselben Altersstufe beträgt 107,00 DM, das Dreifache hiervon 321,00 DM; in diesem Umfang hat der Kindergeldabzug nach der gesetzlichen Neuregelung zu unterbleiben; war der Bedarfskontrollbetrag von 1.700,00 DM beachtet worden, dem Pflichtigen aber auch kein höherer Betrag verblieben, so reduziert sich das für ihn selbst verfügbare Einkommen nach einer Neufestsetzung ohne Rücksicht auf seine Leistungsfähigkeit auf den genannten (untersten) Betrag von 1.379,00 DM. Gehörten die drei Kinder der ersten Altersstufe an, beträgt der Unterschied zwischen 114 % und 135 % des Regelbetrages der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 01.07.1999, je 75 DM, das Dreifache hiervon 225 DM; nach Abzug dieses Betrages vom Bedarfskontrollbetrag von 1.700 DM blieben dem Unterhaltspflichtigen noch 1.475 DM.

Ergab sich, dass der Unterhaltspflichtige aus dem laufenden Einkommen nicht einmal den Regelbetrag (ohne Kindergeldabzug) aufbringen konnte, so sah bereits § 1612 b Abs. 5 BGB in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung vor, dass der Kindergeldabzug gemäß § 1612 b Abs. 1 BGB insoweit unterblieb, als der vom Schuldner aufzubringende Betrag hinter dem Regelbetrag zurückblieb. Auch schon vor Inkrafttreten dieser Regelung entsprach es (zunächst) ganz herrschender Meinung, dass zur Sicherung des Mindestbedarfs nach § 1610 Abs. 3 BGB (also des Regelbedarfs nach der Regelunterhalt-Verordnung) auch das Kindergeld einzusetzen war (BGHZ 104, 158 = FamRZ 1988, 705; FamRZ 1992, 539; 1987, 270 - Zählkindvorteil; noch weiter gehend FamRZ 1991, 182, 184; 1992, 1064, 1065: Einkommenszurechnung des Kindergeldes außerhalb eines Mangelfalles; vgl. auch die Anm. C zur Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.1996). Auch in der in FamRZ 1997, 806 veröffentlichten Entscheidung, in der der BGH seine Rechtsprechung zur Anrechnung von Kindergeld modifiziert hat, hat er es nicht für "unterhaltsfest" erklärt, sondern seinen Einsatz für Unterhaltszwecke von Billigkeitserwägungen abhängig gemacht (und in einer späteren Entscheidung ohne nähere Begründung bejaht, vgl. FamRZ 1999, 372, 374).

Bei einem vor dem 31.12.2000 errichteten Titel, der keinen höheren Zahlbetrag als den Regelbetrag abzüglich des hälftigen Kindergeldes ausweist, kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Unterhaltspflichtige bei seiner Errichtung den vollen Regelbetrag aus dem laufenden Einkommen (ohne Kindergeldeinbezug) aufbringen konnte.

Überprüft man sämtliche Einkommensgruppen nach dem obigen Schema und unterstellt (was der Rechtswirklichkeit in vielen Fällen nahekommen dürfte), dass die letzte Unterhaltsfestsetzung oder -anpassung nach dem 1.1.1996 erfolgt ist und dass bei der bisherigen Unterhaltsfestsetzung die Bedarfskontrollbeträge bzw. bei einer Festsetzung des Unterhalts nach der Einkommensgruppe 1 der notwendige Selbstbehalt zwar beachtet wurden, hierbei aber nur die Unterhaltszahlbeträge (und nicht die Tabellenbeträge) berücksichtigt worden sind, so kann bei einer Neufestsetzung des Unterhalts ohne Überprüfung der Leistungsfähigkeit im Extremfall (also wenn bei der Erstfestsetzung der Bedarfskontrollbetrag bzw. in Gruppe 1 der notwendige Selbstbehalt nicht wesentlich überschritten war) zu Lasten des Unterhaltspflichtigen folgendes herauskommen (alle Beträge in DM):

nach Neuregelung verbleibendes Einkommen

Erstfestsetzung verbleibendes nach Einkommen bei 1 Kind bei 2 Kindern bei 3 Kindern

Gruppe 1 1.300/1.500 1.165/1.365 1.030/1.230 880/1.080

Gruppe 2 1.600 1.465 - 1.500 1.330 - 1.400 1.187-1.300

Gruppe 3 1.700 1.593 - 1.625 1.486 - 1.550 1.379-1.475

Gruppe 4 1.800 1.721 - 1.750 1.658 - 1.700 1.587-1.650

Gruppe 5 1.900 1.864 - 1.875 1.828-1.850 1.792-1.825

Die meisten Unterhaltsschuldner mit minderjährigen Kindern stehen im Erwerbsleben und leisten den Unterhalt aus Erwerbseinkommen. Der Mindestselbstbehalt für Erwerbstätige ist bei Inkrafttreten der Neuregelung mit monatlich 1.500,00 DM (für nicht Erwerbstätige mit 1.300 DM) angenommen worden. Die letzte Anhebung des notwendigen Selbstbehaltes in der Düsseldorfer Tabelle, von deren regelmäßiger Anwendung in der Praxis der Gesetzgeber ausgehen konnte und musste, lag 5 Jahre zurück; auf Grund des fortschreitenden Anstiegs sowohl der Verbraucherpreise als auch der Durchschnittseinkommen in diesem Zeitraum war absehbar, dass ein Selbstbehalt in dieser Höhe seiner Funktion, dem Unterhaltspflichtigen einen fühlbar über dem eigenen Existenzminimum liegenden Eigenbedarf zu gewährleisten, nur noch unvollständig gerecht wurde. Zum 1.7.2001 sind die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle erwartungsgemäß um knapp 10 % angehoben worden.

Die obige Berechnung zeigt, dass eine Neufestsetzung des Unterhalts ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners in den Fällen nahezu zwangsläufig zu einer Unterschreitung des Selbstbehalts und damit zu einer Überforderung des Unterhaltsschuldners führt, in denen bisher Unterhalt nach Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle (abzüglich des hälftigen Kindergeldes) tituliert worden ist. In den Fällen, in denen der Unterhalt bisher nach Gruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle bemessen wurde, ist dies - gemessen am seinerzeit maßgeblichen Selbstbehalt - nicht zwangsläufig, aber häufig der Fall. Erst bei einer ursprünglichen Unterhaltsfestsetzung oberhalb von Gruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Gruppe 3 bis 5) ist eine Überforderung des Unterhaltsschuldners durch die Neuregelung kaum zu befürchten. Zum einen ist der Extremfall (bei der bisherigen Festsetzung wurde der Bedarfskontrollbetrag "ausgereizt") nicht der Regelfall. Zum zweiten stellt eine Barunterhaltspflicht für drei minderjährige Kinder heutzutage die Ausnahme dar (die Durchschnittsfamilie hat ein bis zwei Kinder). Zum dritten schließlich ist vorliegend unterstellt worden, dass bei der Bedarfskontrolle nicht die Bedarfs-, sondern die Zahlbeträge abgesetzt wurden, was, wie ausgeführt, einer zwar verbreiteten, aber nicht durchgängigen Praxis entspricht (wurden statt dessen die Bedarfsbeträge abgesetzt, verblieb dem Schuldner der Kindergeldanteil, den er nach § 1612 b Abs. 1 BGB vom Tabellenunterhalt absetzen konnte, wodurch sich der Zahlbetrag entsprechend verringerte, zusätzlich zum Bedarfskontrollbetrag; die gesetzliche Neuregelung, wonach ihm der Kindergeldanteil ganz oder teilweise "weggenommen" wird, gefährdet seine Leistungsfähigkeit somit nicht, so lange der seinerzeit maßgebliche Bedarfskontrollbetrag höher war als der - neue - notwendige Selbstbehalt). In den wenigen Fällen, in denen die Neufestsetzung im vereinfachten Verfahren trotzdem auch bei Schuldnern, die bisher schon Unterhalt nach einer höheren als der zweiten Einkommensgruppe geschuldet haben, zu einer Unterschreitung des Selbstbehalts führt, sieht der Senat die Korrekturmöglichkeit nach § 656 ZPO als ausreichend zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses an. Das Gleiche gilt für die (statistisch wohl wenigen) Fälle, in denen bisher eine Unterhaltsfestsetzung auf einen höheren als den Regelbetrag ohne Rücksicht auf den Bedarfskontrollbetrag vorgenommen worden ist.

Dagegen rechtfertigt der Zweck des vereinfachten Verfahrens nicht die Einbeziehung von Unterhaltstiteln, in denen - wie vorliegend - bisher Unterhalt nach Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle (abzüglich des hälftigen Kindergeldes) festgesetzt wurde. Eine Neufestsetzung ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wie sie im Vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO erfolgt, führt hier in den meisten Fällen zu einer unterhaltsrechtlichen Überforderung. Zu Lasten des Schuldners, dem im Vereinfachten Verfahren der meist allein Erfolg versprechende Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit nicht gestattet wird, wird ein Titel errichtet, der überwiegend nicht der materiellen Rechtslage entspricht und der (jedenfalls so lange sich keine zusätzlichen Abänderungsgründe ergeben) perpetuiert wird, wenn der Unterhaltspflichtige sich nicht zeitnah in einem ordentlichen Verfahren (welches das Vereinfachte Verfahren seiner Zielsetzung nach gerade vermeiden helfen will) zur Wehr setzt. Diese Abhilfemöglichkeit scheint desto unzulänglicher, als zu dem auf Schuldnerseite betroffenen Personenkreis in überdurchschnittlichem Umfang auch Menschen mit geringer "sozialer Kompetenz" gehören, die mehr als andere Gefahr laufen, die Wahrnehmung ihrer Rechte zu versäumen, d.h. konkret, den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit nicht oder nicht rechtzeitig in einem gesonderten, von ihnen anzustrengenden Verfahren vorzubringen, vor allem wenn er im Vereinfachten Verfahren - einfach-rechtlich zutreffend - bereits als unbeachtlich zurückgewiesen worden ist. Die einander ergänzenden Regelungen der §§ 655, 656 ZPO werden von den Bürgern trotz entsprechender (formularmäßiger) Belehrung durch das Familiengericht nicht verstanden, was für den Senat daraus offensichtlich ist, dass in den einschlägigen Beschwerdeverfahren regelmäßig (nur oder in erster Linie) fehlende Leistungsfähigkeit eingewandt wird, obwohl dieser Einwand von der ersten Instanz unter Hinweis auf die Gesetzeslage jeweils schon zurückgewiesen worden ist. Für die Inanspruchnahme anwaltlichen Rates fehlt den Unterhaltspflichtigen, die bisher nur den Regelbetrag als Kindesunterhalt aufbringen mussten, das Geld. Die Rechtsantragstellen der Amtsgerichte sind mangels hinreichender personeller Ausstattung angesichts der Vielzahl der Fälle, in denen sich das Problem stellt, mit einer vergleichbaren (individuellen) Rechtsberatung überfordert. Durch die konkrete Verfahrensgestaltung wird die Mehrzahl der Unterhaltspflichtigen, die sich in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren mit (mindestens teilweisem) Erfolg gegen eine Unterhaltserhöhung um einen Betrag, der dem hälftigen anteiligen Kindergeld ganz oder überwiegend entspricht, wehren könnten, regelrecht überrollt. Ein solches Verfahren widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen.

V.

§ 2 UTAG unterwirft alle dort aufgezählten Schuldtitel über Kindesunterhalt, die vor dem 1.1.2001 errichtet wurden, ohne Rücksicht auf die Höhe des titulierten Betrages auf entsprechenden Antrag des Unterhaltsgläubigers der Abänderung im Vereinfachten Verfahren. Eine verfassungskonforme Auslegung, wonach Titel, die nicht mehr als den seinerzeit gültigen Regelbetrag abzüglich des hälftigen Kindergeldes ausweisen, nicht nach dieser Vorschrift abänderbar sind, gibt die Vorschrift nicht her. Erst recht ist nicht zu erwarten, dass die Rechtspfleger, denen die Durchführung des Vereinfachten Verfahrens übertragen ist, die verfassungsrechtliche Problematik ernst genug für eine Vorlage an den Richter gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 RPflG nehmen.

Formulierungsschwierigkeiten bei der gesetzlichen Fassung eines - nach Überzeugung des Senats gebotenen - Ausnahmetatbestandes von der Anwendung des § 2 UTAG, die es im Interesse der Rechtsklarheit rechtfertigen könnten, die Vorschrift auf alle Schuldtitel zu erstrecken, sind nicht zu erkennen.

VI.

Die Entscheidung über die Beschwerde des Antragsgegners hängt (nur noch) von der Klärung der in der Beschlußformel gestellten verfassungsrechtlichen Frage ab. Eine mündliche Verhandlung (die im vorliegenden Verfahren nicht vorgesehen ist) verspricht keine weitere Sachaufklärung. Dass der im Vereinfachten Verfahren abzuändernde Unterhaltstitel keinen höheren Betrag als den seinerzeit geltenden Regelbetrag abzüglich des hälftigen Kindergeldes ausweist, ist aktenkundig (Bl. 6). Wenn § 2 UTAG in dieser Fallkonstellation einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält, ist die Beschwerde zurückzuweisen, wenn nicht (hiervon geht der Senat aus), hat sie Erfolg.

Ende der Entscheidung

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